fällen gab, Tanh Ich nifr bestätigen. Gewiß baben die Kommissionen das zweifellos« Recht— genau wie das Plenum— der Abänderung und Ergänzung von Vorlagen der verbündeten Negierungen. Daher haben wir auch nicht einmal den Antrag auf Absetzung der Verteuerung der Beleuchtungsmittel und der Zuckersteuer gestellt. Aber die Kommission darf nur Ergänzungen vornehmen, die mit der Vorlage in sachlichem unmittelbaren Zusammenhange� stehen. Wie man einen solchen Zusammenhang beim Kohlenausfuhrzoll, bei der Mühlcnumsatzsteuer, dem Kaffee- und Teezoll, der Umsatz- und Wertzuivachssteuer und der Besteuerung der Wertpapiere her- ausbringen will, darauf bin ich neugierig. Wenn man der Sprache und der Logik keine Gewalt antun will, so muß man erklären, diese Dinge stehen in keinem Zusammenhange mit der Regierungs- Vorlage.(Sehr richtig! links.) Wohl haben die Kommissionen und die einzelnen Kommissionsmitglieder das Recht, solche Anträge zu stellen(Abg. Erzberger: Hört! hört!), aber sie müssen sie als Initiativanträge stellen.(Sehr wahr! links.) Sollte die Mehrheit hier beschließen, diese Beschlüsse der Kommission im Rahmen des Berichts über die Ziegierungsvorlage in zweiter Le- sung zur Verhandlung zu bringen, so würde das einen glatten Bruch der Geschäftsordnung bedeuten. Wir haben ja genügend erlebt, daß Konservative und Zentrum vor solchen LiechtSbrüchen nicht zurückschrecken. Im Zolltarifjahre haben auch die National- liberalen mitgemacht. Aber da ein reuiger Sünder besser ist als hundert Gerechte (Heiterkeit), so begrüße ich die Rückkehr der Na- tionalliberalen zu dem Grundsatze, daß die Geschäftsordnung be- folgt werden muß, und will nur die Hoffnung aussprechen, daß diese Rückkehr e>ne dauernde bleiben möge und wir keine Rückfälle zu verzeichnen haben.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Zen- trnm und Konservative aber scheinen bei der Sitte der Geschäfts- ordnungsvergcwaltigungen bleiben zu wollen. Wenn man nun nach dem praktischen Erfolg fragt, der auf dem Spiele steht, so ist auch vom Standpunkt der Mehrheitspar- teien aus der Preis nicht des Einsatzes wert. Was kann schlimm» stens passieren? Die Sachen werden von der Tagesordnung ab- gesetzt, und die Mehrheitsparteien verständigen sich über einen Initiativantrag und setzen durch, daß er an einem anderen als an einem Schwerinstage zur Verhandlung kommt, und nehmen dann nacheinander unter Jnnehaltung der vorgeschriebenen Fristen die verschiedenen Lesungen vor. Das gibt schlimmstenfalls eine Verzögerung um fünf Tage, und lim dieser paar Tage willen wollen Sie in geradezu frevelhafter Weise— Sie dürfen mir diesen Ausdruck nicht verübeln— die Geschäftsordnung aufs Spiel setzen und gefährliches Präjudiz für die Zukunft schaffen?(Leb. Haftes Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wenn Sie die Be- stimmungen der Geschäftsordnung respektieren, so brauchen Sie nur ein paar Sommertage länger in Berlin zu sitzen, wo es ja für die Herren auch manche Zerstreuungen und manche Vergnügungen gibt.(Große Heiterkeit.) � Herr Kollege Bassermann und ich haben— denke tch— schlagend nachgewiesen, daß jede rechtliche Vorbedingung für die Vor- nähme der zweiten Lesung fehlt, da einmütige Zustimmung nicht vorhanden ist. Ich bitte nochmals um Annahme unseres Antrages. (Lebhafter Beifall.) Abg. Freiherr S. Richth-fen(!.): Gewiß ist_ die Geschäftsordnung zum Schutz der Minorität da, aber die Geschäfts- ordnung für die Kommissionen ist nicht dieselbe wie die Geschäfts- ordnung für das Plenum. Wenn sich Unstimmigkeiten über die Anwendung der Geschäftsordnung erheben, so muß die Mehrheit entscheiden.