Matte Seelen. Die notionaUiberalen Stimmen mehren sicki, die der national- liberalen Reichstagsfraktion empfehlen, sich den Bülowschen Wünschen anzupassen, die Freisinnigen links liegen zu lassen und sich als gerreue Helferin dem klerikal-konservativ-polnisch-ansisemitischen Block bei seinem vaterländischen Reformwerk anzuschließen. Nachdem bereits die„Wiesbadener Ztg." der nationalliberalen Reichstags- fraktion empfohlen hat, den rechtzeitigen Anschluß nicht z» verpassen, kommt jetzt auch der„Schwab. Merkur ", das führende Organ der württenlbergischcn Nattonalliberalen, mit der gleichen Mahnung. Das Blatt schreibt: „Wir wollen nicht entscheiden, ob das Spiegelbild der liberalen Presse die politische Natur des Fürsten Bülow richtig oder verzerrt wiedergibt. Wenn wir dieses Bild als richtig an- zuerkennen nicht geneigt sein sollten, so wäre eS doch nicht unsere Sache, den Fürsten Bülow gegen seine Lieblinge in Schutz zu nehmen, und zwar nicht sowohl wegen seiner berannten Stellung zur Zentrumspartei , als vielmehr deshalb, weil wir stets gewünscht haben und noch wünschen. eine rein sachliche Politik zu treiben gegen- über der von persönlichen wie parteitaktischen Momenten beherrschten bisherigen Politik des Liberalismus in der Neichsfinanzreform. An dem Fürsten Bülow wird eS sein, zu zeigen, ob auch er lediglich der Sache selb st diene und daher die im Interesse des Reiches dringend notwendige Reichsfinanzreform unter allen ll m st ä n d e n, gleichviel ob unter liberaler Mitwirkung, die, wenn sie selbstlos erfolgte, auch uns erwünscht gewesen wäre. oder, wenu'S sein muß, auch gegen die liberale Obstruktion, seiner Erklärung gemäß»noch in diesem Sommer" in Sicherheit bringen will." Die unfreiwilligen Witze der klerikalen„Kölnischen PolkSztg." waren seit jeher die besten. Und der obige Satz von der»rein sachlichen Politik" der Zentrnmsbläiter gehört unter diesen Witzen, wie wir dem großen Kölner.Prinzipienblalt" gern be- stätigen, nicht zu den schlechten. Die ultramontane Presse als Wer- treten» der Sachlichkeit! Der Anspruch ist wirklich zu komisch. Um die Verteilung des letzten Fünftels. Die Proteste der Unternehmerschaft gegen die Steuer- beschlüsse der Runtpfkommission mehren sich. Der Zentral- ausschuß Berliner kaufmännischer� gewerblicher und industrieller Bereine hat in seiner Plenarsitzung vom 2. Juni, in dem 106 dem ZentralauLschust angeschlossene Vereine und Verbände durch ihre Delegierten vollzählig vertreten waren, einstimmig eine Erklärung beschlossen, in der es heißt: »Die Finanzlommission hat. anstatt große tragkraftige Steuer- objekte heranzuziehen und den Fehlbetrag durch eine alle leistungS- fähigen Schultern treffende Nachlaßbesteuerung zu decken, in einer in der politischen Wirtschaftsgeschichte bis jetzt unerhörten Art der Gesetzmacherei einzelne Gewerbezwdge herausgegriffen und diese mit Steuern bedroht, deren Ertrag in keinem Verhältnis stünde zu der damit verbundenen Berteuermig, Belästigung und Schikanierung, und deren Konsequenzen für Hersteller, Wiederverkäufer und Kleingewerbetreibende unübersehbar wären; sie hat die<Äe- legenheit benutzt, um den Bersuch zu machen, nicht nur das mobile Kapital, sondern auch die Börse emp« findlich zu treffen und damit den Lebensnerv unserer Volkswirtschaft lahm zu legen oder zu unterbinden: sie hat schließlich in dem Antrage auf Ein- führuna einer gestaffelten Mühlenumsatzstener in die Reichsfinanz- reform�eine reine Jntereffenpolitik dienende ErdrostelungSsteuer ein- gefügt, zwar nicht ihren Zweck erreichen, wohl aber die Ver- teuerung des Mehles und die Verlegung der Vermahlung nach dem Auslande herbeiführen würde. Sie hat