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Beziehungen zu Comvcs besitzt, für sein Kabinett zu gewinnen, da er damit zunächst die Unterstützung der ehrlichen rgdikalen Tombistischen Gruppe sich sichern würde. Das neue Mimstcrium.'' Paris , 23. Juli. Soweit bis jetzt zu übersehen ist, werden die Portefeuilles der Justiz, der Märine, des Krieges und der Kolonien neue Inhaber erhalten. Man spricht davon, daß Millerand Marine-, Senator Monis Justiz-, der frühere Ministerpräsident Dupuy Kolonial- und Verth eau Kriegsminister wird. Die übrigen Portefeuilles werden wie folgt verteilt werden: Inneres und Kultus Briand , Finanzen Caillaux, Bauten Barthou , Land- Wirtschaft Ruau, Aeusteres Pichon, Unterricht Doumergue. Die Radikalen beabsichtigen noch immer, Briand zu veranlassen, einen der Ihren zum Unterstaatssekretär des Innern zu ernennen.> Briands Programm. Pari?» 23. Juli. Ueber die allgemeinen Richtlinien seines Programms machte Briand folgende Mitteilungen: Mein Pro- gramm wird darin bestehen, das radikale Reformprogramm möglichst schnell zu Ende zu führen. An der Spitze wird die Altersversorgung stehen und zwar soll dies Gesetz noch vor den Wahlen durchberaten werden. Einen weiteren Punkt bildet das Gesetz über die Kriegsgerichte. Heute wird sich Briand auch mit Caillaux ins Benehmen setzen und, falls dieser sich weigert, zu bleiben, auf eigene Faust ein Ein- kommensteuergesetz einbringen, dem eine bessere Aufnahme beim Senat sicher ist. Briand erklärte sich weiter als Anhänger der Wahlreform. Die Frage der Wiedereinstellung der entlassenen Postbeamten wird Gegenstand der ersten Beratung des neuen Kabinetts sein. Beratung des neuen Kabinetts sein. Viele Abgeordnete er, klärten sich gegen eine Amnestierung dex gemaK- rege ljen P o st tz e g m t e n. l'eMchenhiebe gegen berliner FOrforgthlnder. Unsere detaillierte Mitteilung über die grausame Behandlung von Fürsorgekindern in Mielcztin wird von derBerliner Volks- Zeitung" wiedergegeben. Sie knüpft daran die Hoffnung, daß der Berliner Magistrat sofort eine eingehende Untersuchung über die Nachrichten aus Mielczyn anstellen werde, die einem das Blut in den Adern erstarren lassen. Dem Magistrat müssen die Klagen über Mielczyn seit Wochen bekannt sein: wird er endlich einschreiten? DerBerliner Lokal-Anzeiger' sucht in seiner Art die für die Roheit bürgerlicher Anschauung kennzeichnenden Mißhandlungen zu vertuschen! Er erwähnt selbstverständlich ohne die Quelle zu nennen unsere Mitteilungen. Er nennt sieGerüchte über angeblich grausame Behandlung Berliner Fürsorgekinder". Das Blatt behauptet weiter, es habe sichan mahgebender Stelle zu unterrichten gesucht, was den Meldungen tatsächlich zugrunde liegt". Nach diesermaßgebenden Stelle" soll eS sich nur um einen Fall handeln! Ein lüjähriger Fürsorgezögling sei wiederholt entlaufen und dafür körperlich gezüchtigt worden. Mit den Spuren dieser Züchtigung sso fährt daS Scherlblatt dann wörtlich fort) flüchtete er wieder nach Berlin und ließ sich von einem Arzt untersuchen, der zugleich Mitglied der sozial- demokratischen Stadtverordnetenfraktion ist. Der Dezernent für das slädtische Fürsorgewesen hat darauf unverzüglich den Arzt aufgefordert. mit ihm nach Mielczyn zu reisen, um an Ort und Stelle die Sache eingehend zu untersuchen. Der Arzt ist aber dieser Aufforderung nicht nachgekonunen» sondern hat eine Er­holungsreise angetreten." Diemaßgebende Stelle" hat denLokal-Anzeiger" falsch informiert. Wie in unserem gestrigen Artikel mitgeteilt ist. handelt es sich nicht nur um einen Fall