Ar. 151. 26. ZahkMg. 1. Keilme Ks Jotirötte" Kerlim lollislilstt. Freitag, 2. Juli MS. Reichstag» 278. Sitzung vom Donnerstag, den 1. Juli, nachmittags 1 Uhr. Sm Ministertisch: FrHr. v. Rheinbaben, S h d o W. Auf der Tagesordnung steht zunächst die zweite Beratung der Novelle zum Brausteuergesetz. Abg. Dr. Zehnter(Z.): Meine Freunde halten eine Finanz- reform ohne wesentliche Heranziehung des Vieres nicht für möglich. Für die vor dem 1. Oktober 1908 betriebsfähig hergerichteten Bratereien will die Kommission die Steuer von den ersten 159 Doppelzenwern des in einem Rechnungsjahre verwendeten Malzes auf 7 M. ermäßigen; eine so starke Ermäßigung halten meine Freunde für unberechtigt und beantragen, statt 8 M. zu setzen: 12 M. Abg. Dr. Weber fnatl.): Nach den Beschlüssen der Kommission haben die ganz großen Brauereien eine verhältnismäßig geringere Belastung zu tragen als die mittleren und kleineren. Die Absicht der Regierungsvorlage, die kleinen und mittleren Betriebe zu schonen, wird durch die von ihr vorgeschlagene und von der Kommission angenommene Staffel nicht erreicht. Wir schlagen daher eine andere Staffelung vor, durch welche die kleineren und mittleren Betriebe geschont, die größeren aber stärker herangezogen werden, so daß die Steuer denselben Erttag bringt. Auch wenn unsere Anträge an- genommen werden, werden wir diese Brausteuer doch ablehnen (Hört I hört I rechts), da die Voraussetzung für unsere weitere Mit Wirkung an der Finanzreform, die Einführung einer allgemeinen Besitzsteuer, nicht erfüllt ist.(Bravo ! links.) Abg. Dr. Pichler(Z.): Herr Dr. Weber hat wieder von einer allgemeinen Besitzsteuer gesprochen und dabei jedenfalls an die abgelehnte Erbschaftssteuer gedacht. Aber die Erbschaftssteuer ist gar keine allgemeine Besitzsteuer(Große Heiterkeit links), denn die potentesten Besitzer, die großen Aktiengesellschaften, werden von ihr nicht betroffen.(Zuruf links: Wem gehören denn die Aktien?!) Redner befürwortet einen Antrag, der auf die bayerischen Verhält niffe Rücksicht nimmt. Ein Teil meiner bayerischen Freunde würden nur bei Annahme dieses Antrages für die Vorlage stimmen.(Hört I hört! links.) Abg. Frhr. v. Gamp: Dem Gedanken der Kontingentierung der Brauereien, den Kollege Weber in der Kommission zuerst angeregt hat. hätten wir näher treten sollen; denn die Brauereien gehen einem schweren Konkurrenzkampf entgegen, bei dem viele Leichen auf dem Felde bleiben werden. ReichSschatzsekretär Sydvw bekämpft die vom Abg. Weber beanttagte Staffelung, weil die Steuer dann zu wenig bringe und auch nicht so leicht auf das Publikum abgewälzt werden könne. Dagegen befürwortet er die vom Abg. Zehnter beantragte Erhöhung der Steuern von 8 auf 12 M. für die vor dem 1. Oktober betriebs- fähig hergerichteten Brauereien. Abg. ZuieU(Soz.): Meine politischen Freunde werden gegen das Gesetz stimmen, aber nicht au» den Gründen der Nationalliberalen, die aus dem Block gedrängt sind und sich deshalb Herbeilaffen, mit uns gegen die indirekten Steuern zu stimmen. Die Regierung hat es sehr leicht. durch eine vernünftige Reichsvermögenssteuer und Erbschaftssteuer 500 Millionen zu bekommen. Daher werden wir den vor- geschlagenen indirekten Steuern niemals zustimmen.