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e« sich hier handelt, zu wichtig und für die gesamte Volks- Wirtschaft zu gefährlich. Die Linke mich deshalb eine ernsthafte und sachliche Beratung verlangen, und zwar um so niehr, als ein großer Teil der Steucrprojelte gar nicht genügend durchdacht und zur Erledigung noch völlig unreif ist. Natürlich wird der schwarze Block ein solches Vorlangen der Linken m i t " Gedankenloiigkeit sofort als Obstruktl ans versuch zu diskreditieren suchen; die Taktik der Linken müßte also derart sein, daß man im Lande allgemein sieht: die Linke treibt hier keine unparlamentarische Obstruktion, sondern sie lehnt sich lediglich gegen einen st euer- Politischen Schnellsohlereibetrieb. Insoweit kann man der sozialdemokratischen Anregung durchaus zustimmen." Die Nachrichten über das neue Kompromiß beweisen, daß der schwarze Block sich anschickt, ein Werk zu vollenden, daß für die Arbeitermassen noch viel drückender ist als selbst die miserable Regierungsvorlage. Die Negierung beugt sich voll- ständig den Geboten des Zentrums und der Konservativen, obwohl sie genau weiß, daß die Herrschaft der schwarzen Majorität eine freche Usurpation ist, die in dem Moment der Reichstagsauflösung ihr Ende gefunden hätte. Aus Furcht vor der Sozialdemokratie unter- lassen die regierenden Junkermannen, zu tun,! was nach ihrer eigenen Ueberzcugung ihre Pflicht wäre. Die liberale Opposition aber scheut davor zurück, im Parlament ernsten Widerstand zu leisten, und erleichtert dem Schnapsblock seinen Triumph. In den arbeitenden Massen aber, die das Opfer dieser Politik werden, steigt mit jedem Tage die Empörung und Er- bitterung über den Verrat, den die bürgerliche Welt an ihren Interessen verübt. Bei den nächsten Wahlen wird den Herren die Rechnung präsentiert werden. poUtifcbc Gebernebt* Berlin , den 2. Juli 1909. Der Tabak ums; auch bluten. Aus dem Reichstag . 2. Juli. Nach dem Bier kam heute der Tabak an die Reihe. Seit der Zeit, als Bismarck auf das Tabaksmonopol steuerte, ist bei jedem Steuerbedürfnis der Reichsregierung der Tabak als geeignetstes Besteuerungs- objekt ins Auge gefaßt worden. Man macht dafür geltend, daß der Tabak dasjenige Genußmittel sei dessen Verbrauch sich am leichtesten, je nach den Mitteln des. Verbrauchers, regulieren und einschränken lasse, so daß also eine Steuer auf Tabak am wenigsten drücke. Nun haben sich die nämlichen Steuersucher, die nnt diesem Argument operieren, gar nicht gescheut, auch solche Verbrauchsartikel mit Steuern zu belasten, die dem Volke die unentbehrlichsten Nahrungsmittel sind, wie Brot und Fleisch. Aber obgleich man zugeben kann, daß die Verteuerung von Brot, Fleisch, Milch, Salz und anderen Nahrungsmitteln weit schlimmer ist als die des Tabaks, zeigt sich doch auch bei einer Genußmittelbesteuerung, wie verderblich für das Volks- wohl überhaupt die Besteuerung von Verbrauchsartikeln ist. Denn in der Belästigung der Konsumenten erschöpft sich die übele Wirkung nicht. Gerade beim Tabak werden durch die Besteuerung zahlreiche in der Produktion tätige Existenzen schtver geschädigt. Die Verteuerung deZ Tabaks und der Zigarren wirkt natürlich einschränkend auf den Konsum. Und wie im Laufe der heutigen zweiten Lesung der Tabakssteuernovelle ein Fabrikant. Herr Schmidt- Altenburg, selbst eingestand, werden die Fabrikanten versuchen, der Einschränkung des Konsums nach Möglichkeit dadurch entgegenzuwirken, daß sie die Steuer durch Herabsetzung der Löhne auf die Arbeiter