auch das wäre übrigens schon entsetzlich genug sondern um eine Reihe von Fällen. Durchaus unrichtig ist eS auch, daß der Berliner Arzt, der zugleich Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion ist, nach Untersuchung eines Falles und nach Berichterstattung hierüber von dem Dezernenten für das städtische Fürsorgewesen unverzüglich auf- gefordert fei, nstt ihm nach Mielczyn zu reisen, aber der Aufforderung nicht nachgekommen sei. Genosse Dr. Bern- stein um den es sich hierbei handelt--- hat den Dezernenten des städtischen Fürsorgewesen» über den ihm bekannt gewordenen Fall eingehend informiert und es für das geratenste erklärt, an Ort und Stelle eine genaue Untersuchung vor- zunehmen, sich auch zu der Reise nach Mielczyn bereit erklärt. Das war vor sechs Wochen. Seitdem wartet Dr. Bernstein vergeblich I Er hat nicht, wie derLokal-Anzeiger" behauptet, eine Erholungs- reise angetreten, sondern sie eben wegen diese» Falles ver- schoben. ES ist in der Tat ein starkes, denLokal-Anzeiger" und seine Art kennzeichnendes Stück, daß er oder seinemaßgebende Stelle" diesem Tatbestand gegenüber die Sachlage zu vertuschen sucht. Die übrige bürgerliche Berliner Presse schweigt die Mielczhner Vorfälle tot. Will sie sie billigen, oder ist sie von der durch sie bekundeten Roheit so entsetzt, daß sie Worte der Mißbilligung noch nicht hat finden können? Polftilcbe Geb er Hebt Berlin , den 23, Juli 1909. Tie Berliner Bierpreiserhöhung. Die Kritik des Geschäftsgebarens der Bierbrauereien, den Bierpreis um das Doppelte des neuen Steuerbetrages zu er. höhen, scheint doch nicht ganz ohne Einfluß geblieben zu sein, denn in einer gestern abgehaltenen Konferenz der Vertreter der größeren Bierbrauereien wurde von verschiedenen Seiten vorgeschlagen, den Preis pro Hektoliter nur um 3 bis 4 M. hinaufzusetzen. Das »Berl. Tagebl." weiß darüber zu berichten: Es trat in der Versammlung eine vielseitige Geneigtheit herbor, den Mindestpreis für den Hektoliter Bier auf 20 M. und gleichzeitig einen Normalpreis auf 21 M. zu normieren. Da der bisherige Mindestpreis der größeren Berliner Brauereien etwa 1? M. betrug, würde für diese Brauereien eine Erhöhung deS Mindestpreises um etwa 3 M. vorgenommen werden. Für die mittleren und kleinen Brauereien, die auf Grund ihrer früheren geringeren Steuersätze etwas niedrigere Mindestpreise als die Großbrauereien gehabt hatten, würde die Erhöhung der Mindestpreise etwa 3,50 bis 4 M. betragen. Doch ist zu be- rücksichtigen, daß die Differenz in den Steuersätzen der einzelnen ' Brauereikategoricn nach dem neuen Ärausteuergesetz infolge der engeren Staffel stark'zusammenschrumpfen wird, so daß die mittleren und kleineren Brauereien infolge ihrer relativ stärkeren Steuermehrbelastung auch relativ weitgehendere Preis- erhöhungen nötig haben. Wie wir indes bereits erwähnt haben, bestehen in Kreisen der Grohbrauereien Bedenken gegen eine Differenzierung der Mindestpreise je nach Größe und Erzeugung der Brauereien, da eine solche nach Ansicht jener Brauereien die ganze Abwälzung unter Umständen gefährden könnte. Um aus dieser für die mittleren und kleineren Brauereien wenig günstigen Situation einen Ausweg zu finden, hat man den früher schon sinmgl gbgelehytko Vorschlag! eine gejvisse Absatz, legulierung unier den Berliner Brqjliereien börzunehmen, wieder hervorgeholt, und es besteht jetzt seitens einer Anzahl von Groß- brauereien größere Neigung, eine derartige vielleicht nicht ganz treffend als Kontingentierung des Absatzes bezeichnete Absatzregulierung in modifizierter Form den