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Wir werden auch wenig Verbesserungsanträge stellen, sie scheitern ja doch an der kompakten Majorität, die hier für die Finanz reform vorhanden ist. Für den Antrag Pichler werden wir stimmen, weil durch ihn der Schaden, der durch dieses Gesetz einem großen Erwerbsstand zugefügt wird, nicht so fühlbar ist. Das Zentrum erinnere ich an den Delegiertentag der katholischen Arbeiter in Essen ; entgegen GieSbertS haben sie scharf aufgefordert, gegen jede weitere Belastung der Arbeiterschaft zu stimmen! Auch der süd- deutsche christliche Verein hat scharfe Stellung gegen jede weitere Belastung mit indirekten Steuern genommen. Trotzdem tritt da» Zentrum für sie ein.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Die Arbeiter sind schon ungeheuer schwer durch die Krise getroffen, und das Zentrum ist bereit, eine weitere ungeheuere Belastung auf ihre Schultern zu legen; denn das ist ja klar, daß eine Bieriteuer von 100 Millionen Mark, die, wie der Schatzsekretär soeben aus- geführt hat. auf die Konsumenten abgewälzt werden soll, in erster Linie von den Arbei-tern gettagen werden muß.(Lebhafte Zu stimmung bei den Sozialdemokraten.) Wenn man das Wort.Finanz- reform' hört, bekommt jeder im Volk schon eine Gänsehaut, denn .Reform' heißt ja hier nur Auspowerung der breiten Massen. Die Arbeitermaffen und die Mittelschichten sollen das Geld aufbringen. Hier nimmt die Regierung, was sie kleines feialleton. Junge Anarchisten, alte Betbrüder. Wieder hat einer jener fran zösischen Salonanarchisten, die in den neunziger Jahren den Bourgeois durch ihre Umstürzlcrgesten verblüfften, seine Bekehrung zum Kleri- kaliSinu« in rellamehafter Weise demonstriert. Wie Maurice B a r r ö s, der jetzige parlamentarische Anwalt des Pfaffenunterrichts, wie Laurent Tailhade. der in sich vererbte konservative Ueber- zeuguugen gefunden, war auch Adolphe Netto einst ein Wilder, der an den Mauern der bürgerlichen Gesellschaft tobte und für die Sozialisten, die sie durch eine methodische Belagerung bezwingen Ivollien, nur ein verächtliches Lächeln übrig hatte. Rettü, der die Geschichte seiner Bekehrung in einem Buche.Vom Teufel zu Gott ' erzählt hat, ist jetzt als Mönch in ein Benediktinerkloster bei Dinant in Belgien eingetreten. Ein Sozialist als Urheber beb PanamakanalprojektS. Vor einigen Tagen ist der Prinz Lucian Napoleon Bonaparte W Y s e, ein Enkel Lucian Bonapartes, gestdrben. Er war der erste, der eine regelrechte Konzcssion für den Durchstich der Landenge von Panama erworben hat. Der Gedanke dieses noch immer nicht ver- wirklichten Unternehmens, das aber in der kapitalistischen Kor- ruptwnLgcschichte schon eine wichtige Rolle gespielt hat, ist be- deutend älter. Bekanntlich bezieht sich auch ein Gespräch Goethes mit Eckermann darauf. Weniger bekannt dürfte es sein, daß der erste, der die Idee des Durchstichs klar erfaßt und für ihre Durch- führung Propaganda gemacht hat, der große utopistische Sozialist Saint-Simon gewesen ist. Saint-Simon machte, wie so manche freiheitliebende Franzosen, den Unabhängigkeitskrieg der Vereinigten Staaten gegen England als Freiwilliger mit. In der Seeschlacht bei. Saintes wurde er verwundet und gefangen ge- nommen. Bi» zum Friedensschluß wurde er in Jamaika fest- gehalten. Vor seiner Rückkehr begab er sich, nach einer Unter- redung mit Franklin, zum Bizckönig von Mexiko und legte diesem das Projekt eines die beiden Ozeane verbindenden Kanals vor. Er war damals 23 Jahre alt. Vermutlich hat der spanische Grande den Vorschlag nicht ernst genommen, jedenfalls weiß man nicht, was aus dem ihm eingehändigten Entwurf geworden ist. Dem Lizekönig darf man zugutehalten, daß die Leuchten der bürgerlichen Wissenschaften die genialen sozialphilosophischeu Gedanken Saint- Simon mit dem gleichen Hochmut abgetan haben. Die großen Ideen der Menschheit treten immer als Träumereien in die Welt, die die klugen Herren des Tages überlegen belächeln. Die Epidemien in Rußland und dem Orient. Die Cholera in Kußland erfüllt mit ihrem Ausflackem bei Beginn der warmen irgend kriegen kann. Man kann auf sie das Wort von Grillparzer anwenden: Ein Ochs ging auf die Wiese, Wo er nach Kräften fraß; Da waren Blumen und Kräuter, Was kümmerte ihn das weiter? Für ihn war alles Gras.