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Nr. 133. BbonnementS'Bedlnannaen: Abonnements- Preis pränumerando; Licrtcljährl. 3£0 SEM., monotL 1,10 Mk., wöchentlich 2s Pfg. frei ins Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg, Sonntags. nunimer mit illustrierter Sonntags. Beilage.Die Neue Welt" 10 Pfg. Post. Wonncmcnl: 1,10 Mark pro Monat. Eingetragen in die Post-Zeitungs. Preisliste. Unter Kreuzband für Deutschland   und Oesterreich. Ungarn 2 Marl, für das übrige Ausland 3 Mark pro SMonat. Postabonncments nehmen an: Belgien  , Dänemark  , Holland  , Italien  , Luxemburg  , Portugal  , Numänien, Schweden   und die Schweiz  . 36. Jahrg. CrMtlnt tisllch anQcr montägs. Vevlinev Volksblatt. Die TnfertlonS'Gebflfsr Beträgt für die sechsgespaltene Kolonel- zeile oder deren Raum w Pfg., für politische und gewerlschastliche Bercins- und Persammlungs-Anzelgen 30 Pfg. Ulelne Anzeigen", das erste(fett« gedruckte) Wort 20 Pfg., jedes weitere Wort 10 Pfg. Stellengesuche und Schlaf. ftellen-Auzeigen das erste Wort 10 Pfg.» jedes weitere Wort b Psg. Worte über 13 Buchstaben zählen für zwei Worte. Inserate für die nächste Nummer müssen bis S Uhr nachmittags in der Expeditton abgegeben werden. Die Expedition ist bis 7 Uhr abends geöffnet, Telegramm-Adresse; Sozialdenioknt Rerlin". Zentralorgan der roziatdemokratifchen Partei Deutfchlandd. Redaktion: SM. 68, Lindenstrasse 69» Fernsprecher; Nmt IV, Nr. 1983. Donnerstag, den 10. Juni 1909. Expedition: SM. 68, Lindcnstraese 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984. Liberale Läulchungsveriuche. So alt die deutsche Sozialdemokratie ist, so alt ist auch die Klage des deutschen   Liberalismus, daß die Spaltung zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft die Junker zu Herren Deutschlands   mache. Bei der Klage ist es geblieben. Nie- mals haben die deutschen   Liberalen sich zu der Er- kenntnis aufzuschwingen vermocht, daß sie für einen guten Teil ihres Weges den Beistand der Sozialdemokratie erhalten könnten, wenn sie sich entschließen würden, eine ehrliche demo- kratische Politik zu treiben. Sie haben es niemals versucht, niemals versucht, mit der Sozialdemokratie einen ernstlichen Kampf gegen die Junker zu führen. Vielmehr waren sie alle­zeit bereit, der Reaktion Troßdienste gegen die Sozialdemo- kratie zu leisten, und von jeher versuchten sie, die Arbeiterpartei durch schofle Bekämpfung zu vernichten. Und als sie schließlich einsehen mußten, daß ihre Kräfte und Mittel dazu nicht ausreichten, daß sie das stetige Wachstum des proletarischen Klassen­bewußtseins nicht aufzuhalten vermöchten, und als es ihnen selbst immer trauriger und trauriger ging, da setzten sie ihre Hofftmng auf eine Umwandlung der Sozialdemokratie. Auf eine Umwandlung, die aus der revolutionären Partei der Arbeiterklasse, die der bürgerlichen Gesellschaft unversöhnlich gegenüber steht, eine possibilistische Sozialreformerpartei macht, die Frieden schließt mit dem kapitalistischen   System und ihre Truppen den liberalen Offizieren als willige und lenkbare Mannschaft zur Verfügung stellt. Wie das Aufkommen des Revisionismus diese liberalen Hoffnungen üppig ins Kraut schießen ließ und sie immer wieder getränkt hat, das bildet ein nicht unwichtiges Stück der deutschen   politischen Geschichte des letzten Jahrzehnts. Heute geht es dem deutschen   Liberalismus schlimmer als je. Er stöhnt im wildesten Blockkatzenjammer Um so mehr bedarf er der tröstenden Hoffnung. Da er sie in' er eigenen Kraft nicht finden kann, so ist's leicht verständlich, daß das Berliner