politifcbe Qcbcrlicbt. Berlin , den 17. Juli 1909. Verlogene Mache. Wir berichteten bereits gestern von einem Geheimzirkular, durch das von der M.- Gladbacher Zcntrumszentrale die katholischen Arbeitersekretäre Westdeutsch- l a n d s zu einer Konferenz nach Köln eingeladen werden, um dort„Anweisungen und Winke" zu empfangen, wie sie die ihnen anvertrauten katholischen Arbeiter über die neuesten Steuerbewilligungen der Zentrumspartei „auf- klären" können. Das Zirkular ist so hochinteressant, daß wir es wörtlich folgen lassen. Es lautet: »Westdeutsche Arbeiterzeitung' G. m. b. H. Dr. O. Müller, Direktor. Sehr geehrter Herr Arbeitersekretär! Wie Sie vielleicht erfahren haben werden, findet auf An- regung einer Konferenz der Arbeiterselretäre der Erzdiözese Köln eine Konferenz der katholischen Arbeitersckretäre Westdeutschlands statt zwecks Aussprache über die gegenwärtige politische Lage. Es sollen auf dieser Konferenz den Arbeitersekretären Anweisungen und Winke gegeben werden, wie fie die Agitation der Sozial- demolratie, die jetzt nach Erledigung der Reichsfinanzreform in dritter Lesung gegen das Zentrum voraussichtlich einsetzen wird. erfolgreich abwehren. Die Tagesordnung ist folgende: 1. Ueberblick über die gegenwärtige durch die dritte Lesung erledigte Reichsfinanzreform und die Geschichte ihres Zustande- kommens. Referent: Redakteur Ivos. 2. Welche Beweggründe haben das Zentrum in seiner Stellung- nähme zur Reichsfinanzreform beeinflußt? Referent: Abgeordneter Giesberts. Ich bitte Sie, mit Ihrem Herrn Bezirkspräses, dem ebenfalls von der Tagesordnung Mitteilung gemacht worden ist, Rücksprache zu nehmen, ob er es Ihnen möglich machen kann, auf Kosten des Bezirksverbandes die Reise zu machen. Es empfiehlt sich die Reise um so mehr, als ja zu derselben Zeit auch der Gewerkschaftskongreß in Köln tagt. Mit freundlichem Gruße Dr. O. Müller, DiözesanpräseS. Es kann kaum noch wundernehmen, daß man auch den Arbeiterabgeordneten Giesberts als Referenten auf der Tagesordnung findet. Der andere Referent ist der Redakteur der M.-Gladbacher„Westdeutschen Arbeiterzeitung", auch eine Zentrumsgröße onno pbraos. Geradezu ungeheuerlich ist es, daß die katholischen Arbeitervereine auch noch die Kosten der Reise nach Köln tragen sollen. Wenn man diese Kosten wenigstens der Hauptkasse der Zentrumspartei entnähme, der doch diese Konferenz ganz allein nützt. In dem Geheimzirkular heißt es ausdrücklich, daß die Konferenz für die westdeutschen Sekretäre auf Anregung einer Konferenz der Arbeitersekretäre der Erzdiözese Köln stattfindet, das heißt der nämlichen Leute, die im Oktober 1903 in einer gemeinsamen Besprechung in Düffel- dorf einstimmig folgende Resolution beschlossen und a n die Zentrumsfraktion des Reichstages ab- gesandt haben: Die in Düsseldorf versammelten katholischen Arbeiterselretäre glauben der Meinung der katholischen Arbeiter, wie sie dieselben in Versammlungen, in persönlichem Werkehr in betreff der in Aussicht stehenden Finanzreform kennen gelernt haben, in folgender Weise der Leitung der Zentrumspartei zur Kennwis geben zu müssen: ES berührt die Arbeiterschaft sehr befremdend, daß fast der ganze Betrag der zur Erhaltung de» Reiches notwendigen Steuern von der breiten Masse des Volkes getragen werden soll, wie das in der geplanten Erhöhung der Steuern auf Tabak. Bier und Branntwein zutage tritt. Gegenüber der Not- läge des