Gewerkrcbaftlichc� Strasten-Tchlachte«. Das offiziöse Wolffsche Bureau meldet aus Kiel : Kiel , 24. Juni. Von streikenden Arbeitern der städtischen Reinigungsanstalt wurden heute gegen 10 Uhr an mehreren Stellen der Stadt kleinere Trupps Arbeits - williger überfallen. Diese machten zum Teil von Re- volvern und anderen Waffen Gebrauch. Auf beiden Seiten kam es zu Verletzungen; auch einige unbeteiligte Personen wurden verwundet. Die Schwerverletzten wurden in die Universitätsklinik gebracht. Kiel , 25. Juni. Wie nunmehr festgestellt ist, sind bei dem iiestern abend erfolgten Ueberfall auf die Arbeitswilligen der tädtischen Reinigungsanstalt acht Arbeitswillige der- letzt worden, davon einige schwer. Von den Angreifern konnte bisher nur einer festgenommen werden. Ein junger Mann und eine Frau, die in der Zeit des Ueberfalles die Straße dort passierten, wurden ebenfalls durch Schüsse verwundet. Wir haben die Depeschen genau in der typographischen Aufmachung des Originals wiedergegeben. Sie läßt ja die tendenziöse Mache deutlich erkennen. Auch die Satzform: „Diese machten zum Teil von Revolvern und anderen Waffen Gebrauch", dürfte nicht ohne die Absicht gewählt sein, bei dem harmlosen Leser den Anschein zu erwecken, daß Streikende zu diesen Waffen gegriffen hätten. In Wirklichkeit war es umgekehrt! Schon seit mehreren Tagen wurde abends vom Platze des Straßenreinigungsinstituts und in dessen nächster Umgebung von Arbeitswilligen mit Revolvern auf friedliche Passanten geschossen, ohne daß die Polizei eingegriffen hätte! Trupp- weise ziehen die Arbeitswilligen abends in die Stadt,„um Einkäufe zu machen", fuchteln mit den Revolvern umher und renommieren in den Wirtschaften. Am Mittwoch abend übersiel ein solcher Trupp ahnungslose Passanten in der Gutenbergstraße, einige der Arbeitswilligen verfolgten Frauen und Kinder bis vor die Haustüren der Häuser des Arbeiterbauvereins und gaben Schüsse aus den Revolvern ab. Daß die Schiisse scharf waren, bezeugt ein Loch in der Scheibe einer Haustür und eine in dem Flur eines Hauses aufge- sammelte Kugel. Kein Schutzmann ließ sich sehen, die ganze Polizcimannschaft war wegen der Kieler Woche an den Hafen kommandiert. Die Erbitterung über diese Vorfälle war un- geheuer, und die Folgen konnten nicht ausbleiben. Ain Donnerstag abend kurz nach 8 Uhr kam ein Trupp von 7—8 Arbeitswilligen über den Exerzierplatz und han- tiertc dort mit Revolvern. Mehrere, anscheinend den bür- gcrlichkii Kreisen angehörende Personen machten einige in der Nähe befindliche Schutzleute darauf aufmerksam und ver- langten, daß die gefährlichen Burschen arretiert und ihnen die Revolver abgenommen würden. Die Schutzleute ver- mochten diesem Drängen nicht zu widerstehen, sie führten die Arbeitswilligen zur nächsten Polizeiwache. Wie immer bei solchen Verhaftungen, hatte sich eine große Anzahl von Neu- gierigen eingefunden, die dann die Wiederfreigelassenen be- gleiteten. Plötzlich drehten sich die Arbeitswilligen um, feuerten etwa 20 Schüsse aus ihren Revolvern ab und flohen darauf. Die empörte Menschenmenge fiel darauf über die Revolverhelden her. Die Revolver waren also den Arbeits- willige» auf der Wache gar nicht abgenommen worden! Der Arbeitswillige Repp erhielt außer Schlägen von stegne- rischer Seite auch einen Schuß in den Kopf von seinen eigenen Kollegen! Ein auf der Kruppschen Werft beschäftigter Tischler er- hielt einen Schuß in den Bauch und wurde noch abends in der Klinik operiert. Eine Frau namens R i e p e r erhielt einen Schuß in den linken Fuß, sieben Arbeiter wurden mehr oder weniger verletzt. Drei