Tageblatt" mit Begier eine Gelegenheit ergreift. um die schöne Hoffnung auf die Umwandlung der Sozial- demokrasie neu zu beleben. Das Erscheinen einer Broschüre, die einen Vortrag Eduard Bernsteins   wiedergibt,*) gibt dem Blatte diese erwünschte Ge- legenheit. Allerdings, da auch diese Hoffnung schon solange den Liberalismus genarrt hat, ist dasTageblatt" vorsichtig in seiner Prophezeiung; es schiebt den Termin, zu dem sie sich erfüllen muß, ins Ungewisse hinaus. Kommen wird die Umwandlung, sagt dasTageblatt", aber nur langsam, nur allmählich. Diese Hoffnungen des Liberalismus gehen uns nun sehr wenig an, und täte das liberale Blatt nichts weiter, als sie aussprechen, so läge keine Veranlassung vor, uns damit zu beschäftigen. Aber der Artikel des Blattes sucht auch den Anschein zu ertvecken, als beständen schon heute zwischen der Sozialdemokratie und dem Liberalismus in der politi- schen Praxis eigentlich nur noch geringe Unterschiede, als stünden eigentlich in der Hauptsache nur noch theoretische Anschauungen trennend zwischen beiden Parteien, ja noch weniger als das. Sagt doch das Tageblatt" an einer Stelle gar:Würden nicht bisweilen künstliche Differenzen geschaffen, würde nicht die Sozialdemo- kratie die eine oder die andere Forderung übertreiben, nur um konkurrenzlos zu bleiben, so müßte sich diese fach- liche Uebereinstimmung noch deutlicher zeigen...." Ueber die mit einer erheblichen Dosis naiver Unverschämtheit gemischte Verständnislosigkeit für die Tatsache, daß die Sozialdemokratie so oft genötigt ist, die liberalen Forderungen zu überbieten, wollen ivir uns hier nicht weiter auslassen, ebenso verzichten wir darauf, im einzelnen aufzuzeigen, wie groß die Unter- schiede zwischen Liberalismus und Sozialdemokratie sindin Verfassungsfragen wie in Fragen der Kultur, der Justiz, der Steuern, des Militärs, der Marine und der sozialpolitischen Gesetzgebung", obgleich beide Parteien in diesen Fragen im Reichstage häufiger zusammen gestimmt haben mögen, denn umgekehrt. Tagegen müssen wir uns näher beschäftigen mit der Darstellung, die der Artikel von der Stellung gibt, die die Sozialdemokratie in der Frage der Reichsfinanzreform zum Liberalismus einnimmt. Darüber sagt er nämlich: Man wird zugeben müssen, daß auch eine Finanz- r e f 0 r m, die von einemBlock der Linken" gemacht werden mühte, keine leichte Sache wäre. Doch auch hier liegt die Schwierigkeit nicht so sehr auf praktischem Gebiet, als in der grundsätzlichen Abneigung der Sozialdemokratie, demGegen- wartsstaat" überhaupt neue Mittel zu bewilligen. Soweit es sich um die Einführung einer quotisierbaren direkten Reichssteuer handeln würde, wäre jedenfalls die Sozialdemokratie leicht zu haben. Nur daß mit direkten Steuern allein die Reichsfinanzen nicht saniert werden können. Wohl aber darf die liberale Linke auf die Unterstützung der Sozialdemokratie rechnen, wo es die Abwehr volksfeindlicher Vorschläge und Maßnahmen, wie der reaktionären Finanzprojekte der Rumpfkommission gilt... *) Der Revisionismus in der Sozialdemokratie. Ein Vortrag, gehalten in Amsterdam   vor Akademikern und Arbeitern von C d. Bernstein. Mit einem Anhang: Leitsätze für ein sozial- demokratisches Programm. Amsterdam   ISvö. Verlags- Gesellschaft Martin G. Cohen Nachfolger. Hier liegt ein gröblicher Versuch vor, die liberale Oeffent- lichkeit über die Stellung der Sozialdemokratie zu täuschen. Gewiß ist die Sozialdemokratie durchaus abgeneigt, dem kapi- talistischen Staate neue Mittel zu bewilligen aber ihre Grundsätze verbieten ihr sicherlich nicht, von zwei Ilebeln das kleinere