Srvetterpnrisi fühlt sich ein? mit den Freiheitslämpfem Rußlands und Wird deshalb gegen den offiziellen Empfang des Zaren stimmen." Grahson erklärte: »In allen Volksversammlungen werden die Resolutionen gegen den Zareubesuch einstimmig und beifällig angenommen. Diejenigen, die die Schilderungen der Arbeiterabgeordncten bezweifeln, sollten nur die russischen Flüchtlinge, die jetzt in England leben, ausfragen und ihre gefolterten Leiber untersuchen. Auch unter der Flagge des britischen Reiches gibt eS Grausamkeiten genug. Aber wir morden die Menschen nicht, wir lassen sie einfach sterben. Trotz alledem ist England zu gut, um es durch die Berührung mit dem außer- ordentlichen Scheusal beschmutzen zu lassen." Einige Liberale, Nutherford und P o n s o n b y, hielten ebenfalls ausgezeichnete Reden. Ersterer verlangte, England solle den Aegyptern die parlamentarische Ncgicrungs- weise gewähren.— Das Tadelsvotum gegen Sir Edward Grey wurde, wie bereits gemeldet, mit 187 gegen 79 Stimmen abgelehnt. Das liiinlfterium ßriand. Paris , 25. Juli. (Eig. Bor.) Clemenceau nimmt in seinen Ruhestand eine Genugtuung mit: Diejenigen, die ihn gestürzt haben, sind ihres Sieges nicht froh geworden. Delcassö wurde mit demonstrativer Hintansetzung aus der Kombination des neuen Kabinetts ausgeschieden und mit den Radikalsozialisten sind auch die verräterischen»Stummen des Serails" um ihre Hoffnungen betrogen. Der Kammer, die in ihrer Mehrheit radikal ist, wird sich morgen ein Ministerium vorstellen, das dem bürgerlichen Radikalismus weniger Repräsentanten entnonimen hat als alle Ministerien seit Waldeck-Rousseau. Die gemäßigte Presse jubelt, die nationalistische verhehlt nicht ihr Behagen. Die zwei militärischen Ressorts, Armee und Marine, sind wieder Berufssoldaten übergeben, Bart hau, der alte Gehilfe Melines, ist in das Justizministerium empor- gestiegen, der entschiedene Sozialrealtionär und Mittelparteiler Jean D u p u y ist Handelsminister, der neue Finanzminister C o ch e r y erweckt ungeachtet seines radikalsozialistischen Adlatus R e n o u l t bei den Gegnern der Einkommensteuer Vertrauen. Und die drei»Sozialisten" im Ministerium machen der kapitalistischen Bourgeoisie nicht bange. Wie sagt doch der»Figaro":»Die Sozialisten der Nuance Briand und M i l l e r a n d taugen mehr als alle Pelleta n, Berteaux, CombeS, Buisson, Caillaux , Lafferre usw." Wie JauröS, so erhofft auch das reaktionäre Blatt vom neuen Ministerium eine Politik der»Entspannung"— nur in einem anderen Sinne. Briand soll den Besitzenden die Sicherheit vor der Verwirklichung des sozial- radikalen Programms der Blockära bringen. Die Erwartung scheint nicht ganz ungerechtfertigt. Der neue Ministerpräsident war eS, der vor zwei Jahren in der großen Debatte über die Lehrer- Maßregelungen von dem Jahrzehnt falscher Politik gesprochen hat. Und MillerandS Attacke gegen CombeS ist noch unvergessen. Für die drei.Sozialisten" im Ministerium ist diese« Frohlocken der giftigsten Arbeiterseinde recht kompromittierend. Indes braucht sich die sozialistische Arbeiterschaft gar nicht erst mit der Frage zu beschweren, was die Sache der proletarischen Befteiung von ihren emporgekommenen einsttgen Mitkämpfern zu erwarten hat. Mit dem MinisterialiSmus sind für die geeinigte Partei auch die Männer abgetan, die ihn aus mehr oder minder uneigennützigen Motiven in