Sanitätswagen mußten zweimal fahren, um die Schwerverletzten in die Klinik zu schaffen. Als die Schlägerei längst vorbei war, erschien die Polizei auf dem Plan und säuberte in der bekannten Manier den Platz. Mit blanker Waffe und gefährlichen Schlagwerk- zeugen hieben Schutzleute und Geheimpolizisten auf die Menge ein und trieben sie in die nahen Straßen: ein zirka K0 Jahre alter Mann und eine zirka 50 Jahre alte Frau wurden dabei niedergeschlagen und getreten. Bei dem Arbeitswilligenmaterial, das man nach Kiel gezogen hat, sind solche Vorkommnisse leider kein Wunder. Einer dieser Rowdies schrieb, wie ein bürgerliches Blatt, der Essener„Volksfreund" meldet, seiner Mutter, sie möchte den Revolverschicken. Als die alte Frau dies vernünftiger- weise nicht tat, erhielt sie einen Erpresserbrief, in dem es heißt: „Wenn bis Montag kein Revolver und Brief kommt welchen du bei der Waffe legen kannst so bin ich gezwungen einen neuen zu kaufen und ich kann dier keinen Pfennig schicken. Also eS liegt an dier wenn du blost willst kannst du den Rc- volver schicken. Es ist eine Lüge, daß Scheck festgenommen ist der ist bei mir. Waffen dürfen wier tragen die Polizei sagt schiefst oder schlagt sie thot wenn Sic euch waß wollen. Deß- halb schicke ihn nur entladen thut er so leicht nicht. Was ich geschrieben habe muß ich da ich gezwungen bin halten. Es kommt eher kein Geld bi» ich die Waffe habe." Die Kieler Polizei wird sich zu der Beschuldigung äußern müssen, sie habe das Schießen und Schlagen der Arbeits- willigen gebilligt. Daß sie es nicht verhindert, hat leider der obige Vorfall gezeigt. Was will aber daraus werden, wenn auch die Einwohner Kiels sich genötigt sehen, sich zum Schutz vor diesen Raufbolden zu bewaffnen? Daß die Verhältnisse sich so zuspitzen konnten, daran trägt die Hartnäckigkeit des Magistrates schuld: daß die Zuspitzung der Verhältnisse diese Ausschreitungen herbeiführen konnte, dankt die Kieler Be- völkerung der falschen Taktik der Polizei, die ihre Aufmerk- samkeit und Energie nicht den zugewanderten fragwürdigen Elementen widmet, sondern sie gegen die friedliche Ein- Wohnerschaft der Stadt kehrt! Berlin und illmgegend. Die streikenden Bauklempner kamen am Freitagmorgen zu einer Besprechung der Lage im Ge- Werkschaftshaus zusammen. Der Vorsitzende Dietrich machte bekannt, daß in einzelnen Fällen Streilende die Arbeit auf- genommen haben. Die Meister geben sich große Mühe, Streik- brecher heranzuziehen, aber kein Streikender sollte sich auf Unter- Handlungen einlassen ohne die Mitwirkung der Organisation. Bor einem Schlossermeister R a d t k e, der unter Chiffre in den Zei- tungen Klempner sucht, sei gewarnt. Es wurde festgestellt, daß dieser Radtke für die Firma Adolf Puppel Streikbrecher vermittelte.— Die allgemeine Stimmung der Versammelten war, wie aus der Diskussion hervorging, für energische Fortsetzung des Kampfes. Von den arbeitenden Klempnern wird erwartet, daß sie ihre volle Schuldigkeit in bezug auf Unterstützung der Streikenden tun. Bei vielen Meistern drangt jetzt die Arbeit, wie in jedem Jahre um diese Zeit, und die Arbeiter glauben, daß mancher bald gezwungen sein wird, Frieden zu machen. Lohnbewegung der Staker Berlins und Umgegend. Die Staker hatten im vorigen Jahre ihren Arbeitgebern For- derungen zur Regelung ihrer Lohn- und Arbeitsbedingungen vor- gelegt, und es fehlte ihnen damals auch keineswegs an der zur Durchführung notwendigen Einmütigkeit. Da jedoch die Kon- junktur sehr schlecht war und es allzusehr an Arbeitsgelegenheit mangelte, beschlossen sie, die Bewegung auf eine günstigere