zu wählen. Handelte es sich, wie dasTageblatt" es darzustellen sucht, also nur darum, ob an die Stelle schlechter, volksbedrückender oder Industrie und Gewerbe schädigender Steuern solche Steuern treten sollten, die den Besitz belasten, so wäre für die Sozialdemokratie sofort ent- schieden, welche Haltung sie einzunehmen hätte. Die Sache liegt doch aber so, daß die Annahme der quotisierbaren direkten Steuern nur die Brücke ist, auf der der Liberalismus zur Bewilligung indirekter Steuern, zur Bewilli- gung voll sausbeutender Verbrauchssteuern gelangen würde. Steuern, die der Liberalismus oder wenig- stens sein entschiedener Flügel nur unter Bruch seines Pro- gramms und feierlicher Parteitagserklärungen bewilligen kann und die er doch sofort zu bewilligen bereit ist, sofern er die Erbschaftssteuer, und sei es selbst in grausamster Ver- stümmelung, zugestanden erhält. Die Frage, was hier größeres oder kleineres Uebel ist, kann die Sozialdemokratie sich kaum noch stellen, wenn alle bürgerlichen Parteien darin einig sind, vier Fünftel der neuen Steuerlast auf die Schultern der breiten Masse abzuladen, wenn sich der ganze Kampf innerhalb der bürgerlichen Reihen nur noch darum dreht, wie das eine Fünftel aufgebracht werden soll, das man der Masse nicht mehr direkt aufzubürden wagt. Wo ist auch nur die Möglichkeit eines gemeinsamen Kampfes mit dem Liberalismus in der Finanzreform, wenn dieser Libe- ralismus gegen eine kleine Gegenleistung sofort bereit ist, Tausende und Abertausende armer Tibakarbciter um ihre Existenz zu bringen und die übrigen auf Jahrzehnte hinaus zum langsamen Hungertod zu verurteilen! Nein, es ist nicht diegrundsätzliche Verbohrtheit" der Sozialdemokratie, die es hindert, daß sie auf dem Gebiete der Finanzreform mit dem Liberalismus in gemeinsamer Front kämpfe es ist die traurige Grundsatzlosigkeit des deutschen   Liberalismus, die das verschuldet. Zwischen ihm und der Sozialdemokratie steht die B ereitwilligkeit des Liberalismus, seine feierlich ver- kündeten Grundsätze zu verraten, sobald ihm die Sozialdemokratie aus der Patsche geholfen hat! Sollte das dasBerliner Tageblatt" nicht wissen? Es sagt am Schlüsse seines Artikels, daß die liberalen Parteien um so eher aufdie weiten Kreise innerhalb der Sozialdemo- kratie" einwirken können, dieder revolutionären Phrase müde sind," je entschiedener die liberalen- Parteienselbst für die Erweiterung der Volksrechte und für den sozialen Fortschritt eintreten". DasselbeBerliner Tageblatt" aber erklärt sich im selben Artikel mit einer Bewilligung indirekter Steuern einverstanden, die den sozialen Fortschritt auf schlimmste Weise hemmen, indem es sagt, daß ohne indirekte Steuern die Reichsfinanzreform nicht zu machen ist. Was soll die Sozialdemokratie von solchem Gegenteil von Kon- sequenz halten? DasTageblatt" steht auf dem linken Flügel des deut- schen Liberalismus. Auch der hat den deutschen   Arbeitern als Finanzreform nur ein Steuerbukett zu bieten, das aus vier Fünfteln indirekter Steuern besteht I Und dieser Liberalismus träumt von einer allmählichen Um- Wandlung der Sozialdemokratie zu einer liberalen Partei! Die deutschen   Arbeiter werden es nach alledem ver- stehen, wenn wir an die Widerlegung solcher Hoffnung nicht ein Wort verschwenden!