(Heiterkeit.) Daß der Brauer die Steuer nicht zahlen kann, hat man ein- gesehen. Die Brauereien werden gezwungen sein, sie a b z u» wälzen. Aber auch die Gastwirte können sie nickt tragen, daher müssen Mittel und Wege gefunden werden, sie auf die Schultern der breiten Masse abzuwälzen. Hierzu ist eine Aenderung des Schankgesetzes vorgeschlagen. Statt der Zehntelung soll eine Zwanzigteilung der Schankgefäße erfolgen. In Norddeutsch- land sind jetzt Schankgefäße von°/,g Liter üblich. Aus einem Hekto- liter werden also 330 Gläser ausgeschenkt. In Zukunft soll das Gefäß einen Viertelliter enthalten, aus dem Heltoliler sollen also 400 Gläser ausgeschenkt werden. Steigert sich der Konsum nicht, so bleiben von solchem Hektoliter 70 Glas übrig, und statt 6 bis 6 Hekto- liter wird der Gastwirt nur noch 4 Hektoliter in der Woche aus- schenken. Notwendigerweise wird also schon zufolge dieses Schank- gefäßgesetzes die Produktion sinken, und die Regierung kann daher aus dieser Brausteuervorlage unmöglich 100 Millionen Mark erhalten. Nun haben Sie auch die Rechnung ohne die Konsumenten gemacht! Glauben Sie denn, daß die Konsumenten nur eine Hammelherde sind?(Große Heiterkeit.) Ich wünsche im Interesse meiner früheren Berufskollegen, der Gastwirte, nicht, daß ein Krieg zwischen Kon- sumenten und Gastwirten ausbricht, aber so glatt, wie Sie meinen, wird die Sache doch nicht abgehen, daß die Konsumenten ein- fach damit einverstanden sind, anstatt 8/io in Zukunft nur Vio für zehn Pfennige zu erhalten. Jedenfalls wird der Konsum unter diesen Umständen nicht zunehmen. Die Steuer von 1906 ist in allen Teilen auf die Gastwirte abgewälzt worden. Aus den Steuerlisten könnten sich die Verbündeten Regierungen leicht überzeugen, wie weit seit 1906 die Steuerkrafl der Gastwirte herabgegangen ist. Der größte Teil der Gastwirte bis zu den feinsten Lokalen ist durch das Gesetz von 1906 außerordentlich schwer getroffen worden. Eine Kontingentierung würde die letzte Schaufel zu dem Grabe für die Gastwirte bedeuten.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die Herren, die den Mittelstand schützen wollen, sollten daher ihre Hand zu einer solchen Kontingentierung nicht bieten. Seit 1906 sind 169 Brauereien ein gegangen, davon 13 allein in Konkurs geraten. 1906 sind die Gast- Wirte mit 29 Millionen belastet worden, jetzt sollen sie gar mit 100 Millionen belastet werden. An die große Zahl der Arbeiter, die dadurch wieder brotlos werden, denkt man nicht. Selbst in den großen Bierpalästen ist der Konsum stark zurückgegangen. Gerade die Herren, die auf dem Stand punkte stehen, daß der Schnapsteufel zurückgedrängt werden muß, sollten doch nicht die Hand dazu bieten, daß mm auch das Bier in dieser Weise verteuert wird. Dadurch treiben sie doch mit Gewalt die Arbeitermassen dem Branntwein entgegen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) DaS scheint freilich die Absicht der Herren von der Rechten zu sein, die ja auch in allererster Linie die Schnapsbrenner sind. Außer durch die Belastung deS BiereS werden die Gastwirte auch durch die Verteuerung der Zigarren, des Tabaks und durch die Zünd- holzsteucr getroffen. Dazu kommen die anderen Steuern, die