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gahl zu überweisen bis zu 200 Zöglingen, so ermäßigt sich daS Pflegegeld für jeden über die Zahl von 140 Zöglingen hinaus Ueberwiesenen auf 300 M. Als dieser Vertrag der Stadtverordnetenversammlung unter- breitet wurde, wandten sich unsere Genossen dagegen. Sie be- mangelten insbesondere die Uebertragung des ZüchtigungsrechteS an den Leiter der Fürsorgeanstalt in Mielczyn. Der Magistrats- Vertreter aber erklärte, er sei zwar auch kein Freund der Prügel» strafe, aber als ultima ratio müsse man dem Erzieher dieses Mittel lassen. Herr Stadtrat Iriedberg sagte wörtlich:»Die Herren können überzeugt sein, daß ein Mißbrauch nicht stattfindet." Nach einer Ausschußberatung, in der aber der Prügelparagraph nicht beseitigt wurde, gelangte die Vorlage zur Annahme. Wie sieht es nun in der Praxis aus? Die neue Anstalt ist erst seit einigen Monaten mit hiesigen Fürsorgezöglingen belegt und schon kommen Nachrichten über die ihnen zu teil werdende Behandlung, die einem das Blut in den Adern erstarren lassen. Die Prügelstrafe wird in Mielczyn mit einer geflochtenen Lederpeitsche vollstreckt. Dabei wird den zur Züchtigung Verurteilten das Hemd aus der Hose herausgezogen, außerdem werden die Zöglinge gefesselt, und zwar die Hände mit eisernen Fesseln auf den Rücken; die Füße werden besonders zusammengeschlossen. Die Zahl der Peitschenhiebe. ist verschieden. Uns werden mehrere Fälle berichtet, in welchen 100 Peitschenhiebe an einem Tage verabfolgt worden sein sollen. Ein Fall wird uns gemeldet, in dem ein junger Mensch an einem Tage einmal 75, dann noch 50 Hiebe, also 125 Hiebe bekommen hat. Die Zöglinge, die Prügel bekommen, müssen jeden Hieb laut nachzählen. Die Prügelprozeduren werden öffentlich vor zuschauenden Zöglingen der Anstalt und des Personals vollstreckt. Die jungen Menschen, die derart gezüchtigt werden, sind alle aus der Schule entlassen, 16, 17 bis 20 Fahr alt. Der Vollstreckung der Prügelstrafe folgen andere Strafarten. Gefesselt oft an Händen und Füßen werden die in dieser Weise Gezüchtigten in eine Zelle gesperrt und ihnen nur Wasser und Brot als Nahrung verabreicht. ES soll eine besondere Strafkolonne bestehen, in welche die hinein- kommen, die Fluchtversuche gemacht haben. Die in dieser Kolonne Beschäftigten laufen in Fußketten einher, um Fluchtversuche zu verhindern; sie erhalten als Nahrung Wasser und Brot, und zwar dreimal am Tage. Daß unter solchen Umständen Fluchtversuche häufig sind und trotz strengster Bewachung Entweichungen statt- finden, wird niemanden verwundern. Klagen werden auch über die Kost geführt. Uns ist mitgeteilt worden, daß-Zöglinge nach nur kurzem Aufenthalt in dieser Erziehungsanstalt ganz«uglaub- liche Gewichtsabnahmen zu verzeichnen haben. Diese Behandlung von Fürsorgezöglingen fordert zu schleunig- stem Einschreiten auf. Durch diese Art vonFürsorge" werden nicht die körperlichen, geistigen und moralischen Fähigkeiten der Zöglinge geweckt, gefördert und zur Reife gebracht, sondern der letzte Nest von Menschenwürde wird in ihnen erstickt. Von der Stadt Berlin   muß erwartet werden, daß sie schleunigst die nach Mielczyn verschickten hilflosen Menschen zurückholt und die Rechte ihrer Für- sorgezöglinge auf das energischste wahrt. ES gibt nichts Heiligeres als das Recht des Kindes. Sind dem Minister die Zustände in Mielczyn ebenso verborgen geblieben, wie es die Zustände in der Blohmeschen Wildnis waren? Das preußische Fürforgesystem ist an Haupt und GliÄern dringend reformbedürftig. politllcbe Gcberlicht