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ich nicht, die können«vir am wenigsten abwälzen.(Erneute stürmische Heiterleit links.) Ich persönlich wäre ja für eine Erb- anfallsteuer und werde mit Vergnügen dabei sein, wenn fie im bayerischen Landtag gemacht wird.(Lebhaftes HörtI hörtl und Heiterkeit links.) Abg. Dr. Pachnicke(frs. Bg.): Herr v. Richthofen wollte hier feine Bedenken zurückstellen, um ein positives Ergebnis zu erzielen. Warum hat er dasselbe nicht auch bei der Erbschastssteuer getan?(Sehr gutl links.) Der Herr Staatssekretär hätte uns vor allem eine Aufklärung dar- über geben sollen, ob die Verbündeten Regierungen an der feierlichen Erklärung, die in ihrem Namen abgegeben worden ist, festhalten, daß sie eine Finanzreform nur dann für annehmbar halten, wenn die Voraussetzung der ErbschaslSsteuer erfüllt ist. DaS wäre uns mindestens so interessant gewesen wie die Stellung zum Reichskanzler. Eine Erklärung wäre entscheidend gewesen für den Gang der Reform und für das Ansehen des Bundesrats in der Welt.(Lebhafte Zu- stimmung links.) Solange diese Frage ungeklärt ist, müssen und werden wir der Brausteuer wie überhaupt den indirekten Steuern widersprechen.(Bravo  ! links.) Abg. Bruh»(Antis.) erklärt, daß seine Freunde der Brausteuer zustimmen unter der Voraussetzung, daß es gelingt, mit dem Bundesrat eine Vereinbarung über Heranziehung des mobilen Kapitals zu vereinbaren. Abg. Dr. Heim(Z.): Eine kleine Anzahl meiner Freunde wird gegen den ß 6 und eventuell bei der dritten Lesung gegen die ganze Brausteuer stimmen.(Hörtl hört! links.) Ich würde mich als Boyer schämen müssen, wenn ich der Strangulierung unseres wichtigsten Exportarrlkels zustimmen würde. Der Minister v. Rheinbaben trinkt auch Bier, er sieht gar nicht nach Limonade aus.(Schallende Heiterkeit.) Als Herr Steindl davon sprach, daß der Erntearbeiter auch sein Bier trinkt, riefen Sie da- zwischen: Beim Vesper I Nein, bei unS in Bayern   trinkt man fünfural am Tage(Große Heiterkeit), und die Nahrung bei uns ist gut und kräftig, da gibt's nicht Margarine und sonstige Schmiermittel, wie hier in den feinsten Hotels.(Heiterkeit.) Die Liberalen hätten die 100 Millionen Biersteuer geschluckt, wenn die Erbschaftssteuer angenommen würde.(Sehr wahr! bei den Sozial- demokraten.) Eine wirkliche Erbschaftssteuer müßte nach der eng- lischen gestaltet sein und mindestens 300400 Millionen Mark bringen. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Ja, die Herren von der äußersten Linken tun sich sehr leicht: sie bewilligen, was ihnen paßt, und lehnen dann alles ab.(Sehr gut! und Heiterkeit im Zentrum.) Abg. Dr. Weber(natl.) besürwortet nochmals die von ihm be» antragte andere Staffelung der Biersteuer. «bg. Dr. Südekum(Soz.): Unsere Stellung zu den AbänderungSanträgen ist leicht gegeben. Wir werden zwischen zwei Uebeln dem k l e i n e r e n den Vorzug geben und zunächst dem Antrag Pichler und dann dem Antrag Weber zu- stiminen. Es läßt sich nicht verkennen, daß in der Tat die bayerischen Verhältnisse stark beeinflußt werden würden, wenn die KommissionS- beschlüffe angenommen würden. Es müßten dort unhaltbare Zu- stände eintreten. Die Politik, die Herr Dr. Heim empfahl, die Brau- steuererhöhung um den Preis abzulehnen, daß wir dafür eine Er- höhung der Tabaksteuer in Kauf nehmen, müssen wir ablehnen. Die St. Florians-Politik.Verschon mein HauS, zünd' andre an I" machen wir nicht mit, schon mit Rücksicht auf die Hunderttausende in der Tabakindustrie beschäftigten Arbeiter und ihre An- gehörigen. Dr. Heim sprach das große Wort gelaffen aus, warum die Liberalen ihre Stellung zu der Finanzreform von einer solchen Bagatelle wie der abgelehnten Erbschaftssteuer ab- hängig machten. Wenn das Zentrum diese Steuer für eine solche Bagatelle hält, warum hat es sie dann abgelehnt, zumal da die von Dr. Heim vertretene bäuerliche Bevölkerung überhaupt dadurch nicht betroffen Ivird?