Nr. 125. 26. Jahrgang.1. Knlme Ks Jonräts" f nlinet llollislilnlt.Mmch, 2.|««i 1909.20. Internationaler Bergarbeiter-Kongreß.---- Berlin. 31. Mai 1909.Im großen Saale des Berliner Gewerkschaftshauses wurdeBeute der 2 0. Internationale Bergarbeiterkongretzeröffnet. Es sind Delegationen aus Deutschland, England, Frank-reich, Oesterreich und Belgien anwesend. Amerika ist diesmalnicht vertreten. Die deutsche Delegation, die sich aus 44 Personenzusammengesetzt, besteht aus 37 Mitgliedern des alten Verbandes,7 Mitgliedern der Polnischen Berufsvereinigung und 1 Mitglieddes Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereins. Noch stärker als Deutsch-land ist England vertreten. Es hat nicht weniger als 60 Ab-gesandte geschickt. Die Tagesordnung des diesjährigen Kon-gresses wird mit Rücksicht aus das Radbod-Unglück vollständig be-herrscht von den beiden ersten Punkten: Größere Sicher-heit in den Gruben" und„Arbeiterkontrolleur e".Im Auftrage der Berliner Gewerkschaftskommission begrüßteRitter, im Namen der Generalkommission Sassenbach denKongreß. In ihren Ansprachen priesen sie vor allem die Friedens-liebe der Arbeiter aller Länder.Sodann ergriff das englische Parlamentsmitglied Mr.Edwards, der Vorsitzende der Internationalen Bergarbeiter-Föderation, das Wort und zog eine Parallele zwischen dem dies-jährigen Internationalen Bergarbeiterkongretz und dem Kongreß,der vor 1b Jahren gleichfalls in Berlin getagt hatte. Mancheralter Knappe ist inzwischen dahingegangen. Aber der Geist derAlten ist auf die Jungen übergegangen.(Großer Beifall.) ImHerzen des internationalen Proletariats besteht nur der eineWunsch: der Wunsch nach Frieden.(Demonstrativer Beifall.)Wenn unsere internationalen Kongresse nur diesen Wunsch zumAusdruck bringen, dann haben sie schon einen guten Zweck er-reicht. Möge bald der Tag kommen, an dem wir unsere Idealeverwirklicht sehen.(Lebhafter Beifall.)Deputierter Gonniaux- Frankreich: Unsere internationalenKongresse haben nicht nur den Zweck, berufliche Fragen zu lösen,sondern sie sollen auch die Bergarbeiter der verschiedenen Ländereinander näher führen. Die Schlichtung des Casablanca-Zwistesdurch einen Schiedsspruch ist ein großer Fortschritt. Möge sofortgefahren werden, dann werden wir bald dazu übergehenkönnen, die so drückend auf den Völkern lastenden Rüstungen ab-zuschasfen.(Stürmischer Beifall.)Marville-Bclgien: Wir Belgier haben von den Deutschengelernt, uns politisch zu organisieren, und von den Engländerndie Gewerkschaftsidee. So haben wir in Belgien, dem Himmelder Kapitalisten und der Hölle der Arbeiter, schon viel erreicht.((Großer Beifall.)Sachse: Vor 15 Jahren waren hier auf dem Jnter-nationalen Kongreß 20 000 deutsche Bergarbeiter vertreten. Heutesind erschienen 151 000.(Beifall.) Wenn wir auch noch keineunüberwindliche Macht sind, ein gewaltiger Fortschritt ist dochgemacht worden. In der Radbodgrube liegen noch die Leichenvon 300 braven tapferen Knappen. Dieses Massenunglück hat dieBergarbeiter der gesamten Welt in Erregung versetzt. Die Christ-lichen sind diesem Kongreß ferngeblieben. Uns wird das nichtschaden, höchstens denen, die sich gegen einen internationalen Zu-sammenschluß wenden. Wer es ehrlich mit den Bergarbeiternmeint, mutz auf internationalem Wege vorgehen.(StürmischerBeifall.) Die organisierten Bergarbeiter Deutschlands sind nichtnur für den Weltfrieden, sonder» auch für die Abrüstung.(Bei-fall.) Aus diesem Grunde begrüßen wir die Beilegung desCasablanca-Zwischenfalles ohne Schwertstreich.