das preußische Abgeordnetenhaus zuungunsten der Gastwirte beschlossen hat: eine Konzessionssteuer, eine Vergnügungssteuer, eine Tanzsteuer— man sollte denken. Tanzen ist ein Ver- g n ü g e n(Heiterkeit), aber eS ist noch eine besondere Steuer darauf! Dann die Automatensteuer, die Polizeistundensteuer usw. Trotz seiner großen Belastung hat der heutige Gastwirtsstand noch nicht denken gelernt. Es handelt sich um 600 000 Menschen, die bisher bei allen patriotischen Festen mit Ihnen Hurra geschrien und die sich bei den Wahlen auf die Seite der bürgerlichen Parteien gestellt haben. Vielleicht sehen die Gastwirte jetzt endlich ein, wo ihre wahren Freunde fitzen.(Sehr richtig I bei den Sozial- demokraten.) UnS könnte diese Gesetzgebung ja recht sein, wenn nicht eben die Arbeiter dadurch so schwer gettoffen würden. An einem kräftigen Arbeiterstand sollten aber auch die Herren rechts das größte Interesse haben. Und auch das Zentrum sollte dafür eintreten, daß das Volksgetränk, das Bier, nicht verteuert wird. Gerade wenn Sie Weltmachtspolitik treiben wollen, müssen Sie dafür sorgen, daß nicht der ganze Mittelstand und der Arbeiter- stand geradezu ausgepowert wird.(Lebhaftes Bravo l bei den Sozialdemokraten.) Vizepräsident Paasche erteilt das Wort zu einer dem Erklärung außerhalb der Tagesordnung Jahreszeit nur die Erwartung und Voraussage der Sachverständigen. Eine lehrreiche Uebersicht über den Verlauf der Epidemie in PeterS- bürg bis Anfang Mai gibt ein besonderer Bericht deS.Lancet'. Der Höhepunkt wurde während des letzten JahreS in der zweiten Septembcrwoche mit 2568 Erkrankungen und IIIS Todesfällen erreicht. Dann fand eine stetige Abnahme statt, doch hielt sich die Zahl von Erkrankungen und Todesfällen bis An- fang Februar auf bedenklicher Höhe. Das ungewöhnlich kalte Frühjahr tat der Epidemie dann weiteren wirk- samen Abbruch, bis erst jetzt wieder die bedenkliche Zunahme er- folgte. Insgesamt starben rn der Zeit von Ende August 1908 bis Mitte Mai 1909 in Petersburg mehr als 4000 Menschen an der Cholera, während die Zahl der Erkrankungen über 10000 be- trug. Eine ständige Besorgnis für Rußland und damit auch für das übrige Europa ist die Nachbarschaft mit Sibirien und den anderen Ländern deS näheren Orients, wo Epidemien der schwersten Krankheiten fast dauernd als Gespenster umgehen. Im russischen Asien und in der Mongolei ist es die sonderbare, gleichfalls in hohem Grade lebensgefährliche Krankheit mit dem Namen Taraba- gan(Murmeltier), die eine verdächtige Aehnlichkeit teils mit der Beulenpest, teils mit der Lungenpest besitzt und ständig nach Europa hinüberzudrohen scheint. Es sind einzelne Fälle dieser Krankheit auch schon im europäischen Rußland nachgewiesen worden. Nach den neueren Untersuchungen wird es immer wahrscheinlicher, daß diese Krankheit mit der Pest identisch und von den gleichen Keimen verursacht wird, daß aber die Ansteckung durch Bermittelung der Murmeltiere ersolgt, worauf auch der Volksname hinweist. Es sind nachweislich Erkrankungen dadurch vorgekommen, daß Leute die possu.lichen Murmelttere zu sich in ihre Behausung genommen haben. Die eigentliche Pest ist im näheren Orient im übrigen ziemlich erloschen, sowohl in Arabien wie in Bagdad , jedoch ist diese Feststellung nicht so sicher, daß nicht doch eine dauernde Aufmerksamkeit und Vorsicht empfehlenswert wäre. Theater. Reinhardt in München . Dem Shakespeareschen LiebeS-, Gaukel- und Rüpelspiel:.W a S Ihr wollt' hat Reinhardt mit Recht seinen Untertitel.Fastnacht' zurückgegeben und damit den Geist der Narretei und des übermütigen Sckelmenhumors als maß- gebend für den Stil der Darstellung bezeichnet. Die Darstellung mit Waßmaun, Diegelinann, Moissi und E y s o l d in den Hauptrollen war denn auch erfüllt von echtem romantischen Märchenreiz. Die Julius Diezsche Ausstattung hat das königliche Residenzlheater erworben, deshalb hat�Ailhelm Schulz neue zenenbilder geschaffen, die zwar den Gast deS vom„Simplicissimus' her bekannten barock Märchenhaften kund aten, aber einen Konipromiß mit der alten Kulijsenbühne anbahnten.