(Sehr gut I links.) Und wenn er unS empfahl, lieber eine Erbschaftsbesteueruna nach englischem Muster, die 300 bis 500 Millionen bringt, zu beschließen, so fürchte ich nur, baß er auch für eine solche Steuer nicht stimmen wird.(Sehr richtig I links.) Wir sind jederzeit bereit, auf dem Wege einer all- gemeinen Vermögenssteuer oder einer Erbschaftssteuer nach engli- schem Muster die Finanzreform zu machen. Herr Dr. Weber sagt. zu seiner Freude wäre der Gedanke der Bierboykottierung durch den Abgeordneten Zubeil verleugnet worden; das stehe im Gegensatz zu einem Beschluß des Hannoverschen Gewerkschaftskartells. Da ist er nicht genau unterrichtet. Der Vertreter für Hannover  , mein Kollege Brey, hat mir mitgeteilt, daß ein solcher Beschluß des Hannoverschen GewerkschastskartellS überhaupt nicht vorliege. Bei dieser Gelegenheit ist beiläufig auch ein Wort davon ge- fallen, ob es nicht zweckmäßig sei. überhaupt den Bi-rgenuß zu perhorreSzieren; aber ein Beschluß ist in keiner Weise gefaßt worden. Also ein Gegensatz zwischen dem Hannoverschen Gewerkschaftskartell und den Ausführungen des Abg. Zubeil besteht nicht. Reichsschatzsekretär Sydow wendet sich nochmals gegen die vom Abg. Weber vorgeschlagene Staffelung. Damit schließt die Diskussion. Zunächst wird die zu§« vom Abg. Pichlcr<Z.) beantragte Staffelung in namentlicher Bbst,mmung mit 188 gegen 161 Stimmen abgelehnt.(Dafür stimmen Zentrum und Sozialdemokraten.) Abgelehnt wird dann die vom Ab- geordneten Weber(natl.) beantragte Staffelung. Angenommen wird die vom Abg. Zehnter(Z.) beantragte Erhöhung von 8 M. auf 12 M. für die vor dem 1. Oktober 1908 betriebsfähig hergerichteten Brauereien. Der gesamte§ 6 wird dann in namentlicher Abstim- mung mit 196 gegen 138 Stimmen bei 15 Stimmenthaltungen an- genommen. Bei§ 1 befürwortet, Abg. Dr. Südekum(Soz.) ein« Erleichterung für die Brauereien, welche villiges Malzbier herstellen. § 1 wird angenommen, desgleichen eine Reihe weiterer Be- stimmungen nach den Anträgen der Koimnisfion. Abg. Speck(Z.) befürwortet die Einfügung eines neuen§ 8a, wonach bei der Einfuhr von Bier aus anderen deutschen Bundes- staaten in das Geltungsbereich diese« Gesetzes eine UebergangS- abgäbe erhoben wird, welche den Betrag von 4,50 M. nicht über­schreiten darf. Finanzminister v. Rheinbaben: Glückselig daS Land, das Männer hat. die mit solcher Wärme für ihr Vaterland eintreten, wo der noch als Abstinenzler gilt, der täglich 1 Liter Bier trinkt.(Heiterkeit.) Wegen des starken JnlandSkonsums ist die bayerische   Brauerei in einer besseren Lage als die im übrigen Deutschland  . Aber gehört eS wirklich zu den unentbehrlichen Lebensmitteln, daß man in Bayern   sage und schreibe 233 Liter Bier auf den Kops der Bevölkerung trinkt, mit- gerechnet auch das Kind an der Mutterbnist.