(Lebhafter Beifall.)Auch I a r o l i n. Oesterreich versicherte die Friedensliebeseiner Landsleute und nahm Bezug auf den österreichisch-serbischenKonflikt, für den 500 Millionen Kronen verpulvert worden seien.Nachdem sich der Kongreß konstituiert hatte, vertagte er sichauf Dienstag.Berlin, 1. Juni.Der 20. Internationale Bergarbeiterkongreß trat heute in seinesachlichen Beratungen ein. Der Vorsitz lag heute in den HändenDeutschlands und wurde vom Reichstagsabgeordneten Sachseausgeübt. Es wurde zunächst verhandelt der Punkt:Größere Sicherheit in den Gruben.Hierzu lag von der Föderation Großbritanniens folgender An-trag vor:.Dieser internationale Kongreß beklagt den sehr großen Ver-lust an Menschenleben, der beständig in den Bergwerken jedesLandes vorkommt, und fordert alle europäischen Regierungen auf,das Einbringen von Gesetzen zu beschleunigen, durch die solchschrecklichen Unfällen, wie sie in den letzten 12 Monaten in Groß-britannien und auf dem europäischen und amerikanischen Fest-lande vorgekommen sind, entgegengewirkt werden kann."kleines feuilleton.Die Anbetung der Bäume und der Gewässer. In„�rs etLabor" Wirft Alfreds Niceforo die Frage auf, ob heute nochBäume und Gewässer angebetet und verehrt werden. Die Fragemuß bejaht werden. Der Kult der Bäume und der Gewässer istim zwanzigsten Jahrhundert noch so verbreitet wie einst bei denVölkern der Urzeit. Der englische Naturforscher Sir John Lubbockerzählt in seinem Werke über den Urmenschen, daß es in Schott-land einen Eichenwald gab, der so heilig gehalten wurde, daßniemand auch nur einen einzigen Baumzweig abzuschneiden wagte.In Frankreich gibt es, wie wohl noch in jedem anderen Lande,Bäume, Gebüsche und Wälder, die wie Götter verehrt werden unddenen das Volt als Opfergabe bunte Bänder und andere Gegen.stände darbringt. Der Wald hat in der Volkslegende und imVolksglauben noch dieselbe Physiognomie, die er in den Legendenund im Glauben der Alten hatte. Die Legenden und der Glaubeder wilden Völkerschaften führen den Ursprung des Waldes aufHeilige, auf Geister und auf Feen zurück. Es gibt verzauberte, ver-fluchte und verhexte Wälder, Wälder, die von guten oder bösenGeistern, von Riesen und von Zwergen, von Ungeheuern und vonwilden Tieren bewohnt werden. In der Phantasie des Volkesgelten die Wälder noch immer als Wohnsitze der Dryaden(Baum-gottheiten oder Waldnymphen). In Frankreich zeigt man indiesem oder jenem Walde ein Fleckchen, die von den„d a m e sv c r t e s", den die Wälder schützenden Waldfeen, bewohnt wird.Die Verehrung der Gewässer, die besonders unter den RothäutenAmerikas(man weiß, daß die Indianer den Flüssen und denSeen ständig Opfer bringen» so sehr verbreitet ist, kommt in unserenGriten gleichfalls noch weit häufiger vor, als man glauben mag.In Schottland gibt es viele Quellen und Brunnen, die von denBauern angebetet werden: das Volk bringt diesen Quellen Münzen,Bänder und Baumzweige als Opfer dar. In Irland ist die Zahlder heiligen Quellen gleichfalls sehr groß. Der Wassergeist nimmtverschiedene Gestalten an: er erscheint bald as Mann, bald alsFrau, bald als Pferd oder als Stier. In der Bretagne werdenFlüsse, Seen, Kanäle, Bäche, Quellen und Brunnen verehrt. Manbringt den Wassergeistern Opfer, indem man Holzstücke, Münzen,Blätter, Bänder, Nägel, Kerzen, Knöpfe und Nadeln in das Wasserwirft. Die„wundertätigen" Quellen der Neuzeit sind im Grundenichts anderes als Ueberbleibscl der Quellenverehrung der Völkerder Borzeit. Die Motive, die jene Völkerschaften veranlaßten, dasFeuer, die Pflanze, den Baum anzubeten, sind nicht mehr überallvorhanden, der Quellenkult aber hat sich erhalten. Spencer stelltiv seinen Studien über die Sitten und die Gebräuche der wildenDiesen Antrag begründete S m i e l l h(England). Er führteaus, daß das ursprüngliche Ziel der Gewerkschaften gewesen sei,die Löhne der Arbeiter