(Lauter Widerspruch links. Zuruf: Unglaublich!) Abg. Dr. Miiller-Meiningen(frs. Vp.): Auch wir wünschen die schleunige Erledigung der Jinanzreform, aber wir können eS andererseits nicht zulassen, daß die Minderheit der Willkür einer zufälligen Mehrheit ausgeliefert wird.(Sehr richtig! links. Un- ruh- rechts.) Wir haben die Verpflichtung, dagegen zu protestieren. wenn derartig rechtsungültige Beschlüsse gefaßt werden. Nach den Ausführungen des Herrn v. Richthofen kann die Mehrheit einfach tun. was sie will. In Z 21, Abs. 2, ist ausdrücklich gesagt, daß die Kommission sich nur mit den ihr überwiesenen Gegenstanden zu beschäftigen habe.(Sehr richtig! links.)„„„ Alle Präzedenzfälle sprechen für unsere Auffassung. Wenn ein Beschluß des Reichstages in einer nichtgültigen, der Geschäfts- ordnung nicht entsprechenden Weise zustande kommt, kann auch der Bundesrat ihm nicht seine Zustimmung geben. Weiter aber handelt es sich hier auch um eine Verletzung des verfassungsmäßigen Petitionsrcchts aller Staatsbürger.(Sehr richtig! links.) Die beteiligten Kreise können ja gar nicht wissen. was in den geheimen Sitzungen einer Kommission verhandelt wird. Nichts ist charakteristischer für den neuen Bund, für die Partei für Wahrheit, FreihMt und Recht und andere schöne Dinge, als daß dre erste Tat des machtlüsternen und in seine Machtstellung wieder einrückenden Zentrums ein Attentat auf die Geschäftsordnung des Reichstages ist.(Große Unruhe im Zentrum.) Wir protestieren gegen eine solche Mißhandlung der Geschäftsordnung; wir werden dem Antrag Singer zustimmen und, im Falle seiner Ablehnung, dem Antrag Bassermann.(Lebhaftes Bravo! links.) Abg. Frhr. v. Gamp(Rp ): Wir sind der Meinung, daß neue Materien nur in der Form von Gesetzesvorlagen an das Plenum kommen dürfen, damit drei Lesungen möglich werden. Wir werden gegen den Antrag Singer und für den Antrag Bassermann stimmen. Abg. Dr. Spahn(Z.): Wenn eine Frage durch die Geschäfts- ordnung nicht entschieden ist, kann die Reichstagsmehrheit be» schließen, wie sie die Frage geschäftlich behandeln will. Deshalb war die Auffassung des Abg. v. Richthofen richtig. Abg. Geyer(Soz.): Herr von Richthofen sagte, in der Kommission sei von unS nicht auf den§ 21 der Geschäftsordnung hingewiesen worden. Ich habe bereits bei dem neuen Besitzsteuerantrag in der Kam. Mission auf das Bedenkliche hingewiesen, die Zeit zu vergeuden dadurch, daß allerhand neue Anträge geschäftsordnungswidrig ein- gebracht würden, und zum Schluß haben wir dann ausdrucklich die Erklärung abgegeben, daß wir protestieren gegen die geschafts- ordnungswidrige Beratung des Kaffeezolles usw., die auch den Ab- machungen im Seniorenkonvent widersprach. Das war deutlich genug, und ein ausdrücklicher Hinweis auf den§ 21 der Geschäfts- ordnung war überflüssig. Die Auslegung, die Herr Spahn der Geschäftsordnung gegeben hat. trifft nicht zu. Er bringt s,e nur jetzt vor, weil er der Majorität damit dient. Was war denn der Zweck der ganzen Upbung? Doch lediglich die Absicht, der neuge. bildeten Mehrheit in der Kommission die Möglichkeit zu geben, das Plenum wie die Regierung vor fertige Tatsachen zu stellen und sie zu zwingen, die Anträge der Kommission anzunehmen. Wenn Herr Spahn darauf hinwies, daß der