abwälzen. Arbeitslosigkeit und Lohn- Herabsetzung sind also die Gespenster, die den Tabakarbeitcrn infolge dieses Gesetzes gleichzeitig drohen. Unsere Genossen Molkenbuhr und Döhle nahmen wiederholt in der Debatte daS Wort, um die schwere Gefährdung des Volkswohls durch das Gesetz nach- zuweisen und gleichzeitig den sozialdemokratischen Antrag zu empfehlen, der für den Fall der Annahme der Vorlage eine Entschädigung arbeitslos gemachter Arbeiter nach be- stimmten Sätzen von 500 M. bis zu 2500 M. vorsieht. Der schwarze Steuerblock hielt aber auch hier wieder zusammen. Das Gesetz wurde in der Kommissionsfassung mit einigen von der Regierung vereinbarten Aenderungcn gegen die Sozial- demokraten und Liberalen angenommen. Nur so viel hat die Sozialdemokratie zugunsten der Arbeiter erreicht, daß das Zentrum nach altem Brauch eine Abschwächung des sozialdemokratischen Entschädigungs- antrages einbrachte, der nach Ablehnung des sozial- demokratischen Antrages auch unter Zustimmung unserer Partei mit großer Mehrheit angenommen wurde. Morgen Branntweinsteuer. Die liberalen Oppofitionshelde«. Die rechtsnationalltberaleMagdeburger Zeitung" bemerkt zu der famosen Erklärung Bethmann-Hollwegs: Die Versicherung über ungestörte Harmonie zwischen dem Reichskanzler und den, Bundesrat wird kaum den Erfolg haben, alle Zweifel aus der Welt zu schaffen, da die etwas brutale Tatsache bestehen bleibt, daß der K a n z l e r über eine Finanz- reform fällt, die für den Bundesrat annehmbar sein wird. DaS gibt dieser eigenartigen Kanzlerkrise ihre Bedeutung, daß die nationale Sammlungspolitik des Fürsten Bülow nun Bankerott anmelden muß und der Bundesrat nach 12 jährigen»vertrauensvollen Beziehungen" zu seinem Vorsitzenden die Masse im Verein mit dem Zentrum liquidieren wird. ES geht wirklich n,cht an, hierüber mit der ein- stimmigen Erklärung des Bundesrats hinwegzukommen. daß die Behauptung einer Meinungsverschiedenheit jeder Unter- läge entbehre, ebenso leicht mächte es dem Bundesrat gelingen, durch ein st immigen Beschluß daS Blaue vom Himmel fortzu dekretieren. ES ist unerläßlich, daß der Reichstag sich über diese Frage gründlich ausspricht, die wichtiger als selbst Brau- und Tabaksteuer ist. Das ist ganz die Meinung der Sozialdemokraten und deshalb beantragte Genosse Singer diese Debatte auf die Tagesordnung zu setzen. Es war der Abg. Bassermann. der mit seiner Partei den schwarzen Block dazu verhalf, den Antrag zu Fall zu bringen und so die Durchpeitschung der indirekten Steuern zu erleichtern. Natürlich fehlten dabei auch einige Freisinnige nicht. Man sieht, die uationalliberale Reichstagsfraktion ist noch reaktionärer als die national- liberale Presse. Der schwarze Block kann sich zu dieser liberalen »Opposition " wirklich gratulieren. Diskrete Indiskretionen. In der Freitagssitzung der Budgetkommission deß Reichstags kam vor Eintritt in die Tagesordnung wieder einmal eine In. diskretion zur Sprache. Die offiziellen Sitzungen der Kommission jjnd in letzter Zeit sehr eingeschränkt und dgrch sogenaMte iLtxr, fraktionelle Sitzungen ersetzt worden. An diesen nehmen außer sämtlichen Mitgliedern auch die Vertreter der Reichsregierung teil. Der Unterschied zwischen diesen und den offiziellen Sitzungen besteht lediglich darin, daß keine Beschlüsse gefaßt werden können; Vereinbarungen erlangen ihre Geltung erst durch Beschlüsse, die in den ordentlichen Sitzungen herbeigeführt werden. Gegenüber den früher so beliebten Subkommissionen haben jene inter - fraktionellen