also die weitere Ver- teuerung des Brotgetreides, des wichtigsten Nahrungsmittels der breitesten Masten des Volkes, auch bei dieser rein sinanz- und nationalpolitischen Gelegenheit zu fördern gesucht. Nach alledem hält es der Zentralausschuß an der Zeit, daß Handel, Industrie-, Groß- und Kleingewerbe ihre bisherige Reserve aufgeben und sich zu einer geschloffenen Kampforganisation zusammenstnden." Abwehrversammlnngen gegen die Steuervorlagen. Zu den vielen Protestversammlungen, die bereits angekündigt sind, kommt noch eine neue, die am 12. Juni in Berlin zusammen, treten wird. Unter allen Protestkundgebungen dürfte diese die bei weitem bedeutendste werden; denn sie wird arrangiert vom Zentral- verband des deutschen Bank- und Bankiergewerbes und von dem Zentralverbynd deutscher Industrieller...v ,,.;., i- /.*,■ Grundstücksverkäufe. Der deutsch -soziale Reichstagsabgeordnete Dr. Böhme hatte vor einiger Zeit die Großgrundbesitzer als Güierspekulanten bezeichnet, deren Familiensinn keiner besonderen Schonung bedürfe. Dem Dr. Böhme ist dies sehr übel gedeutet worden. Wie recht er aber hatte, weist Profeffor Dr. Doormann in der„Voss. Ztg." an der Hand der Statistik nach. Er schreibt: „Was zunächst den EigentumSwechscl einerseits durch Erbgang, Vermächtnis usw., anderseits durch Kauf, Tausch und Enteignung anlangt, bei allen land- und forstwirtschaftlichen Grund- stücken über zwei Hektar Umfang, so lieferte das Jahrzehnt 1896 bis 190S im Durchschnitt insgesamt 62 2S5 Fälle jährlich; davon entfallen 24 8S2 oder 39,7 Proz. auf Erbfälle, der Rest auf Käufe. Verfolgt man die einzelnen Jahre, soweit daS vorliegende Material eS gestattet, so stellten sich die entsprechenden Prozentsätze in den Jahren 1903 bis 190ö auf bezw. 38,1 Proz., 33,4 Proz., 36.S Proz. Es scheint demnach keinem Zweifel zu unterliegen, daß der Anteil der Erbgänge und ähnlicher Fälle deS BesitzwschfelS zrirückaeht, dagegen der Besitz- Wechsel infolge Kaufs usw. nicht nur absolut, sondern auch relattv zunimmt." Es muß demnach in den Kreisen der Agrarier doch nur noch sehr schwächlich um den„Hang an der Scholle" und den„germani- schen Familiensinn" bestellt sein. Oefteireicb. Agrarische Flcischverteuerungspolltik. Wien . 2. Juni. Die Regierung wird morgen dem Ncichz- rate einen Gesetzentwurf vorlegen betreffend die Errichtung einer staatlichen Vieh verwertungszentrale. deren wichtigste Aufgabe die Förderung der Vieh- ausfuhr nach dem Auslande und eine bessere O r g a n i- sation der Viehverwertung auf den inländischen Märkten sein soll. Schweiz . Fortschritte des Proporzes. Zürich . 2. Juni. (Eig. Ber.) Mit Freude verkündet das Zentralkomitee für die Initiative betreffend die Proportional. wähl des Nationalrats, daß bereits 96 666 Unterschriften statt der erforderlichen bloßen 50 000 beisammen sind und zu er- warten steht, daß insgesanit 126 666 zusammenkommen werden. Diese Zahlen bedeuten einen schönen Erfolg der Unterschriften- fammlung und erwecken Hoffnungen auf die kommende Volksab- stimmung. Einen kleinen Fortschritt des ProporzgedankenS errangen unsere Genossen im Großen Rate des K a n t o n s B e r n. indem sie in daS Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege die De- stimmung hineinbrachten, daß auch den Minderheiten eine Ver- tretung im Verwaltungsgericht eingeräumt werden müsse. Ferner wählte derselbe Große Rat unseren Genossen Advokat Dr. W i tz in Langenthal alg sozialdeNokrgtischxn Vertreter ttt das Obergericht, welche WM Mnfavs ein Erfolg des Proporzgedankens ist,.'~ franfereieb. Zerstörte Leitungen. Le Havre . 