Präsident von der Geschäftsordnung heute infofern abgewichen sei, als er Reden zur Geschäftsordnung von länger als 6 Minuten zugelassen habe, so erinnere ich daran, daß diese S Minuten Redezeit zur Geschäfts- ordnung unter denselben Umständen zustande gekommen sind, wie Sie jetzt die Absichten der Mehrheit der Kommission durchfetzen wollen. Macht geht bor Recht, sagen Sie! Damals so wie heute handelt es sich, um einen offenen Bruch der Geschäftsordnung. (Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Abg. Erzberger(Z.): Es kann doch in einer 28gliedrigen Kam- Mission nicht ein einziges Mitglied die Arbeiten lahm legen dürfen! Wenn Sie das nicht wollen, müssen Sie zugeben, daß der Mehr- . heit die Entscheidung über einen Einspruch zusteht.(Sehr richtig! ' im Zentrum.) Abg. Singer(Soz.): Nicht die Mehrheit entscheidet über die Handhabung der Ge- schäftsordnung und darüber, welche Anträge zulässig sind, sondern die Geschäftsordnung entscheidet darüber, welche Anträge zulässig find, und es ist nur eine Verwirrung der klaren Situation, wenn man die Sache anders darstellt. Wenn Sie wollen, daß die Mehr» heit über die Auslegung der Geschäftsordnung auch gegenüber dem klaren Sinn der Geschäftsordnung entscheidet, dann heben Sie. damit die Geschäftsordnung selbst auf und proklamieren die Majo- ritätsherrschaft. Ich möchte sehen, ob Herr Spahn denselben Stand- Punkt eingenommen haben würde, wenn eS sich um die Vergewalti- sung jeiner Partei handelte. Ich erinnere ihn an die.Geschäfts, drdnrfhsreden feinel berstorbenen Kollegetk Lieber?. Nach HerkN Spahn müßte man einen Paragraphen in die Geschäftsordnung schreiben: Alles, was die geschäftsordnungsmäßige Behandlung betriftt, ist in jedem einzelnen Falle von dem Willen der Majo- rität abhängig.(Sehr gut! links.) Mein Freund Geyer hat mit Recht betont, daß die Mehrheit der Kommission ganz bewußt die geschäftSordnungsmäßigen Bestimmungen Vicht beachtet hat. um den Reichstag und die Regierung der Möglichkeit zu be- rauben, die großen allgemeinen Gesichtspunkte, die bei diesen Vor- lagen in Frage kommen, im Zusammenhang ausgiebig zu erörtern, wie das in der paragraphenweisen Beratung der zweiten Lesung nicht möglich ist.(Sehr wahr! bei den Sozialdemorraten.) E- handelt sich also um ein ganz wüstes Ucberrumpelungsmanüver. das wir im Interesse der Minorität aufs Stachdrücklichste be- kämpfen müssen. Wenn auf die nächste Tagesordnung die erste Lesung dieser Gesetzentwürfe gesetzt würde, so würden wir, um nicht die Verhandlugen unnötig zu verzögern, gegen die Beratung wohl keinen Widerspruch erheben. Kommen wir dann hinterher in die zweite Beratung der aus der Kommission gekommenen Gesetzentwürfe, dann kann im Anschluß an die zweite Lesung die Beratung dieser Anträge erfolgen. Wir bleiben also in fortwährender Kontinuität der Verhandlung und vermeiden dabei diesen Bruch der Geschäftsordnung. Wenn Sie aber den An- trag Baffermann heute annehmen, erreichen Sie gar nichts. Die Majorität beginnt dann die Beratung der von ihr im Interesse des Volkes notwendig erachteten Gesetze mit einem Bruch der Geschäftsordnung des Reichstags, der doch die Rechte des Volkes zu wahren hat.