Berlin, den 22. Juli 1909. Talonsteuer und Prozentpatriotismus. Während ein Teil der durch die neuen Steuergesetze betroffenen Industriellen und Händler nicht nur den ihnen auferlegten Steuer- betrag auf die Konsumenten abzuwälzen sucht, sondern die Gelegen- heit zu unverschämten Preistreibereien ausnutzt, trachtet ein anderer Teil danach, sich durch allerlei Machenschaften um die Bezahlung der demnächst in Kraft tretenden Steuern herumzudrücken. Zu den letzteren gehören vornehmlich die Herren von der Finanz, die, obgleich sie im Verhältnis zu den un- bemittelten Schichten bei der Steuervermehrung recht gut weg- gekommen find, doch keine Neigung verspüren, zugunsten des teueren, heißgeliebten Vaterlandes in ihre Geldbeutel zu greifen. Täglich kann man jetzt im.Reichsanzeiger" und verschiedenen Handels- blättern die Ankündigung von Aktiengesellschaften lesen, daß sie neue Dividendenbogen herausgeben und im Hinblick auf die drohende Talon- steuer um Bezug dieser Bogen bor dem 1. August bitten, damit dies- mal noch die Steuer umgangen werden kann, und zwar handelt es sich nicht blas um Dividenden» und Couponbogen, die in Kürze ablaufen, sondern auch um solche TalonS, die erst in drei. vier. fünf. sechsJahren durch neue zu ersetzen sein »vürden. Selbst derKöln  . Ztg." düntt trotz ihre? großkapita- listischen Charakters dieses Spiel zu bunt. Sie schreibt: Gegen dieses Borgehen der Gesellschaften wäre selbstver- stündlich nichts einzuwenoen, wenn die alten Bogen bereits abge- laufen wären und die Hinausgabe der an sich fälligen neuen Bogen zur Ersparung der neuen Steuer noch vor Toresschluß bewirkt »uird. Es ist niemanden verwehrt, die vom Gesetze gebotenen Vor- teile wahrzunehmen, und die neuen Vorschriften bestimmen, daß vor deren Inkrafttreten ausgegebene Gewinnanteilschein- und ZinSbogen von der Stempelabgabe befreit sind. Dies trifft in- dessen nur auf die kleine Minderheit der auszugebenden Divi- denden- und Zinsbogen zu, und wenn jetzt bekannt gegeben wird, daß die Ausschüsse des Bundesrates zusammentreten sollen, um über diese Frage zu beraten.(VergleicheKölnische Zeitung  ' Nr. 575, Handelsteil) so unterliegt es keinem Ztveifel, daß die Negierung Maßregeln plant, die die vorzeitige steuer- freie Ausgabe von Talons unmöglich machen oder die solcher Art ausgegebenen Talons doch zur Steuer heranziehen sollen. DaS von vielen Gesellschaften befolgte Verfahren vollzieht sich so, daß «in Teil derselben jetzt schnell noch neue Bogen ausgibt unter Einziehung der noch nicht fälligen Dividenden- oder ZinSfcheine; andere Gesellschaften lassen die noch laufenden Bogen im Verkehr und geben neue Bogen aus, deren erster Schein sich dann an den zuletzt fälligen Schein des noch laufenden Bozens anschließt. Wenn es zuträfe, daß die Befreiungsvorschrift auch auf die in dieser Weise vor dem 1. August ausgegebenen Talons Anwen- dung finden könnte, so würde in der Tat das Gesetz auf Jahre, vielleicht sogar aus Jahrzehnte. in seiner finanziellen Wirkung zu einem nichtunwesen tlichenTeilelahmgelegtwerden." Däe von derKöln  . Ztg." angekündigten Maßregeln haben bann auch nicht lange auf sich warten lassen. Die letzte Nummer derNvrddd. Allgem. Ztg." bringt bereits an ihrer Spitze eine Warnung, in der es heißt: Nach Sinn und Wortkaut des Gesetzes kann darüber kein Zweifel bestehen, daß der Gesetzgeber nur die Unternehmungen von der Steuer freilassen wollte, deren Bogen im natürlichen Verlaufe der Dinge vor dem 1. August durch neue ersetzt werden mußten. Wenn jetzt die kurze Zeit bis zum Inkrafttreten