Zeit zu vertagen. Nun sind die Staker dabei, ihre Forderungen von neuem aufzunehmen, und die künstliche Verteuerung der Lebens- mittel spornt auch die Arbeiter dieses Berufs mehr als sonst an, ihre Interessen wahrzunehmen, solange es noch Zeit dazu ist. Am Donnerstag hielten sie im Gewerkschaftshaus eine außer- ordentliche Mitgliederversammlung ihrer Sek- t i o n ab, die erst einmal einer Aussprache über die gegenwärtige Lage im Beruf und über die Mittel, sie auszunutzen, diente. Die Sektionsleitung hat kürzlich eine Statistik über die Lohn- und Arbeitsverhältnisse aufgenommen, die in der Hauptsache ergab, daß der Stundenlohn der Staker bei den meisten Firmen 60 Pf., die Arbeitszeit 9 Stunden beträgt. Einzelne Firmen zahlen jedoch auch 65 Pf. Dies ist der Satz, der im vorigen Jahre als Minimallohn gefordert wurde. Die Sektionsleitung ist der Ansicht, daß man, entsprechend dem im vorigen Jahre gefaßten Beschluß, die damals gestellten Forderungen ohne wesentliche Abänderungen wieder aufnehmen soll. Einige Diskussionsredner meinten jedoch, daß man mit Rücksicht auf die allgemeine Verteuerung der Lebens- bedürfnisse mindestens 70 Pf. oder mehr Stundenlohn fordern müsse, und machten auch einige andere Verbesserungsvorschläge.— Irgendwelche bindenden Beschlüsse konnten und sollten in der Ver- sammlung noch nicht gefaßt werden, da es zunächst erforderlich ist, daß eine Vertretersitzung dazu Stellung nimmt, und außerdem auch der Hauptvorstand über die Durchführung der Lohnbewegung mit zu entscheiden hat. Die Angelegenheit wird jedoch so beschleu- nigt, daß schon am Sonntag eine außerordentliche Mitgliederversammlung der Staker über die Forderungen Beschlutz fassen kann. Achtung, Zigarettcnarbeiter i Der vielen Anfragen wegen teilen wir hierdurch mit, daß die über die Firma Kyriazi fräres, Zigarettenfabrik in Berlin , Friedrichstr. 1316, von uns am 6. Juni 1909 verhängte Sperre nicht aufgehoben ist. Dieselbe besieht vielmehr bis auf weiteres fort und ersuchen wir, sich streng danach richten zu wollen. Deutscher Tabakarbeiterverband. Zahlstelle Berlin . Die Friseurgehilfen Potsdams befinden sich in einer Lohn- bewegung. Die Geschäfte, welche die Forderungen bewilligt haben, sind durch Plakate kenntlich. Die Barbierinnung unter Führung des Obermeisters Pabst versucht nun diese Firmen zu ver- anlassen, die Plakate zu entfernen. Die Hauptursache des Wider- standes gegen die Forderungen ist das Verlangen nach Einführung einer geregelten Arbeitszeit sowie Freigabe der drei zweiten Feier- tage. Die Arbeitgeber wollen durchaus die Arbeitszeit nach ihrem Belieben einrichten. Die Delegierten des Kartells beschlossen da- her, daß von der Arbeiterschaft nur Betriebe in Anspruch zu nehmen sind, welche die Forderungen bewilligt haben. Oeudkcbes Reich. Der Mitglieberstanb der deutschen Gewerkschaften im Jahre 1908. Nach einer aus den Jahresberichten und Abrechnungen der einzelnen Verbände gewonnenen Zusammenstellung— die eigentliche Organisationsstatistik der Generalkommission erfolgt erst dem- nächst— haben die Gewerkschaften für das Jahr 1908 eine Ab- nähme von 72 284 Mitgliedern zu verzeichnen. Die diesmalige Krise hat danach weit schärfer auf die Gewerkschaften eingewirkt als die letzte Wirtschaftskrise 1900 bis 1902. Damals trat in einem Krisenjahre ein Rückgang ein; aber er betrug(1901) im Jahres- durchschnitt nur rund 3000 Mitglieder. Dagegen war 1900 sowohl wie 1902 eine Mitglicderzunahme zu verzeichnen. Aehnlich so scheint die diesmalige Krisenperiode zu verlaufen. Im ersten Krisenjahre(1907) hatten die Gewerkschaften von Jahresschluß