(Lebhafter Beifall links.) Abg. Dr. Spahn(Z.): Der vom Abg. Singer angegebene Weg ist nicht gangbar, weil ein Jniativantrag nicht vorliegt. Hiermit schließt die Diskussion. Der Antrag Singer wird gegen die Stimmen der Sozialdeme- kraten und Freisinnigen abgelehnt. Für den Antrag Bassermann stimmt die Linke und die Reichspartei. Da das Abstimmungsresultat zweifelhaft ist, erfolgt die Abstimmung durch Hammelsprung. Der Antrag wird mit 18S gegen 116 Stimme» abgelehnt. ES wird also in die zweite Beratung deS Finanzgesetzes eingetreten. Die Beratung beginnt bei Artikel II, Brsteucrnng der Wertpapiere. Abg. Dr. Weder(natl.): Bei der Beratung der ErbfckiaftSsteuer hat bereits Herr Raab über die Kotierungssteuer gesprochen und es als wünschenswert hingestellt, daß fremdes Kapital in Deutschland nicht Umlaufes und hat seiner Animosität gegen die Akriengesell- schaften Ausdruck gegeben. Gerade ihnen verdanken wir, daß wir mit England und Frankreich konkurrieren konnten. Der Mittelstand ist mit dieser Art Gesetzmacherei nicht zufrieden.(Lebhafte Zustimmung bei den Liberalen.) Mit Ihren ironischen Bemerkungen über den Hansabund werden Sie die Bewegung nicht beseitigen, aus der er hervorgegangen ist. und werden nicht hindern, daß er sich zu einer machtvollen Organisation von Industrie, Handel und Mittelstand entwickelt.(Lebhaftes Bravo I bei den Liberalen.) Hierauf vertagt daS Haus die Weiterberawng auf Montag 2 Uhr. Schluß 4 Uhr._ Sozialem Kinberausbeutung In der Heimarbeit. In den kleinen Zigarrenmacherwerkstätten beschäftigt der Heimarbeiter, neben einem Wickelmacher, seine eigenen und auch fremde Kinder mil Tabaktippen. In einem Dorfe des Regierungs. bezirkes Minden wurden, wie der„Hann. Courier" berichtet, von 277 Kindern nicht weniger als 153 oder 5b Proz. angetroffen, die entgegen den Vorschriften der Gewerbeordnung bcschättigt wurden. DaS jüngste Kind war sechs Jahre alt und mußte täglich fünf Stunden arbeiten. Ein zehnjähriger Knabe verdiente bei sechs- stündiger TageSarbeit fünfzig Pfennig wöchentlich. Sechs Stunden täglich mußten 18 Kinder arbeiten, von denen 7 noch nicht zehn Jahre alt waren. Ihr durchschnittlicher Wochenlohn betrug 1,50 Mark, das sntd etwa 4 Pf. pro Stunde. AuJ�rdem wurden noch 28 Verstöße gegen das Kinderschutzgesetz festgestellt, in denen noch nicht 10 Jahre alte Kinder beschäftigt wurden. Insgesamt sind von den 277 beschäftigten Kindern 181 als ungesetzlich beschäftigt zu betrachten._ Habt Acht vor Winkelkonsulenten! Am 31. März, also vor reichlich 2V2 Monaten, haben wir unter dieser Ueberschrift einen Rechtsstreit beim Gewerbegericht geschil- dert, der etwas Licht auf ein Rechtsbureau wirft, das sich„Recht?- wissenschaftliches Institut" nennt und in der Alcxanberstr. 25 von dem Rechtskonsulenten Fabisch und Dr. jur. von Kirchbach be- trieben wird. Jetzt erhalten wir von diesem Institut eine söge- nannte Berichtigung, die dahin geht:„1. ES ist nicht wahr, daß in unserm Institut falsche Auskünfte gegen hohe Preise erteilt werden. 2. Es ist unwahr, daß die Klage, welche der in dem vorgeannten Artikel genannte Arbeiter für seine minderjährige Tochter er- hoben hat, zurückgezogen wurde, ebenso ist es univahr, daß kein schriftlicher Lehrvertrag geschlossen ist. Di« Klage schwebt bei dem Kaufmannsgcricht— Berlin — noch gegenwärtig und es ist ein Lehrvertrag schriftlich geschlossen. 