2. Juni. In der vergangenen Nacht sind vier tele- graphische Leitungen an der Küste und zwei Leitungen»ach England zerschnitten worden. StaatSmonopol für die drahtlose Telegraphie. Paris , 3. Juni. Ein von der Regierung eingesetzter Ausschuß. an dessen Spitze der Akademiker Henry P o i n c a r ü steht, hat einen Gesetzentwurf zur Regelung der F u n kente le g r op h i e aus- gearbeitet. Danach dürfen auf französischen Gebieten oder an Bord französischer Schiffe funkentelegraphischc oder funkcntelephonische Bor- richtungen nur vomStggtoder mit seiner Ermächtigung ausgestellt werden. Verstöße gegen diese Vorschriften werden mit Gefängnis- st r a f e n von einem Monat bis zu einem Jahre und mit Geldstrafen bis zu 10660 Frank sowie mit Beschlagnahme der Borrichtnngcn bestraft. Die Vorrichtungen auf französischen oder auf fremden Schiffen in französischen Gewässern dürfen nur dann in Funktion treten, wenn durch sie nicht Mitteilungen oder Signale der staat - lichen Telegraphen-Funkenstationen aufgehalten werden. Das Auf- sangen oder die Beröffentlichung funkentelegraphischer oder funken- telephonischer Mitteilungen wird mit hohe» Geldbußen geahndet. atriKU Kreta . London , 2. Juni. sEig. Ber.) Nach verschiedenen ZeitungS- Nachrichten zu urteilen, sind gegenwärtig die europäischen Mächte in Unterhandlungen über Kreta begriffen. Seit 1897 bezw. 1899 ist Kreta ein autonomer Staat unter der nominellen Oberherrlichkeit des türkischen Sultans. Die Verwaltung ist im Grunde genommen griechisch, nur England. Italien , Frankreich und Rußland unter- halten dort Garnisonen, die aber nach dem vor einem Jahre gc- faßten Beschlüsse der genannten vier Mächte zurückgezogen werden sollten. Wahrscheinlich wäre die Zurückziehung schon erfolgt, wenn nicht die jungtürkische Revolution und die nachfolgenden bul- garischen und boSnisch-herzegowinischen Wirren ausgebrochen wären, die teils die Mächte veranlaßten, eine abwartende Stellung an- zunehmen, teils den Griechen den Gedanken suggerierten, dem bul- garischen und österreichischen Beispiel zu folgen und Kreta zu annektieren. Sir Edward Greh. vor einigen Tagen über die kretensischen Angelegenheiten interpelliert, konnte nur sagen, daß England in der Zurückziehung der Garnison aus Kreta nicht saumselig sei und daß die Lösung der kretensischen Frage große Schwierigkeiten biete. Sie ist ohne Zweifel nicht leicht zu lösen. Die Jungtürken würden durch die Loslösung Kretas leiden und in ihrer reformerischen Tätigkeit gehemmt werden. Andererseits sagen die Griechen, die Zukunft der Türkei sei so unsicher, daß eS das beste wäre, Kreta an Griechenland zu geben. Die Griechen sind bereit, der Türkei eine Ablösungssumme zu zahlen. In England ist die Meinung geteilt, die konservativen Blätter meinen, man dürfe zu den Jungtürken Vertrauen haben, daß sie in Kreta zivilisierend wirken werden. Man solle deshalb Griechen- land nicht gestatten. Kreta zu annektieren. Die radikalen Blätter sind indeS der Ansicht, auch wenn die Jungtürken den vollsten Erfolg hätten, müßte Kreta zu Griechenland geschlagen werden, da die Krctenscr, d. h. die große Mehrheit, griechisch seien und deshalb national zu Griechenland gehören. Die griechische Regierung und die griechischen Gemeinden in der Türkei sind selbstredend für die Annexion Kretas . Die Er- eignisse der nächsten Monate dürften die Aufmerksamkeit Europas auf Kreta lenken._____ Unruhen in Arabien und Armenien . Konstantinvpel. 