des Gesetzes dazu benutzt wird, die bisher übliche» Formen der Ausgabe in künstlicher Weise von Grund auf umzugestalten, so ist klar, daß die mit der Ausführung des Gesetzes betrauten Or» gane sich nicht mit dem durch eine solche vorzeitige Massenaus- gäbe geschaffenen ungleichmäßigen, unbilligen und die Reichs- lasse schädigenden Zustand abfinden können. Es ist als sicher vorauszusetzen, daß bei der Hand. habung des Gesetzes durch die Behörden die nicht zweifel- hafte Absicht des Gesetzes zugrunde gelegt werden wird. Sollten sich der Ausführung Schwierigkeiten entgegenstellen, so wird im Herbst ohne Verzug eine authentische Erläuterung durch die ge- setzgebenden Faktoren herbeigeführt werden müssen. Diese könnte, da die Steuer den Dividendenschein und Zinsbogen rein körperlich erfaßt, voraussichtlich nur dahin gehen, daß die vor- zeitig ausgegebenen Bogen alsbald vom Zeitpunkt der Ausgabe an für die gesamte Zeit, für die sie Scheine ent- halten, zu versteuern wären. Auch sonst würden durch die Not- wendigkeit, die Bogen nachträglich zur Abstempelung einzureichen, den Beteiligten große Unzuträglichkeiten erwachsen. Es kann hiernach nur dringend geraten werden, von einem Vorgehen Abstand zu nehmen, welches zwar auch den Steuerbehörden Weiterungen, im Endergebnisse aber zweifellos den Interessenten die schwersten Nachteile bereiten würde." Für den Prozentpatriotismus der Herren vom mobilen Kapital, die sonst bei jeder passenden und nichtpassenden Gelegen. heit in Begeisterung für die weltpolitischen Aufgaben Deutschlands  und die Verstärkung seiner Flottenmacht überschäumen, sind diese StoatsbemogelungSversuche höchst charakterisch. Allerdings hat ihnen zu diesen Versuchen die Unfähigkeit deS klerikal-konser- vativen Schnapsblock erst die Möglichkeit geliefert. Sehr leicht wäre eS gewesen, in das Gesetz einen Passus einzufügen, daß eine Befreiung von der Steuer nur bei jenen vor dem 1. August um- getauschten Zins, und Dividendenbogen eintritt, die nicht vor Ab- lauf ihrer Gültigkeit zum Zweck der Steuerhinterziehung aus- gegeben würden. Doch auf diesen einfachen Gedanken ist in der Hast ihrer Steuergesetzfabrikation keiner der genialen klerikalen und konservativen Gesetzgeber gekommen. So weit reichte ihre Ueberlegung nicht._ Die Ausführung der neuen steuergesetze. Wie die neuen Steuergesetze ausgeführt werden sollen, besonders in welcher Weise die Nachversteuerung und Nach- Verzollung vorgenommen werden soll, ist noch immer nicht geklärt. Erst am Sonnabend werden die vereinigten AuS- schüsse des Bundesrats für Zoll- und Steuerwesen, für Handel. Verkehr und Rechnungswesen unter dem Vorsitz des neuen Staatssekretärs des Reichsschatzamts mit der Beratung der AuLführungSbestimmungen zu denneuenSteuergcsetzen beginnen. unächst werden die Brausteuer, die Schaumweinsteuer, die affee- und Teezölle und die Tabaksteuer beraten. Die Sitzungen werden sich voraussichtlich über mehrere Tage hin- ziehen. Nach ihrem Mschluß soll sofort die Bekanntgabe der AusfühmngLbestimmungen erfolgen. Das Ausnahmerecht gegen die Sozialdemokratie. DieF r ä n k. T a g e S p o st" bemerkt zum Fall B t t s ch: Herr v. Brettreich hat sich sicherlich ungeheuer viel Mühe gegeben, einen Weg zu finden, auf dem er nirgends und auf keiner Seite an stößt. Deshalb das salomonische Urteil. das auch bei eingehender Würdigung lediglich als feiges Kom» promiß erscheint. Aber gerade in einer solchen Frage mußte die Regierung jeden faulen Handel vermeiden. Die Frage der staatsbürgerlichen Gleichberechtigung verträgt keine