kleineren und weniger wettbewerbsfähigen Brauereien zu kozediercn. Zu Grunde lag den gestrigen Verhandlungen ein von der Schultheiß- Brauerei auf Grund von Besprechungen mit anderen Brauereien ausgearbeiteter Entwurf, nach dem der Absatzregulierung die von den einzelnen Brauereien in der Zeit vom 1. Juli 1903 bis zum 1. Juli 1009 abgesetzten Biermengen zu Grunde gelegt werden sollen. Es soll nun nicht eine Kontingentierung der einzelnen Brauereien nach festen Absatzquanten, sondern nach Prozenten des Gesamtabsatzcs vorgenommen werden. Die Brauereien, die ihren Absatzprozentsatz überschreiten, sollen einen noch näher festzusetzenden Geldbetrag pro Hektoliter Mehr- absatz an die Gemeinschaft zahlen, während andererseits die Brauereien, die einen Minderabsatz zu verzeichnen haben, eine entsprechende Entschädigung erhalten." Das wäre also der Biertrust in aller Form! Die Vorbe- dingungen für die Gründung eines solchen Trusts hat der Schnaps- block dadurch geliefert, daß er in aller Eile zwischen der zweiten und dritten Lesung einen Antrag einführte, wonach neugegründete BrgllLreixo echs um 50 Proz. höhere Steuer zu entrichten haben. Zentrums-Toleranz. In Aachen findet zurzeit die Ausstellung der im dortigen Münster aufbewahrtenHeiligtümer", das heißt allerlei alter Reliquien statt. Aus allen Teilen Deutschlands strömen deshalbHeiligtumsfahrer" nach der frommen Kaiserstadt s darunter, wie eS sich geziemt, auch viele Zentrums- abgeordnete. So hatten sich am 20. d. M. in Nachen auch die Reichstagsabgeordnete» Gcrstenberger, zugleich Mitglied des baye- rischen Landtages, Pütz. Sittart, Nacken, Dr. Becker-Köln, die Land- tagsabgeordneten Dr. Kaufmann, Jmbusch, Klausener, Sauermann und Kohaus eingefunden. Arn Vormittag beschäftigten sie sich mit der Besichtigung und Verehrung der verschiedenen Heiligtümer, während der Nachmittag durch ein fröhliches Mahl ausgefüllt wurde, das ihnen zu Ehren der Verein Constantia veranstaltet hatte. Bei diesem Mahl hielt nach dem Hoch auf den Papst, den Kaiser und das Zentrum der Schnapsblock wurde vergessen der Reichs- und Landtagsabgeordnete Gerstenberger eine fulminante Kulturkampfrede, wie denn überhaupt seit einiger Zeit das Zentrum wieder, um die Entrüstung mancher seiner Anhänger über seine Mitwirkung bei der neuesten Steuervermehrung abzulenken, iu der Entfachung von konfessionellem Fanatismus macht. Den Anlaß zu dieser Pauke bot dieBeschimpfung des heiligen katholischen Glaubens" durch die Freidenker. Letztere hatten nämlich gewagt, zum Dienstagabend eine Versammlung in Aachen einzuberufen. DaS ging den Aachener ZentrumSparteilern als Vertreter der Toleranz gegen deu Strich. Sie rückten mit Sprengkolonnen in den Vee- sammlungssaal und veranstalteten einen solchen Radau, daß die Versammlung aufgelöst wurde. Diese Heldentat der Toleranz genügte jedoch den an der Heilig- tumsfahrt teilnehmenden gentrumsparlamentariern nicht. Die Sache ließ sich so schon zur Entfachung des religiösen Fanatismus aus- schlachten und so hielt denn Herr Gerstenberger nach dem Bericht der klerikalenMärk. VolkSztg." folgende schöne Rede: Wir haben uns nicht nur erfreut, wir haben unS auch erbaut an den schönen Kirchen, welche die Stadt hat. und an der Frömmigkeit, die sich auf Schrill und Tritt offenbar macht. Wir sind aber auch begeistert von der Begeisterung, die hier in Aachen in Ihrem Verein herrscht, von der Begeisterung, mit der Sie un» aufgenommen haben. Allen, besonders dem Verein Eon« stantia, daher herzlichen Dank. Ich kann aber nicht verhehlen, daß wir auch sehr entrüstet