zu erhöhen. Damit verbunden aber seivon Anfang an gewesen das Ziel, die Gesundheit und das Lebender Arbeiter zu schützen. Dies sei besonders notwendig in einerIndustrie, wie es die Bergwerksrndustrie ist. Nun seien schon seit50 Jahren in den verschiedenen Ländern Gesetze geschaffen worden,die den Arbeiterschutz in den Bergwerken im Auge haben. Trotzdieser Gesetzgebung aber hat sich die Zahl der tödlichen Unfälle imBergbau ständig erhöht. Unter einem weitgehenden Bergarbeiter-schütz ist die Zahl der getöteten Bergleute in Großbritannien alleinim letzten Jahre(1908) um 61 Mann gestiegen. Es sind im Jahre1908 im ganzen in englischen Bergwerken 1306 Mann getötetworden.(Hört! hört!) Wenn wir nach den anderen Ländernblicken, so ist es nicht viel anders.— Es ist gestern soviel vomFrieden gesprochen toorden. Einer der Gründe, aus denen wirArbeiter gegen den Krieg sind, ist der, daß unsere Söhne ihr Lebenund ihre Gesundheit auf den Schlachtfeldern lassen müssen.(Sehrrichtig!) Wenn wir uns nun die Unfälle im Bergbau vor Augenführen und damit vergleichen die Zahl der getöteten Krieger aufden Schlachtfeldern, so kommen wir zum Ergebnis, daß kein großerUnterschied da ist. lLebhafte Zustimmung.) In den Bergwerkenwerden ebenso viel Personen getötet als auf den Schlachtfeldern.(Erneute Zustimmung.) Man wendet uns ein, ein besserer Ar-beiterschutz würde den Profit beeinträchtigen. Das mag sein; aberwir fordern gerade deshalb die Verstaatlichung der Bergwerke. DieVoraussetzung dafür ist, daß in den Parlamenten die Arbeiterklasserichtig vertreten ist.(Sehr richtig!) Für Kriegszwecke ist immerGeld da; wenn es sich aber darum handelt, Leben und Gesundheitder Arbeiter zu schützen, dann verweigern die Regierungen dieMittel. Wir müssen deshalb international gegen alle Regierungenvorgehen. Man hat sogar gesagt, die Frauen- und Kinderarbeitsei im Bergbau nicht zu vermeiden, denn viele Bergwerksbctriebewürden ohne sie überhaupt nicht existieren können.(Lachen.) Mitso verrosteten Argumenten kämpft man gegen uns. Gewiß, dasGrubenunglück auf Radbod hat große Erregung in der ganzenWelt hervorgerufen. Aber gerade die kleinen Unfälle, bei denenein Mann getötet oder verwundet wird, die nicht die Sympathiedes großen Publikums auf sich ziehen, sind es, die zur hohen Unfall-ziffer im Bergbau beitragen. Nehmen Sie.unsere Resolution ein-stimmig an.(Lebhafter Beifall.)Reichstagsabgeordneter H u e: Ich möchte an die englische Dele-gation die Frage richten, wie die Arbeiterkontrolleure in Englandgewirkt haben. Man hat uns im preußischen Landtag entgegen-gehalten, daß in England, wo es Arbeiterkontrolleure gebe, esdennoch zu Unfällen im Bergbau kommt.Brace(England). Mitglied des Unterhauses: Es ist richtig,daß wir in England Arbeiterkontrolleure haben. Aber wir sindmit ihnen durchaus nicht zufrieden. Sie haben noch lange nichtdie Funktionen, die wir verlangen. Schon seit längerer Zeitbringen wir deshalb im Parlament regelmäßig eine Bill ein,die ständige Arbeiterkontrolleure verlangt. Wir verlangen indieser Bill, daß für je 10 000 Mann ein Arbeiterkontrolleur ge-wählt werde. Da wir in England ungefähr eine Million Berg-arbeiter haben, so müßten ungefähr 100 Arbeiterkontrolleure ge-wählt werden. Die Kosten dafür würden rund 20 000 Pfund aus-machen. Das ist eine lächerliche Summe, wenn wir sie vergleichenmit den Kosten, die für die Zerstörung des menschlichen Leibesverwendet werden.(Stürmischer demonstrativer Beifall.) Beijeder neuen Erfindung fragt man sich: Wie kann man sie zurZerstörung anwenden? Ich erinnere nur an den Grafen Zeppelin,dessen Genie jetzt wieder Triumphe gefeiert hat. Aber sogleichnach seiner Erfindung tauchte die Frage auf: Wie können wir daslenkbare Luftschiff benutzen, um menschliche Leben zu zerstören?