ihrer Person verwirklicht haben. Sie sind Organe der bürgerlichen Klaffenherrschaft geworden und gleich dieser selbst sind sie ohne moralisches Pathos zu beurteilen. Von den Be- denken, die der Generalleutnant des anttsozialistischen RepublikaniSmuS Lafferre plötzlich ob der drohenden»kollektivistischen" Tendenzen des Ministerpräsidenten erheuchelt, werden sich die Sozialisten ebenso wenig zu einem günsttgen Borurteil, wie von den combistischen Be- denken ob seiner.reaktionären" Sympathien zu einer oppositionellen Blockbrüderschast bestimmen laffen. Die polittsche Situation ist im Augenblick ungemein verworren. Der Organismus der radikalen Partei ist völlig zerrüttet und die nahenden Wahlen mit der für jeden Deputierten auftauchenden Sorge um die Wiederwahl verstärken die Ltomifierungstendenz. Das neue Ministerium wird begreiflicherweise mit dieser Psychologie des sterbenden Parlaments rechnen. Die Not- wendigkeit, den Wählern vor Schluß der Gesetzgebungsperiode noch Erfolge heimzubringen, dürfte einigen Reformen, wie der— allerdings noch arger Verstümmelung entgegensehenden— Altersversicherung und dem Beamten st atut zugute kommen. Die Reform der Kriegsgerichte, die von der Deputierten- kammer in einer absurden Forni beschloffen worden ist. und gar die Einkommensteuer blicken einem weniger sicheren Schicksal entgegen. Am bedenklichsten stehen die Aussichten der W a h l r e f o r m, die zweifellos zu den brennendsten Fragen der französischen Demokratie gehört. Die bürgerlichen Regierungen werden ohnehin nicht leicht geneigt sein, ohne eine starke Revision des Parlaments die Bezirkswahl, die den Einflüssen der Präfeften den weitesten Spielraum gibt, durch die Listenwahl zu ersetzen. Dazu kommt nun noch, daß gerade die große Mehrheit der radikalen Partei durch die Rullifizierung der Minderhetten zustandegekommen ist. und die von Anhängern verschiedener Parteien, von den geeinigten Sozialisten aber mit einer nur durch Genoffen Breton gestörten Einhelligkeit ge- forderte Einführung der Verhältniswahl manche radikale Lokal- größe um ihr Mandat bringen müßte. Wenn Briand diesem Problem mit unverbindlichen Redensarten aus dem Weg zu gehen versuchen sollte, so wird er zweifellos damit den Herzenswünschen vieler Radikalen entgegenkommen. Das Ferienbedürfnis der Deputierten macht einen borläufigen Erfolg des Ministeriums wahrscheinlich. Ob ihm Dauer beschieden sein wird, hängt davon ob. ob eS Briand gelingen wird, aus dem in unentrinnbarer Zersetzung befindlichen Radikalismus eine seiner Führung und Förderung vertrauende starke Truppe zu gewinnen. Seine vor der Delegation der Radikalen abgegebene Erklärung, daß er»keiner Gruppe angehöre", soll auch dazu dienen, die Bedenken zu zerstteuen, als ob er den.unabhängigen" Sozialisten größere Protektton zuteil werden lassen wollte als neuen Gefolgsleuten' Wenn er trotz seiner ungeheueren Geschmeidigkeit scheitert, so darum. weil die Ungeduld semes Nachttriebes der reifenden Frucht nicht Zeit gelassen hat._ politifcbc dcbcrRcbt. Berlin , den 28. Juli 1909. Bierpreiserhöhung. Der Gesamtborstand des Verbandes der Gast- und Schankwirte ' für Berlin und die Provinz Brandenburg hat sich mit den zwischen den Berliner Brauereien und den GastwirtSverbänden getroffenen Abmachungen, nach welchen die Brauereien auf den bisherigen BierpreiS pro Hektoliter 5 M., die