waren über die Taktlosigkeit, mit der es Leute in einer überwiegend katholischen Stadt unternehmen, die Reliquien zu beschimpfen, die allen Katholiken teuer sind. Mag der Glaube deS einzelnen sein, wie er will, eine Taktlosigkeit besteht schon darin, wenn man einem den Glauben nehmen will, den Glauben, der keinem andern Schaden zufügt, zur Kunst, zu caritativen Werken, dem Kaiser und dem Reiche zu dienen um Gottes Willen. Sie sehen aber auch daraus, was wir eigentlich im deutschen Vaterlande, selbst in einer so katholischen Stadt wie Aachen , u nS b iete n la s sen m ü s se n. Solche Erscheinungen sind nicht veretnzslt. Auf allen Gebieten sind die Verhöhnungen gerade der katholischen Kirche an der Tagesordnung und der Kamps geht auf der ganzen Linie vor sich, der Kampf gegen den katho- tischen Glauben, gegen de» positiven Glauben überhaupt. Herr Prälat Dr. BelleSheim hat dargelegt, wie wichtig eS ist. daß eS große Parteien gibt, welche den Gedanken, daß die Politik m letzter Linie ihre Grundlage hat in den Naturgeboten und in den Geboten Gottes, zu ihrer Richtlinie nehmen, welche» Unglück eS für unser Vaterland wäre, wenn solche Parteien auSaeschaltet würden au» dem öffentlichen Leben. Wenn ihr Einfluß auf die Gesetzgebung zurückgedrängt würde, dann würde das zur Herrschaft jener führen, deren Richt- linie da» goldene Kalo ist. DaS Zentrum hat den Kampf, der ihm aufgedrängt wurde, ange- nommen. ES war kein leichter Kampf. Vor 30 Jahren war der Kulturkampf. Man hat versucht, das katholische Volt aus seinem ureigensten Gebiete, in der katholischen Gesetz- gebung, auszuschalten. Und jetzt, nach 30 Jahren, ein neuer Kamps hat sich entwickelt, der darauf ausging, daS Zentrum im politischen Leben auszuschalten. Der tieffte Grund ist immer derselbe. Worin hat der ganze Kampf bestanden? Seit 20 Jahren hat der Evangelische Bund sich zusainmengetan und darauf hingewirkt, die anderen Parteien zu vereinigen zu einem antikatholischen Block. Diesen Kampf haben wir zu führen gehabt, und wir haben glücklich gesiegt." Danach steht Herr Gerstenberger in der Durchführung der Finanzreform einen Sieg drS Katholizismus über den Evangelischen Bund. Nicht übel!_ Das Zentrum zur ReichStagsersatzwahl i« Neustadt-Landau. Die Stichwahlparole de» Zentrum? wird so schreibt die Augsburger Postzeitung" wohl auf Stichwahlenthal- tung lauten; für einen Dr. Oehlert seien die ländlichen Wähler deS Zentrums unter keinen Umständen zu haben. Die Liberalen könnten daS Mandat nur mit Bündlerhilfe be- Haupte». Ob diese die Schmähungen mit solcher Liebe vergelten. werde die Erfahrung lehren. Das Zentrum würde,> das sei sicher eine Kandidatur Oehlert nicht unterstützen, aber auch die Sozialdemokraten nicht.$___«tt».'. i Eine Stimme aus dem Zentrumsturm. Man schreibt uns aus Baden: Das in seiner beachtenswerten Aufrichtigleit seit einiger Zeit be« kannt gewordene Zentrumsblatt in Lahr (Baden ), derAnzeiger für Stadt und Land", setzt sich in der Dienstagsnummer mit dem führenden Organ der badischen Nationalliberalen auseinander. DerAnzeiger" meint, das Zentrum bestehe den Wahlkampf in Baden erfolgreicher als die Nattonalliberalen, fügt aber folgende Andentungen über die momentane Stimmung im Zcntrumsturme hinzu: Es soll nicht bestritten werden, daß manche Zentrumsleute von der ReichSfinanzreform nicht begeistert find und es lieber gesehen hätten, wenn das Zentrum die Erbanfall st euer statt der Vier- und Tabaksteuer angenommen hätte, allein die vernünftigsten Elemente lassen sich gerne belehren." Diese Belehrung ist bisher