(Sehr richtig!) Würde man nur einen Teil der Energie, die mandafür verwendet, zu zerstören, dafür verwenden, Menschenlebenzu erhalten, es wäre tausendmal besser auf der Welt!(Stürmt-scher demonstrativer Beifall.) Die Bergarbeiter haben eine großepolitische Macht. Mögen sie sie benutzen zum Schutze von Lebenund Gesundheit ihrer Kameraden!B a l l a s(Belgien) begründet einen gleichfalls zu diesemPunkt von Belgien gestellten Antrag:„Die beträchtliche Zahl der Katastrophen jeder Art, wie auchdie zahlreichen in Bergwerken vorkommenden Unfälle, die denTod des Bergarbeiters verursachen oder ihn auf Lebenszeitarbeitsunfähig machen, beweisen das Bestehen einer dringendenNotwendigkeit, wirksamere Mittel zur Verhütung solcher Unfälleanzuwenden. Deshalb fordert der Kongreß, daß die Gesetze undVerordnungen in allen Ländern verschärft werden, so daß dieArbeitgeber gezwungen werden. Maßregeln zum größeren Schutzedes Lebens und der Gesundheit aller in Bergwerken beschäftigtenPersonen zu treffen."Er verwies darauf, daß auch in Belgien die Zahl der Unfälleim Bergbau sich ständig vermehrt hat, und suchte das an der Handeines reichhaltigen Zahlenmaterials eingehend nacyzuweisen.Völkerschaften Amerikas, Afrikas und Australiens die Behauptungauf, daß die Verehrung für die Gewässer und die Bäume mit demAhnenkult der wilden Völkerschaften zusammenhänge. Die Wildenglauben nämlich, daß sie von einem Tier, von einer Pflanze, voneinem Flusse oder vom Meere abstammen. In Australien setzeneinige Stämme ihre Toten noch heute in Boote und geben sie demMeere preis, auf daß es sie zu den Ahnen trage. Die Stauunes-Häuptlinge nannten sich nach einem Tiere oder nach einer Pflanze.Der Name wurde dann mit dem Gegenstande selbst verwechselt, unddie Folge war, daß die Menschen ihren Ursprung von Tieren oderPflanzen herleiteten. Spuren der Ouellenverehrung findet manübrigens noch in poetischen Märchen und Fabeln, in denen Jung-brunncn, Schönheitswasser und verzauberte Quellen eine Rollespielen.Gesundheit und Sterblichkeit der jüdischen Bevölkerung WienS. Dasösterreichische Gesundheitsamt hat bei Zusammenstellung derKrankheitS-und Sterblichkeitsstatistiken der bedeutenden, 120 000 Köpfe zählendenjüdischen Bevölkerung Wiens besondere Aufmerksamkeit zugewandt. DieVerhältnisse begünstigen die Aufstellung genauer statistischer Daten, so-weit eigene Krankenhäuser und Begräbnisstätten vorhanden sind undnicht selten auch die Wahl der Aerzte aus religiösen Gesichtspunkten er-folgt. Das augenfälligste Ergebnis dieser Statistiken ist, daß der Gesund-heitSzustand der jüdischen Bevölkerung ein auffallend guter ist undden der übrigen Ortsbevölkerung bei weitem hinter sich läßt.Während beispielsweise bei dieser in Vereinigungen, die tausendMitglieder zählen, jährlich etwa dreihundert Krankheitsfällevorkommen, beträgt bei der jüdischen Bevölkerung die entsprechendeZahl nur 207. Ein noch besseres Vergleichsmaterial liefert dieS terblichkeits-Statistik. Die Gesamtsterblichkeit der StadtWien hat sich in sechzehn Jahren von 21 vom Tausend auf 16,7 vomTausend im Jahre 1908 verringert. Innerhalb der jüdischen Ge-meinde beträgt sie nur ungefähr 13 vom Tausend, und zwar nichtetwa seit heut und gestern, sondern schon seit zwei Jahrzehnten.Dabei ist wohl in Betracht zu ziehen, daß die religiösen Vor-schritten der Juden eine Anzahl gesundheitlicher Maßnahmen vor-schreiben, die außerhalb ihres Kreises erst durch die moderne Hygieneeingebürgert worden sind. Auch der Vergleich auf dem Gebiete derKindersterblichkeit ist äußerst lehrreich. In Wien beträgt die Gesamt-sterblichkeit