FinSUzreform Fiasko gemacht. Das Zentrum hat eS also enkwevernicht verstanden oder nicht den Willen gehabt, eine gesunde Finanz-reform zu machen.(Sehr richtig! bei den Freisinnigen.) DieseErfahrung bestätigt die Richtigkeit der Auffassung, daß auch diegegenwärtige Finanzreform nicht ein Werk von dauernder Bedcu-tung sein wird.(Sehr richtig! bei den Freisinnigen.)Die Form, die jetzt die Branntweinsteuer angenommen hat,ist geradezu unerträglich.(Sehr richtig! links.) Herr v. Hertlingscheint über die Wirkung der Liebesgabe noch im unklaren zu sein,die großen Spiritusbrenner wissen aber sehr genau, weshalb siedieser Steuer zugestimmt haben.(Sehr wahr! links.) Sehr charak-teristisch war die Abneigung gegen das allgemeine Wahlrecht,die aus den Worten des Herrn v. Hehdebrand hervorleuchtete.(Sehr richtig! links.) Es sprach aus diesen Worten das Miß-trauen gegen das Zentrum, das doch für das allgemeine Wahlrechtist, und, wenn er von der„Expropriation der Besitzenden" sprach,auch das Mißtrauen gegen die Regierung, als ob sie bereit seinwürde, mit vollen Segeln in den Sozialismus hineinzusegeln.(Sehr gut! links.)Wenn man den Freisinnigen vorwirft, an ihnen sei die Fi-nanzreform gescheitert, so ist das ein sachlich unwahrer Vorwurfund ein unehrliches Spiel, das denen, die es betreiben, nicht zurEhre gereicht.(Sehr richtig! links.) Alle Dialektik des HerrnHertling wird die Wähler des Zentrums nicht darüber hinweg-täuschen können, daß das Zentrum die Interessen des Mittelstandesund der Wähler bei dieser Finanzreform gänzlich außer acht ge-lassen hat.(Sehr richtig! links.)Herr v. Hehdebrand war so gnädig, zuzugestehen, daß auchliberale Männer in die Verwaltung kommen dürften, aber erfügte hinzu:„wenn sie danach sind", das heißt also: wenn sie inihrer öffentlichen Wirksamkeit von ihren liberalen Anschauungenkeinen Gebrauch machen! Wollten doch die Konservativen nichteinmal dulden, daß ein Mann der Selbstverwaltung wie Schückingvon seinen politischen Anschauungen öffentlich Gebrauch machte!(Sehr wahr links.)Herrn Singer bemerke ich, daß wir keinen Anlaß haben, mitBedauern auf die Zeit des Blocks zurückzublicken. Was geschaffenist mit unserer Mitwirkung, kann auch vor der Kritik bestehen.(Bravo! bei den Freisinnigen.) An der Wahlreform in Preußenhalten wir nach wie vor scst und erwarten, daß, was in der preußi-schen Thronrede zum Mißvergnügen der Konservatiben versprochenist, recht bald durchgeführt wird. Wenn Herr v. Hehde-brand sagte, die Konservativen hätten in nationalen Fragen nieversagt, so erinnere ich an das Wort des Fürsten Bismarck:„DieHerren von der„Kreuzzeitung" haben mir das ministerielle Lebenrecht sauer gemacht; die schlimmsten Verdächtigungen sind vonihnen ausgegangen, sie ließen mich im Stich, als es darauf an-kam, zunächst einmal das Deutsche Reich vor der Welt auf dieBeine zu stellen."(Hört! hört! links.) So haben auch jetzt dieKonservativen den Fürsten Bülow im Stich gelassen, als es galt,die Finanzen des Reiches auf die Beine zu stellen.(Sehr wahr!links.) Fürst Bülow hat Verständnis für die konstitutionellenForderungen der Zeit gehabt. Er hat es verstanden, die StellungDeutschlands zu wahren und den Frieden zu erhalten. Auch hater sich eingesetzt für die Gleichberechtigung des Liberalismus. Des-halb wird sein Name mit Ehren genannt werden.