zu Jahresschluß eine Mitgliederzunahme von 73853. Im Jahre 1908 ist im vierten Quartal ein Rückgang von 7b 183 Mitgliedern gegen- über dem gleichen Quartal des Vorjahres zu verzeichnen. Welchen Einfluß die Krise auf die Mitgliederbewegung der Gewerkschaften hat, dafür ist gerade typisch der Rückgang der Mit- glieder in den Baugewerksorganisationen; sie allein haben 37 718 Mitglieder verloren, darunter die Maurer 17 449, die Bauhilfs- arbeiter 15 789; die Zimmerer verloren nur 4172 Mitglieder. Geringere Verluste in absoluten Zahlen hatten die kleineren Ge- werkschaften der Dachdecker und Stukkateure, während die Stein- setzer ihre Mitgliederzahl ziemlich hielten, die Maler sogar eine Zunahme von rund 500 zu verzeichnen haben. Außer im Baugewerbe war der Mitgliederverlust im Textil- gewerbe am größten; die Textilarbeiterorganisation verlor 23 320 Mitglieder. iÄide genannten Jndustriegruppen tragen demnach von der verminderten Mitgliederzahl von 72 284 allein rund 61 000. In der Metallindustrie hat der Metallarbeiterverband mit 362 073 Mitgliedern seinen Mitgliederstand so ziemlich gehalten. Ein Verlust von rund 1351 Mitgliedern trifft den Schmiede- verband, während die Maschinisten, Kupferschmiede und Schiffszimmerer kleine Zunahmen zu verzeichnen haben. Im Handels- und Transportgewerbe ist ein Mitgliederrückgang von 1156 zu verzeichnen. Die Bergarbeiter beziffern bei einer Mitgliederzunahme von rund 1900 ihre Mitgliederzahl auf 112 513. Größere Mitgliederverluste zählt noch die Bekleidungsindustrie mit 3778, die Holzindustrie mit 4579, die Industrie der Steine und Erden mit 6576 Mitgliedern. Am besten haben sich die poly- graphischen Gewerbe und die sonstigen Berufe gehalten, die eine nicht unbedeutende Zunahme aufweisen. Das Jahr 1909 läßt wieder eine allgemeine Aufwärts- bewegung erhoffen. Zeigen doch die schon vorliegenden Abrech- nungcn von fünf Verbänden für das erste Quartal eine Mit- gliederzunahm e. Rege Agitation aller Gewerkschafts. Mitglieder wird dazu beitragen, die Scharte, die das Krifenjahr 1908 den deutschen Gewerkschaften geschlagen hat, nicht nur aus- zuwetzen, sondern die Reihen zu verstärken und die Schlagfertig- reit unserer Gewerkschaften zu erhöhen. Der Hamburger BauarbeiterauSfiand zieht weitere Kreise. In tarburg sind am Freitag von den Unternehmern sämtliche Maurer, immerer und Bauhilfsarbeiter ausgesperrt worden, um die Arbeit- geber in Hamburg bei der Aussperrung zu unterstützen. Genau läßt sich z. B. die Zahl der Ausgesperrten nicht feststellen, eS werden aber zirka 7—800 Arbeiter entlassen worden sein.— In Husum da- gegen ist der Streik der Bauarbeiter am Freitag beendet worden. Es fand eine Einigung mit den Unternehinern statt, wobei die Forderungen der Arbeiter in der Hauptsache anerkannt wurden. Die Arbeiten für Maurer und Bauhilfsarbeiter find in vollem Umfange wieder aufgenommen worden. Zur Aussperrung im Hamburger Laugewerde. Am Freitagvormittag nahm im Hamburger GewerkschastShause eine von über 3000 Personen besuchte Maurerversammlung zur Aussperrung Stellung. Nach dem Referat des Genossen Hartwig wurden bisher ausgesperrt 3500 Maurer , 300 Plattenansetzer und 529 Betonarbeiter, insgesamt 4329 Mitglieder des Zentralverbandes der Maurer, und etwa 300 Mitglieder der Freien Vereinigung. Durch den Aussperrungsbeschluß der Harburger und Wilhelms- burger Unternehmer dürfte sich die Zahl der Ausgesperrten um 300 erhöhen. Abgereist sind 1040 Maurer. — Eine am 24. Juni aufgenommene Statistik ergab, daß von 565 Baustellen 248 stillagen, davon sind 20 wegen Nichtbewilligung der Forderungen