in Baden von sehr schlimmen Folgen begleitet gewesen, namentlich in Gegenwart der christlichen Tabak- arbeiter und Zentrumsbauern. Deshalb meint derAnzeiger", es sollten die u, der Sommerfrische lustwandelnden Reichstags- abgeordneten des Zentrums heimkehren, um die etwa herabfallenden Ziegel des Zeittrumsturmes wieder zu befestigen, das sei jetzt erne Zentrumspflicht: gegenüber dem Mißtrauen, das da und dort in seinen eigenen Reihen gegen die Haltung der Zentrumsfraltion in Sachen der Reichsfinaiizreform t a t s ä ch li ch vorhanden ist das totzu­schweigen oder gar zu leugnen, wäre ein Fehler(der Ans- ktärung gegenüber der Verhetzung) und am besten wird eS sein, wenn die Herren Reichstagsabgeordneten nach einer kurzen Er- holung selber diese Arbeit besorgen, sowell ihre Kraft und Zeit dies erlaubt." Wie wirksam diese Aufklärungsarbeit schon eingesetzt hat, lehrt die Reichstagsnachwahl in Neustadt - Landau , wo sich diever- »ünfttgsten Elemente" schon zu Tausenden vom Zentrum abgewandt haben. Indessen ist es schwer für den Fernstehenden, sich einen Be- griff davon zu inachen, wie heftig der Unmut auch in ländlichen und Arbeilerlreisen über die schwarzen Verbündeten des Raub- junkertums jetzt schon angewachsen ist, da doch erst die Streichholz- steuer ihre verderbliche Wirkung fühlbar macht. Die Pfaffen nehmen nun ihre Zuflucht zu religiösen Beschwörungen und fanatischen Berfluchuiige» der Sozialdemokratie. Es hilft nichts! Amtmann und Landrat als Wahlmacher. Dieses in Preußen schier unerschöpfliche Kapitel erhält eine amüsante Bereicherung durch den untenstehenden Bescheid, den ein LandtagSwähler im Wahlkreise Hagen -Schivelm auf seinen Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste erhielt. Leider ist das Schritt- stück erst jetzt, nach dem Tode des Wählers, einem Parteigenossen bekannt geworden. Es ist Haßlinghausen, 17. Oltobor 1903 datiert, an den Glasmacher F. F. adressiert und lautet: Ihr Einspruch gegen die Richtigkeit der Urwählerliste von Haßlinghausen II. Bezirk ist zwar an und für sich unbegründet, weil Sie denselben verspätet und an unzuständiger Stelle ein- gebracht haben. Um Sie jedoch in Ihren politischen Rechten nicht zu be- einträchtigen, sollen Sie nach Entscheidung des Kgl. Herrn LandratS zu Schwelm ausnahmsweise noch nachgetragen werden. Indem ich Sie davon, daß dieses geschehen ist, in Kennt, us setze, spreche ich die Hoffnung aus, daß Sie durch diese iveitgehende Rücksichtnahme des Kgl. Herrn La ndrars sich bewogen finden werden. am Tage der Wahl Ihre Stimme einem be- sonders königstreuen und vaterlandsliebenden Wahl manne zu geben. v. Aste r." So der Herr Amtmann. Das Schriftstück spricht für sich selbst. Bemerkt mag nur werden, daß mik� derbesonderen königstreuen und vaterlandsliebenden Partei" die Nationalliberalen gemeint sind. die bei der Wahl 1903 hofften, den Freisinnigen den Wahllreis enl- reißen zn können._ Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Schwiebus , den 23. Juli. Seit fünf Jahren wird hier zum G e w e r k s ch a f t s f e st ein Umzug veranstaltet, der immer ge- nehmigt wurde. Der für 25. Juli stattfindende Umzug wurde jedoch gestern wegen Gefährdung der öffentlicheil Sicher- h e i t versagt. Beschwerde an den Landrat ist eingelegt. Die Abwälzung derBesihstcuern". In der letzten Sitzung der Düsseldorfer Stadtverordnetenber- sammlung erklärte bei der Beratung des Finalabschlusses der Stadtkasse Oberbürgermeister Marx, daS neue Dividendensteuer- gesetz stelle eine direkte Belastung für die Städte �ar. Tic Hypothekenbankverwaltungen