(Bravo! beiden Freisinnigen.) DaS gleiche kann man von der Haltung derVerbündeten Regierungen nicht sagen; sie haben eine bedauerlicheSchwachheit gezeigt und das Ansehen des Bundesrats aufs schwerstegeschädigt. An den Block von Bebel bis Bassermann glaube ichauch nicht. Wohl aber hoffe ich auf die weitere Einigung derliberalen Parteien; nicht eine Verschmelzung ist notwendig, abereiniges Handeln der liberalen Parteien.Herr v. Hertling spottete, daß uns die großen Wählermassennicht mehr zur Verfügung stehen. Gewiß hat uns die agrarischeund sozialdemokratische Bewegung einen Teil der Wähler ent-fremdet, aber mehr Wähler als das Zentrum haben wir immernoch.(Lebhafte Zustimmung bei den Liberalen.) Unsere jetzigeHaltung wird uns weitere Wählerkreise gewinnen, unsere Nieder-läge von heute wird die Ursache unseres Sieges in der Zukunftsein.(Lebhaftes Bravo! bei den Freisinnigen.)Abg. Dirksen(Rp.): Die Gesundung der Finanzen ist eineLebensfrage des Reiches. Wir haben es daher als patriotische Pflichterachtet, hierbei mitzuwirken, zuerst mit der Mehrheit, die sich beiden Wahlen auf nationaler Grundlage gefunden hat. Als sie sichzu unserem größten Bedauern nicht zusammenhalten ließ, hat unserpolitisches Pflichtgefühl uns geboten, die Mitarbeit bei eineranderen Mehrheit nicht zu versagen. �(Lebhaftes Bravo! bei derMehrheit.)Abg. v. Czarlinski(Pole): Wir Polen sind bei unseren Be.schlüssen selbständig und aus sachlichen Erwägungen vorgegangen.(Bravo! bei der Mehrheit.) Der konservative Redner erklärte,für die deutschen Kulturgüter auch ferner einzutreten. Auch wirwollen für unsere Kulturgüter eintreten und nicht durch AuS-nahmegesetze unterdrückt, sondern als gleichberechtigte Bürger be-handelt werden.(Bravo! bei den Polen.)Abg. Raab(Wirtsch. Ver.): Besonders freue ich mich über dieBörsenstsuer, wie über Talonsteuern und Effektenstempel. Nach demgroßen Kanzler Bismarck ist Bülow der markanteste und erfolg-reichste Kanzler gewesen. Die Finanzreform wird zum Wohl desReiches nach außen und innen dienen.(Bravo! bei der Mehrheit.)Abg. Zimmermann(Antisemit): Wir haben für die Erb-schaftssteuer gestimmt. Nachdem sie aber gefallen war, wolltenwir nicht in der Verneinung beharren, sondern haben weiter mit-gearbeitet an dem nationalen Werk. Besonders freuen wir uns,daß es dabei gelungen ist, das Großkapital und die Börse heran-zuziehen.(Bravo! bei der Mehrheit.)Hierauf wird ein Antrag auf« Schluß der Debattöangenommen.Die Matrikularbeiträge und die Besteuerung der Wertpapierewerben nach den Beschlüssen zweiter Lesung angenommen, dieWertzuwachssteuer wird debattelos abgelehnt.BeimKaffeezollbeantragt Abg. Dr. Rösicke(k.) den Zoll für gebrannten Kaffeeauf 85 M(statt 80 M.) zu erhöhen.Dieser Antrag wird angenommen.Darauf wird der Kaffeezoll von tili M. und auf gebranntenKaffee von 85 M. pro Doppelzentner in namentlicher Abstimmungmit 191 gegen 158 Stimme» bei 2 Stimmenthaltungen angenommen.DieErhöhung des Teezollsvon 25 M. auf 100 M. pro Doppclzentner wird in namentlicherAbstimmung mit 214 gegen 143 Stimme» angenommen.DieBesteuerung der Beleuchtungsmittelwird gegen die Stimmen der Linken angenommen. Ebenso innamentlicher Abstimmung dieZüudholzsteuermit 190 gegen 157 Stimmen bei einer Stimmenthaltung.DieHinausschiebung der Herabsetzung der Zuckersteuerwird mit 217 gegen 121 Stimmen mit 15 Enthaltungen beschlossen.Der Antrag der Sozialdemokraten auf Abschaffung der Fahr-lartensteuer wird mit 295 gegen 149 Stimmen abgelehnt.Als Zeit des Inkrafttretens wird für den Kaffee.und T e e z o l l der1. Angust 1909M die Steuer auf Beleuchtungsmittel und auf Zündwaren der1. Oktober 1909,m übrigen der Tag der Verkündung des Gesetzes festgelegt.Berantwortl. Redakteur: Wilhelm Diiwell, Lichtenberg. Für denHierauf wird das Gesetz betr. Aenderungen im Finanzwesenin