_ Das bewährte Zentrumsprograrnm. DaS Zentnim hat bekanntlich kein Parteiprogramm, man müßte denn die wenigen nichtssagenden Sätze, mit denen die ultra- montanen Fraktionen im Reichstage und im preußischen Landtage 1870 und 1871 sich ankündeten, für ein Programm halten. Fragt man das Zentrum nach feinen Grundsätzen und Forderungen, so pflegt es auf seine Tätigkeit im Reichstage und in den Landtagen, namentlich aber auf die Kundgebungen seiner be- währten Führer hinweisen, in deren Tun sich das Programm der Partei verkörpere. Auf einen dieser bewährten Führer, der viele Jahrzehnte lang eine hervorragende Stelle unter den Ultra- montanen einnahm, möchten wir heute aufmerksam machen, da bei ihm in der Tat das Zentrumsprogramm in sehr entschiedener Weise zum Ausdruck kommt. Peter Reichensperger   ließ im Jahre 1869 als Ab­geordneter der preußischen Zweiten Kammer eine Schrift erscheinen mit dem bezeichnenden Titel:Keine Ei n k 0 mm enste u er I" Sie war veranlaßt worden dadurch, daß Reichensperger bei den Verhandlungen über die Einführung der Einkommensteuer und Auf- Hebung der Mahl- und Schlachtsteuer nicht zu Worte gekommen war und das Bedürfnis fühlte, feine ablehnende Haltung gegenüber der Einkommensteuer vor der Oeffentlichkeit zu �rechtfertigen. Reichen- sperger begann seine Schrift mit folgenden Sätzen: DaS Urteil über Wert und Unwert der Mahl- und Schlacht- steuer im allgemeinen hängt enge mit dem Urteil über indirekte Steuern zusammen, da die ersten großenteils die Vorzüge und Nachteile der letzteren teilt. Nach welcher Seite hin sich die Wag- schale dabei neigt, das dürfte bei unbefangener Prüfung kaum zweifelhaft sein. Wenn auch nicht verkannt werden darf, daß die Theorie der Staatswissenschaftslehre in dieser Hinsicht noch nicht als völlig abgeschlossen zu betrachten ist, so kann wenigstens nicht bestritten werden, daß die zahlreich st en und gewichtig st en Autoritäten sich zum Vorteil der indirekten Steuern erklären. Noch weit unverkennbarer hat sich aber die Praxis der zivilisierten Völker für dieselben aus- gesprochen; ja, es scheint, daß sich sowohl Regierungen wie Völker je nach dem Maße politischer EntWickelung immer einhelliger und entschiedener für die indirekten Steuern erklären." Reichensperger zählt nun die H a u p t v 0 r z L g e" der indirekten Steuern auf, die darin bestehen sollen, daß sie ohne verletzendes Eindringen in dieLebens-undVermögensverhält- nisse der Staatsbürger erhoben werden, daß sie ohne Reste und ohne Zwangseintreibungen eingehen, daß sie endlich dem Staatsschatze ohne merklichen Druck reiche Hilfs- quellen eröffnen und mit dem steigenden Wohlstande des Landes wachsen Gründe genug, um den wackeren Volksfreund und Glaubensstreiter Reichensperger, der bei allem christlichen Be- kennermut einverletzendes Eindringen in die Lebens- und Ver- mögensverhältnisse der Staatsbürger" verabscheute, zum begeisterten Anhänger und Fürsprecher der indirekten Steuern zu machen. Die Regierung hatte in ihrer Denkschrift gegen die indirekten Steuern angeführt, daß dadurchder gemeine Mann gegen den Wohlhabenden überbürdet" und ihmein Teil seines sauer verdienten Einkommens ent- .zogen" werde. DaS will Reichensperger nicht gelten lassen. Er beruft sich auf Adam Smith  , David Ricardo   und andere, daß mit dem Sinken und Steigen der Lebensmittelpreise auch der Lohn des Arbeiters sinke und steige, und wenn die Wirkung der Ursache auch nicht plötzlich folge, wenn bei steigenden Lebensmittel- preisen der Lohn zunächst auch unverändert bleibe, so sorge die Aus- Wanderung und größere Sterblichkeit der Arbeiter doch für den nötigen Ausgleich insofern, als das geringere Arbeits- angebot wieder zur Erhöhung des Lohnes führe. Man erkennt daran, daß der Ultramontane, wenn es seinen Zwecken entspricht. selbst die.Wissenschaft" des sonst so verhaßten Liberalismus akzeptiert. Reichensperger warnt