Deutschen Reiches verkennt die Arbeiterschaft durchaus nicht die nationale Pflicht, eine Gesundung der Reichsfinanzen herbeizuführen, indes muß dagegen Einspruch erhoben werden, daß der größere Teil der Steuern wiederum auf die breiten Massen des Volkes abgewälzt wird, während kein ernsthafter ver« such zu erkennen ist, die besitzenden Klassen, ent- sprechend ihrer Leistungsfähigkeit, zur Bestreitung der Bedürfnisse des Reiches heranzuziehen. Das ist um fo mehr geboten, weil die arbeitenden Stände durch den gegenwärtigen Niedergang der Industrie in besonderer Weise betroffen werden und auch schon durch eine Reihe indirekter Steuern belastet werden. Um so mehr ist eine Erfassung der l e i st u n g s- fähigeren Kreise des Volkes durch direkte Steuern geboten, als dieselben durch indirekte Steuern in besonderer Weise nur wenig getroffen werden können, da sogenannte Luxussteuern geringe Einkünfte abtverfen, Die Zentrumsabgeordneten haben sich um diese Resolution, die nachher noch von dem Delegiertentag des Ver- bandes der katholischen Arbeitervereine Westdeutschlands nach einen: Referate Giesberts(I I) ein- stimmig gutgeheißen und bekräftigt worden ist, nicht im gerinsten gekünrmert. Zum Danke dafür gehen diese nämlichen Arbeitersckretäre hin, um die Zentrumsfraktion den katholischen Ar- beitern als arbeiterfreundlich hinzustellen. Die Lehrergehälter in Berlin und den Vororten. Die Lehrergehälterfrage will noch nicht zur Ruhe kommen. Be- kanutlich bleiben die von den städtischen Körperschaften Berlins für ihre Lchrpersonen festgesetzten Gehälter hinter denen zurück, die Charlottenburg und Schöneberg beschlossen haben. Um nun zu verhindern, dag die Berliner Lehrer sich auf ihre besser gestellten Kollegen in den genannten Orten fortgesetzt berufen können, wird jetzt versucht, die Aussichtsbehörden zu veranlassen, ihre Zustimmung zu den Be« fchlüssen der Vororte zu verweigern! Die»Berliner Politischen Nachrichten' schreiben: „Die Beschlüsse der Berliner städttschen Behörden über die den Berliner Lehrern zu gewährenden Ortszulagen sind verschiedentlich Gegenstand der Kritik gewesen. Man hat be- mangelt, daß die Gehaltssätze zu weit hinter denen der Magistrats- sekreläre und zum Teil auch hinter den in den westlichen Vor- orten von Berlin beschlossenen Gehaltssätzen zurückbleiben. Was diese letzteren anlangt, so bedürfen bekanntlich die Beschlüsse von Schulverbänden über die Bewilligung von Ortszulagen der Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde, gegen deren Bescheid Beschwerde an den Provinzialrat gegeben ist. Die Bewilligung von Ortszulagen ist auch innerhalb der Höchstgrenze nicht in das Belieben der Schulverbände gestellt. Solche Ortszulagen dürfe» vielmehr nur gewährt werden, wenn und soweit die besonderen Berhältnisse des OrteS dies bedingen. Diese Einschränkungen hängen dannt zusammen, daß die Orts- zulagen lediglich dazu bestimmt sind, einen Ausgleich in solchen Fällen zu bieten, in denen das Normalgehalt nach den besonderen LebenS- Verhältnissen des Ortes zu einer standesgemäßen Lebenshaltung s nicht ausreicht. Auch in dem vorliegenden Falle werden daher die mit der Staatsaufsicht betrauten Behörden zu prüfen haben, ob in den Vororten, welche höhere Gehaltssätze bewilligt haben als die Stadt Berlin , solche besonderen Verhält- nisse obwalten, daß ein Hinausgehen selbst über die von der Reichshauptstadt für