zweideutigen Antworten. Das prinzipielle Zugeständnis darf nicht im Verwaltungswege des Einzelfalle» umgeworfen werden. So kann diese talmudistisch-jesuitische Entscheidung" für die Sozialdemokratie nur ein verstärkter Anlaß sein,«ine wirkliche Entscheidung herbeizuführen." Die Absicht, eine wirkliche Entscheidung herbei- zuführen, findet hoffentlich auch ihre Realisierung, da- mit jeder Argwohn beseitigt wird, wie er in folgender Be- merkung desHamb. Echo" vernehmlich durchklingt: Natülich werden bei jedem künftig noch etwa zum Bürger« meister gewählten Sozialdemokraten persönliche Gründe vor- liegen,»veSwegen die Regierung blutenden Herzens die Bestätigung versagen muß. Aber das P r i n z i p' ist g e r e t t e t und nach wie vor können sich brave Leute, aber schlechte Musikanten für ihr ungeheueres Vertrauen zu der bayerischen Rcaiernng darauf be- rufen, daß in diesem Staat einfreierer" Geist lebe. Beiläufig: Ueber den Ausgang derAffäreHoff- mann", des wegen seines Bekenntnisses zur Sozialdemokratie gemaßregelten Lehrers, erfährt man immer noch nichts. ES scheint, doß diese Leistung desfreien" bayerischen Staates geflissentlich nicht mehr erwähnt wird." Der ultramontaneBayrische Courier" unterstellt unseren bayerischen Genossen, daß sie, wenn sie auch einige Entrüstung markieren würden, herzlich froh wären,wenigstens dem Grundsatz nach als gleichberechtigt mit Nicht­revolutionären bei Bewerbung um öffentliche Aemter an- gesehen zu»verdcn". Hätten sie dainit dochihre nord- deutschen   Genossen und Bedränger wenigstens auf einen Vor- sprung hinzuweisen, den deren Radikalismus nicht zu erzielen vermochte". Wie wenig selbst pach bürgerlicher Ansicht unsere bayerischen Genossen Ursache hätten, sich desVorsprungs" derprinzipiellen" Gleichberechtigung zu rühmen, geht aus folgender Aeußerung der liberalenMünchener Neuesten Nachr." hervor: Der Staat hat nur die Aufgabe, kaltblütig zu überwachen, daß das nicht zu Schaden kommt, was er im öffenilichen Interesse von jedem Bürgermeister und jeder Gemeinde fordert. Bequemer ist allerdings in solchem Falle v r i n- zipielle Nichtbestätigung, aber es geht auch so!" Wenn also dieentarteten Abkömmlinge deS Liberalismus  ", um mit unserem Münchener   Bruderorgan zu sprechen, die gern dempreußischen Junkertum willige Hausknechtsdienste" leisten möchten, erklären, daß es auch so gehe, wie es die bayerische Regierung gemacht habe, läßt sich allerdings mit derprinzipiellen" Anerkennung der Gleichberechtigung der Sozialdemokratie nicht viel Staat machen!_ Die preußischen Junker als Reichsbüttel. ES ist begreiflich, daß unseren preußischen Junkern der Entscheid der bayerischen   Regierung im Falle V i t s ch noch nicht reaktionär genug ist. Die Begründung der Nichtbestätigung des sozialdemo­kratischen Bürgermeisters ist ihnen nicht brutal genug. So spricht der Münchener   Korrespondent derDeutschen TageSztg." seinlebhaftes Bedauern" darüber aus, daß die bayerische   Re- gierung nicht ganz unumwunden die Zugehörigkeit eines Kandidaten zur Sozialdemokratie für unvereinbar mit den Auf- gaben eines Bürgermeisters erklärt habe. Die Redaktion des Junker« organS   fügt dann noch auS Eigenem hinzu: Die Entscheidung der bayerischen   Regierung ist tatsächlich Seeignet, Aufsehen zu erregen. Wie wir seinerzeit mitteilten. ieß eS, daß die deutschen   Bundesregierungen sich dahingeeiangt hätten, Sozialdemokraten auch als mittel- bar« Staatsbeamte grundsätzlich nicht zu bestätigen. Wir habe» zw« sofort eine formelle Abmachung dieser Art in Zweifel gezogen; aber man