2. Juni. Wie verlautet, hat der Kommandant der Nementruppen das Verlangen nach der Entsendung von Truppen innerhalb zehn Tagen gestellt, da die Unruhen unter den Arabern sich ausbreiten. Die Regierung erwiderte, die Entsendung von Soldaten in so kurzer Zeit sei undurchführbar, sie werde jedoch baldmöglichst erfolgen. Depeschen des armenischen Patriarchats zufolg« wurden in Müsch dreizehn und in K h a r p u t fünf Armenier getötet. In beiden Fällen schritten die Behörden sofort ein und verhinderten die Ausbreitung der Metzeleien. Klus cler Partei. Die Geldquellen der„S. M.". Der Verlag der„Sozial. MonatSH." erklärt im neuesten Heft »in eigener Sache": „Trotz der Erklärung, die der msterzeichnete Verlag im vorigen Jahre in den„Sozialistischen Monatsheften"(1963, 3. Band, S. 12ö6) abgegeben hat, schreibt die»Leipziger Volkszeitung" am 18. Mai in einer Notiz, die sich mit einem Artikel des Genossen Fehlinger beschäftigt, das folgende:„Die unbekannten bürgerlichen Geldgeber dieser'Zeirschrift(der„Sozialistischen Monatshefte"), deren Existenz ihr Herausgeber bekanntlich seinerzeit selbst ein- gestehen mutzte, können mit diesem Organ zufrieden sein." Um in Zukunft auch den böswilligsten Verleumdern eine Wiederholung derartiger Behauptungen unmöglich zu mawen, hat uns der Genosse, der allein seit einer Reihe von Jahren uns die Herausgabe der„Sozialistischen Monatshefte" ermöglicht und sie auch für weitere Jahre sicher gestellt hat, ermächtigt seinen Namen zu nennen. Genosse Dr. L e o A r o n S hat dem Herausgeber der„Sozialistischen Monatshefte" wiederholt größere Summen gegeben, die von diesem unter seinem Namen in die Gesellschaft, die den Verlag bildet, eingebracht worden find: Genosse AronS wollte ebenso wenig wie auf die redaktionelle Haltung der Zeitschrist auf die Geschäftsführung irgend welchen Einfluß ausüben. Er hat sich nur vorbehalten, daß für die An« nähme etwaiger Zuwendungen von anderer Seite seine Zustim- mung eingeholt werden müsse: Bisher hat er leine Veranlassung gefunden Einspruch zu erheben." Der Verlag der„S. M." tut ja außerordentlich sittlich entrüstet und gebraucht gegen unser Leipziger Parteiblatt recht kräftige Worte. Hat aber doch verflucht wenig Anlaß dazu, da die Angabe der»Leipziger Volkszcitung" durchaus stimmte. Gerade in der Er- klärung auf Seite 1266 des 3. Bandes 1963, die in der jetzigen Er- klärung eingangs erwähnt wird, hat der Verlag zugestehen müssen, daß er Gelder von Leuten bekommen hat, die nicht zur Sozialdemokratie gehörten. Und so geht er denn jetzt auch über die Zeit, die v o r der„Reihe von Jahren" liegt, da Genosse Arons die„S. M." unterhält, stillschweigend hinweg. Auch über die jüngste Vergangenheit und Gegenwart gibt er nicht volle Klarheit. Einmal'sagt er. daß Genosse Arons allein die nötigen Gelder gibt, hinterher aber heißt eS, Genosse Arons habe sich vorbehalten, daß für die Annahme etwaiger Zuwendungen von anderer Seite seine Zustimmung eingeholt werden müsse und daß er bisher keine Veranlassung gefunden habe. Ein» spruch zu erheben woraus also geschlossen werden muß, daß auch in den letzten Jahren die„S. M." außer der AronSschen Subvention noch von ungenannten Personen Unterstützung er- hielten. Die„Leipziger Volkszeitung" hat nichts behauptet, wa» sie nicht verantworten kann, nur insofern ist sie im Irrtum, ak» sie meint, daß die bürgerlichen Kreise, auS denen einst Geld in die Kasse« der„S. M." floß, mit dieser Zeitschrift sehr zufrieden sein werden. Denn sie müssen sich schließlich doch mit getroffen fühlen von de« „demokratischen Lämmerschwänzchen". Im übrigen iutercssiert an der Erklärung, daß die„S. M." also auS eigener Kraft nicht bestehen könnten, sondern durch Zu- Wendungen des Genossen Arons(und anderer) mühsam über Wasser gehalten werden. Daß sich Genosse Arons ein Verdienst um die Partei erwirbt, möchten wir bezweifeln. Ein Helfer de? ReichSverbandeS. In ber soeben erschienenen Nr. 36 der»Neuen Zeit" wird folgende Erklärung