ausreichend geholte nenGehaltss ätze gerechtfertigterscheint. Auch wird in Betracht zu ziehen sein, daß bis zu einem gewissen Grade Groß-Berlin ein einheitliches Wirtschaftsgebiet bildet und daß, wenn in dem einen oder anderen Falle eine Abweichung von den allgemein beschlossenen Gehaltssätzen verlangt wird, der Nach- weis der besonderen dafür sprechenden Gründe zu erbringen sein wird. Wie bereits erwähnt, liegt die Entscheidung ausschließlich in der Hand von Provinzialbchörden, die Ministerialinstanz ist von dem Gesetzgeber absichtlich ausgeschaltet? der auf Beschwerde ergehende Beschluß des Provinzialrats ist endgültig." Zunächst möchten wir feststellen, daß die in Berlin beschlossenen Ortszulagen nicht die Grenze erreichen, die im preußischen Lehrer- bcsoldungsgesetz festgelegt ist. DaS ist für die Freisinns- in e h r h e i t im Rathause umso bezeichnender, als gerade freisinnige Abgeordnete es waren, die im preußischen Landtage nicht laut genug über denFstädtischen Bremserlaß wettern konnten, der ihnen bei Einstellung von Lehrern so enge Grenzen zöge! In der Praxis sind diese Herren aber nicht einmal bis an die Grenze gegangen, die ihnen selbst das Gesetz läßt! Daß einige Vororte liberaler als Berlin handelten, soll nun gerochen werden, indem die Aufsichtsbehörde gegen die höheren Sätze mobil gemacht wird. Die„ V o s s i s ch e Zeitung", das Organ des Stadlhausfreisinns, druckt die Meldung der„Berliner Politischen Nachrichten" nach, ohne auch nur ein Sterbenswörtchen dazu zu sagen! Im Grunde ihres Herzens scheint es also der Tante Voß gar nicht unlieb zu sein, wenn die Lehrer der Vororte aus die gleichen Sätze gestellt werden wie in Berlin ! Unsere Lehrer aber werden nach wie vor sich als treue Schutz- truppe des Freisinns betätigen! Für Herabsetzung der militärischen Dienstzeit plädiert O b e r st G ä d k e im„Berliner Tageblatt". Und zwar fordert er die Herabsetzung der jetzt dreijährigen Dienst- zeit für die Kavallerie auf zwei Jahre. Daß diese Forderung eine äußerst bescheidene und sehr wohl durchführ- bare, beweist er an dem Beispiel der Schweizer Miliz- kavallerie. Er sagt darüber: „Gerade jetzt, wo wieder einmal unsere uniformierten Bureaulraten die Fortdauer der dreijährigen Dienstzeit bei unserer Reiterei als ein Kräutlein Riihrniichnichtan erklären und alte Offiziere der Waffe, die anderer Ansicht sind, wegen ihrer mangeln- den Einsicht verhöhnen zu dürfen glauben, gerade jetzt ist es recht anziehend, einen Aufsatz eines preußischen Generals über die Schweizer Milizkavallerie im»Militär-Wochenblatt' zu lesen. Wir finden dort folgendes Urteil:„Nun etwas über die AuSbildungsart des schweizerischen ReiterS. Den Grundstein hierzu hat der ehemalige Waffenchef der Kavallerie. Oberst Wille gelegt; in seinem Sinne wirkt der gegenwärtige AbteilungSchef(General- Inspektor) Oberst Wildholz, der die Waffe auf den Punkt erhoben hat, den sie heute einnimmt. Da die Schweiz nur ein Milizheer unterhält, mutz die Ausbildung natürlich eine wesentlich andere sein als bei stehenden Heeren. Man kann der Schweiz trotzdem aber das Kompliment machen, daß sie unter den obwaltenden schwierigen Verhältnissen ihre Waffen ganz sachgemäß ausbildet und bis zu einer anerkennenswerten Höhe bringt." Dieses Urteil stimmt durchaus mit dem überein. das der ftanzösische General LangloiS, ein Soldat von europäischem Rufe, vor«inigen Jahren auf