Besprechungen für die Geheimniskrämer den Vorteil, daß kein Protokoll geführt und in der Hauptkommission kein Be- richt erstattet wird. Da die geheim gehaltenen Vereinbarungen die Vorläufer der Beschlüsse sind, so hat die Oeffentlichkeit natürlich ein außer- ordentliches Interesse daran, zu erfahren, was vereinbart worden ist. So kommt es denn auch, daß zu wiederholten Malen bürger- liche Zeitungen sich Berichte über jene Abmachungen zu verschaffen wußten. DieMagdeburger Zeitung" z. B. war kürzlich in der Lage, einen eingehenden Bericht über eine solche Sitzung zu bringen, einen Bericht, der von sehr guter Information zeugte. Der Abg. Beck. Heidelberg nahm infolgedessen Veranlassung, im Namen seiner Freunde zu erklären, daß von ihnen keiner die Magdeburger Zeitung" informiert habe! Dieselbe Erklärung gaben der Reihe nach die Vertreter sämtlicher Fraktionen ab, wobei der Abg. G ö r ck e-Brandenburg auch auf wiederholte In- diskretionen derKöln . Volkszeitung" hinwies. Dies gab wieder dem Abg. Erzberger Veranlassung, seinerseits zu erklären, daß er den Mitteilungen derKöln . Volkszeitung" völlig fernstehe, was ja schon daraus hervorgehe, daß er selber in dem betreffenden Artikel am meisten angegriffen worden sei. Das Resultat war schließlich, daß es niemand gewesen sein wollte! Nach dieser erbaulichen Ouvertüre behandelte die Kommission die Klasseneinteilung der Städte für die Wohnungsgeldbemessung der Beamten. Der Antrag, München in die erste Klasse zu ver. setzen, fand Annahme. Im übrigen wurde die Regierungsvorlage nur unwesentlich verändert. Techtelmechtel in Sache» der Beamtenbesoldung. Herr Erzberger wird von derKöln . Bolks-Ztg." wie ein dummer Junge abgekanzelt. Das rheinische Zentrums- organ beantwortet die Beschwerde Erzbergers, auch dieKöln . Volks-Ztg." habe sich über die Haltung, die er, Erzberger . bei einer vertraulichen interfraktionellen Besprechung in der Frage der Beamtenbesoldung eingenommen habe, an- schwindeln lassen, mit den massivsten Grobheiten: Wir haben Herrn Erzberger persönlich geschont, soweit der objektive Tatbestand und das Juteresse der Partei dieses zuließen. Der Artikel im.Tag" aber war, gelinde gesagt, so maßlos ungeschickt, und das Verhalten des Herrn E. in den KommissionSvorbesprechungen ließ solche Deutungen zu, daß er nicht bloß den Unwillen seiner Kollegen und die Entrüstung der Beamten wachrief, sondern auch eine Zurückweisung in der Parteipresse im Interesse der Partei geradezu heraus- forderte. Man bätte vom Vlbg. Erzberger deshalb eine andere Erklärung mit weniger Selbstbewußtsein etwa mit der Feststellung erwarten sollen, daß sein Artikel imTag" mißverstanden, daß seine Absicht in den Kommissionen falsch gedeutet ivorden sei, daß er nichts gesagt und nichts getan habe, was als U m f a l l hätte ausgelegt' werden können. Diese Erklärung vermissen wir noch. Sie abzugeben hätte ihm auch die jetzt so peinlich gewahrte Schweigepflicht nicht verboten und die Oeffentlichkeit hätte mehr davon gehabt. Bis dahin müffen wir an unserem Artikel in allem f e st h a l t e n." In der Sache handelt eS sich darum, daß Herr Erzberger der Regierung zu verstehen gegeben haben soll, daß das Zentrum sich unter Umständen auch an seinen Forderungen für die Beamten mancherlei abhandeln lassen werde. Dies Eingeständnis erklärt dieKöln . Volksztg." für um so tölpel- hafter, als ja gerade Erzberger selbst der eifrigste Verfechter der Forderungen für die Beamten gewesen sei und außerdem die Verbündeten Regierungen ein