seitens des Verbandes gesperrt, während auf 207 Bauten die Unternehmer ausgesperrt haben, auf 21 Bauten mußte wegen der Materialsperre die Arbeit ausgesetzt werden. In Arbeit befinden sich 1904 Maurer, davon 1193 zu den alten und 706 zu den neuen Bedingungen. Im ganzen Aussperrungsgebiet arbeiten nur 37 Streikbrecher. Von den ausgesperrten Bautm sind 23 Staatsbauten. Vom Referenten wurde mitgeteilt, daß in einer Versamm« lung des Baugewerbeverbandes(Vorsitzender: Ober- meister Lummert) erklärt worden sei, daß der Arbeit- geberverband von Hamburg « Altona beschlossen habe, die Ar- beiten auf den Werften und anderen Betrieben stillzulegen, falls der Baugewerbeverband nicht Herr der Situation werden sollte.(Zuruf: Schreckschuß!) In der Debatte wurde allseitig hervorgehoben, daß keine Ursache vorliege, von der seitherigen Taktik abzuweichen, was in einer einstimmig angenommenen Resolution zum Ausdruck ge- bracht wurde. Der Streikleitung wurde Vollmacht erteilt, ihre Taktik den jeweiligen Verhältnissen entsprechend einzurichten. Mit einem brausenden Hoch auf das Gelingen der guten Sache wurde die Riesenversaminlung geschlossen. Dir Töpfer und Ofensetzer Leipzigs stehen in einer Lohnbewegung. Sie vermuten, daß die Töpferinnung die Verhandlungen bis zu einer für die Gehilfen ungünstigen Zeit hinziehen will und stellten der Innung deshalb das Ultimatum, bis zum 25. Juni die Ver- Handlungen abzuschließen, andernfalls am 23. Juni weitere Schritte eingeleitet werden sollen. Die Fliesenleger in Dresden haben am Freitag in allen Fliesen- legergeschäften die Arbeit niedergelegt, um einen von den Unter- nehmern vorgelegten verschlechterten Tarif abzuwehren. Huö der Frauenbewegung. Dienstbotcnelend. Wie man sich eines Dienstmädchens entledigt, zeigt folgender Fall. Beim Kaufmann Samuel, der am Alexanderplatz Inhaber eines Schuhgeschäftes ist, war seit fast einqn Jahr ein Fräulein G. in Stellung. Von Anfang an war das Mädchen mit dem Essen nicht zufrieden, es sah sich oft genötigt, für eigenes Geld etwas zuzukaufen. Da aber die Behandlung ziemlich gut war, blieb es. Trübe Erfahrungen in anderen Stellen reizten nicht zum Wechsel. Am 15. Juni kündigte die Herrschaft dem Mädchen zum 1. Juli mit dem Bemerken, daß es am 1. August wiederkommen könne. Darauf wollte sich das Mädchen natürlich nicht einlassen. Später machte Frau S. den Vorschlag, es solle bis zum 6. Juli bleiben. Die Weigerung des Mädchen, auf das verlockende Angebot einzugehen, war der Anlaß zu allerhand Ausstellungen ihm gegen- über. Es sollte nun auf einmal gestohlen haben. Die Dame hatte in Abwesenheit des Mädchens dessen Koffer untersucht und darin ein Stück Küchenspitze und ein Deckchen, das der Frau ge- hörte, gefunden. Nun hieß es, das Mädchen habe nicht nur diese Sachen, fondern noch viel mehr gestohlen. Auch die Behauptung wurde aufgestellt, das übrige Gestohlene hätte das Mädchen zu den Eltern geschickt. Sogar der Beschuldigten Tante, die sich ihrer Nichte der Herrschaft gegenüber annahm, erklärte Herr S., sie habe auch wohl etwas von dem gestohlenen Gut bekommen. Fräu- lein G. ging zur Polizei. Hier fand sie guten Beistand. Herr und Frau S. wurden zusammen mit dem Mädchen aufs Polizei- revier geladen. Es stellte sich nun heraus, daß daS Stück Spitze und die Decke von einem Umzug her im Korbe des Mädchens geblieben waren. Die Herrschaft hatte den Korb des Mädchens zum Transport ihrer Sachen benutzt. Uebrigens waren die beiden Gegenstände wertlos, für ein Dienstmädchen gar nicht ge- brauchsfähig. Trotzdem sollte daS Mädchen eine Tiebin sein. Tie Dame hatte