derGesamtabstimmungmit 22K gegen 127 Stimme« angenommen bei 2 Stimm-enthaltungen.j lieber dieSchaumweinstcuerwird nach einem Antrag v. Richthofen(k.) namentlich abge-stimmt; die Steuer wird angenommen mit 232 gegen 120 Stimmenbei 3 Stimmenthaltungen.BeimUmsatzstempel auf GrundstÄcksübertragungenbeantragtAbg. Graf Westarp(k.), zu beschließen, daß bis zum 1. April1912 eine Reichswertzuwachssteuer eingeführt werden soll, die min-bestens 2V Millionen Mark jährlich betragen soll.Abg. Cuno(frs. Vp.): Die Wertzuwachssteuer ist tot; es lebedie Wertzuwachssteuer! Von Ihren sogenannten„Besitzsteuern"war die Wertzuwachssteuer die beste. Das Hinausschieben dieserSteuer muß schwere wirtschaftliche Nachteile haben. Da aller mög-liche Wertzuwachs bor dem 1. April 1912 realisiert werden wird, sowird die Steuer auf Jahrzehnte keinen Ertrag bringen.(Sehrrichtig! links.)Abg. Dr. Südeknm(Soz.):Ich hätte erwartet, daß endlich ein Vertreter der Regierung zudieser Sache Stellung nimmt und vor allem ein Vertreter derEinzel st aaten einmal das Wort ergreift.(Sehr gut! links.)Sie wissen alle, daß der Reichskanzler mit dem Packen seiner Uten-silien beschäftigt ist und demnächst abziehen wird. Und hier wirdnun der Persuch gemacht, den kommenden Reichskanzler— wer essein wird, wissen wir alle nicht und vielleicht auch die Herren vonder Regierung nicht, vielleicht ahnt er es selbst noch nicht, daß erReichskanzler werden wird(Heiterkeit)— festzulegen auf ein be-stimmtes, demnächst vorzulegendes Gesetz. Wenn er nun etwa einGegner der Reichswertzuwachssteuer ist, so wird dann dieser An-trag Westarp im Jahre 1912 wieder aus dem Reichsstempelgesetzentfernt werden. Das ist ein Wechsel auf die Zukunft, über dessenGüte wohl niemand im Zweifel ist. Und wenn wir noch ein paarStunden länger diskutieren, wird ja auch dieser Antrag Westarpwieder durch einen neuen Antrag Westarp abgeändert.(Heiter-keit und Sehr gut! links.)Wir haben schon bei der zweiten Lesung erklärt, daß wir demGedanken der Reichswertzuwachsstcuer prinzipiell zustimmenmit dem Vorbehalt aber, daß der Ausbau der Wertzuwachssteuerfür die Gemeinden dadurch nicht unmöglich gemacht wird. Dasgeschieht durch den Antrag Westarp. Außerdem wird durch ihn derstaatsrechtliche Grundsatz verletzt, daß alle Steuerträger gleichmäßigbelastet werden müssen, von dem bisher bei uns nur immer zu-gunsten der Agrarier Ausnahmen gemacht werden. Die Ge-meinden, die schon vor dem 1. April 1909 eine Wertzuwachssteuerhaben, werden durch ihn bevorzugt, und die anderen werden aufdas empfindlichste geschädigt. In den letzten Jahren sind den Ge-meinden durch die Einzelstaaten wie durch das Reich andauerndLasten zugewälzt worden, und auf der anderen Seite hat man ihnendie Selbstverwaltung beschränkt.Die Gefahr, die durch eine Modernisierung des Grundstücks-Verkehrs infolge des Antrags eintreten kann, glaubt Graf Westarpdadurch bannen zu können, daß er sagt, wir werden bei dem kom-Menden Gesetz eine Nachstcuerpfkicht einführen. Warum ist dasdann nicht in den Antrag aufgenommen? All das sind Bedenken,die wir gegen diese saloppe Art der Gcsetzcsmacherei haben. Wirlegen Protest ein gegen diese Galoppschusterei, diese Gesetzesfabri-kation der Dampfwalze und lehnen den Antrag im Interesse desGedankens einer wirklichen Reichswertzuwachsstcuer ab.(LebhafterBeifall links.)Staatssekretär Sybow:ES ist ein merkwürdiges Schauspiel, was sich jetzt hier abspielt.