3. Es ist unwahr, daß der be- treffende Arbeiter 25 M. für die im vorgenannten Artikel als Rechtshilfe bezeichnete Tätigkeit bezahlt hat. Wahr ist vielmehr, daß das Honorar von 25 M. für die gesamte diesseitige Tätigkeit gezahlt wurde." Dieser Berichtigung geben wir lediglich aus preßgesetzlichen Gründen Raum und wiederholen eindringlich die Warnung, an derartige Institute oder Rechtskonsulenten sich ratsuchend zu wenden. Im Arbeitersekretariat(Engel-Ufer 15) erhält der Arbeiter kostenlos zutreffende Auskunst und erspart dadurch viel Kosten, Zeit und Aerger, die er durch Inanspruchnahme von Rechts- instituten und dergleichen zu verausgaben hat. Die Wiener Hammervrotwerke. Heute werden mit einer einfachen Feier die Hammerbrotwerke in Wien eröffnet. Damit geht das Wiener Proletariat in dem wichtigsten Zweig der Lebensmittelversorgung zur Eigenpro- d u k t i 0 n über. Indem es selbst einen großen Mühlenbe- trieb und eine Bäckerei in Betrieb setzt, macht eS in seinem Emanzipationskampfe als Konsument einen mächtigen Schritt nach vorwärts. Zugleich ober kommt es den schwerkämpfenden Ge- nassen der Backstube zu Hilfe, bei denen trotz vielen heroischen Kämpfen noch immer das Gesetz gilt, daß auf der einen Seite überlange Arbeitszeit, auf der anderen übergroße Arbeitslosigkeit den gewerkschaftlichen Befreiungskampf der Wiener Bäcker hemmen. Die von den Wiener Genossen errichteten Hammerbrotwerke sind ein Großbetrieb, dessen Errichtung für Mühlenbetriebe und Bäckereien vorbildlich zu wirken geeignet ist. DaS Unternehmen beginnt auf dem Bahnhof Schwechat . Vom Bahnhof führt ein eigenes kilometerlanges Geleise zu den Fabriken. Auf ihm wird alles herangebracht, was die Werke an Rohprodukten bedürfen, vor allem das Korn. Dickt am Geleise erhebt sich der Kornsilo, ein eigenartiger, turmähnUcher Bau, in dem das Getreide aus den Waggons mit Hilfe automatischer Transportüorrichtiyigen ge. fcküttet und bis zu dem Zeitpunkt eingelagert wird, zu welchem es sich Transportschnecken der Mühle herbeiholen. In diesem Riesen- speicher finden 250 Waggonladungen Korn gleichzeitig Platz. Neben dem Kornsilo steht die Mühle. Sie ist die größte Roggenmühle Oesterreichs und ist imstande, täglich 10 Wag- gon Korn zu vermählen. In eine mStollen zwischen dem Korn- filo und der Mühle drehen sich die Transportschnecken, die ohne menschliche Beihilfe das Getreide der Vermahlung zuführen. Ehe das Kortt aher in die Quetsche kommt, muß eS Ml Ackererde und all den Unreinlichkeiten befreit werden, die auf dem weiten Wege vom Feld bis zur Mühl? mit dem Getreide sich vermischt haben. Dafür sorgt ein sinnreiches System von Magnet-, Bürsten- und Siebreinigern, die mit Aspirationsmaschincn in Verbindung stehen, ebenso die Tricure, Siebtrommeln, welche in kreisrunden Grübchen die Kugelsamen des Unkrauts sangen. Erst wenn es völlig gereinigt und geschält ist, gelangt es in die Mühle. Diese ist innen durch- weg mit dem Holz der amerikanischen Pcchtanne, dem Pitschpinc- Holz, verkleidet. Von den Walzenstühlen und Blaumehlzylindern kommt das Getreide zu den Plantrichtern im dritten Stock, die cZ in oftmaligen Passagen in Mehle und Griese scheiden. Dann erst füllen sich im zweiten Stockwerk die Transportschnecken mit dem fertigen Produkt. An die Mühle angebaut ist ein Mehlsilo zur Aufspeiche- rung von losem Mehl und das Mehlmagazin zur Aufbewah- rung von Mehl in Säcken. Der Mehlsilo, der in der Höhe des zweiten Stockwerkes durch eine Brücke mit der Bäckerei verbunden ist, dient ausschließlich für die Bedürfnisse der Brotsabrir. lieber die Brücke laufen wieder Transportschnecken und tragen das Mehl in die M e h l m i s ch e r e i, die an der linken Seite der Brot- fabrik vom ersten in das dritte Stockwerk ragt. Das Mehl wird dort durch