in»iner Stärkekiste, die das Mädchen unter sein Bett als Stütze gestellt hatte, auch noch Sachen gefunden, die nicht dem Mädchen gehörten. Aber auch damit war es nichts. Das Mäd- chen konnte nachweisen, daß ihm auch die Kiste nicht gehörte, es habe diese samt Inhalt aus einem Bodenwinkel genommen und Unter ihr Bett gestellt, damit dieses nicht zusammenbreche. Die Tatsachen bewiesen hier klar und deutlich, daß es mit dem angeblichen Diebstahl nichts sei. Das Mädchen konnte auf der Stelle den Dienst verlassen. Gekränkt ob einer solchen Ungerechtig- keit zogen Herr und Frau S. von dannen. Fräulein G. bekam nur bis zu dem Tage des Austritts bezahlt. Da sie die paar Mark schon als Vorschuß für eine Pfingstreise genommen hatte, stand sie mittellos da. Glücklicherweise konnte sie zu hier wohnenden Verwandten flüchten. Was würde unter gleichen Umständen ein Mädchen ohne jeden Anhang in Berlin gemacht haben? Man hätte es vielleicht, d. h. im günstigsten Falle, in ein Mädchcnheim gebracht und es hätte dann die erste beste Stelle angenommen, um nur wieder Verdienst zu haben. In die Jnvalidenkarte hatte Herr S. in der ganzen Zeit kSine Marke geklebt. Erst im letzten Augenblick— obwohl Fräulein G. wiederholt darauf aufmerksam gemacht hatte— wurde die Karte in Ordnung gebracht. Der Betrag für die Marken war dem Mädchen jedoch regelmäßig bei jeder monatlichen Lohnzahlung abgezogen worden. Hinzugefügt muß noch werden, daß das vorige Mädchen bei der Familie S. ebenfalls gestohlen haben soll— so erzählte wenigstens Frau S. Da scheinen die Mädchen bei ihr ja ein merkwürdiges Pech zu haben. Nicht immer glückt es einem Dienstmädchen, den ehrlichen Namen zu retten._ Das Frauenwahlrecht in Italien . Dieser Tage erschien eine Delegation von Frauen beim Mi- nisterpräsidenten Giolitti, um ihn wegen des Frauenstimmrechts zu interpellieren. Die Delegation war zusammengesetzt aus Frauen aller Klassen und Stände, unter der Führung des Fräu- lein Labriola . Eine parlamentarische Kommission ist schon bor längerer Zeit beauftragt worden, die Frage der Gewährung des Stimmrechts an die Frauen bei den kommunalen und sonstigen administrativen Wahlen zu beraten. Der Minister erklärte, daß die Arbeiten der Kommission noch nicht beendet seien. Er selbst stehe der Frage sympathisch gegenüber, aber er sei für eine gra- duelle Einführung des Frauenstimmrechts. Demgegenüber wies Fräulein Labriola daraus hin, daß die Frauen in Nord- und Süd- italien und die aller Bevölkerungsschichten gleichermaßen daS Wahlrecht fordern, und daß hierfür die Frauen auch reif seien. l�et2te I�acbricKten und Depefeben. Opfer der Grube. Karlsbad , 25. Juni. (W. T. B.) Auf der Frifcbglück- Zeche Sodau im Revierbergamt Elbogen hat ein Schwcmmsandeinbruch stattgefunden. Fünf Personen, darunter ein Obersteiger und ein Oberhäuer, sind unrettbar verloren. Gestrandeter Dampfer. Hamburg , 25. Juni. (B. H. ) Der Dampfer der Hamburg- Amerika-Linie „Calabria" ist bei Matanza(Kuba ) gestrandet. Ueber die Situation des Schiffes ist noch nichts Näheres bekannt. Der Dampfer der Hamburg-Amerika-Linie „Altenburg " ist zur Hilfeleistung abgegangen._ Drei Pioniere ertrunken. Trient , 25. Juni. (B. H. ) Bei einer auf der Etsch vor- genommenen Ueberbrückungsübung der Pioniere kenterte ein Ponton. Ein Unteroffizier und zwei Pioniere ertranken. verantw. Redakt.: Carl Mermuth, Berlin -Rixdorf. Jnserateverantw.: LH. Glocke, Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u.BerläMnstall Paul Singer& Co.. Berlin S W. HierzuL Beilagen u. UnterhaltungSbl.
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