alsdann davor, die Mahl- und Schlacht- steuer aufzuheben, da dadurch bei anfangs gleichbleibendem Lohne  die Lage des Arbeiter st andes gebessert und die Ein- Wanderung in die Stadt gefördert werde; er nennt die Aufhebung der indirekten Kommunalsteuern einePrämie auf die Ver- mehrung des Stadtproletariats, die sich bald und ernst st rasen mutz." Dann heißt es: Man vergesse nicht, daß nach Aufhebung der Mahl- und Schlachtsteuer mit den dringenderen Gründen auch die Auf- Hebung der Salzsteuer, der Branntweinsteuer, der Stempelsteuer und der Eingangsabgaben im Totalbetrage von 37 Millionen Taler und deren Ersetzung durch direkte Steuern gefordert werden wird. Das ist die notwendige Konsequenz des ersten Schrittes, der Anfang jener finanziellen Anarchie, den allerdings die U m st u r z p a r t e i mit allen Kräften erstrebt, weil sie wohl weiß, daß ein zerrüttetes Budget der Anfang des Endes ist. Und was ist es, was die Staatsrcgierung an Stelle der Mahl« und Schlachtsteuer vorschlägt? Gerade wiederum diejenige Steuer, die die Partei des Umsturzes mit Wut fordert, diejenige Einkommensteuer, die die auf allgemeines und direktes Wahlrecht basierte Nachbarrepublik nach errungenem Siege in der Nationalversammlung noch auf den Barrikaden der Haupt- stadt gegen die soziale Näuberrepublik be- siegen mutzte und besiegt hat I" Reichensperger beschwört die Junischlächtererei der Pariser Ordnungshelden herauf; er wendet sich an den konservativen Sin» der Staatsmänner, denen es als ein Hauptbedenken gegen die Einkommensteuer gelten sollte,daß dieselbe notwendig zu sozialistischen Konsequenzen führe und daß namentlich die progressive Einkommensteuer, jener Anfang der sozialistischen   Konfiskation, kaum mit dauerndem Erfolge abgewehrt werden könne". Er schließt mit der Mahnung an die Volksvertretung, sich bezüglich der Steuerreform nicht in eine falsche Sicherheit gegenüber dem konservativen Ministerium Branden- bürg einwiegen zu lassen: Bedenke man vielmehr, daß auch das Ministerium sich dem Zentrum zugängig erwiesen hat, denn es ist ja dasselbe Kabinett, das bereits unerklärlicherweise in unser geschriebenes Recht die Unentgeltlichkeit des Volks- Unterrichts, also eine Institution eingeführt hat, die bis- her nur von der sozialen Republik   gefordert worden ist. Dringt das Ministerium auch mit der gegenwärtigen Forderung durch, so ist sehr zu befürchten, daß es eines Tages dem Lande größere Gefahren vermacht, als eS bei seinem Beginn vorgefunden und so siegreich überwunden hat." Reichensperger war also die reaktionärste Regierung, die Preußen je gehabt hat, das Ministerium Brandenburg-Manteuffel, noch zu radikal; befürwortete eS doch die Einführung der Einkommensteuer und hatte es doch die Unentgeltlichkeit deS VolksschulunterrichtS durch- gesetzt sich also an Bestrebungen beteiligt, deren sich höchstens soziale Räuberrepubliken" schuldig machen l Im übrigen ist Rcichenspergers Schrift aus dem Jahre 1850 eine Kundgebung, die, von Besonderheiten im einzelnen abgesehen, von programmatischer Bedeutung für die Zentrumspolitik ist. Genau wie Reichensperger ist das heutige Zentrum der st ä r k st e Schutz und eifrigste Verfechter des indirekten Steuersystems, genau so ist es ein Gegner des allgemeinen, gleichen Wahlrechts, genau so ist eS ein F e i n d wirksamer Volks- b i l d u n g. Und genau wie Reichensperger gegen die soziale Republik, so hetzt das Zentrum wider die Sozial- demokratie. in der es diejenige Macht fürchtet, die mit der Entrechtung, mit der Ausplünderung und mit der Verdummung des Volkes aufräumen will.