Bürstmaschinen, Schnecken und Elevatoren wiederholt gemischt. Ist diese Arbeit im ersten Stockwerk vollendet, dann heben die Elevatoren das Mehl in das dritte Stockwerk, wo es eine lange automatische Transportschnecke aufnimmt und in die Mehl- reservoire befördert. Dann gerät es in die eisernen Fang- arme der elektrisch betriebenen automatischen Teigerzeugung. Ter Boden der Reservoire im dritten Stock, deren jedes 8000 Kilogramm Mehl faßt, verjüngt sich zu einem Trichter, der von der Decke des zweiten Stockwerkes in einen Kasten ragt, der wieder den oberen Aufsatz einer komplizierten Reinigungsmaschtne und jju- gleich die Wagschale der im ersten Stock befindlichen Knetmaschine bildet. An dem Trichter lauern übrigens noch zwei Magnete auf die Eisenteilchen, die etwa auf dem weiten Wege, den das Mehl bisher zurückgelegt hat, in dieses geraten fein könnten. Ist das Mehl an den Magnetreinigern vorüber, dann hat es nur noch die Bürst- und Siebmaschinen zu durcksivandcrr, welche die letzte Reiniaung des Mehles vollziehen. Aber schon spielt unten im ersten Stock an der Knetmaschine der zum kom- pletten Maschinisten avancierte Mischer die Wage ein und doZ Mehl muh wieder ein Stockwerk tiefer in das große Becken der Knetmaschinen. Dort ist schon ein Gemenge von ebenfalls auto- matisch erzeugtem Sauerteig, von Salz und Wasser vorbereitet, und der Mischer läßt nun auf das Kilo genau so viel loses Mehl in die Knetmaschine, als zur richtigen Festigkeit des TeigeS nötig ist. Ist das Quantum abgewogen, dann verläßt er seinen Platz an der Wage und begibt sich auf die rechte Seite der Knetmaschine, wo er durch eine Kurbeldrehung erst das Schutzgitter niederlassen mutz, ehe die Mischflügel seinem Winke gehorchen. Und nun brandet und wogt in dem Bauche der Knetmaschine ein grau- braunes schmutziges Meer. Auf und nieder treiben die Knetflügcl die Teigmassen, die allgemach festere Form annehmen. In wenigen Minuten sind die 700 Kilogramm Teig geknetet und reif dem Teig- wagen anvertraut zu werden. Wieder ein Hebeldruck: der ganze Kasten stellt sich auf und ruhig wälzt sich nun der Teig in den in- zwischen herangeschobenen Tcigwagen. Von diesem wird der Teig zu den Trichtern gebracht, die, den Fußboden durchschneidend, den Teig in die Empfänger der im Erdgeschoß stationierten Teigteilmaschinen befördern. Der Teig drückt durch seine eigene Schwere in die Teiltammern und fällt nun in Form von reckt- eckigen Zylindern auf ein ewig rollendes Transportband, das die gewogenen Stücke zu der Wirkmaschine trägt. Der Kegel dieser Maschine ist gerippt und zwingt die eckigen Teigzhlinder"in die Rinne, die den Teigklumpen nun Kugelform gibt. In dieser Gestalt rollen sie aus ein Transportband, das sich längs des Ar- beitstisches der Bäcker hinzieht. Nun müssen das erste und einzige Mal Menschenhände den Teig berühren. Der Teig mutz von den Bäckern auf die korbartigen Teller— Schwingerin heißen sie in Oesterreich — gedrückt und schon wieder, ohne Berührung mensch- licher Hände, auf die Brotgestcllwagen gehoben werden, mit denen er dann in den Gährraum geschoben wird. An diesem an- schließend ist die Ofen Halle , ein 70 Meter langer Riesenraum, der den Schmuck des ganzen Betriebes darstellt. Von oben bul unten verkachelt, bietet die gewölbte Halle für 21 Doppelauszug- öfen Platz- Durch 20 Fenster in den Längswänden und durch zwei riesenhafte Rundbogenfenster an den Breitwänden empfängt sie «ine Fülle