Gastwirte 7 bis Ist M. auf- schlagen sollen, völlig einverstanden erklärt. In einer am Freitag- abend abgehaltenen Konferenz wurde einstimmig folgende Resolution angenommen: »Die heutige Sitzung des gesammte» Vorstände» des au» 34 Vereinen bestehenden Verbandes der Gaß- und Schankwirte für Berlin und die Probinz Brandenburg beschließt nach eingehender Prüfung der Verhältnisse, die herbeigeführt wurden durch die An- nähme der Brausteuer sowohl wie auch der übrigen Kousumsicuern, die samt und sonders das Gastwirtsgewerbe auf das schwerste be- lasten, einstimmig, den Beschlüssen beizutreten, welche die Ga st Wirtekorporationen in Gemeinschaft mit dem Schutzverband der norddeutschen Brau st euer- gemeinschaft am 16. Juli 190S gefaßt haben. Die Versammlung muß es auf das entschiedenste zurückweisen, daß von verschiedenen Seiten der Versuch geniacht wird, die diesbezüglichen Beschlüffe der Gastwirte so hinzustellen, als ob lediglich die Absicht bestände, sich auf Kosten der Konsumenten zu bereichern. Es i st eine zwingende Notwendigkeit, die Ausschank- preise zu erhöhen, da das GastwirtSgewerbe nicht nur mit den hmtdert Millionen für die Brausicuer belastet wird, sondern auch noch weitere zirka lost Millionen Verbrauchs- steuern zu tragen hat und somit fast die Hälfte des gesamten ReichSfinanzreformgesetzes überhaupt auf sich nehmen muß. Ferner lasten auch noch die im Jahre 1906 bewilligten 130 Millionen Brausteuern auf dem Gastwirts- gewerbe. Es sind diese Vorwürfe gegen daS GastwirtSgewerbe mn so weniger zu verstehen, als selbst in der Regierungsvorlage wie auch in den Reichstagsdebatten von fast allen Fraktionen zum Ausdruck gebracht worden ist, daß diese Verbrauchssteuern nicht Steuern für das Gastwirtsgewerbe, sondern Konsum st euern für das gesamte deutsche Volk sein sollen. Da? Gastwirts- gewerbe kann weitere Belastung nicht mehr aus sich nehme», da es ain Ende seiner steuerlichen Existenzfähigkeit angelaugt ist." In anderen Städten Deutschlands ist man etwas bescheidener und will sich mit Aufschlägen von 3, 4 oder 6 M. begnügen. So hat z. B. der Lokalverband der vereinigten Gastwirte Leipzigs er- klärt, daß er die Berliner Beschlüsse nicht anerkenne. Dagegen haben die Vertreter der Brauereien und des Gastwirts- gewerbes in Köln beschlossen, die Bicrpreise um so viel zu erhöhen, daß auch die durch die Stcuererhöhuug von 1906 erwachsenen Lasten, die Gewerbesteuern und alle sonstigen das GastwirtSgewerbe belastenden Ausgaben gedeckt werden. Wahr- scheinlich werden die Sätze der Preiserhöhung nicht hinter denen zurückbleiben, die mau in Berlin be- schlössen hat. Am stärksten im Fordern find jedoch die Saalinhaber der Kreis- hauptmannschaft Dresden . Sie beschlossen, den BierpreiS vom 1. August an um 5 Pf. pro Glas von 8/io Liter zu erhöhen, also pro Liter um 17 Pf._ . Die Folgen der Tabaksteuer für die Arbeiter sind geradezu ruinöse. Wie überall, wird auch in der b a d i s ch e n Tabakindustrie mit fiebernder Hast gearbeitet. In den Ortschaften Oestringen , Hingolsheim, Kronau . Hambrücken , gehört jetzt ein 14- bis 15-ftündiger Arbeitstag zu den Selbstverständlichkeiten. Die Heimarbeiter arbeiten f a st die ganze Nacht. Um die sich Sträubenden gefügig zu machen, läßt man einfließen, sie könnten daS verdiente Geld nach dem 15. August ja sehr gut gebrauchen, denn eS fei wahrscheinlich, daß