der Kinder unter einem Jahre 127 vom Tausend, in derjüdischen Gemeinde jedoch nur 83 vom Tausend. Die geringe Kinder-sterblichkeit ist bei der Beurteilung des oft großen Kinderreichtums derJuden von besonderer Bedeutung. Der relativen Nüchternheit der Männerist hier u. a. ein erheblicher wohltätiger Einfluß zuzuschreiben. Da-gegen sind die Juden g e i st i g e n Erkrankungen verhältnismäßigleichter zugänglich. Während in der übrigen einheimische» Be-Fialonie-Belgien begründete zur Frage der Arbeiter»kontrolleure folgenden Antrag seiner Nation:„Um das Vorkommen der schrecklichen Bcrgwerkskatastrophcnzu verhindern und den Untertagsarbeitern einen vollständigenSchutz des Lebens und der Gesundheit zu sichern, ist die Einsetzungvon Arbciterinspektoren dringend erforderlich. Die Bergarbeitersollten diese Inspektoren selbst auf Grund des allgemeinen Wahl-rechts wählen, und der Staat sollte sie für ihre Dienste hinreichendentschädigen. Es sollte ihnen das volle Recht erteilt werden, dieGruben zu inspizieren, sie in Fällen von Gefahr zu schließen undoffiziell gegen irgendeinen Arbeitgeber zu berichten, der die Vor-schriften oder irgendwelche von den Inspektoren oder Regierungs»ingenieuren zum Schutze der Gesundheit und zur Sicherheit derArbeiter gegebenen Befehle übertritt."Zur Begründung verwies der Redner darauf, daß die belgischenArbeiterkontrolleure nicht von den Bergleuten gewählt, sondernvon den sogenannten Jndustrieräten vorgeschlagen werden. DieseJndustrieräte bestehen aber zur Hälfte von Arbeitgebern und zurHälfte aus Arbeitern, so daß niemals eine Majorität zustandekommt. Es werden regelmäßig die Kandidaten der Bergbcsitzer ge-wählt. Die preußische Regierung hat kürzlich, bevor sie im Abgeord-netenhause die letzte Berggesetznovelle einbrachte, über die Wirkungder belgischen Arbeiterinspektoren Erhebungen angestellt. Die Ar-beiter wurden aber dabei nur in Gegenwart der Grubenbcamtengehört.(Hört! hört!) Die Vergpolizei liegt meist in den Händender Söhne der Bergherren, und daß die Söhne nichts gegen ihreVäter unternehmen werden, liegt doch auf der Hand.(Sehr richtig!)Deshalb verlangen wir unabhängige Kontrolleure. Es handelt sichhier nicht um eine Frage politischer oder religiöser Art, sondernum eine berechtigte Forderung zum Schutze des Lebens der Berg-arbeiter.(Lebhafter Beifall.)L L f f l e r- Deutschland vertrat zu derselben Frage folgendendeutschen Antrag:„Die große Katastrophe auf der Grube Radbod hat wiederbewiesen, daß die heutige Grubenkontrolle durchaus ungenügendist. Der Kongreß ist deshalb der Ansicht, daß nur durch die An-stellung von praktisch tüchtig geschulten Arbeitern als Gruben-kontrolleure eine bessere Sicherheit für Leben und Gesundheit derBergarbeiter erreicht werden kann. Nicht in der Einführung von„Sicherheitsmännern" erblickt der Kongreß eine wirksame Ne-form der Betriebskontrolle, sondern in der Anstellung von Ar»beiterkontrolleuren, die frei gewählt von den Belegschaften, völligunabhängig von den Bergwerksunternehmcrn sind und ausStaatsmitteln besoldet werden. Die Arbeiterkontrolleure müssendas Recht haben, so oft sie wollen oder so oft die Arbeiter cSverlangen, die Betriebe zu inspizieren."Der Antragsteller bezeichnete es als eine moralische Pflicht allerRegierungen, das Leben und die Gesundheit der Bergarbeiterbesser als bisher zu schützen. Aber in geradezu gröblicher Weisewird diese Pflicht ständig verletzt. Als die großen Bergwerks-katastwphen im Auslande eintraten, da erklärte die preußische Ne.gierung im Landtage, in Preußen seien derartige Massenunglückeunmöglich. Aber kaum war das Wort ausgesprochen, da geschahendie Katastrophen