von Licht und Sonnenschein und 21 Ventilationsrosen in der gewölbten Decke befördern die Hitze und schlechten Dämpfe, die sich etwa bilden können, ins Freie. Es können in drei aclft- stündigen Schichten 50000 Laibe 1)4 Kilo schweren Brotes erzeugt werden. Die Heizung der Oefen erfolgt durch Gas, das in der hinter den Oefen gelegenen Generatoren- anlage selbst hervorgebracht wird. Di« Wärmemenge reicht auch aus. um alles Warmwasser für den Riesenbettieb, der natürlich Zentralheizung und elektische Beleuchtung in allen seinen Räumen hat, hervorzubringen. Ist das Brot aus dem Ofen, dann wird es mit Hilfe von Schaufeln und Tragbahren auf die Brotgestellwagen gehoben und samt diesen von schmucken Automobilen ausgenommen, die es den Vcrschleißstellen zuführen. Kraft und Licht empfängt der ganz« Riesenbetrieb von zwei Dampfmaschinen, die 000 und 150 Pferdekräfte aufweisen und von einer Turbine, der der Schwechatflutz 40 Pferdekräfte zu- führt. Die Feuerung der Kessel geschieht mit Rohöl. Auch hier ist wie in dem ganzen Betrieb alles Schmutzende und Staub- erzeugende vermieden. Kein Bäcker betritt den Raum, ehe er nicht seine Straßen- Neider abgelegt, ein Bad genommen und reine Betrirbskleider an- gelegt hat. Die Hammerbrotmarke, ein goldgelber Nehrenkranz, in dem ein roter Hammer ragt, möge in Ehren auf dem Wiener Brot- markte zum Nutzen des Wiener Proletariats bestehen. Hua der Frauenbewegung. Zur Kellnerinnenfrage. Frau Jellinek, die die gänzliche Ausrottung des Kellnerinnen- Berufes durch das Gesetz fordert, hat SukkürS bekommen von den — nationalen Kellnern. Das sogenannte„Nationale Kartell", bestehend aus einer Anzahl Kellner- und Köcheverbpnde, hat der Frau Professor zugestimmt. Es ist klar, die Befreiung der Kellnerinnen aus ihrem tiefen Elend kann nur durch sie selbst geschehen, nur durch eine eigene, Willensstärke und zielbewußte Organisation. Frau Jellinek hatte in Heidelberg ein„Kellnerinnenhcim" errichtet, und wollte in der Art bürgerlicher Philanthropen die Kellnerinnen„retten". Weil ihr das mißlang, ist sie ganz pessimistisch geworden. Deswegen ist sie für gänzliche Beseitigung des KellnerinncnberufeS. Doch halt! So ganz radikal ist Frau Jellinek nicht, sie will die kleinen Orte bis zu 5000 Einwohnern von diesem Verbot be- freit wissen. Weint die gute Frau, daß die Sittlichkeit der Kell- nerinnen in solchen Orten besser gewahrt sei, etwa deswegen, weil dort die junge Herrenwelt moralisch gefestigter sei? Weiß Frau Jellinek nicht, daß in den kleinen Städten des preußischen Ostens, auch Sachsens und Thüringens , das Animicrkneipenwesen gerade am meisten verbreitet ist? An einer anderen Stelle ihres Buches bemerkt sie, daß sie die Schweizer „Saaltöchter", die sich, wie eine andere Schriftstellerin sagt,„aus den Töchtern gebildeter und gut- situierter Familien rekrutieren", mit ihrem Verbot auch nicht treffen will.„Die bedienen in Sommerftischen, Luftkurorten, Hotels und ähnlichen Anstalten und fallen natürlich unter die von mir ausdrücklich angegebenen Ausnahmen." Es ist nicht ersichtlich, ob Frau Jellinek wegen des Charakters der Orte als Sommer- frische, Luftkurort, diese als einwandfrei für den Kellnerinnen- beruf betrachtet wissen will, oder ob sie meint, hier handle es sich dach immer um Orte mit weniger als 5000 Einwohnern. Jeden- falls gibt eS auch in Deutschland Gegenden, z. B. im Riesengebirge ,
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