--- Ganz frei von Staatssekretär v. Bcthmann-Hollwrg: In Preßäußerungen der letzten Tage wird verschiedentlich be» hauptet, daß sachliche Meinungsverschiedenheiten und persönliche Differenzen zwischen den Mitgliedern des Bundesrate? und dem Reichskanzler beständen. Ich habe im Namen des Reichskanzlers und des Bundesrates(Abg. Singer(Soz.): Warum kommt er nicht selbst?) ausdrücklich diese Behauptungen als jeder Unter» läge entbehrend zurückzuweisen. Der Bundesrat ist mit der Haltung und dem Vorgehen des Reichskanzlers bei der Finanz» reform durchaus einverstanden, und er ist dem Reichskanzler dankbar, daß er dem Kaiser und Reich den Dienst erwiesen hat. so lange im Amt zu bleiben, bis die Finanzreform in annehmbarer Gestalt er» ledigt ist.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Bayerischer Bundesratsbevollmächtigter Graf Lerchenfeld: Auch ich will noch ganz besonders die Behauptungen über an» gebliche Verstimmungen zwischen Mitgliedern des Bundesrates und dem Reichskanzler in das Gebiet der Fabel verweisen. Ich kann mit voller Ueberzeugung aussprechen, daß der Reickskanzler, der seit 12 Jahren dem Bundesrat angehört, mit allen Mitgliedern des Bundesrates die besten Beziehungen unterhalten hat. Insbesondere weise ich die nun schon zum zweiten Male austauchende Legende von einer persönlichen Verstimmung zwischen mir und dem Reichs- kanzler auf das entschiedenste zurück.(Bravo I rechts. Lachen bei den Sozialdemokraten.) Abg. Singer(Soz. zur Geschäftsordnung): Ich bitte die Diskussion über die soeben gehörten Aeußerungen auf die morgige Tagesordnung zu setzen. Vizepräsident Paasche(unterbrechend): Das müssen Sie bei Fest» setzung der Tagesordnung beantragen. Abg. Singer(fortfahrend): Aber auch heute muß ich Verwahrung dagegen einlegen, daß die Buudesratsmitglieder von ihrem durch die Verfassung gewährten Recht, zu jeder Zeit das Wort ergreifen zu dürfen, in einer Weise Gebrauch machen, die den Reichstag mundtot macht.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten. Große Unruhe rechts.) Vizepräsident Paasche: Außerhalb der Tagesordnung Erklärungen abzugeben, ist durchaus das Recht der Herren vom Bundesrat.(Abg. Singer(Soz.j: Leider!) Sie haben das Recht, zu beantragen, eine Diskussion über solche Erklärungen auf die nächste Tages» ordnung zu setzen. Dadurch ist die Parität vollständig gewahrt. (Zustimmung rechts. Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Abg. v. Richthofen(k.): Zu der durch die Erklärung angeregten Frage selbst kann und darf ich jetzt nicht sprechen. Ich habe bei dieser Sachlage nur eine ganz kurze Erklärung abzugeben.(Große Unruhe links. Zuruf: Bierrede! Große Heiterkeit.) In der Sache selbst kann ich nur erklären(Links anhaltende Rufe: Z u r S a ch e l Rufe rechts: Ruhe!): Unserer Partei liegt alles daran, daß die Reichsfinanzreform zustande kommt. Deshalb müssen wir persönliche Wünsche zurückstellen.(Zuruf links: Erbschaftssteuer!) Wir tun das und stimmen dem Gesetze zu in der Ueberzeugung, daß dadurch keine Belastung eintritt, die das Maß deS Erträglichen über- steigt.