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Der Zusammenbruch. Wien , 10. Juli. (Privatdcpesche desVorwärts".) Das Parlament ist heute zusammengebrochen, und der Rcichsrat wird morgen geschlossen werden. Die Obstruktion war bereit, die Dringlichkeitsanträge zurückzuziehen, dem Appell der Sozialdemokraten zu folgen und das Parlament zu retten; sie verlangte nur einen präzisen Beschluß des Hauses dar- über, daß den Forderungen der bosnischen Agrarier nicht nachgegeben werde. Die Regierungsparteien waren bereit, zuzustimmen, Ministerpräsident Bienerth aber, der sein Prestige retten zu müssen glaubte, widersprach, wodurch die Vermittelungsaktion glatt scheiterte. Die Regierung hat den Zusammenbruch durch ihre Eitelkeit herbeigeführt oder aber: sie hat ihn eben g ew o lt!_ Die internationale Codsfpltzele). Die Affäre Harting ist rasch ein internationaler Polizeistandal geworden, in dem, wie eS scheint, nicht nur die französische Polizei zur Mtschuldigen des infamen russischen SpitzelsystcmS geworden ist. Deren Mitschuld steht allerdings außer Zweifel. Burzew macht sich nämlich zum Beweise crbötig, daß die Untersuchenden im M i n i st e r i u m d e S I n n c r n selbst sehr leicht einenHarting betreffenden Akt finde it können, der besagt, daß dieser Mensch 1830 in Frankreich verurteilt worden ist. Wenn es erforderlich ist, werde er die Persönlichkeiten der französischen Polizei nennen, die die Existenz und den Inhalt dieses Aktes genau kannten. Was er schon heute sagen könne, sei. daß daS Geheimnis dcS Generals Harting seit langem bekannt war, und zwar ebenso den Autoritäten der französischen Polizei als einigen hervorragenden Beamten in Rußland . Vsmerkeuslvert ist auch, daß Herr H a m a r d, der vor zwei Tagen noch erklärte. Har- ting nie gesehen zu haben, plötzlich sein Gedächtnis wiedergefunden hat und zugibt, daß ihm Harting einmal in sein Bureau wichtige Auskünfte über in Paris lebende Russen zugetragen und gleichzeitig eine Intervention für eine Person erbeten habe. Damit wird der Harting» Skandal zu der prinzipiellen Frage, ob eS noch länger geduldet werden soll, daß die politische Polizei der europäischen Staaten dem russischen System der Perfidie und Provokation auch noch ferner ihre schmachvolle Unterstützung leisten will. Darüber schreibt JauröS heute in der»Humanitü": Burzew hat recht behalten: der elende Provokateur Landesen ist derselbe Mann wie der General Harting, der Chef der russischen Polizei in Paris . An diesem Polizeisystem ist also die anitliche französische Polizei entweder die M i t s ch u l d i g e. wie im Jahre 1830, oder mindestens doch die Helferin. Mit dieser Schande muß ein Ende gemacht werden, eS handelt sich hier nicht um einen Streit mit dem Ministerium Clemenceau , das dieses System übrigens nicht geschaffen hat, es handelt sich vielmehr um dieses Regime selbst, das seit zwanzig Jahren in Frankreich funktioniert und die Vasallenschaft beweist, zu der unser Land herabgesunken ist.' Sehr merkwürdig scheint die Rolle gewesen zu sein, die die deutsche Polizei gegenüber dem Provokator gespielt hat. Die Wiener Neue Freie Presse' berichtet nämlich folgendes: Harting war vor einigen Jahren anläßlich des Zarenbesuches nach Swinemünde gekommen, um für die Sicherheit des Zaren zu sorgen. Den Leitern der deutschen Polizei, die sich über die