hätten sich. dahin schlüssig gemacht, diese Steuer als Geschäftsunkosten zu tragen. Die Städte könnten schon nicht anders handeln aus Zweckmäßigkeitsgründen, sie müßten daher die Kosten auf die Stadtlasse übernehmen. Wenn jeder beim Ankauf städtischer Papiere fragen müsse:Wann werden sie eingelöst?", und dann noch fragen müsse:Laufen auch nicht die Dividendenscheine im nächsten Jahre ab?", so würde das eine ungeheure Erschwerung für den Absatz der Papiere ergeben. Er, der Oberbürgermeister, habe schon angeordnet, daß 2 5 00 0 M. in den Schuldentilgungsetat der Stadtkasse dafür eingesetzt werden. Mit einer solchen jährlichen Ausgabe werde die Stadtdauerndzurechnenhaben..... So sehen dieBesttzsteuern" des Schnapsblocks auS; sie werden in diesem Falle, wie obige Ausführungen zeigen, nicht von den Dividendenscheininhabern getragen, sondern von der Allge- meinheit der städtischen Steuerzahler, die dafür im Düsseldorfer Falle jährlich LS 0.00 M. und vielleicht noch mehr aufbringen muß.'.'>» Die Wachskerzensteuer. Je näher der Termin rückt, an welchem die vom SchnapZblock bewilligten Steuergesetze in Kraft treten sollen, desto deutlicher zeigt sich, mit welcher Liederlichkeit und Oberflächlichkeit die Klerikaleu und Konservattven ihre sogenannte Reichsfinanzreform zusammen- gestoppelt haben. Ein weitere? Beispiel dafür liefert die Versteuerung der Wachskerzen. Sämtliche Vorräte an Zünd- waren bei Händlern, Wirten usw. unterliegen nach näheren Bestimmungen des Bundesrats bei Inkrafttreten deS Gesetzes nach § 42 der Nachsteuer; ausgenommen sind nur angemessene Vorrüle an Wachskerzen, die sich im Besitze von Straßenhändlern befinden. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes im Ollober verschwinden namentlich auch die durch Automaten verlauften Wachsfäden und Sturmhölzer von mehr als 7000 Bahnhöfen, denn der Gesetzgeber hat die zwei Schächtelchen WvchSfäden, die der Automat heute für 10 Pf. abgibt, mit je 10 Pf., also mit 20 Pf. Steuer belegt. Eine Nachfrist, vorhandene unversteuerte Bestände zu verkaufen, sieht der Gesetzgeber nur bei Straßenhändlern vor. WaS soll nun," so fragt dieKöln . Ztg.",mit all den Züudwaren, die sich im Oktober in den Automaten und bei den Automatenbesitzeru befinden, geschehen? Der Automat arbeitet nur auf ein 10-Pfennigstück. kann also versteuerte Zündsäden nickt mehr verkaufen. Wie sieht es nun mit dem Handverkauf dieser Artikel auS? Schwerlich werden sich die Besitzer dieser Automaten- waren dazu verstehen, auf einen Artikel, der einen Handelswert von bisher 10 Pf. hatte, nachttäglich 20 Pf. Steuer zu ent- richten, das kaufende Publikum aber dürft« einen dem Steuer- zuschlage entsprechende» Preis nicht bezahlen. Es bleibt demnach nichts anderes übrig, als daß diese Waren, soweit ein Hausvorrat unversteuerter Züudwaren nicht gestattet ist. vernichtet werden. Der Gesetzgeber wird zweifelsohne derartige Schädigung eines JndustrieziveigeS und der kleinen Gelverbe- treibenden, die Züudwaren durch Automaten oder durch Hand- verkauf vertreiben, nicht beabsichtigt haben. Vielleicht ist eS noch möglich, daß der Bundesrat durch Ausführungsbestimmungen diese unbeabsichtigte Härte mildert und den Verlaus der Borräte steuere frei gestaltet, damit die kleinen Gewerbetreibenden und die Autoniatenindusttie vor so empfindlichem Schaden bewahrt werdeit. Dies um so mehr, als diese durch die hohe Zigarren-, Zigaretten- und Zündwarensteuer in ihrem Gewerbe so wie so cntpfindlich beeinträchtigt werden, ganz abgesehen von der neuen preußischen Automatensteuer.".