Unannehmbar noch gar nicht ausgesprochen gehabt hätten. Es will uns scheinen, als ob dieKöln . Volks-Ztg." Herrn Erzberger hauptsächlich deshalb spottet, weil er einen Umfall des ZentruntS allzu früh und täppisch an- gekündigt hat. Die übrigen Herren der Zentrums- fraktion werden denken: so was tut man, aber man sagt es nicht vorzeitig. Ueber die Schachcrmachereien mit der Regierung meldet ein anderes Blatt: »Zlvischen der Regierung und KommisfionSmitgliedern aus allen Parteien finden gegenwärtig vertraulich geführte Vor- Handlungen über die Besoldungsfrage statt, die den Zweck haben, ähnlich wie im preußischen Abgeordnetcnhause eine Plattform zu finden, auf der sich alle Parteien mit der Regierung vereinigen können. Daß dabei nicht alle Wünsche erfüllt werden können, liegt auf der Hand." Na also!_ Dank für die polnische Hilfe beim Stenerrauvzug. Im Ruhrrcvier wird die Polizei verstaatlicht und zwar wesent- lich, um das P o l e n t u m wirksamer bekämpfen zu können. Bor einigen Tagen bereisten die Gcheimräte Laubach und Röden- beck vom Ministerium des Innern die Bezirke der am 1. Juli in Wirksamkeit tretenden.königlichen" Polizeidirektionen in Essen, Bochum und Gelsenkirchen , um sich von dem Stande der Einrichtungsarbelten zu überzeugen und einige wichtige OrganisaiionSfragen mit den be- teiligten Regierungspräsidenten und Polizeipräsidenten zu besprechen. Dabei wurde insbesondere auch die Frage der Schaffung einer Zentralstelle für die Ueberwachung der Polen - b e w e g u n g im W e st e n bei der Polizeidircltion in Bochum er« örtert._ Streit im konservativen Lager. Die städtischen Konservativen, die zumeist neben HauSagrariern und Mittelständlcrn aus Beamten bestehen, haben natürlich an dem Kampf, den der Bund der Landwirte für die Steuerfreiheit der Junker geführt hat, kein Interesse. Zudem geht der Bund mit dem Zentrum und den Polen ihrer nationalistischen Ideologie gegen den Strich. ES ist daher kein Wunder, daß in ihrenf Reihen|stch Opposition gegen die konservative Parteileitung regt. So hat der Konservativ- Verein Groß-Lichterfelde eine Kundgebung er­lassen, in der eS heißt: Der Vorstand verurteilt auf das allerschärf st e das Verhalten der konservativen Partei im Reichstage und die von ihr verfolgte Richtung. Er sagt sich daher von der jetzigen Parteileitung'loS. Wir halten es mit wahrhaft komer- vativeu Grundsätzen unvereinbar, daß sich die koilservativen Reichs- tagsabgeordneten in einer Lebensfrage des Reichs, wie die Finanz- resorm, gegen die Regierung mit den deutschfeindlichen Polen und dem Zentrum verbunden haben. Wir können nicht Bestrebungen unterstützen, die nur dem Zentrum zur Vorherrschaft verhelfen und zum Sturze des Fürsten Bülow beitragen, wodurch dem Kaiser ein treubewährler, dem Reiche ein unersetzlicher Kanzler geraubt wird. Ueberzeugt. daß Stadt und Land sich in nationaler Opferwilligkeit zusammenfinden müssen, bedauern wir aufs höchste, daß der Bund der Landwirte in kurzsichtiger und einseitiger Weise sein Interesse über das des Reichs gesetzt und die Massen in demagogischer Weise bearbeitet hat. Geradezu als ein Verhängnis müssen wir es aber betrachten, daß die konserbatiben ReichZtagSabgeordneten diesem Einfluß unterlegen sind. Wenn die konservative Partei nicht bald verstehen sollte, sich diesen unheilvollen Einflüssen zu entziehen, dann werden viele bis dahin treu konservative Männer nicht mehr in der Lage sein, der Partei Folgschaft zu leisten." Alis diese Kündigung hat die konservative Parteileitung