(Stürmisches Sehr richtig! links.) In der Kommission waren alleParteien mit der Einführung einer Wertzuwachssteuer etnver-standen, und die Parteien der Linken haben dann auf das schärfstemit mir Stellung genommen gegen eine sofortige Einführungdieser Steuer. Insbesondere Herr Cuno hat dagegen mit ätzendemSpott gesprochen, und jetzt beklagt er sich darüber, daß man dieSteuer nicht sofort einführt.(Hört! hört! rechts.) Ich habe denWeg, den Graf Westarp jetzt vorschlägt, bei der zweiten Lesungselbst empfohlen.(Hört! hört! links.) Wenn die Gemeinden, diedie Steuer bereits haben, bevorzugt werden sollen, so ist das eineBestimmung, die wir alle Augenblicke treffen: daß wir den Besitz-stand durch Uebergangsbestimmungen schonen. Wasdie Spekulation anlangt, so werden wir Mittel und Wege finden,um, wenn sich Mitzbräuche herausstellen, ihnen zu begegnen. Ichwerde mich natürlich hüten, zu sagen, wie ich mir das denke. Davonwürde die Spekulation nur Vorteil haben.(Bravo! rechts und imZentrum.)Abg. Dr. Mllller-Meiningen(fteis. Vp.): Die Einbringungdieses Gesetzes ist ein ganz unerhörter Vorgang. Sie geben damitzu, daß Ihre Gesetzesmacherei unter Bruch der Geschäftsordnungzu Unmöglichkeiten führt. Sie nehmen die Wertzuwachssteueraus den Gesetzen wieder heraus und wollen sie nun in einigenJahren erledigen. Das nennen Sie dann„Finanzreform" oder„Finanzordnung"! Eine babylonische Finanz u n o r d n u n g wäreder richtige Name.(Stürmischer Beifall links.)Abg. Dr. Südeknm(Soz.):Ich freue mich, daß eS mir gelungen ist, dem SchatzsekretärSydow den Mund zu öffnen. Aber es mutz unterstrichen werden,daß er gesagt hat. die Gemeinden sollen jede Hoffnung aufgeben,aus der Wertzuwachssteuer hohe Beträge zu erhalten.(StürmischeUnterbrechungen rechts: Das hat er nicht gesagt!) Jawohl, dashat er gesagt, und Ihr beliebtes Kontingcntierungsverfahrcn, dasSie auch hier wieder anwenden, soll ja die Gemeinden hindernam Ausbau der Wertzuwachssteuer.(Sehr richtig! bei den Sozial-demokraten.) Ich glaube nicht, daß sich ein Reichstag finden wird,der die wichtigste Stcuerquelle der Gemeinden verstopfen wird.(Abg. Singer: Da kennen Sie Ihre Pappenheimer schlecht! Seiter-keit.)Damit schließt die Diskussion.Der Antrag Gras Westarp wird in namentlicher Abstimmungmit 222 gegen 128 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen angc-nommen.Abg. Graf v. Carmer-Zieserwit?(kons.) begründet einen An-trag, daß auch Fideikommisse, Lehn- und Stammgüter alle 30 Jahreeinen Stempel von H Proz. des Wertes zu zahlen haben, der auchauf die 30 Jahre verteilt werden kann.Der Antrag wird cinstiminig angenommen.(StürmischesBravo! rechts, Heiterkeit links.)Das RcichSstempelgesev und dann das Wechfelstempelgeseiiwerde» in der Gcsamtabstiinmung angenommen.Damit ist die Tagesordnung erschöpft.Nächste Sitzung: Montag 11 Uhr.(Besoldungsgesetz, Schank-gefäßgesetz, Beihilfen für Kriegsteilnehmer, Wahlprüfungen.)Schluß%7 Uhr._Hub der Partei.DaS vierzigjährige Jubiläumfeierte der Sozialdemokratische Verein Stuttgartam 8. Juli dieses Jahres. Bis 1869 hatte die sozial-demokratische Agitation in Württemberg so gut wie keine Erfolgeerzielen können. Der Verband der württembergischen Arbeiter-vereine wurde von den Großindustriellen und Börienhcrren GustavSiegle, Kilian Steiner und Eduard Pfeiffer entscheidend beeinflußt,bis der Verbandssitz nach Göppingen verlegt wurde. Der Stuttgarter Arbeiterverein, in dem die Vorarbeiter und Meister derSiegleschen Farbenfabriken die erste Violine spielten, blieb auch dannnoch den Großinstriellen Untertan._Jnsepgtxntkjl peranttv.i Th. Glocke, Berlin, Krucku. Verlag: VorWärtSDaS änderte sich um Pfingsten 1869. Der Schreiner L e i ck»Hardt kehrte aus Hamburg, wo