(Heiterkeit.) In Deutsch­ land   trinkt man mir S8 Liter auf den Kopf der Bevölkerung; Sie sehen, was für Schwächlinge wir gegenüber den Bayern   find. (Heiterkeit.) Ich habe volle? Berständnis für das bayerische Herz (Zuruf: Bierherz! Gr. Heiterleit), aber wir müffen Rücksicht nehmen auf die Lage der Reichsfinauzen.(Bravo l rechts.) Der Antrag Speck wird abgelehnt. Abg. Dr. Pachnicke(fts. Vg.) befürwortet«inen Antrag, der den ordentlichen Rechtsweg gegen Maßnahmen der Steuerbehörden zu- lassen will. Abg. Zehnter(Z.) erklärt sich gegen den Antrag. Abg. Dr. Südekum(Soz.): Herr Zehnter will statt der Rechtsprechung, die zu Verschieden- ! selten führen könne, die einheitliche Willkür der Verwaltung. ES ann nur von Vorteil sein, wenn auch Streitfälle in Steuerfragen der ordentlichen Rechtsprechung unterliegen. Finanzminister v. Rheinbaben: Die Richter find im allgemeinen in Steuerscagen nicht bewandert. Hier können nur Steuerkundige entscheiden. Abg. Dr. Südekum(Soz.): Nach diesem Grundsatz dürften über einen Raubmörder»mr Kaubinörder zu Gericht sitzen.(Sehr gut I bei den Sozialdemokraten.) Das Gericht kann Steuerkundige als Sachverständige vernehmen. Der Antrag Pachnicke wird gegen die Stimmen der Linken ab« telehvt. Artikel IV gestattet den Gemeinden, das Bier bis zu der Grenze von 65 Pf. pro Hektoliter zu besteuern. Ein nationalliberaler Antrag verlangt, daß diejenigen Gemeinden, welche jetzt schon eine höhere Steuer vom Bier erheben, dies auch in Zukunft tun dürfen. Abg. Stückle«(Soz.): Mehrere Gemeinden weisen in ihrer Eingabe an den Reichs- tag darauf hin, sie müßten, wenn der nationalliberale Antrag nicht angenommen würde, die direkten Steuern erhöhen. Sie wollen also das Bier höher besteuern, damit die reichen Leute weniger Steuern zu zahlen haben.(Sehr wahr! bei den Sozial- demokraten.) Abg. Zehnter(Z.) wendet sich gegen Stücklen und beantragt. den Gemeinden, welche jetzt schon eine höhere Biersteuer erheben, dieses auch weiterhin durch die Landesgesetzgebung zu gestatten. Dieser Antrag wird angenommen. Abg. Weber(Natl.) befürwortet einen Antrag, der eine Kon- t i n g e n t i e r u n g auf 5 Jahre für die jetzt bestehenden großen Brauereien verlangt. Abg. Dr. Südekum(Soz.): Herr Weber will den Antrag dadurch schmackhaft machen, daß die Kontingentierung nur auf fünf Jahre verlangt wird. Wenn aber ein solches Kontingent einmal besteht, so ist es sehr schwer, eS wieder abzuschaffen.(Sehr wahr l bei den Soziald.) DaS haben wir eben erst beim Branntweinsteuergesetz gesehen.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Die Abgg. Mommscn(fts. Bg.) und Speck(Z.) wenden sich eben- falls gegen den Antrag. Der Antrag Weber wird abgelehnt. Der Rest des Gesetzes wird nach unwesentlicher Diskussion nach den Beschlüssen der Kommission angenommen mit einem Antrage Zehnter(Z). daß Bayern  , Württemberg, Baden und Elsaß  -Lolhringen an Stelle der Brausteuer an die Reichskasse für 1909 keine höheren Beiträge entrichten, als nach der Brausteueremnahme für das Rechnungs- jähr 1908 sich ergeben. Hierauf vertagt sich daS HauS auf Freitag 1 Uhr. Präsident Graf Stolberg   schlägt vor, auf die Tagesordnung zu setzen das Tabakverbrauchs st euergesetz und das Gesetz über denZ w isch enh and el des Reichs mit Branntwein. Abg. Singer(Soz.) zur Geschäftsordnung: Heute nachmittag haben zwei Vertreter des Bundesrats außer- halb der Tagesordnung Erklärungen abgegeben. Der amtierende Präsident hat eine sofortige Besprechung, die ich beantragt hatte, für nicht