(Bravo ! rechts.) Abg. Steindl(Z.): In Süddeutschland entfallen 279 Liter Bier auf den Kopf der Bevölkerung, in Norddeutschland nur 98 Liter. (Heiterkeit.) Daher ist auch linser Interesse an der Brausteuer ein viel größeres.(Stürmische Heiterkeit.) Viele Landarbeiter wollen bei uns gar keinen Barlohn, aber Bier wollen sie I(Große Heiterkeit.) Mein Freund, ein Stadtpfarrer, hat mir erzählt, daß sein jährlicher Biertonsum 1000 M. beträgt.(Erneute schallende Heiterkeit.) Meine kräftigen Worte mögen zum Teil Ihre Heiterkeit erwecken, aber sie werden bei uns als bittere Wahrheiten empfunden.(Sehr gut! links.) Wenn bei uns die Landarbeiter nur ein bißchen Wasser trinken, fallen sie bei der Arbeit um.(Große Heiterkeit.) Mit trockenem Brot und Bier arbeiten sie den ganzen Tag. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Hier habe ich am frühen Morgen Leute vom Schnaps besoffen auf der Straße liegen sehen. So etwas kommt bei uns nicht vor. Das Bier ist das kleinere Uebel. Die Antialkoholbewegung sollte dahin einsetzen, daß sie den SchnapSgenuß bekämpft und den Biergenutz fördert!(Stürmische anhaltende Heiterkeit.) Die Ablehnung der Erbschaftssteuer bedauere den Prinzipien der Münchener Relief-Maler- oder Phantasie-Bühne hat sich aber Reinhardt in den.Räubern' gemacht, mit denen er am Dienstag endlich den ihm und seinen Künstlern gebührenden großen, durchschlagenden und völlig unbestrittenen Sieg auf Münchener Boden errungen hat. O r l i k hat auf Flächen- und Bilderwirkunge» verzichtet und hat Prospekte, Kulissen, Galerien gemalt, die realistisch die Tiefe der Bühne vortäuschen. Damit hat sich Reinhardt endlich auf eigene Füße gestellt und die Malerbühne im pathetischen Drama für überwunden erklärt. W e g e n e r als Franz, Moissi als Spiegelberg erweckten helle Begeisterung. Ueber Beregis Können ist man sich hier immer noch nicht im klaren. rn. Notizen. — Zeppelin im Kindermund. Aufsehen erregende Er» eigmsse haben von jeher ihr Echo im VolkSmunde, ja im Kinder» munde gefunden. Es ist daher nicht verwunderlich, daß die Schul- mädchen in Nürnberg einen Reigen nach folgendem Text tanzen: .Zeppelin hin, Zeppelin her, Zeppelin hat kein Luftschiff mehr; Zeppelin hoch, Zeppelin nieder, Zeppelin hat sein Luftschiff wieder; Zipp— Zapp— Zeppelin, 's Luftschiff ist schon wieder hin.* Aber der Rhythmus und sogar die Neimbildung ist alt; sangen doch die Kinder in Halle bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert. als der stadtbekannte Magister Laukhard sich als Soldat hatte an» werben lassen: Laukhard hin, Laukhard her, Laukhard ist kein Magister mehr. — MutherS letztes Werk, daß er noch wenige Wochen bor seinem Tode vollendet hat und das die Summe seiner bis» herigen Lebensarbeit bilden sollte, ist eine umfassende neue G e» schichte der gesamten Malerei vom Aufkommen des Christentums bis zur Gegenwart. Sie wird in drei Bänden mit etwa 2500 Abbildungen noch in diesem Jahre in Konrad GrethleinS Verlag in Leipzig erscheinen. — Lehrkanzeln für Flugwissenschaft. Die Pariser Universität hat gleichzeitig zwei bedeutende Zuwendungen erhatten. Der Großindustrielle Deutsch stiftete ein Kapital von 600 000 Fr. und eine Rente von 16 000 Fr. für die Errichtung eines ärotech- nischen Instituts und Herr Zacharoff 700 000 Fr. zur Errichtung einer Lehrkanzel für Flugwissenschaft an der naturwissenschaftlichen Fakultät. Der Universitätsrat beschloß, aus den eigenen Fonds 10 000 Fr. zu» Vermehrung der Deutschschen Rente beizustellen.
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