er als Mitglied des AllgemeinenDeutschen Arbeitervereins eine fruchtbare Agitation entfaltet hatte,nach Stuttgart, seiner Vaterstadt, zurück. Sofort nahm er hier dieParteiarbeit wieder auf. Am 8. Juli 1869 fand im Saale desPaul Weiß eine Arbeiterversammlung statt, in der ZimmererL ü b k e r t über„Die Prinzipien Lassalles" referierte.Leiter der Versammlung war Leickhardt. Nach ziemlich heftigerDiskussion wurde die Gründung einer Mitgliedschaft des„AllgemeinenDeutschen Arbeitervereins" vorgenommen. Ganze s e ch s�M a n ntraten der Organisation bei.Das war der Ansang der Stuttgarter sozialdemokratischenOrganisation. Die Sechse, von denen Leickhardt noch heute derStuttgarter Organisation angehört, haben wacker gearbeitet. DieMitglicderzahl nahm schnell zu. Auf einer Versammlung im De-zember des Jahres erklang bereits kräftig das trotzige Kampfliedder klassenbewußten Arbeiterschaft Deutschlands, Audorfs„Arbeiter-Marseillaise".Im August 1869 fand der Eisenacher Kongreß� statt, der zurSpaltung der sozialistischen Arbeiterschaft in„Lassalleaner" und„Eisenacher" führte. Im November 1869 sprach B e b e l in Stuttgart.Im Anschluß an diese Versammlung bildete sich auch eine Mitglied-schaft der„Eisenacher", während der zuerst gegründete Verein beim„Allgemeinen Dentscken Arbeiterverein" ausharrte.Im Jahre 1875 verschmolzen sich die„Eisenacher" und„Lasialleancr" zur„Sozialdemokratischen Arbeiterpartei". Auch inStuttgart einten sich die beiden Richtungen. Und nun ging eS mitRiesenschritten vorwärts. Schon 1871 stellten unsere Genossen eineneigenen Kandidaten auf, der e? auf 491 Stimmen brachte. Bei derReichstagSwahl 1874 wurden in Württemberg 9918 sozialdemokratischeStimmen abgegeben, dank der energischen Agitation, die hauptsächlichvon Stuttgart aus betrieben wurde. Es kam das Sozialistengesetz.Die Organisationen wurden aufgelöst, die. Genossen verfolgt. Be-sonders tat sich ein Stuttgarter Polizist namens Enderle bei derVerfolgung unserer Genoffen hervor. Aber aller Spürsinn derPolizei konnte nicht hindern, daß die Genossen ihre Arbeit fort-setzten. Unter ihrem Führer, dem Schreiner Karl Kloß, dem Vor-sitzenden des Holzarbeiter-(damals noch Schreiner-)VcrbandeS,schlugen sie der Polizei manches Schnippchen. Endlich, im Jahre1887, gelang eS Karl Kloß, die Organisation auch öffentlich wiederzur Anerkennung zu bringen. Er gründete den H e S l a ch e rArbeiterverein. Nach dem Fall des Sozialistengesetzeskonnte die Werbearbeit wieder offen aufgenommen werden. ImJahre 1690 gelangte Kloß bereits mit dem deutschparteilichenReichstagskandidaten in die Stichwahl. Die bürgerliche Linke gabden Ausschlag zugunsten des Deutschparteilers. 1895 er-oberte die Sozialdemokratie Stuttgarts zum ersten Maleden Landtagssitz von der Deutschen Partei, die CannstatterGenoffen entsandten ihren Kandidaten Glaser in denLandtag. Glaser starb l'/g Jahre später, das Cannstatter Mandatging verloren. Kloß hat seinen Sitz bis zu seinem Tode behauptet.1893 eroberte Kloß auch das Stuttgarter Reichstagsmandat, dasununterbrochen bis zum heutigen Tage im Besitz der Sozialdemokratiegeblieben ist und jetzt vom Genoffen Hildebrand getragen wird.Ueber das Anwachsen der Stuttgarter Organisation geben folgendeZahlen Auskunft: 1900: 1403 Mitglieder; 1902: 1970; 1904: 2875;1906: 3649; 1903: 4946. Jetzt find die 5000 längst überschritten.Und wie in Stuttgart, so im ganzen Lande. Die Sozialdemo-kratie ist, sowohl was die Mitgliederzahl ihrer Organisationen wiedie bei der Reichstagswahl abgegebenen Stimmen betrifft, zurstärksten Partei des Landes