ge« antwortet: .In der LoSsagung von der jetzigen Parteileitung erblicken wir, solange diese Parteileitung zu Recht besteht, eine Los- sagnng von der Gesamtpartei. Wir nehmen hiervon Kenntnis und betrachten den unter Ihrer Leitung stehenden Kon- servativen Verein Groß-Lichterfelde nunmehr als auS der Deutsch » konservativen Partei ausgeschieden." Also ein Ausschluß aus der Partei in aller Form. Man wird aber abwarten müssen, ob das der Partei, deren rein junkerlicher Charakter so deutlich zutage tritt, viel nützen wird. Auch aus anderen Orten kommen ähnliche Kundgebungen, und in Sachsen sind zwei Mitglieder der konservativen Partei, der Landtagsabgcordnete Behrens und sein Fraltionskollege G r u m b t, ebenfalls aus der Partei ausgetreten. Hanseatcngeist. In der letzten Sitzung der Hamburger Bürgerschaft brachte Genosse P a e p l o w eine den Geist der Verwaltung des Ge- werbeschulwescus charakterisierende Maßregelung eines Maurer- lehrlings zur Sprache. Der Lehrling war so vermessen gewesen, vor dem Eingang des GewerbeschulgebäudeS ein bei Auer u. Co. gedrucktes, zum Besuch einer vom Jugendbunde nach dem Gcwerk- IchaftShause einberufenen Versammlung aufforderndes Flugblatt zu verbreiten, in der wie schrecklich I die Gefahren des Alkohol- mißbrauchs behandelt wurden. Und dieser Tatbestand führte zur Relegation deS Lehrlings I In der Debatte, die mehr vom borussischen als vom Hanseatengeist beseelt war, hatte der Vertreter der betreffenden Deputation gegen die Relegation nichts einzuwenden, denn«in dem Flug- blatt wird aufgefordert, Vorträge im GewerkschaftShause zu besuchen, und es ist bei Auer u. Co. gedruckt". Ein Entsetzen bemächtigte sich ob dieser Worte derechten" Hanseaten, das der Linksliberale Dr. Petersen und Genosse Stötten nicht zu bannen vermochten. zumal das Flugblatt auch noch, wie mit Nachdruck hervorgehoben wurde, aufforderte.unsere Bücher, unsere Zeitungen zu lesen". Die Maßregelung ist also zu.Recht" erfolgt, womit die Anfrage ihre.Erledigung" fand._ Nusweisung. Die preußische Polizei hat sich wieder einmal einen ihrer würdigen Streich geleistet. Sie hat den Genossen Fritz Low, einen Oesterreicher, der in Wien heimatberechtigt ist, als lästigen Ausländer aus Preußen ausgewiesen. Genosse Low war Oibmanu deS Rixdorfer Bildungsausschusses, einer unpolitischen Körper- schaft, die sich mit der Vermittelung von Bildungsvorträgen befaßt. Am 18. März wurde ein Vortrag über die geschichtliche Bedeutung des Tages veranstaltet. DaS Referat hatte der Genosse Ledebour übernommen. Durch ein Versehen wurde die Versammlung bei der Polizei zu spät angemeldet. DaS gab Anlaß zu einer auS- gedehnten Staatsrettungsaktion. Die Rixdorfer Polizei bemühte sich schon seit langer Zeit um unsere Genossen. Vor dem neuen Vereinsgesetz bedachte sie den Vorstand des Wahlvercins mit allerlei Fragen über die Richtigkeit und Genauigkeit der Mitgliederanmcldungen. Nach dem Erlaß des neuen Vereinsgesetzes nimmt sie sich mit besonderem Eifer der Jugendbewegung an. Auch jetzt suchte sie durchaus einen Zusammenhang zu konstruieren zwischen dem Bildungsausschuß und der Jugendbewegung. Besonders der Kriminalwachtmeistcr Hertung gab sich dabei große Mühe. Er erschien in der Wohnung des Genossen Low und wollte durchaus erfahren, ob nicht Jngend- liche im Bildungsausschuß Mitglieder seien. Natürlich erfuhr er nichts. Auch das Amtsgericht in Rixdorf brachte nicht mehr heraus, au» dem einfachen Grunde, weil die Jugendlichen mit dem BildungSauSschuß nichts