Qualität des Herrn Harting vollkommen im klaren waren, machten damals die russischen Terroristen, die etwa ein Attentat auf den Zaren hätten verüben können, weit weniger Sorge als Harting und seine Agenten, denen sie wohl zutrauten, daß sie ein Attentat inszenieren und durch dessen Entdeckung die Wachsamkeit der russischen Geheimpolizei wieder einmal glänzend dokumentieren könnten. Die Leiter der deutschen Polizei hielten es daher für ihre Pflicht, in Swinemünde vor allem Herrn Harting und seine Leute bewachen zu lassen. Insbesondere der Chef der deutschen Polizei war sehr eifrig um Herrn Harting bemüht und ließ Herrn Harting keinen Augenblick aus den Augen.' Harting selbst hat seine Sache übrigens aufgegeben und ist aus Brüssel geflüchtet, wie eS heißt, kurz bevor er seine Absicht, ein neue? Pseudokomplott zu inszenieren, ausführen konnte. Politilcbe deberficbt. Berlin , den 10. Juli 1009. Bulotvs Sturz: ein Werk der Konservativen. In derSüdd. Reichs-Korr." wird das Ende des Kanzlers in einem Artikel besprochen, dem man leicht anmerkt, daß Bülow selber dem Schreiber das Material geliefert hat. Die Rolle der Konservativen als der Ministerstürzer wird mit aller Schärfe und aller Deutlichkeit gekennzeichnet. So heißt es zum Beispiel: Es ist nicht richtig, wenn behauptet wird, Fürst Bülow habe sich den Liberalen verkauft. Allerdings hat er sein Schicksal mit einem Zusammenarbeiten von Konservativen und Liberalen an den parlamentarischen Aufgaben verknüpft. Eine andere Grundlage für die Führung der Geschäfte mit dem Reichstage hatte Fürst Bülow nicht mehr. Das wußten die Kon- servativen; sie wußten auch, daß, wer dem Reichskanzler diesen Boden unter den Füßen fortzog, ihn selbst zu Fall bringen mußte. Sie wußten es nicht bloß, tvie hier schon einmal gesagt worden ist, auS ihrer Kenntnis der politischen Lage, sie wußten eS, wie heute hinzugefügt fein mag, auch durch ausdrückliche an sie gerichtete Mitteilungen deS Kanzlers! Bereit? im April dieses JahreS hat Fürst Bülow den Führern der Konservativen erklärt, daß er zurücktreten werde, wenn sie bei ihrer ab. lehnenden Haltung gegen die ErbschaftS- steuer beharren und dadurch eine für ,hn un. annehmbare politische Konstellation herbei- führen würden. Auch in der seitdem verflossenen Zeit hat eS an deutlichen Hinweisen auf den Kanzlerwechsel als Folge einer Zertrümmerung des Blocks in der Frage der Reichs- finanzreform nicht gefehlt. Die letzten Worte des Fürsten im Reichstage waren nicht mißzuverstehen. Die Konservativen konnten nicht überrascht sein. Sie durften von einem ehr- liebenden Staatsmann nicht denken: er hat zwar gesagt, er geht; aber er geht doch nicht.' Daß Bülow den Konservativen seinen Sturz verdankt, ist jetzt sozusagen dokumentatisch fe st gelegt. Liberale Einigung. Die freisinnige Presse erörtert wieder einmal lebhaft die Frage der liberalen Einigung, da aus den Kreisen freisinniger Pariamen- tarier heraus wenigstens die Berschmelzung der drei freisinnigen Parteien gefordert worden ist. Und in der Tat sollte um» meinen, daß gerade jetzt, nach dem kläglichen Scheitern der Illusionen der �freisinnigen RegierungSfähigkeit, eins Zusammenschweißung der drei»linksliberalen' Parteien möglich fein müßte. Aber die.vossische Ztg.' und andere Blätter äußern lebhaste Bedenken. Speziell innerhalb der Freisinnigen Vereinigung