geworden. Dank der treuen, opferreichenArbeit unserer Vorkämpfer, die den Grund gelegt haben zu demstolzen Vau. Einige wenige können sich noch des flegreichen, un-widerstehlichen Vormarsches der Sozialdemokratie freuen. Tausendedeckt bereits der grüne Rasen. So bleibt den Jüngeren vorbehalten,das Werk zu vollenden, das unsere Alten unter ungeheuren Schwierig-leiten begonnen und fortgeführt haben.Besonders der Stuttgarter Organisation stehen noch große Auf-gaben bevor. Sie wird diese Aufgaben um so besser lösen, je mehrdie Erfahrungen des vierzigjährigen Kampfes mit dem gesamtenBürgertum nutzbar gemacht werden, je klarer die Wahrheit dcSWortes begriffen wird, daß die Befreiung des Proletariats auS denBanden des Kapitals nur daS' Werk der Arbeiterklasse selbstsein kann._Eine Konfereuz der BildungSausschüsse findet am 18. d. M. imGewerkschaftshanse zu Düsseldorf statt. Sie bezweckt, durch Er-richtung einer Zentralstelle das Bildungswesen im rheinisch-west-fälischen Industriegebiet wirtschaftlich-praktisch zu organisieren., Deutsche und österreichisch-ungarische Sozialdemokratenin der Schweiz.bilden bekanntlich schon seit langen Jahrzehnten eine Landes-organisation. Ihr in Zürich sitzender leitender Ausschuß, hat soebenin Broschürenform den Jahresbericht pro 1908 veröffentlicht, dervon erfreulichen Fortschritten zeugt. So zählte die Landesorgani-sation anfangs 1903 2581 und Ende des Berichtsjahres 3408 Mit-glieder, welche bedeutende Vermehrung auf den Anschluß vonVereinen zurückzuführen ist. Davon sind 1833 Deutsche, 578Oesterreicher und 2.89 Schweizer, während sich der Rest auf ver-schiedene Nationalitäten verteilt. Die Bibliotheken der ange-schlvssenen Vereine zählen zusammen 11 657 Bände, von denen4740 ausgeliehen wurden. Sozialistische Schriften und andereLiteratur wurden für 10 046 Franken verkauft. Die in bar oderNatura gewährte Reiseunterstiitzung an zugereiste Genossen beliefsich auf 3804,15 Franken. Die Einnahmen der Zentralkasse betrugen5170,64 Franken einschließlich 2462 Franken aus der BerlinerParteikasse. Die Ausgaben 3454,28 Franken. Der Vermögens-bestand 3353,18 Franken. Der Fonds zugunsten politischer Flücht-linge hatte 906,82 Franken Einnahmen und 681,95 Franken Aus-gaben. Der Kaffabestand beträgt 311,95 Franken. Der ständigeSekretär, Genosse Tasse, hat eine erfolgreiche agitatorische undorganisatorische Tätigkeit entfaltet, leider aber tritt er mit dem1. August 1909 von seinem Posten zurück. Die Einzelberichte derSektionen zeugen von lebhafter Tätigkeit und erfolgreichem Vor-wärtsmarschieren. Mehrere Vereine haben allerdings unter demEinfluß der Krise einen Mitgliederrückgang erlitten, der in Zu-kunft durch neuen Mitgliederzuwachs wieder ausgeglichen werdenwird.Warnung.Der angebliche Techniker, auch Matrose, Ernst Calson zieht inDeutschland herum und brandschatzt Parteigenossen und russischeStudenten, wobei er erlogene Angaben macht. Ernst Calsonstammt angeblich aus Olai bei Riga, ist von mittelgroßer Gestalt,hat längliches Gesicht, graue entzündete Augen, blondes Haar; erträgt ein randloses Augenglas und fällt durch einen grünen Gummi-mantel auf. Das letzte„Arbeitsfeld" dieses Schwindlers war Berlin.Wir warnen hiermit alle vor ihm.Die Parteizeitungen werden um Abdruck der Wamung ersucht.WitterungSüberstcht vom 10. Juli 190», morgens 8 Uhr.Wetterprognose für Sonntag, de» 11. Juli 1909.Ziemlich kühl, zeitweise heiler, aber jehr veränderlich mit Regenschaucr»und irischen westlichen Winden._ verliner Detterbureau.Buchdruckerei u, VerlagSanstalt Paul Singer Si Co., Berlin SW.