zulässig erklärt. Ich beantrage daher, eine B e- sprechung dieser Erklärungen als ersten Gegenstand auf die Tagesordnung der morgigen Sitzung zu setzen. Die Bestimmung der Geschäftsordnung, daß Mitglieder des Bundesrats jederzeit das Wort nehmen dürfen, kann loyalerweise nur dahin verstanden werden, daß die Herren berechtigt find, im Verlaufe der Diskussion außerhalb der Reihenfolge der Redner das Wort zu nehmen. Das geht auch daraus hervor, daß die Geschäftsordnung bestimmt, daß die Diskussion wieder eröffnet ist, wenn ein Ver- treter deS Bundesrates nach Schluß der Diskussion das Wort nimmt. Ich bin nicht der Meinung, daß die Geschäftsordnung den Herren daS Recht geben wollte, zu sprechen, was und wann sie wollen. ohne daß der Reichstag in der Lage ist, darauf zu antworten. Die Erklärungen der Vertreter des Bundesrates sind politische Erklärungen, die wir entgegennehmen, wie eine Denkschrift oder eine andere Mitteilung des Bundes- rateS und der Reichstag muß die Gelegenheit haben, sie zu besprechen. Das kann nicht auf dem Wege der Interpellation ge- ichehen, denn eS handelt sich nicht um eine Anfrage, sondern um eine Erörterung von Mitteilungen, die sie in ihrer amtlichen Eigenschaft dem Reichstag   gemacht haben. Ich würde eS geradezu als eine Degradierung des Reichstags betrachten(Unruhe rechts. Beifall links), wenn er aus das Recht verzichten wollte, das zu erörtern, was ihm vom Bundesrat»mtgeteilt wird.(Sehr richtig! bei den Sozial- demokraten.) Es ist die Pflicht des Reichstages, diese Mitteilungen in den Kreis seiner Erörterungen zu ziehen, und des- halb bitte ich, zu beschließen, diese Besprechung als ersten Punkt auf die Tagesordnung zu setzen.(Lebhafte Zustimmung links.) Reichsschatzsekretär Sydow(Zurufe bei den Sozialdemokraten: Nanu! Zur Geschäftsordnung?): Ich mache vom Artikel 9 der Verfaffung Gebrauch. Die Befugnis der Mitglieder des Bundes- rateS, hier jederzeit das Wort zu nehmen, beruht nicht auf der Ge- schäftsordnung. fondern auf der Verfassung, und deshalb habe ich keine Veranlasinng, mich zur Auslegung der Geschäftsordnung zu äußem.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Sie hätten besser ge- schwiegen I) Nach der Verfassung hat jedes Mitglied des Bundesrats das Recht, jederzeit hier zu erscheinen und die Ansichten seiner Re- gierung zu vertreten. Von diesem Recht hat der Stellvertreter des Reichskanzlers heute Gebrauch gemacht. Abg. Dietrich(k.): Die heutigen Erklärungen des Stellvertreter? des Reichskanzlers und des Bundesratsbevollmächtigten von Bayern  haben wohl ein außerordentliches politisches Jnter- esse, so daß sie geeignet wären. zum Gegenstande einer Be- sprechung gemacht zu werden. Es fehlt aber dazu an der geschästsordnungsmäßigen Grundlage, da unsere Geschäftsordnung nur von Borlagen, Gesetzentwürfen, Anträgen, Petittonen. Jnter- pellationen, spricht, sowie von Uebersichten und von Entschließungen des Bundesrats auf Beschlüsse des Reichstags(Lachen links). Auch besteht lein allgemeines Interesse, eine Besprechung der schwebenden politischen Fragen hier noch einmal anzuhören.(Bravo  ! rechts, Unruhe links.) Abg. Bassrrmarni(natl.): In unserer Geschäftsordnung finde ich für die Auffaffung des Abg. Singer keine rechte Grund- läge. Sie enthält hier offenbar eine Lücke. Eine Besprechung über solche Erklärungen von Mitgliedern des Bundesrats kann natür- lich auf die Tagesordnung gesetzt werden, wenn niemand widerspricht. In diesem Falle aber wird widersprochen. Materiell bin ich nicht der Meinung, daß die Erklärungen eine hohe polittsche Tragweite haben.