mußte doch annehmen, baß tat« sächlich eine Uebereinstimmung in dieser Frage vorlag. Nach der obigen Meldung ist auch das leider ein Irrtum. Und wir können nur unserem Bedauern darüber Ausdruck geben, daß die bayerische Regierung in dieser Frage eine Praxis befolgt, die nur Verwirrung in einer grundlegenden staalo- politischen Frage anrichten kann l" Leider begegnen diese Büttelgelüste unserer Ostelbier auch in den süddeutschen Bundesstaaten statt der gebührenden entrüsteten Zurückweisung der Gesinnungsverwandffchast schöner reaktionärer Seelen!_ Nach sächsischem Muster: DaSBerk. Tagebl." schreibt: Von einer Seite, die mit preußischen RegierungSkreiscn politische Beziehungen unterhält, wird unserem Dresdener Kor- respondeiitcn mitgeteilt, daß die preußische Wahlrcform davon ab- hängig gemacht werden soll(?!), wie sich das neue sächsische Wahlrecht bewährt. Dieses bleibt be- kanntlich»seit hinter den Erwartungen des sächsischen Volkes zurück. Aber immerhin wird es trotz seines ausgesprochenen Klassen- charakters den Arbeitern eine Anzahl Sitze in der Zweiten Kammer sichern. Auch schon»vährend der WahlrechtSlämpfe im letzten sächsischen Landtage wurde die Ansicht geäußert, daß Sachse n gewissermaßen als VersuchSland für Preußen gelten solle. Im Plenum ist diese Ansicht damals nicht weiter hervor- getteten; doch verdient erwähnt zu werden, daß die preußische Regierung amtlich um Material über die Zu- sammensetzung der Wahlen und ihre Stimm- abgaben in einzelnen Wahlkreisen ein gekommen ist. Die sächsischen Landtagswahlen nach dem neuen Gesetz werden übrigens nickt, wie eS früher hieß, etwa um Mitte des Ottober, sondern erst gegen Ende Oktober stattfinden." Diese Meldung bestätigt nur, was längst vermutet und auch be- reit? ausgesprochen wurde. Kein Zweifel, daß auch die preußische Reaktion Preußen mit einem elenden Pluralwahlrecht nach sächsischem Muster beglücken möchte, wenn sich die Einlösung deS Wahlreform­versprechens nicht mehr länger hinschleppen läßt. Demgegenüber kann nur immer wiederholt werden: Die Wahl- entrechteten in Preußen dürfen kein Mittel unbenutzt lassen, um diese Verhöhnung der proletarischen Wahlrechtsforderungen zu vereiteln! Sozialreform und Bundesrat. Im württembergischen Landtage wurden zwei Anträge der Sozial« demokratte und des Zentrums, welche die Regierung beauftragten im Bundesrat für Anstellung von Handelsinspektoren, die tunlichst aus dem Kauftnannsstande zu berufen find, einzutreten, der Regierung zur Erwägung überwiesen. Im Laufe der Debatte machte der Mnister des Innern v. Pischek   einige sehr bemerkenswerte Mitteilungen über die Behandlung sozialpolittscher Fragen im Bundesrat. Die württem- bergische Regierung sei schon früher für besondere Beamte für die Handelsinspektion, die an die Gcwerbeinspektton anzugliedern toären. eingetreten; ihre Anregungen seien aber im Bundes­rat bisher stet» abgelehnt worden. Nachdem der Bundesrat in den Jahren 1S04, 1905, 1906 und 1908 sich gcgcn die HandelSinspektoren entschieden habe, sei eS der württembergischcn Regierung in absehbarer Zeit nicht möglich, auf die Sache zurück- zukommen. Sie wolle sich mit ihren Ansichten im Bundesrat zlvar nicht verstecken, sie sei aber an die Mehrheitsbeschlüsse des Bundes­rats, wenigstens für einige Zeit hinaus, gebunden. ES entspreche weder der allgemeinen Machtstellung der württembergischen Regierung, noch dem Gewicht ihrer Stimmen im Bundesrat, immer d i'e Rolle de» Hechtes im Karpfenteich zu spielen. Diese Ausführungen des württembergischen Ministers des Innern haben