Grund eigenen Augenscheins ge- fällt hat. Nun mutz man sich hierbei vor Augen halten, daß die Dienst- zeit des Schweizer Kavallerierekruten nur neunzig Tage, das heißt den zwölften Teil unserer Dienstzeit, beträgt, daß die Zahl der Berufsoffiziere(Jnsiruktoren) eine sehr gerinae, noch geringer die der Unteroffiziere (HilfSinstruktoren) ist, und daß die eigentliche Ausbildung durch- aus in den Händeit der Milizoffiziere selb st liegt, die hierzu aus ihren bürgerlichen Berufen eingezogen werden. Für jede Schillschwadron von 70 bis 80 Mann ist nur ein einziger Berufsoffizier vorhanden.' Oberst Gaedke zeigt auch, daß diese ungemein rasche Aus- bildung einer durchaus tüchtigen Kavallerie keine Hexerei, sondern ganz einfach den vernünftigen Einrichtungen der Schweiz zu dankeu ist. Treten doch die Rekruten nicht völlig unvorbereitet in die Armee ein, sondern erhalten sie doch be- reits auf der Schule einen tüchtigen gymnastischen Unterricht mit militärischem Anstrich und sodann eine weitere Aus- bildung in zahlreichen Schieß-, Reit-, Turn-, Pontonnier- und Fahrvereinen, wozu schließlich noch der durchschnittlich gute Stand der Volksschulbildung kommt. Bekanntlich wird von militärischer Seite die Notwendig- keit der dreijährigen Dienstzeit der Kavallerie gewöhnlich da- mit begründet, daß das Einreiten der Remonten bei einer Herabsetzung der Dienstzeit nicht möglich sei. Gaedke, der ja als ehemaliger Kommandeur eines Feldartillerieregiments auch etwas von diesen Dingen versteht, weist nun darauf hin, daß man in der Schweiz dem Rekruten sofort eine junge— allerdings von geübtem Personal angerittene— Remonte zum Reiten übergibt. Und nach dem Urteil des preußischen Generals hat man damit durchaus gute Erfolge erzielt. Oberst Gaedke zieht aus dem Schweizer Beispiel folgenden Schluß: „Wir dürfen daraus schließen, daß man auch mit einer sehr kurzen Uebungszeit recht brauchbare Ergeb- nisse erzielen kann, wenn nur alle Einrichtungen folgerichtig und zweckmäßig diesem Ziele entsprechen. Dabei ist die eid- genössische Reiterei des Auszuges gar nicht so gering; ihre 24 Schwadronen würden im Verhältnis zur Bevölkerung 450 deutschen Schwadronen entsprechen. Wir werden in Wirklichkeit im nächsten Jahr« deren 510 besitzen. Berücksichtigt man all das, so kann es gar keinem Zweifel unterliegen, daß man auch bei uns mit einer zweijährigen Dienstzeit sehr wohl eine festgefügte, gut aus- gebildete, tüchtige Reiterei herstellen könnte. Es kommt nur auf die Einzelheiten der Durchführung an. Denn wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Aber am Willen fehlt es bis jetzt." Wir unsererseits gehen in unseren Folgerungen noch er- heblich weiter als Oberst Gaedke. Wenn man in der Schweiz in einem Viertel jähr brauchbare Kavalleristen ausbilden kann, so würde für Deutschland sicherlich ebenfalls eine noch viel geringere Zeit als zwei Jahre ausreichen, um die notwendige kavalleristische Ausbildung zu erzielen. Denn nichts hindert ja Deutschland , gleichfalls jene Vorbedingungen zu schassen, die eine solche Herabsetzung der Dienstzeit er- möglichen. Aber wie Oberst Gaedke sehr richtig sagt, es fehlt bei uns am guten Willen. Man will bei uns den Soldaten nicht zur Kriegstüchtigkeit, sondern auch zum Ka - davergehorsam erziehen. Tie Landrats-Bureaukratte. In welchem Maße die konservative Partei die landrät- liche Bureaukratte hinter sich hat, zeigt deutlich die Tatsache, daß die von dem konservativen Reichstagsabgeordnetcn Dr. b. Hehdebränd bei der dritten Lesung der Reichsfinanz- reform gehaltene scharfe Rede gegen das Bülowsche Regiment zurzeit von einer Reihe amtlicher Kreisblätter als Beilage verbreitet wird. Mit Recht bemerkt dazu die„Nationall. Korresp.":„Angesichts der Tatsache, daß eine solche Oppositions- rede als gut und nützlich zu lesen, von der Regierungspresse weitergegeben wird, erneuert sich die Frage, die ntan auch sonst Wohl auszuwerfen Gelegenheit hätte; wer regiert eigentlich in Preußen und Deutschland ? Das, was man in wohl- klingender Allgemeinheit die„Verbündeten Regierungen" nennt und darauf häufiger, als der Rechtsautorität lieb sein kann, die Znniptische Genusregel anzuwenden wäre:„Kommune ist, was einen Mann und eine Frau bedeuten kann?" Oder der Herr Landrat als Wahlmacher und Vertreter der konservativen Partei?"_ Die Gärung unter den Zentrumsarbeitern. In MingolSheim bei Bruchsal in Baden erstatteten die Zcntrumsabgeordneten Benefiziat Dr. Schofer und Baron von Monzingen in einer Versammlung Bericht über ihre Tätigkeit in der letzten Session des badischen Landtages. Als erster Redner ging Dr. Schofer auf die Reichspolitik unp die Finanzreform em und warnte die Zuhörer, doch ja dem allerwärts gebrauchten „Schlagwort von der Erbanfall st euer" keinen Glauben zu schenken, im nahenden Landtagswahlkampfe müsse man standhast zur Fahne des Zentrums halten. Die zahlreich anwesenden christlichen Arbeiter schienen wesentlich anderer Meinung über das„Schlagwort von der Erbanfall- steuer" zu sein, einer von ihnen erklärte, nachdem das Zentrum die Erbanfallsteuer im Reichstage niedergestimmt habe, hege man keinen Glauben mehr zu den Versprechungen der Partei, die Besitzlosen mit neuen Steuern verschonen zu wollen. Auch in der T a ba k st e u e r f ra g e— in Mingolsheim wohnen viele Tabakarbeitcr— habe sich die Zentrumspartei und speziell ihre Arbeitervertreter, wie Giesberts, wenig interessenfreundlich gezeigt. Das wirkte wie eine kalte Dusche auf den geistlichen Referenten; aber es kam noch besser. Als der Baron v. Wenzingen, der eigentliche Vertreter des Kreises, auf seine L-andtagStätigkeit einging und auch die Tabaksteuervorlage verteidigte, trat ihm wieder«in christlicher Arbeiter kategorisch entgegen und versicherte, „die Arbeiter hätten auch zu den adeligen ZentrumSkandidaien kein Vertrauen mehr. Der Benefiziat Dr. Schofer solle nur ver- suchen, den Baron in einem anderen Wahlkreise unterzubringen. Die Arbeiterschaft des ganzen Bezirks sei mobil gemacht und werde sich von der Zentrums- leitung in Zöhr ingen(Wohnsitz des Zentrumsführers Wacker) leinen Kandidaten präsentieren lassen. Sie verlangten einen Vertreter der Arbeiter und ließen sich durch leere Versprechungen nicht mehr irre- machen." Vergeblich suchten die beiden Referenten die VersammlungS- teilnehmer zu beschwichtigen. DaS hätten sie in einem Orte wie Mingolsheim, woselbst bei der letzten LandtagLwahl neben 25 sozialdemokratischen und 61 nationalliberalen Stimmen 2 6 6 Z e n- tru ms stimmen abgegeben wurden, nicht für möglich gehalten. Selbst der Vorsitzende versicherte, er habe noch nie eine solche Versammlung miterlebt.— Vielleicht ist es nicht die letzte ihrer Art, denn in Baden ist mehr als der fünfte Teil der gesamten Tabakarbeiterschaft Deutschlands beschäftigt. Ein angebliches Kaisertvort. Der»Bayerische Kurier", das Mllnchener Zentrumsblatt, bringt unter der Ueberschrift:„Ein hübsches Kaiserwort" folgende Mel- dung:„Aus �uter Quelle hört man, daß der Kaiser angesichts der Abstimmung über die Erbschaftssteuer sich dahin äußerte,„es wäre mir ein leichtes gewesen, eine Anzahl konservativer Abgeordneter zu gewinnen, daß sie für die Erbschaftssteuer gestimmt hätten; aber Bülow sagt« mir, daß er alles allein»nachen könne." Die„Neue politische Korrespondenz" ist ermächtigt, festzustellen. daß dieses angebliche Kaiserwort eine blanke Erfindung ist. Sollte die„gute" Quelle nicht das qualmende Talglicht von Biberach sein, Herr Mathias Erzberger? Schweiz . Ein neiier Fall Wassilieff. Genf , 16. Juli. (Eig. Skr.) In Genf ist wieder ein junger Russe, namens Viktor Wassilieff, wegen des„Versuchs" der Plünderung und des Mordes in NawatscherkaSk, Provinz Don, von der Polizei verhaftet worden. Im Verhör soll Wassilieff die meisten der ihm vorgeworfenen„Missetaten" zugestanden haben. Hoffentlich kommt eS nicht wieder zu einem neuen Handlanger- dienst der Schweiz für den blutigen Henkerzaren! Englancl. DaS Oberhaus gegen das liberale Budget. London , 17. Juli. In einer von den Konservativen in London abgehaltenen Versammlung referierte Lord Lans- d o w n e über die von den Liberalen aufgestellte Behauptung, daß das Oberhaus verfassungsmäßig nicht b e- fugt sei, auf die Bugetgestaltung einzuwirken. Lord Lansdowne führte aus, eS sei undenkbar, in einem Lande, das zwei gesetzgebende Kammern habe, es ganz und gar dem Ermessen nur einer von ihnen zu überlassen, der Nation ungeheure Lasten durch eine unbillige Besteuerung aufzuerlegen und ein neues Steuersystem, das auf den Um'- stürz der bestehenden Gesellschaftsordnung abziele, einzuführen. DaS Oberhaus würde an diese Frage freimütig herantreten, ohne sich durch Drohungen oder große Worte abschrecken zu lassen. Die Konservattven wollen also das Oberhaus als Sturm- bock gegen die Besitzsteuern in dem Budget der liberalen Regierung benützen. Die Abänderung des Budgets durch das Oberhaus könnte nur durch die Auflösung des Parlaments und die Befragung der Wähler beantwortet werden. Dies eben wollen die Konservattven bewirken, die durch Neu- ivahlen mit imperialistischer Wahlparole die Majorität zu er- langen hoffen. Eine Flottcnschau. London , 17. Juli. (W. T. B.) Die fast vollzählig an der Flottenschau auf der Themse teilnehmenden Schifte der heimischen und der atlantischen Flotte, an Zahl 150, haben heute ihre Stellungen eingenommen. Die Flottenschau, die eine Woche dauert, erstreckt sich von Shoeburgneß. wo die Schlachtschiffe und großen Kreuzer ankern, bis nach Westminster, wo angesichts der Häuser des Parlaments die Unterseeboote festgemacht haben. Sie stellt die mächtig st eBereinigungvonÄ«iegsjchiffen dar, die jemals zesammengebracht worden sind Klmerlka. Taft für Zollermäßigung. Washington, 17. Juli. Eine offizielle Kundgebung de? Prä- sidenten zur Tarifbill, in der Taft erklärt, daß er eine Herabsetzung der Zollsätze für unbedingt erforde r- l i ch halte, hat unter den Senatoren und Mitgliedern des Reprä- sentantenhanseS großes Aufsehen erregt. Bei beiden Körperschastcn gibt sich die Meinung kund, daß der Präsident seinen ganzen Ein- fluß auf die endgültige Gestaltung der Tarifbill zur Geltung bringen werde.
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