(Sehr richtig l bei den Nationalliberalen.) Abg. Singer(Soz.): Mt keinem Worte habe ich besttitten, daß die Herren vom Bundesrate jederzeit das Wort verlangen können. Was ich krittsiert habe, und wohl mit Recht, ist, daß die Herren deduzieren, sie können das Wort zu einer Zeit außerhalb der Diskussion nehmen, wo der Reichstag nicht darauf antworten kann. Ich halte daS für einen Mißbrauch, der seitens der Herren vom Bundes- rat heute nicht zum ersten Male verübt wird(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) und der Reichstag hat die Verpflichtung, da- gegen Widerspruch zu erheben. Herrn Bassermann gegenüber betone ich, daß der Reichstag durch Mehrheitsbeschluß imstande ist, nach meinem Antrage zu verfahren. Bei dieser Frage, wo eS sich um die Wahrung der Rechte des Reichstags handelt, sollte allerdings die einmütige Auffassung vorherrschen. daß der Reichstag verpflichtet ist, einmütigen Widerspruch gegen daS Verfahren der Herren vom Bundesrat zu erheben. Würde das der Fall sein, so würde das auch auf die Herren vom Bundesrat die Wirkung nicht verfehlen. Die Art, in der solche Erklärungen abgegeben werden, ist keine angemessene Behandlung deS Reichstages. Der Reichstag hat das Recht, zu verlangen, daß er nicht in die Lage gebracht wird, wie wenn ihm als einer Schul klaffe vom Lehrer Borhaltungen gemacht werden.(Große Unruhe rechts und im Zentrum, lebhafter Beifall bei de., Sozialdemokraten.) Reichsschatzsekretär Sydow: Der Stellvertreter des Reichskanzlers hat ein Recht ausgeübt. DaS darf doch nicht als Mißbrauch be- zeichnet werden, zumal eS geschehen ist, um Mißdeutungen zu zer­streuen.(Beifall rechts.) Abg. Dr. Spahn(Z.): Ich halte daran fest, daß der Reichstag das Recht hat, derarttge Er.cärungen vom Bundesratstisch zu be- sprechen. In dieser BezwhtttW teile ich die Auffassung des Abg. Singer. In dem vorliegenden Fall' aber halte ich eine solche Besprechung nicht für zweckmäßig. Denn die Erklärungen bezogen sich nicht auf Aufgaben deS Reichstage», sondern ettf Presieäußerungen und ehe der Wortlaut der Erklärungen nicht vorliegt, haben wir keinen Anlaß, sie zu besprechen.(Zustimmung im Zentrum.) Der Antrag Singer wird gegen die Stimmen der Sozial- demokraten und der meisten Freisinnigen abgelehnt. (Rufe rechts: Aha!) Es bleibt daher bei der vom Präsidenten vorgeschlagenen Tage?- ordnung. Schluß 3 Uhr. Gerichte-Zeitung. Geheimratsprozetz. Die Vorgeschichte des am Montag beginnenden Prozesses gegen den Wirklichen Geheimen Legationsrat Dr. Hammann, den lang. jährigen Preßdezernenten im Auswärtigen Amt  , reicht bis in das Jahr 1902 zurück.. Am 20. Juni 1902 wurde auf Klage und Widerklage durch Urteil des Landgerichts II die Ehe des bekannten Architekten Prof. Dr. ing. Bruno Schmitz  , des Schöpfers des Kaiser-Wilhelm-Denkmals auf dem Kyffhäuser  , des Kaiserin- Augusta-Denkmals in Koblenz  , der Tonhalle in Zürich  . deS Kaiser- Wilhelm-Denkmals an der Porta Westphalica und vieler anderer architektonischer Werke, geschieden. Beide Eheleute wurden gleichmäßig als schuldige Teile erkannt. Geheimrat Hammann hatte im Jahre 1899 seine Gattin verloren, die ihm vier Söhne hinterlieft Er war mit Professor Schmitz befreundet, und zwischen ihm und der Frau Professor