Bedeutung über die Grenze des einzelnen Bundesstaates hinaus. Die bestätigen die schon von jeher von sozialdemokratischer Seite vertretene Auffassung, daß sich die Sozialreform im Deutschen Reiche im Zustande der Stagnation be- findet. Nach den letzten ReichStagSwahlen soll bekanntlich das Wort geprägt worden sein:Nun erst recht Sozialreform l" Was es damit aber auf sich hat, kann man daraus ermessen, daß ein einzelstaatlichc- Minister den Bundesrat in sozialpolitischen Fragen mit einem Karpfenteich vergleicht, der von Zeit zu Zeit durch einen Hecht aus- gestört werden muß. Wenn im übrigen die württembergischen An- träge im Bundesrat bereits so häufig abgelehnt worden sind, wie Herr von Pischek   mitteilt, so erfährt man daraus, daß der Wider- stand gegen den Fortschritt der Sozialreform bei Preußen liegt, dessen Uebergewicht die Beschlußfassung deS Bundesrats beeinflußt. und daß eine fteie Lahn   für den Fortschritt im Reich erst durch eine Demokratisierung Preußens geschaffen werden kann. Abänderung des württembergischen BrausteuergesetzeS. Die Regierung hat dem Landtage einen Entwurf zur AZ- änderung des württembergischen Bcansteuergesetzes vorgelegt. Ter von Württemberg an Stelle der Brausteuer an das Reich zu zahlende AuSgleichungSbetrag bezifferte sich für das Jahr 1908 auf 1 485 770 M. Er ist nunmehr durch die Neichsfinanzreform auf 6 435 626 M. erhöht worden. Dementsprechend schlägt die Regierung eine Mehrbelastung deS BiereS vor. Der Ertrag dcr Biersteuer wird nach der jetzigen Erhöhung unter Annahme eines VerbrouchSrückgangeS von lO Proz. auf rund 12 658 000 M. geschützt. was eine Mehrerhebung von 5 127 000 M. bedeutet, von denen nach Abzug deS Betrages für die Reichskasse für Württemberg noch rund 170 000 M. übrig bleiben. Die Steuererhöhung macht auf dcn Hektoliter Bier etwa 1,60 M. aus. Die Reichstagsersatzwahl für Kobleaz-St. Goar. die wegen Beförderung des jetzigen Abgeordneten W e l l st e i n notwendig wird, ist auf den 14. September anberaumt, worden.. Dje LandtagSersatzwahl ist auf den 30. August festgesetzt, die Wahl- mannerwahl auf den 23. August. Der Wahlkreis gehört zum sicheren Bestand der Zentrumspartei  . Bei der letzten Wahl erhielt der Zentrumskandidat 19 000, der Kandidat unserer Partei 2000 Stimmen. Ter Hansabund. Mit welchen seltsamen Mitteln Arbeiter zu Mitgliedern des Hansabundes gepreßt werden, lehrt ein Bericht deSProletariers  ", der Zeitung des Verbandes der Fabrikarbeiter Deutschlands  , anZ Stettin. Nach seinen Mitteilungen zahlt die Stettiner   Portland  - ementfabril zu Züllchow   Löhne von 25 Pf. pro Stunde an ihre rbeiter. Als Ergänzung dieser niedrigen Löhne trägt die Firma aber zu den im Betriebe vorhandenen Klimbimvereinen die Hälfte der Beiträge ans der Betriebskasse bei. In den letzten Tagen wurden die Vorstände der Klimbimvereine zusaminengerufen und über die Köpfe der Mitglieder weg wurde der Anschluß an dcn Hansabund beschlossen. Bon der Direktion wurde angeführt, daß niemand gezwungen werde, sich anzuschließen, jedoch habe jeder dann auch die Folgen zu tragen. Der Anschluß wurde darauf voll- zogen, ohne daß die Arbeiter ihre Zustimmung dazu gegeben hatten._ Oberschlefien unter dem neuem ReichSvereinSgesetz. Am 18. Juli sollte in Kriewald im Kreise Rybnik   eine Berg- arbciterversainmlnng unter freiem Himmel stattfinden, die für die Arbeiter der fiskalischen Zeche Knurow berechnet war. Der Amts- Vorsteher von Schyalowitz erteilte auch sofort die Genehmigung, am anderen Tage aber schickte er an den Einberufer folgendes Schreiben: