Rußland. Harting in Berlin . Das Petersburger Kadettenblatt„Retsch" bringt folgende Mitteilungen eines früheren Mitgliedes der rusfischcn Kolonie in Berlin . Nach seinen Worten war der Name Härtung vor fünf Jahren in der russischen Kolonie in Berlin gut bekannt.„Es bestand eine doppelte Beaufsichtigung der Nüssen; einerseits wurden sie von deutschen Spitzeln, andererseits von zugereisten russischen„Fileuren" bespitzelt. Unter dem Schutze der deutschen Polizei legten sich diese Fileure auch nicht den geringsten Zwang auf." Der Autor dieser Erinnerungen teilt ferner mit, daß er im Jahre 1V03 im Berein mit einigen anderen Personen Schritte unternahm, um die russische Spitzelorganisation aufzudecken. Es war zufällig bekannt geworden, daß ein gewisser Harting an der Spitze dieser Organisation stand. Im Adreßbuch war aber bloß ein„Kaufmann" Harting angegeben, der in der Nähe von Potsdam eine prächtige Villa besaß. Auf die erfolgten Recherchen wurde festgestellt, daß Harting, obwohl er als Kaufmann gemeldet war, im Adreßbuch der Gesandtschaft als Rittmeister Harting figurierte, der der Kaiserlichen Botschaft attachiert war.„Es er» nbrigt sich zu sagen," heißt es weiter,„daß Harting große Summen verausgabte und die Protektion der Berliner Polizei im umfassendsten Maße genoß. Auf seine Initiative wurden damals einige Verhaf- tungen und Haussuchungen bei Russen vorgenommen, wobei viele Papiere verloren gingen und einige Personen aus Preußen aus- gewiesen wurden. Soweit man von der Seite beurteilen konnte. genoß Harting und sein Stab das unumschränkte Vertrauen der Ge- fandtschast und der Berliner Polizei in allen Fragen, welche.ver» dächtige" Russen betrafen."— perften. Die neue Regierung. Köln , 18. Juli. In einem Telegramm an die„Kölnische Zeitung " aus Teheran heißt es u. a.: Eine der ersten Handlungen der neuen Regierung war ein nachmittags ver- kündeter Erlaß, der in aller Form bekannt gibt, daß an Stelle des abgedankten SchahS fein ältester Sohn Achmed Mtrza mit dem Titel Sultan zum Herrscher ausgerufen ist. Dieser Erlaß ist von den beiden Siegern des Bürgerkrieges, S i p a h d a r und Sardar Assad , gezeichnet. Der Titel Schah ist demnach abgeschafft. Das Mtnisterkabinett ist zum Teil geblldet. Nassr el Multz wurde aus der Schweiz gerufen, um in ba8 Kabinett als Finanzmtnister einzutreten, er soll auch das Präsidium übernehmen. Ein weiteres Telegramm auS Teheran berichtet, daß Saad Dauleh zum Präsidenten des Medschlts gewählt wurde. Das neue Wahlgesetz, das 38 Artikel umfaßt, wird demnächst veröffentlicht werden. Der Armenier Jsfraiem ist zum Polizeichef von Teheran ernannt worden. Der Polizeidtenst wurde den Kosaken ab» genommen. Die Truppen des Schah bei Sultanabad haben in 24 Stunden die Waffen niederzulegen, sonst erfolgt von hier aus ein Angriff. Es ist wahrscheinlich, daß der entthronte Schah binnen kurzem nach Rußland abreisen wird. Eine russische Note. PeterStmg, 18. Juli. Die russische Regierung hat den fremden Regierungen folgende Note zugehen lassen: Gestern morgen suchte Schah Mohammed Ali mit Familie und Gefolge Zuflucht in der Sommerreflbenz der kaiserlichen Gesandtschaft. Gemäß dem in Persien bestehenden Brauch wurde dem Schah Zuflucht und Gast» freundschaft gewährt und die gebührende Ehre erwiesen. Nach unserem Abkommen mit dem Londoner Kabinett wird die Person de« Schahs von vereinigten Truppen der russischen und der englischen Gesandtschaft bewacht, und über den von ihm bewohnten Räumen weht die russische und die englische Flagge. Die Tatsache, daß dem Schah Zuflucht gewährt wurde, berändert in nichts das in dem Zirkulartelegramm vom 3. Juli aufgestellte Prinzip unserer voll- ständigen Nichteinmischung in die inneren Angelegen» hellen und in den politischen Kampf in Persien . Die Russen tu KaSwin . Ka»wi«, 18. Juli. Da» LabinSki-KosakemegimeM ist vorgestern hier eingetroffen und hat mit Z u st i m m u n g S i p a h d a r» in dessen Garten ein Lager aufgeschlagen. Die Stadt ist ruhig. Unruhen. Teheran , 18. Juli. In Kirmanschah herrscht große Un- ruhe. Die Bevölkerung bildet zwei Parteien. In der Stadt wird viel geschossen; bis auf den Hof des russischen Konsulats flogen die Kugeln. Der Gouverneur ist außerstande, die Ordnung wieder- herzustellen Aus H a m a d a n wird gemeldet, daß die Stadt sich in den Händen der Revolutionäre befindet. Die Zahl der revolutionären Truppen steigt. Obgleich Barrikaden er« richtet werden, ist die Ordnung bisher nicht gestört. Eiu Artilleriekampf. Teheran , IS. Juli.(Telegramm der Petersburger Telegraphen- Agentur.) AuS A r d e b i l l wird gemeldet, daß zwischen R e» volutionären und den Gouverneurstruppen ein Artilleriekampf stattgefunden hat, unter dem die Stadt jedoch nur wenig z u leiden gehabt hat. Die Revolutionäre aber wie auch die regulären Truppen durchziehen plündernd und brennend die Stadt. Der russische Konsul hat infolgedessen seine Landsleute auf- gefordert, ihre Wertsachen in das Konsulat zu schaffen und auf ihren Häusern die russische Flagge zu hissen. Ruhe in Teheran . Teheran , 19. Juli. Hier ist jetzt wieder Ruhe ein- getreten. Die B a z a r e sind geöffnet und der Handels- verkehr ist wieder aufgenommen worden. Marokko. Ein neuer Kampf. Madrid , IS. Juli. Bei Melilla fand gestern ein Kampf statt, der nach amtlichen Meldungen einen recht heftigen Charakter annahm. Er begann heute nacht von neuem und dauerte noch am Morgen an. Die Berluste auf feiten der Spanier sollen bedeutend sein. Nach den bisher vorliegenden Angaben sind von Offizieren gefallen ein Oberstleutnant,«in Major und em Hauptmann.— Amerika . Die Einkommensteuer. SluS New g)or I wird uns geschrieben: Der Bundessenat in Washington hat den Unabhängig. keitstag in lauterem Patriotismus gefeiert, indem er einstimmig einer Resolution A l d r i ch zustimmte/ wonach die Verfassung der Vereinigten Staaten dahin geändert werden soll, daß Steuern aus dem Einkommen„ohne" Verteilung unter die Staaten erhoben »üten leanau Einstimmig, vril die Senatsmillionare die Frage der Vesitzsieuern damit auf die lange Bavk zu fchiebev glauben. Im Juni war für die Einkommensteuer bereits eine Mehrheit vorhanden, und um die„sozialistische" Gefahr von den Portemonnais der Besitzenden abzuwenden, bestellte sich Herr Aldrich die Botschaft des Präsidenten Taft, die eine Truststeuer empfiehlt, die zwar nur das Bruchstück einer Einkommensteuer ist und obendrein nach zwei Jahren wieder in Fortfall kommen soll, die aber bei alledem trefflich geeignet erscheint, der trustfeindlichen öffentlichen Meinung einen Possen zu spielen. Vor der Annahme einer Einkommensteuer hält aber der Präsident auf Herrn Aldrichs Geheitz eine Amendierung der Verfassung für richtig, die dem Oberbundesgericht verwehrt, diese Steuer nochmals als verfassungswidrig- zu beseitigen. Nach dieser Anweisung ist denn auch verfahren worden. Eine brutale Abwürgung der Besitz. steuern können sich die Besitzenden in diesem demokratischen Ge» meinwesen nicht leisten, dafür helfen sie sich mit einer gemeinen Fopperei. Denn das weitz der Senat, der auf einmal„einstimmig" für die Besteuerung der Einkommen(über 5000 Dollar) votiert, ganz genau, datz die Durchführung der Verfassungsänderung ein Unternehmen bedeutet, gegen da» der Panamakanal noch ein Kinderspiel ist: Zuerst haben zwei Drittel beider Häuser des Kongresses zu beschlietzen, dem Volke ein Amendement zur Verfassung zu unterbreiten, und dann müssen drei Viertel aller einzelstaatlichen Parlamente da» Amende- ment genehmigen, deren manche nur alle zwei oder vier Jahre zu. sammentreten! Erst wenn dieser grotze Wurf gelungen, wäre wieder der Kongreß an der Reihe, das Amendement endgültig zu genehmigen. Dann finge das Narrenspiel mit der Einkommen» steuer aber erst wieder von vorne an. Aber selbst angenommen, eS käme dann wirklich eine solche Steuer zustande, so wäre es immer noch möglich, daß die steuerfürchtigen Kapitalisten das Ge» richt dahin brächten, daS VerfassungSamendement samt Ein- kommensteuer für— verfassungswidrig zu erklären. Auch dafür wäre die Verfassungsgeschichte der„StateS" nicht ohne Beispiel. Die Sache wäre schon bedeutend weniger langwierig, wenn vor» geschlagen würde, die Einkommen unter B.00Ö Dollar zu besteuern l■(" v Südamerika . Erneuter Konflikt. Buenos Aires , 18. Juli. Infolge der Veröffentlichung von angeblichen Erklärungen deS Präsidenten von B o l i v t e n, die für Argentinien beleidigend sind, hat der Minister deS Aeutzern den Gesandten Fonseca angewiesen, La Paz zu Ver« lassen, wenn die Erklärungen sich bestätigen s ollten. Mus der partcü Zentralisation der proletarischen Bildungsarbcit. m. Am Sonntag, 18. Juli, tagte im Gewerkschaftshause zu Düsseldorf eine Konferenz der Bildungsausschüsse und jener Kor- porationen der modernen Arbeiterbewegung, denen die Betäti» gung der proletarischen Bildungsbestrebungen in Rheinland» Westfalen obliegt. Vertreten waren 18 Delegierte der BildungSausschüsse, 14 Vertreter der Gewerkschaftskartelle, b Vertreter der Partei, 8 Vertreter der Kartelle und Partei, sowie die Vertreter der AgitationskomtteeS der oberen Rheinprovinz , des NiederrhcinS, des westlichen Westfalens, des Agitationskomitees der rheinisch» westsältschen Gewerkschaften und des Bergarbeiterverbandes. Die aus 5 Mitgliedern, den Genossen Max König-Dortmund , Fey-Hagen, Schaal-Solingen, Klein-Mülheim und Wicgleb-Düssel» dorf(Obmann) bestehende provisorische Kommission hatte zuerst den Plan gefaßt, eine„Frei Volksbühne" mit eigenem Künstlerpersonal zu gründen. Von diesem Plan, gegen den sich auch der Zentral-BildungsauSschutz zu Berlin ausgesprochen hatte, ist man nachher wieder abgekommen. Genosse Wiegleb, der hier- über referierte, stellte sich selbst auf den Standpunkt, daß die Lösung der Theaterfrage auf dieser Grundlage zum minvesten verfrüht sei. Die Konserenz erklärte sich mit diesem Standpunkte einverstanden. Ueber die Errichtung einer Zentralstelle für daS Bildungswesen der Partei und Gewerkschaft im rheinisch-westfäli- schen Industriegebiet referierte in sehr ausführlicher Weise Genosse Max König-Dortmund . Einleitend wies der Redner darauf hin, datz man ja eigentlich nichts anderes beabsichtige, als die Be- schlüsse der Parteitage und der Generalversammlungen unserer Gewerkschaften auf Verbreitung der Volksbildung zu realisieren. Wenn auch zugegeben werden mutz, datz die Erfüllung der Volks- bildungSbestrebungen fast im ganzen Reiche noch viel zu wünschen übrig lasse, so sei daS ganz besonder? für daS westliche Industrie- gebiet der Fall, daß für die dort zusammengeballten Arbeiter. massen unter den gegenwärtigen Verhältnissen außerordentlich wenig geschehen könne. Die an den zahlreichen Jndustrieorten tätigen Genossen hätten wohl den guten Willen, für die Volks- bildung etwas zu tun und daS Unterhaltungsbedürfnis der Ar. beiter in bessere Bahnen zu lenken, aber es fehlten ihnen dazu in jeder Beziehung die Mittel. Eine Zentralisation der Korpo- rationen, denen die VolkSbildungSbestrebungen übertragen und die Schaffung einer Zentralstelle, durch welche wissenschaftliche Vor- träge uno künstlerische Arrangements vermittelt werden, könne hier von größtem Vorteil sein. Wenn es uns gelingt, im In- dustriegebiet den VolkSbildungSbestrebungen neue Bahnen zu er- öffnen, so haben wir ein großes Stück Kulturarbeit im Interesse der Arbeiterbewegung geleistet.„r. r In der hierauf folgenden Diskussion sprachen sich fast alle Redner im Sinne de? Referenten aus. Nur der Elberfelder Delegierte warnte an der Hand seiner Erfahrungen vor allzu großem Optimismus. Schließlich wurde fast einstimmig folgender Antrag angenommen: I. Zur Förderung de? Arbeiterbildungswesens in Rheinland- Westfalen bildet sich eine Kommission unter dem Namen: gen- tral. Kommission der BildungSausschüsse für Rheinland . Westfalen. II. Die besonderen Aufgaben der Kommission sind: 1. allerorts BildungSausschüsse ins Leben zu rufen; 2. daS Zusammenarbeiten der BildungSausschüsse zu fördern; 3. den BildungSauSschüssen bei ihren Unternehmungen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, und zwar: -0 durch Mitteilung von Programmvorschlägen; b) durch Vermittelung von Kräften zu den Veranstaltungen wissenschaftlicher, künstlerischer und unterhaltender Art. III. Die Kommission besteht aus 8 Mitgliedern, wovon: 3 von den BildungSauSschüssen; je einer von den sozialdemokratischen Agitationskomitee» des NiederrheinS, de» Oberrheins und deS westlichen Westfalen«; 2 vom Agitationskomitee der Gewerkschaften für Rhein- land-SBestfalen gestellt werden. Die Wahl der Vertreter der BildungSausschüsse geht folgender- weise vor sich: Die Konferenz der Bildungsausschüsse wählt den Obmann der Zentralkommisston, und der BildungSauSschuh am Wohnort deS Obmannes wählt die beiden anderen Mitglieder. Diese drei bilden den geschäftSführenden Ausschuß der Zentral. kommission. Illb. Der Kommission steht ein von dieser zu ernennender Bei» rat zur Seite, der au» drei wissenschaftlich oder künstlerisch ge- bildeten Sachverständigen bestehen svll.— IV. Die Zentr'alkoKmissioN soll in der Regel alle Vierteljahr einmal zusammentreten, um ihre geschäftlichen Angelegenheiten zu regeln. Alljährlich hat die Zentralkommission eine Konferenz der BildungSausschüsse einzuberufen, zu welcher jeder Bildungs- ausschutz einen Vertreter entsendet. An Orten, wo keine Bildungs- ausschüsse-bestehen, einigen sich Partei- und Gewerkschaftsorgani- sation auf einen Vertreter. Ferner entsenden je einen Vertreter: 1. das sozialdemokratische Agitationskomitee für den Nieder- rhein; 2. daS sozialdemokratische Agitationskomitee für den Ober- rhein; 3. das sozialdemokratische Agitationskomitee für das westliche Westfalen, das Agitationskomitee der Gewerkschaften für Rheinland-Westfalen zwei Vertreter. Die Kosten der Vertretung hat jede der beteiligten Korpo- rationen selber zu tragen. V. Zur Bestreitung der Kosten det Zentralstelle haben bei- zutragen: I. die Gewerkschaftskartelle in Rheinland-Westfalen ; 2. der Bergarbeiterverband; 8. das sozialdemokratische Agitationskomitee für den Nieder« rhein ;-.. 4. das sozialdemokratische Agitationskomitee für den Ober» rhein ; S. das sozialdemokratische Agitationskomitee für daS westliche Westfalen. Der Beitrag wird festgesetzt auf% Pfennig pro Kopf und Jahr her iw den genannten Korporationen organisierten Mit- glieder. Die Abführung des Beitrages erfolgt vierteljährlich. Seiner Festsetzung ist die Abrechnung des verflossenen Quartals zugrunde zu legen. Zum Obmann des ZentralbildungSauSschusseS wurde Genosse W i e g l eb gewählt und als Ort der Zentrale Düsseldorf bestimmt. Den gefaßten Beschlüssen haben die Organisationen noch ihre Zu- stimmung zu erteilen. Die Beiträge sind ab 1. Juli zu entrichten. Damit waren die Arbeiten der Konferenz erledigt. Zum Organisationsstatutentwurf nahm die KreiSgeneralver- fammlung des Sozialdemokratischen Vereins für den Wahlkreis Stendal -Ofterburg folgende Anträge an: Zu§& des Entwurfs: Der wöchentliche Beitrag mutz mindestens 10 Pfennig für männliche und B Pfennig für weibliche Mitglieder betragen. Eventualantrag bei Ablehnung des Wochenbeitrages: Die Wahlkreise, die einen höheren Beitrag als den im Organisationsstatut festgesetzten erheben, brauchen an die Par- teikasse nur 2 0 Prozent des für die Gesamtpartei festge- fetzten Mindestbeitrages abzuführen. Weiter zu§ 5: Der Satz, wonach den Frauen die„Gleichheit" unentgeltlich zu liefern ist, ist zu streichen. Zu A 7: Zur Teilnahme am Parteitage sind berechtigt: 1. die Tele- " gierten der Partei aus den einzelnen Bezirksverbänden oder Landesorganisationen(§ 3) mit der Matzgabe, datz die Ge- famtzahl der Delegierten auf 300 festgesetzt wird. NaÄ den an den Parteivorstand abgelieferten Beiträgen wird die Mitgliederzahl und daraus die auf den Bezirks- bezw. Landesverband entfallende Verhältniszahl der zu entsendenden Delegierten alljährlich vom Parteivorstand festgestellt und ver- öffentlicht. Die Wahl der Delegierten erfolgt in den Bezirken(bezw. Landesorganisationen) mittelst U r a b st i m- mung durch die Parteimitglieder. Bei der Wahl ist die An- Wendung des Proporzes nach der Richtung zulässig, datz bei verschiedenen Vorschlagslisten die Mandate entsprechend dem Verhältnis der für sie abgegebenen Stimmen auf die Listen ver- teilt werden. Die näheren Bestimmungen hierüber haben die Bezirksverbände bezw. Landesorganisationen zu treffen. Die Kosten für die Delegation sind im Umlagever- fahren von den dem Bezirksverband bezw. der Landesorgani- sation angehörenden Wahlkreisorganisationen entsprechend ihrer Mitgliederzahl zu decken. Sozialed» Wer Mißstande nicht kritisiert, handelt pflichtwidrig! Eine'interessante Entscheidung fällte die 2. Strafkammer des Landgerichts Halber st ad t. Am V. März d. I. erschien im „Tageblatt" zu Aschersleben ein„Eingesandt", in dem verschiedene Vorwürfe gegen die AscherSlebener Schuldeputation erhoben wurden, insbesondere der, datz sie dem Verlangen der Lehrerschaft in AscherSlcben, den Vorsitzenden des LehrervereinS in die Schul- deputation gewählt zu sehen, Widerstand entgegensetze. Auf An- trag des Magistrats erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den verantwortlichen Redakteur wegen Beleidigung der Schuldepu- tation. Daraufhin meldete sich der Lehrer Pctzold als Verfasser des„Eingesandts", was die Staatsanwaltschaft veranlatzte, auch auf ihn die Anklage auszudehnen. Das Landgericht Halberstadt hat nun die Eröffnung deS Hauptverfahrens abgelehnt. Wenn auch der Artikel objektiv eine Beleidigung der Schulbeputation enthalte, so war doch dem Anac- schuldigten Petzold der Schutz deS§ 198 Str>G.-B. zuzubilligen. In der weiteren Begründung kommen dann folgende wichtigen Sätze vor: „Der Angeschuldigte Petzold ist Lehrer in Aschersleben und Mitglied des dortigen Lehrervereins, außerdem noch Vater schul- Pflichtiger Kinder. Als solcher hat er ein selbständiges Interesse daran, datz die Schulverhältnisse in Aschersleben sich günstig ge. stalten und daß die Mißstände in der Schule sowohl wie in der Schulverwaltung beseitigt werden. Mangelndes Interesse an der Wciterentwickelung der Schule kann bei ihm, dem Lehrer, fast zur Pflichtwidrigkeit werden, jedenfastS zugleich einen Mangel an BerufSeifer darstellen.— Als einen Mißstand in der Schul- Verwaltung durfte er auch, wie das allgemein in der Lehrerschaft geschah, den Widerstand der Schuldeputation gegen eine weitere Vertretung in ihr und die Art und Weise, wie die Deputation bei der Anstellung neuer Lehrer angeblich verfahren sollte, an- sehen. Im Interesse der Schule, für deren Wetterentwickelung zu sorgen er verpflichtet war, der Lehrerschaft, der er angehörte. und im eigenen Interesse als. Familienvater war er deshalb be- rechtigt, Kritik an diesen Mißständen ,ü üben, und zwar auch mit Hilfe der Presse, um mehr Erfolg zu erreichen. Dem Angeschuldigten Redakteur Eckardi mutz ebenfalls der Schutz des 8 193 Str.-G.-B. zugebilligt werden, da er als AscherSlebener Bürger und wegen seines besonderen Bcrhältntsscs zum Angeklagten Pctzold, der ihn mit der Veröffentlichung des Ar- tikelS beauftragt hatte, als berechtigt angesehen werden mutz, die deshalb auch ihn angehenden Verhaltnisse zu besprechen und, da eS auch zu den ersten Aufgaben der Presse gehört, oujl die Dlb- ftellung öffentlicher Mißstände hinzuwirken." Es kommt nicht alle Tage vor, datz deutsche Gerichte so ent- scheiden! Für vermehrten HauSarbciterschutz. Im württembergischen Landtage gelangte nach eingehender Begründung durch den sozialdemokratischen Abgeordneten Mattutat ein Antrag zur Annahme, der die württembergische Regierung auffordert, im Bundesrat für Schaffung eines gesetzlichen Haus- arbeiterschutzes und für Ausdehnung der Gewerbetnspcktion cruf diesen einzutreten. Dieser Antrag entspricht fast wörtlich einem von der sozialdemokratischen Fraktion bereit» 1907 gestellten An- trage, der inzwischen von einer Kommission beraten und jetzt vom Wnum einstimmig sanktioniert wurde..
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