verösfeutlicht: In Nr. 21 vom 22. Mai der„Kommunalen Praxis" beschäftigt sich ein 8. mit meinem„Weg zur Macht", den er als vollständig „Verfehlt" hinstellt. Die vroletarische Revolution sei meine Privatmarotte. von der die Partei nichts wissen wolle. Da diese Weisheit von keinem Versuch einer sachlichen Begründung begleitet wird, brauchte ich sie nicht zu beachten; die Privatmarotten eines beliebigen 3. können mir völlig gleichgültig sein, auch wenn sie in einem Partei- oxgan erscheinen. Nicht gleichgültig aber kann eS mir sein, wenn in einem Organ unserer Partei Verdächtigungen gegen mich ausgesprochen werden, die durch den Ort, wo sie erscheinen, ein gewisses Gewicht bekommen, Den Mangel an sachlichen Einwänden will L. dadurch ersetzen, daß er in einein Punkte mein Beweisnialerial zu diskreditieren sucht. Er schreibt: »Zu dem Behufs(zu zeigen, daß wir mit einer proletarischen Revolution zu rechnen haben) bringt KautSky diesmal eine Eni- hüllung; nämlich die, daß das bekannte Vorwort von Friedrich Engels zu dem Buche von Karl Marx über die Klassenkämpfe in Frankreich— oft fein politisches Testament genannt— nicht den wahren Ansichten seines Verfassers entsprochen habe; Engels habe eS so, wie es vorliegt, nur aus Rücksicht auf die damals drohende Um- sturzvorlage geschrieben, wie aus einigen Briefstellen zur Evidenz hervorgehe. Ob diese Stellen zu dem von KautSky ge- wünschten Beweis ausreichen oder ob sie nicht auch wieder„einiges gelitten haben", das heißt ob sie nun Engels ' definitive Meinung in der Sache enthalten, iv i r d schwer zu ergründen sein." Daß die zitierten Briefstellen zu dem von mir„gewünschten" Beweis völlig ausreichen, tvenn sie Engels'„definitive" Meinung enthalten, wagt auch L. nicht zu leugnen. Um ihre Beweiskraft aufzuheben, greift er daher zu dem Mittel der Verdächtigung: Es werde schwer zu ergründen sein, ob diese Briefstellen nicht auch wieder.einiges' gelitten" haben. Soll diese Phrase einen Sinn haben, dann kann eS nur der sein, daß ich diese Briefstellen zu meinem Gebrauch zurechtgefälscht habe. Ich fordere hiermit den Kritiker 3. auf. klar und unzweideutig zu erklären, welchen Sinn er mit seiner Phrase verband. Ich fordere eine klare und unzweideutige Ehrenerklärung oder eine ebenso klare und unzweideutige Anklage, auf die ich dte Antwort nicht schuldig bleiben werde. Das fehlte noch, daß wir die Methoden des Reichsverbandes zur Diskreditierung revolutionärer Anschauungen in unsere Partei einbürgern ließen._ K. K a u t S k y. Eine internationale Kundgebung in Belgrad . Der 7. Parteitag der serbischen Sozialdemo» k r a t i e trat am 36. Mar in Belgrad zusammen. Auf der Tagesordnung stand u. a. die Kolonialpolitik und die nationale Frage. 93 Delegierte, die 161 Mandate und 84 Partei- orgamsatlonen vertraten, waren anwesend; zum Vorsitzenden wurde Genosse Dragisa Laptschetvitsch gewählt. Ehe in die Tagesordnung eingetreten Ivurde, fand auf dem Theatcrplatz, unter freiem Himmel, eine große vieltausendköpfige Versammlung statt, die sich zu einer glänzenden Kundgebung der internationalen Solidarität des klassenbewußten Proletariats und zu einer wuchtigen Prote st demonstratio» gegen dre Kriegshetze gestaltete. Es sprachen in dieser Versammlung die zahlreichen Vertreter, die die sozialdemokratischen Parteien der Nachbarländer entsandt hatten. So waren auS Oesterreich die Genossen Dr. Renner, Nemec, Dr. Soukup und Eibin Kristan, die den Abgeordnetenverband, die deutsche , die tschechische und die südslawische Partei vertraten, ferner aus Ungarn Genosse B u ch in g er- Budapest , Genosse K y a k o w aus Sofia für die b u l g a r r s ch e und Gen. Duschan C e k> t s ch auS U e S k ü b ffür die serbische Seltion der türkischen Sozialdemokratie erschienen. In allen Reden wurde die Zusammengehörigkeit der Proletarier aller Nationen kräftig betont und die Verhetzungsvcrsuche der Chauvinisten aller Länder energisch abgewiesen. Der Vertreter der serbischen Sozialdemokraten in der Türkei , Genosse C e l i t s ch» Ueskllb gab der zuversichtlichen Hoffnung auf baldiges Er- starke» der sozialistischen Bewegung in der Türkei Ausdruck, die alle griechischen, serbischen und bulgarischen chauvinistischen Komitees auf die Dauer nicht hindern sollten, der Vulgare K y a k o w betonte, daß weder ihre Bourgeoisien, noch ihre Zaren und Könige die Proletarier Bulgariens und Serbiens trennen sollten, der Ungar B u ch i n g e r zeigte, daß jene, die vor kurzem am wütendsten zum Kriege wider Serbien gehetzt haben, auch die schlimmsten Bedrücker der ungarischen Arbeiterschaft sind. Ihnen habe der Krieg des ungarischen Proletariats zu gelten, den serbischen Brüdern aber drücke es die Bruderhand. Genosse Dr. R e n.n e r erklärte, daß die österreichische Partei- Vertretung mit Freude die Gelegenheit ergriff, um die Solidarität der österreichischen Arbeiterschaft mit der serbischen zu dokumentieren. Auf die Zeit deS serbisch -österreichischen Konflikts hinweisend, sagte er: Wir haben gemeinsam mit Ihnen alles getan, waS getan werden konnte zur Erhaltung des Friedens. Wir sind auf der Wacht ge- standen wie Sie in Serbien ; Ivir haben den harten Kamps geführt gegen unsere Militaristen und Kriegshetzer, wie Sie gegen die Ihren.... Unter lautem Beifall schloß er mit den Worte»:„Auch die Balkanvölker werden zur Freiheit gelangen. Aber die Befreiung wird nicht durch den Militarismus, nicht durch den Chauvinismus der Bourgeoisie erfolgen. Durch eigene Kraft werden sich die Völker befreien im Zeiche» des revolutionären Sozialismus, vereint in der Wellarmee der völkerbefreicndcn Sozialdemokratie." Genosse Nemec sagte u. a.:„... Unsere Solidarität kam zum herrlichsten Ausdruck, als gewissenlose Jnteressenjäger die Völker Europas gegeneinanderhetzcn und die Bestie des BölkerhasseS bis zum Wahnsinn auspeitschen wollten. Als rundherum Wälder von Bajonetten starrten und die Gefahr eines blutigen Weltkrieges am nächsten war, da reichten wir unS die Bruderhände und bei uns und bei Ihnen erscholl der laute Ruf:„Wir wollen keinen Krieg l Wir wollen den Frieden I" Wie Euer tapferer Ge- nasse Kaclerowitsch, so erklärten auch wir laut und vernehmlich: „Wir haben keinen Anlaß, uns die Schädel einzuhauen,»vir haben nicht Lust, Blut zu vergießen für Interessen, welche nicht unsere sind I"(Stürmischer Beisall.) Zum Schluß behandelte Genosse Kristan-Laibach die nationale, die südslawische Frage und sagt darüber:„Die süd» slawische Frage besteht, aber die Bourgeoisie und ihre Schreier kennen sie nicht und verstehen sie nicht. Wir Sozialdemokraten aber haben schon den Weg zu ihrer Lösung beschritten, indem wir die Einigkeit des Proletariats und das Selbst- bcstimmungSrecht der Völler auf unsere Fahne geschrieben haben. Nicht mit den bourgeoisen Hetzern, sondern g e g e n sie werden die großen Fragen ver Völker, auch die südflawische Frage gelöst werden; denn auch sie ist nicht eine Frage der Dynastien, der Kirche, der Kapitalisten, sondern eine Frage deS werltätigen Volkes, das auf dem betretenen Wege unbeirrt. weiter Schreiten wird unter dem glorreichen roten Banner, welches über unseren Häuptern weht....(Stürmischer Beifall.) Unter brausenden Ziviorufen auf die internationale Solidarität des Proletariats schloß dann Genosse Laptjchewitsch die Versammlung.
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