habe sich ' einIndividualismus' der einzelnen Abgeordneten eingebürgert, der der Zusammenfassung in einen festen Parteirahmen widerstrebe. Das Organ des männlichen Freisinns tut also so. als ob ihm Leute, wie die Pachnicke und Heckscher, als zu unsichere Kan- tonisten erschienen. Als ob nicht umgekehrt die Gothein und Potthoff alle Ursache hätten, in keine allzu enge Gemeinschaft mit einem Fischbeck, Kopsch oder Wiemer zu treten. Sollte es aber doch früher oder später zu einer Einigung des Freisinns kommen, so würde das schließlich nur auf eine Kaltstellung oder die Herausdrän gung der wirklich noch ent> schieden liberalen Elemente hinauskommen. DaS befürchtet auch die freistnn-demokratischeVolks-Ztg.', die über die Gefahren der Hansabündelei schreibt: Das allgemeine liberale EinigungSgerede ist Verhängnis- voll für den deutschen Freisinn. Zuerst wurden die radikaleren Elemente der Freisinnigen Bereinigung mundtot gemacht, denn man mußte doch auf die gemäßigteren Volksparteiler Rücksicht nehmen, die von einem Zusammengehen mit der Sozialdemokratie nichts hören mochten. Jetzt hat sich die gesamte Freisinns- gemeinschaft nach den Ratio nalliberalen zu richten. Nur stille und kein Geräusch gemacht, daß ihr die Gefolgsleute Basser- inanns bei ihrer Entwickelung nach links nicht stört und durch übertriebenen Radikalismus abschreckt I... Sich nach dem Liberalismus dieser Elemente orientieren, heißt eben auf jede Energie verzichten und heißt die Hoffnung, daß der Freisinn, nachdem sich die goldenen Pforten des Blocks hinter ihm geschlossen haben, eine kampfbereite OppositionS- stelluiig einnehmen werde, auf ein Minimum reduzieren. Er wird mit seinen Taten bis zu den Neuwahlen waren. Jetzt nicht, aber in zwei Jahren will er mutig sein und dann soll auch das Volk aufgerufen werden. Als ob Be- geisterung eine Heringsware wäre, die sich bis zu dem für ihre Entladung gesetzlich festgesetzten Termin einpökeln ließe. Wer weiß, was bis zum Jahre 1311 alles geschehen m a g? ES wird schon dasür gesorgt werden, daß der deutsche Michel eingelullt wird und vergißt. Bis dahin reift vielleicht auch eine neuenationale" Parole. Die Notwendigkeit einer F l o t t e n v e r m e h r u n g, der sich der Freisinn nicht entziehen wird, und anderes mehr.'_ Beamtcnprotcst gegen den Verrat des Schnapsblockes. Gegen 3333 mittlere und untere Postbeamte erhoben am Freitagabend in der Brauerei Friedrichshain geharnischten Protest gegen die Beschlüsse der Budgetkommission in der Beamte nbesoldungSsrage. Als erster Referent führte ein Oberpostassistent aus, daß man den letzten Beschlüssen der Budgettommission sprachlos und voll Erbitterung gegenüberstehe. Noch im vorigen Jahre hätten zahlreiche Abgeordnete der verschiedensten Parteien den Beamteuvertrctern versichert, daß sie mit aller Energie die berechtigten Ansprüche der Beamten im Reichstage vertreten ivürden. Jetzt aber habe es den Anschein, als ob es bei diesen Herren keinen Glauben an deutsches Manneswort und deutsche Treue mehr gebe. Die Konservativen und das Zentrum hätten bisher ihre angebliche Fürsorge für die Beamten laut betont, doch zeige ihr Auftreten in der allerjüngstcn Zeit nur zu deutlich, daß man ihrer Beamtenfreundlichkeit wenig Glauben bcimeffen dürfe. Am meisten zu verurteilen sei die Haltung des Zentrums, und die Beamtenschaft in den katholischen Ländern sollte sich diesen Um fall für spätere Zeit besonders merken.<Lebhafter Beifall.) Der folgende Redner, der gemaßregelte frühere Oberpostassistent Stemmet§, Redakleur derDeutschen Postzeitung', kritisierte in temperamentvoller Weise die Haltung der Regierung und des neuen Blocks. Als er die Frage aufwarf, wo denn die Si e i ch S p o st v e r« w a l t u n g bei den entscheidenden Beratungen über die Gehaltssätze geblieben sei, wurden iu der Versammlung minutenlange, stürmische ZustimnmngSrufe laut. Man müsse noch einmal an die ReichSregierung appellieren, ob sie angesichts der teueren Lebensverhältnisse auf dem von ihr aus- gesprocheneuUnannehmbar' bestehen bleiben wolle. Jedenfalls fei die gesamte Postunterbeamtenschaft nicht gewillt, vor den Be« schlüssen der Reichstagsmehrheit stillschweigend die Waffen zu strecken. Man solle doch bei den Postbeamten die Belastungs- probe nicht zu sehr forcieren, sonst könnte es doch einmal heißen: Bei Philippi sehen wir unS wiede rl jTofender Beifall.) Nach längerer Debatte wurde folgende Resolution angenommen: Die heute zu Tausenden in der Brauerei Friedrichshain der- sammelten mittleren und unteren Neichspostbeamten erklären in völliger Uebereinstimmung, daß sie in der Annahme der in zweiter Lesung der Budgetkommisston beschlossenen Grundsätze nicht im entfernte st en eine zufriedenstellende Be- soldungsreform erblicken können. Sie fordern noch in letzter Stunde, daß die von der Budgetkommisston des Reichs- tages in e r st e r Lesung für die Asststentenklafse und für die Unterbeamten einstimmig angenommenen Gehaltssätze in der Beratung deS Plenums wieder hergestellt werden.' Regierung und Beamte. Vor längerer Zeit war gegen eine Anzahl Beamte und Unter- beamte daS Disziplinarverfahren eingeleitet worden, weil sie in mehreren großen Beamteiiverfammlungen scharfe Kritik an der Re- gicrung und den politischen Zuständen geübt hatten: sie hatten sich besonders scharf gegen daS Herrenhaus gewandt. Nunmehr ist die Entscheidung in diesem Verfahren gefallen. Die meisten Be- amten sind mit geringen Disziplinarstrafen davongekommen, nur der Oberpostsekrctär CaSpary, der wegen seiner mordS, patriotischen Reden bekannt ist, erhielt 63 Mark Geldstrafe für die Wahrnehmung und Betonung der Staatsbürgerrechte jedenfalls eine Strafe, wie sie nur in Preußen-Deutsch - l a n d möglich ist. Ob das Beamtentum dazu schweigen wird? Mag die Regierung nyr in dieser Weise fortfahren ivenn uns nicht die Beamten leid täten und jedermann Respektierung auch der staatsbürgerlichen Rechte der Beantten fordern müßte, solches Verfahren wäre Wasser auf die Mühlen der Sozialdemokratie! Für die wirtschaftliche Lage der Beamten ist es übrigens sehr bezeichnend, daß die Oberpostdirektion Berlin eine Rund- Verfügung erlassen hat. wonach sie nicht mehr imstande ist, sämtliche Dahrleh n Sge suche in voller Höhe zu berücksichtigen, da die vorhandenen Mittel nahezu erschöpft sind! Diese eine Tatsache spricht Bändel_ Fürst und Proletarierin. Ueber den ferneren Verlauf der Meineidsaffäre Eulen- bürg will eine Berliner Korrespondenz erfahren haben, daß die Staatsanwaltschaft der Anschauung ist, daß an eine Wiederaufnahme des Prozesses in absehbarer Zeit nicht zu denken ist. Die Staatsanwaltschaft will dem Fürsten deshalb vorerst eine mehrmonatigevoll- ständige