Schmitz bildeten sich Be- Ziehungen heraus, d-e in dem Ehescheidungsprozeß eine wichtige Rolle spielten. Geheimrat Dr. Hammann ist seit April 1904 mit der geschiedenen Frau Professor Schmitz verheiratet, und in seiner Häuslichkeit befinden sich auch die beiden Töchter der letzteren, deren Erziehung der Mutter zugesprochen worden war. Bezüglich dieser Töchter hatte sich Prof. Schmitz zur Hergabe von 200 000 M. bereit erklärt, aus deren Zinsen die Kosten der Erziehung und des Unterhalts bestritten werden sollten. Die Zahlung unterblieb jedoch, der Pfleger der Kinder und Frau Schmitz strengten Klage an und in dieser erhob Prof. Schmitz den Einwand, daß seine ge- schiedene Frau die Grundbedingung für die Hergabe deS Gr» ziehungsgeldes nicht erfüllt habe. Die Bedingung sei dahin ge- gangen, daß Frau Schmitz jeden intimen Verkehr mit Geheimrat Dr. Hammann einzustellen habe, bis dieser mit ihr die Ehe ein- gehen würde. Prof. Schmitz behauptet, daß seine geschiedene Frau diese Bedingung nicht erfüllt, sondern einen äußerst intimen Ver- kehr mit Geheimrat Dr. Hammann unterhalten habe. Frau Schmitz bestritt in dem Rechtsstreite entschieden diese Beschuldigung, ebenso Dr. Hammann, der am 17. Oktober 1903 von einem beauftragten Richter zcugeneidlich vernommen wurde. Dieser Eid soll ein wissentlich falscher gewesen sein. Prof. Dr. Schmitz hatte gegen hohes Entgelt einige Rechercheure mit der Beobachtung der Vorgänge in der Wohnung seiner geschiedenen Frau betraut und auf Grund der Beobachtungen dieser Leute beschuldigte er in einer Druckschrift, die in der Oefsentlichkeit verbreitet wurde und auch an die vor- gesetzte Behörde deS Dr. Hammann ging, letzteren des Meineides. Dr. Hammann beantragte darauf bei der Staatsanwaltschaft des Landgerichts I   die Einleitung deS Strafverfahrens gegen sich. Die Staatsanwaltschaft, verfügte die Einstellung des Verfahrens. Auf eine vom Prof. Schmitz hiergegen eingelegte Beschwerde ordnete die Oberstaatsanwaltschaft nochmals gerichtliche Vernehmung zahl- reicher Zeugen an uns das Ergebnis war, daß auch die Oberstaats- anwaltschaft die Einstellung des Verfahrens beschloß. Prof. Schmitz beruhigte sich aber hierbei nicht, er stellte vielmehr den Antrag auf gerichtliche Entscheidung. DaS Kainmeegericht ordnete am 20. April d. I. die Erhebung der öffentlichen Anklage wegen wissentlichen Meineids an. Mit der Voruntersuchung wurde Land- aerichtsrat Schmidt betraut, der bekanntlich auch in der Eulenburg- Affäre als Untersuchungsrichter fungierte. Auf Grund dieser Vor- Untersuchung beantragte die Staatsanwaltschaft wiederum, den Geheiinrat Dr. Hammann außer Verfolgung zu setzen. Aber die 8. Strafkammer des Landgerichts I   beschloß die Eröffnung deS Hauptverfahrens. Der beschuldigte Dr. H. bestreitet entschieden. sich der Verletzung seiner Eidespflicht schuldig gemacht zu haben. Zu der auf zwei Tage berechneten Verhandlung sind 15 Zeugen geladen, darunter die jetzige Eheftau des Angeklagten der Unter- suchungSrichter, mehrere Geheime RegierungSräte, Professoren u. a. Den Vorsitz führt Landgerichtsdirektor Kanzo«, die Anklage wird vom Oberstaatsanwalt Dr. Preuß und Staatsanwalt Porzelt ver- treten, die Verteidigung führen Justizrat Dr. Jrmler und Rechts- anwalt Leonh. Friedmann. Prof. Dr. Schmitz ist als Nebenkläger zugelassen, seine Sache wird vom Justizrat Bernstein-München geführt. Da in diesem Prozesse sehr viel