zu tun haben. Wegen der verspäteten Anzeige erfolgte ein Strafmandat von 1t) M. und außerdem die Ausweisung. Genosse Low ist seit fünf Jahren in Berlin und steht gegenwärtig als Mechaniker bei Goerz in Arbeit. Er ist Bezirksleiter des Metallarbeiterverbandes. Die Ausweisung aus einer so nichtigen Ursache beweist aufs neue die völlige Rechtlosigkeit deS Ausländers in Preußen. Die ausländische Arbeitskraft ist Kapitalisten und Agrariern als AuS- beutungsobjekt gerade recht. In dem Moment aber, wo sich die ausländischen Arbeiter weigern, als Lohndrücker zu fungieren und anfangen, die Klassenbestrcbungen ihrer Genossen zu unterstützen, werden sie der preußischen Regierung lästig und ausgewiesen. ES ist eine Politik, die provozierend und gleichzeitig lächerlich wirkt. Denn wenn daS Deutsche Reich nun einmal die Umsturzbcstrebungen von 3s4 Millionen Sozialdemokraten aushalten muß, so wird eS auch durch die paar Hundert Ausländer schließlich nicht erheblich mehr gefährdet. Es ist übrigens zu erwarten, daß über die preußische AuSweisungSpraxis auch im österreichischen Parlamente so scharf geredet werden wird, wie kürzlich im italienischen. Soldaten im Dienste des Duellunfugs? Dieser Tage brachte das.Berk. Tagebl." aus Blankenburg am Harz eine Korrespondenz über ein Duell, in dem der Oberleutnant Zwitzer vom Infanterie« Regiment Nr. ISö in Blankenburg von seinem Gegner, dem Oberleutnant Gronier vom Infanterie-Regiment Nr. 61, erschossen wurde. Die Veranlassung zu dem.ritterlichen Zweikampf" war der Umstand, daß Zwitzer sich gegen die Braut GronierS uuritterlich benommen haben soll. DaS Duell unterscheidet sich alsv in Begleitumständen und Verlauf nicht von Dutzenden anderer derartiger törichter Schießereien. Wenn wir es doch noch nachirSalich erwähnen, so geschieht es um der folgenden Stelle aus der Schilderung: .... Zwei Aerzte waren zur Stelle, derPlatz war in großem Umkreise von zwei Sektionen Soldaten gesperrt, auf dem Bahnhof Blankenburg stand eine Lokomotive mit einem Babm'anität'wngeu bereit, in dem dann der Verwundete in das Halberstädter Krankenhaus geschafft wurde...." Wir haben erwartet, daß das Kommando des Regiments Nr. 165 oder irgendeine andere beteiligte militärische Behörde dem.Berliner Tageblatt" sofort eine Berichtigung senden würde, in der die� hier wiedergegebene Behauptung über die Rolle der Soldaten bei der Affäre kategorisch dementiert werde. Bis heute ist das aber nicht geschehen! Ms also wahr, daß die Soldaten von ihren Vorgesetzten dazu befohlen werden, Osfizicrcn ungebetene Zuschauer und Störungen vom Leibe zu halten, wenn die Herren dem deutschen Strafgesetz zuwiderhandeln wollen? Die höchste Militärbehörde hatte allen Anlaß, darüber der Oeffentlichkeit unverzüglich Auskunft zu geben. Tut sie es nicht, so wird sich der Kriegsminister im Reichstag dazu bequemen müssen._ Eine Reichstagsnachwahl steht für den Wahlkreis Coburg in Aussicht. Der den Kreis seit der letzten Wahl vertretende nationalliberale Abgeordnete Justizrat Quark ist gestorben. Um den Coburger Wahlkreis ist immer heiß gestritten worden. Ehemals war er ein fester Be- sitzstand der Freisinnigen, die Siemens und später Bcckh- Nürnberg in den Reichstag sandten. Bcckh konnte aber nur in der Stichwahl mit sozialdemokratischer Hilfe gewählt werden. Bei der Wahl 190:3 wurde dor Freisinn aus der Stichwahl gedrängt und unsere Gc- nassen standen den vereinigten Nationalliberalen und Landwirts- bündlern gegenüber. T.ex.Freisinn" fiel natürlich nm; die meisten