Schonung, die durch keinerlei behörd- liche Maßnahmen unterbrochen wird, gewähren. Es werde von ihr auch kein Einspruch erfolgen, wenn der Fürst, dem Rate seiner Aerzte entsprechend, einen Kurort auf- sucht, selbst dann nicht, wenn sich dieser in O e st e r r e i ch be- findet. Nach Ablauf einer bestimmten Zeit, voraussichtlich aber nicht vor dem Spätherbst, würde der Gesundheits- zustand des Fürsten Eulenburg gerichtsärztlich ge- prüft werden. Auf Grund dieses Gutachtens werde die Nehörd.e dann ihre weiteren Maßnahmen einrichten, Kon einer weiteren polizeilichen Vewä'chung tverd'S vollständig Abstand genommen werden, um alles zu vermeiden, was den Fürsten in seelische Erregung versetzen könnte. Eine neuer- liche Verhandlung soll erst dann stattfinden, wenn wirklich sichere Garantien dafür vorhanden sind, daß der Prozeß ohne Störung zu Ende geführt werden kann. Die«Verl . Volks-Ztg." bemerkt zu dieser Nach- richt: An demselben Tage, an dem der Fürst Eulenburg den schweren Anfall im Gerichtsgebäude in Moabit erlitt, wurde auch, wie wir berichteten, eine Frau aus Oranienburg , die sich vor dem dortigen Schöffengericht wegen Unterschlagung und Betruges zu verantworten hatte, vor Gericht von einem schweren Herzkrampf befallen. Diese Frau wurde nach dem Gerichtsgefängnis zurückgebracht; ein Badeurlaub oder gar der Aufenthalt in einem ausländi- schcn Badeorte wird ihr sicherlich nicht gestattet werden. Bei dem Fürsten Eulenburg liegt außerdem, wie der Oberstaats- anwalt in der letzten Verhandlung erklärt hat, der Verdacht vor. daß er weitere Versuche zur Beeinflussung von Zeugen unternimmt. Muß der Fürst Eulenburg a n d c rs behandelt werden als die Frau aus Oranienburg ?" Das persönliche Regiment junior. In parlamentarischen Kreisen wurde erzählt, daß dasStuit- zarter Tageblatt' die Mitteilung bringe, der Kronprinz habe an Dr. L i m a n, den Redakteur derLeipziger Neuesten Nachrichten", aliasArmer Donk", ein Schreiben gerichtet, in dem nicht nur LimanS Ansichten und Stil(I) gelobt, sondern auch Angriffe gegen die Konservativen erhoben seien. Von anderer Seite wird Brief und Adressat eingestanden, auch zugegeben, daß der Brief sich mit politischen Fragen beschäftige, aber keine Angriffe gegen eine politische Partei ent- halte.Elende' seien die Konservativen sicher nicht genannt worden. Ein Offizier als Erpresser! Das Oberkriegsgericki in Dresden verurteilte am Freitag den ehemaligen Bezirksoffizier beim Bezirkskommando Flöha , jetzigen Oberleutnant z. D. Friedrich Ernst Wagner, wegen schwerer Privarurkuiidenfälschung, Betrug und Er- Pressung zu zwei Jahren Gefängnis, zwei Jahren Ehr- Verlust und Entfernung aus dem Heere. Die Verhandlung fand mtter strengem Ausschluß der Oeffentlichkeit statt. Russische Frechheit. Wie auS Kattowitz gemeldet wird, wurde der Arbeiter Nedwig, als er von einer Kahnpartie heimkehrte, plötzlich von der russischen Grenzseite aus durch einen Schuß tot niedergestreckt. Der Schuß war von einem russischen Grenzsoldaten ohne ersichtlichen Grund abgegeben worden. Der Erschossene hinterläßt Frau und vier unmündige Kinder._ Ein musterstaatlicher Schildbürgerstreich. Die badische Eisenbahndirektion beaufttagte die Münchencr Firma Maffei mit der Herstellung eines neuen Systems Lokomotiven. Diese Ungetüme sollten den Verkehr über die Schwarzwaldhöhe so herstellen, daß