aus„Reden",„Klein-Rosseln",„Mathildenschacht"und„Radbod". Nach dem Unglück von„Reden" sagte der preußischeHandelsminister, wenn die Arbeiter den Arbeitgebern Vertrauenentgegenbrächten, würde die Regierung Arbeiterkontrolleuren nichtsin den Weg legen. Das Unglück auf„Radbod" aber war zu groß,die Wunden, die es geschlagen hatte, waren zu tief, als daß die Re.gicrung eine ähnliche Erklärung hätte abgeben können. Sie stelltevielmehr Arbeiterkontrolleure nunmehr in Aussicht. Leider gabsie diesen Kontrolleuren keine Befugnis. Die Sicherheitsmännerhaben eine Gestalt bekommen, daß wir sagen müssen: für ein solchesKontrollsystem danken wir.(Lebhafter Beifall.) Wenn selbst inEngland die Arbeiterkontrollcure gcmaßregelt werden, um wievielmehr wird das dann in Preußen geschehen. Wir verlangen Ar-bciterkontrolleure, die nicht auf Gnade und Ungnade den Zechen»Herren ausgeliefert sind.(Stürmischer Beifall.)R y m er- Polnische Berufsvereinigung: Uns Polen ist inDeutschland vor einem Jahr ein Gesetz beschert worden, das unsverbietet, uns in öffentlichen Versammlungen unserer Mutter-spräche zu bedienen.(Lebhaftes Hört! hört!) Nur auf intcr-nationalen Kongressen ist es uns noch gestattet, die polnische Sprachezu gebrauchen und von dieser Freiheit mache ich hiermit Gebrauch.(Stürmischer Beifall.) Auch wir verlangen eine reichsgesetzlicheRegelung des Bergarbeiterschutzes, denn zum preußischen Landtaghaben wir kein Vertrauen. Wie notwendig eine gute Kontrolle imBergbau ist, beweist die Zunahme der Unfälle um das Doppelte.(Stürmisches Hört! hört!)Auf mehrere Anfragen aus der Mitte der französischenDelegierten, ob tatsächlich die Unfälle im Bergbau in Deutsch-land so erheblich zugenommen haben, erwiderte Sachse:Tatsächlich hat sich die Zahl der Unsälle verdoppelt. Hinzufügenmutz ich jedoch, daß die Zahl der Unfälle, an denen die Arbeiter dieSchuld tragen sollen, um 10 Proz. zurückgegangen sind, während dievölkerung die Zahl der Geisteskrankheiten von 16 vom Tausend imJahre 1890 auf 48 vom Tausend im Jahre 1908 anwuchs, stiegsie innerhalb der jüdischen Bevölkerung in der gleichen Zeit von16 vom Tausend auf 102 vom Tausend. In der LebendSdauer istkein erheblicher Unterschied festzustellen. Allerdings ist die Zahl derAchtzigjährigen bei den Juden etwaS höher. DaS Verhältnis derGeschlechter ist ebenfalls nahezu daS gleiche, nur walten bei derjüdischen Bevölkerung die Knabengeburten etwaS vor. Fernerbleiben nur 8 Proz. der jüdischen Mädchen ledig gegen 12 Proz.der anderen.Humor und Satire.Der schwarz-grüne Block.Spritgesang und Kirchenliederschallen fröhlich durch die Lande;endlich haben sie sich wieder,Pfaffenbrut und Junkerbande.Ans dem Herzen, aus dem vollen.bricht der Jubelüberschwang:gar zu drückend war da? Schmollen,fast dritthalbe Jahre lang.Und der Freisinn steht danebenlief betrübt und sieht und hört,wie sie ihre Tatzen hebenund wie sich das Paar verschwört:„Keine Macht mehr soll uns hindert�ganz allein für uns zu stehn,ganz allein das Volk zu plündernund die Finsternis zu sä'n."Und der Junker sagt:„Auf Ehre!"Und der Pfaff:„Bei GotteS Wort I"Leise stiehlt sich eine Zähreaus des Nachbars Auge fort._ Fra'nz.Notizen.— Die Wasserkräfte Ungarns sind der Gegenstandeingehender Untersuchungen der hydrographischen Abteilung deskgl. ungarischen AckerbanministerwmS gewesen. Danach ergab sich,daß die ungarischen Flüsse geeignet sind 1 700 000 Pferdekräsleherzugeben. Es wird ein Gesetzentwurf ausgearbeitet, der die Aus-beutung dieses Nationalschatzeö ermöglichen soll. Die ungarischenStaatsbahnen beabsichtigen elektrischen Betrieb einzuführen undwandeln vorerst die Strecke Fiume— Kanieral— Moravicza derBudapeft-Fiumarner Linie für elektrischen Betrieb um.