schmutzige Wäsche ge- waschen werden muß, soll während der ganzen Dauer der VerHand- lung die Oefsentlichkeit ausgeschlossen werden. In dem Prozeß soll es sich wesentlich um die Frage drehen, ob intimer oder nur ein diesem ähnlicher Berkehr vor der Ehe stattgefunden hat, Konkursvergehen- Vor der 10. Strafkammer des Landgerichts I war gestern wegen KonkurSvergehenS der Großschlächtermeister Wilhelm Lutsche an. geklagt. Der Angeklagte hat als einfacher Schlächtergeselle mit einigen Hundert Mark ein Geschäft gegründet, welches er in kurzer Zeit zu einem sehr rentablen und blühenden Unternehmen zu ge- stalten verstand. Der Angeklagte kaufte schließlich wöchentlich für zirka 20000 M. Vieh ein, welches er schlachtete und dann weiter- verkaufte. Im Herbst v. I. geriet der Angeklagte trotzdem in Zahlungsschwierigkeiten, da er selbst von Kunden im Stich gelassen worden war. Dies hatte zur Folge, daß er Anfang November selbst seinen Gläubigern mitteilte, daß er seine Zahlungen eingestellt habe. Bei dem Konkurs stellte es sich heraus, daß er weder ordnung?- mäßig Bücher geführt noch eine Bilanz gezogen hatte. Die Staats- anwaltschaft erhob deshalb Anklage wegen Konkursvergehens. Vor Gericht machte der Angeklagte geltend, daß er sich trotz seines GeschästSumfanges als einfacher Handwerksmeister gefühlt habe und der Ansicht gewesen sei, daß er keine Bücher zu führen habe. Der als Sachverständiger geladene Bücherrevisor Henniger be- kündete, daß der Angeklagte bei seinen hohen Umsätzen als Voll- kaufmann anzusehen sei. DaS Gericht erkannte auf eine Geldstrafe von 20 Mark. Unterschlagungen bei den Pfälzischen Eisenbahnen. Vor der Strafkammer in Frankenthal   kamen gestern die großen Unterschlagungen bei den Pfälzischen Eisenbahnen zur Verhand- lung, die im Februar d. I. gelentlich der Ueberführung deS Privat­betriebes in den bayerischen Staatsbetrieb entdeckt wurden. An- geklagt war der 71jährige Kassierer Danner, der 44 000 M. unter- schlagen hatte, um das Defizit zu decken, das die Kasse unter Leitung des Bureauvorstehers Bastian aufwies. Der Hauptdeftaudant hatte sich den Armen der Justiz entzogen, indem er Selbstmord verübte. Danner, der nur daS Werkzeug Bastians war, hat wohl kaum pekuniäre Vorteile von den Unterschlagungen gehabt, vielmehr ist anzunehmen, daß er vollständig willenlos unter dem Einfluß des Bastian stand. Das Urteil lautete auf 8 Monate Gefängnis.   Die Verhandlung kennzeichnete so recht das korrupte System in den Privatbetrieben der Pfälzischen Eisenbahnen, und das Regiment des Präsidenten des bayerischen Reichsrates Ritter   v. Ravale, das immer als ein Muster hingestellt wurde, erfuhr ein Vernichtends Urteil. Während bei den Unterbeamten und Arbeitern die kleinsten Vergehen auf daS schwerste geahndet wurden, brachte mqa den höheren Beamten ein grenzenloses Vertrauen entgegen. llmtlicher Marktbericht der städttichen MarNballen-DIrektton kbcr den Großhandel in den Zentral-Marktballen. Marktlage: F I e! l ch: Zufuhr genügend, Geschäft ruhig, Preise für Kalbfleilch nachgehend. Schweinesleisch anziehend. Wild  : Zufuhr mätzig, Geschäft lebhaft, Prei'e fest. Geflügel: Zufuhr genügend, Geschäft schleppend, Preise nach- gebend. Fische: Zufuhr genügend, Geschäft ruhig, Preise wenig ver- ändert. Butter und Käse: Geschäft ruhig, Preise unverändert. Gemüse, Obst und Südfrüchte: Zufuhr genügend, Geschäft ziemlich flott, Preise wenig verändert.