die ganze Längsstrecke des badischen Landes von Mannheim bis Konstanz mit einer solchen.Schwarzwald- loko motive' ohne Maschinellwechsel oder Vorspann zurückzulegen wäre. Diese Maschinen, von denen neun Stück a 86 333 M. angefertigt wurden, dürfen nun ihre Laufbahn über das Gebirge nicht betreten. Die Eisenbahnvrrivaltung hatte nämlich bei der Bestellung der neuesten Riesenlokomotiven keine Rücksicht genommen auf die für solche rollenden Kolosse noch nicht vorgesehene statische Einrichtung der Eisenbahn brücken aus der Strecke Donaueschiugen Koustairz; auch die Versuche, die .Dampfrosse' mit einer Verringerung des Wasservorrates in ihrem fahrenden Gewichte zu reduzieren, fruchteten nicht. Die neuen, imposanten Lokomotiven, die nun in der Rheinebene der bequemeren Arbeit obliegen dürfen, erwiesen bereits, daß auch die von ihnen erwartete MaximalleistungSfähigkeit nicht vorhanden ist; eL beschränkt sich der ganze Mehreffekt, wie dieBad. LandeSztg.' zu berichten weiß, auf die Mitführung eines einzigen weiteren Wagens gegenüber dem bisherigen Höchstmaße der Zugausstattungen. Dieser neueste Schildbürgerstreich soll nach der Auffassung des nationalliberalen Blattes daraus zu erklären sein, daß die einzelne» Ressorts des staatlichen EisenbahnbaueS für Maschinen- und Strecken- bau sichnichtver ständigt haben bei einem Projekt, das über dreiviertel Millionen kostet I Was man sich im Lande sonst noch von Schildbürgereien bei einzelnen Bahn- und Bahnhofsbauten er- zählt, scheint zu genügen für die Berechtigung der Auffassung, daß die badische Eisenbahn Politik ihrer Eisenbahn b a u Politik nichts vorzuwerfen hat._ fVanhreicb, Bleiweißverbot. Paris , 10. Juli. Die Kammer nahm die Gesetzesvorlage, das Verbot der Bleifarben betreffend, im Wortlaute des Senats an. ferner mit 433 gegen 134 Stimmen den einzigen Artikel der Vor- läge, die in besonderen Fällen das Monopol der französischen Flagge aufhebt. Italien . DaS Vertrauensvotum. Rom , 10. Juli. Die Kammer billigte ein Projekt, da? der Regierung die Spezialvollmacht zur Ausarbeitung eines Zolltarifes erteilt. England. Die Kanzel gegen den Zaren. London , 10. Juli. In sehr vielen englischen Kirchen wird morgen dem wachsenden Abscheu Ausdruck gegeben werden, der durch die Enthüllungen über die Grausamkeit in russischen Gefängnissen und die Reden der politischen Gefangenen in England hervorgerufen worden ist. Die Kolonien und das Mutterland. London , 13. Juli. Die Konferenz, welche beauftragt ist. die Anteilnahme der englischen Kolonien an der VerteidigungS Eng- landS zur See festzustellen, wird in diesen Tagen zusammentreten. Der Premierminister von Neufundland hat erklärt, daß Neu- fundland der Metropole alle Schiffe, welche es bau.en könne, zur Verfügung stelle. Cilrhct. Die letzte Arbeit der Kriegsgerichte. Konstantinopel , 13. Juli. Heute werden die letzten Exekutionen vorgenommen. An verschiedenen Punkten der Stadt werden ins- gesamt 22 Personen gehängt, darunter Generalleutnant Mehmed Tscherkesz und der Chefredakteur deSVulkan' Scheich Fahdeti. f erner werden weitere 163 Personen verbannt. Hiermit gelangt ie Tätigkeit der drei Kriegsgerichte zum Abschluß. Pcrfien. DK Russen im Lauoe. Teheran , 13. Juli. 333 russische Soldaten sind gestern in Enseli gelandet. Die Sicherheit der Europäer in Enseli ist im Augenblick«icht bedroht.