manche Fabriken nach genügender Befriedigung der gegenwärtigen hohen Nachfrage auf einige Zeit gänzlich geschlossen würden. DaS wirkt I Die Arbeits- sklaven sind ohnmächtig. Sie laufen in den Tabakdörfern bei den Wahlen dem Zentrum nach. Aber nun, so erklären sie, sei eS genug! da» hätten sie nicht erwartet._ Zum Legitimationszwang. Bürgerliche Zeitungen melden jetzt, der preußische Minister des Innern habe, gewissermaßen zur Besänftigung der Drohung des italienischen Minister» Tittoni , eventuell wegen des durch den LegitimationSkartenzwang und die AuSweisungSdrohung gegen Aus- länder begangenen Verstoßes gegen das Völkerrecht das Haager Schiedsgericht anzurufen,.soeben" eine Verfügung zur Milderung des MinisterialerlaffeS vom 21. Dezember 1907 erlassen. Diese Meldung ist irrig. Die Drohung deS italienischen Ministers ist am 30. Juni erfolgt. Die.neue" Ministerialverordnung basiert vom 31. Mai. Sie ist im Ministerialblatt vom 1. Juli publiziert und an uu? am 2. Juli mitgeteilt. Sie beseitigt nach keiner Richtung hin den Bruch der Staatsverträge, der in der Ausweisung und in dem Erfordern von Legitimationskartengebühren liegt. Die Stichwahl in Nenstadt-Landau findet, wie bereits gemeldet wurde, am nächsten Freitag statt. Daß die Stimmen des Bundes der Landwirte auf den Nasionalliberalen übergehen, kann als sicher angenommen werden. Den Ausschlag gibt das Zentrum. Der»Germania ' wird aus München darüber ge- schrieben, daß das Zentrum gewillt lei, dem Liberalismus Schonung zu gewähren und rhm das Mandat zu erhalten dadurch, daß das Zentrum strikte Stimnienthaltung üben wird. Der Rückgang der Zentrumsstimmen wird von der„Germania " darauf zurückgeführt, daß die Wahl gerade in die Zeit fiel, wo nach langer Regenperiode endlich die Sonne wieder über den Fluren strahlte. UeberdieS habe das Zentrum eine besonders intensive Wahl- agitation gar nicht entfaltet, weil der Kreis zurzeit für das Zentrum doch aussichtslos sei. Die Parteileitung deS pfälzischen Zentrum? will am DienStag ihre endgültige Stichwahlparole öffentlich kundgeben. Die badischea Landtagswahlea finden nach einer der Mannheimer„Volksstimme" zugegan- genen Information am Donnerstag, den 28. oder Freitag. den 29. Oktober, also 19 Tage später wie im Wahltermin 1993 statt.— Die Vorarbeiten zur Aufstellung der Wähler- listen bedingen die Verzögerung. Harting— Ritter dos Roten Adlerordens! Das Maß der Schande, das die Harting-Affäre der deutschen Regierung gebracht hat, scheint noch nicht voll zu sein. Wie Burzew im Pariser„Matin" vom 23. Juli mitteilt, besitzt er authentische Auszüge aus den Registern des Ministeriums des Innern für 1904 und 1908, aus denen hervorgeht, daß Harting im Verlauf dieser Jahre nicht nur den Titel eines Staatsrates und den Orden des heiligen Wladimir von der russischen Regierung, sondern auch den R o ten Adlerorden von der deutschen Re» gierung erhalten hat. Es liegt nicht die geringste Veranlaffung vor, diese An- gaben Burzews, die sich auf offizielle Dokumente stützen. an- zuzweifeln. Wir halten aber diese Nachricht— namentlich in Anbetracht der jüngst vorgenommenen offiziösen Rcinwaschungs- versuche— für so u n g e h e u e r l i ch, daß wir A n s! u n f t darüber verlangen, ob die deutsche Regierung den Mann, der mit ihrem Wissen und Willen die russische Spitzelorganisation in Berlin geleitet hat, und. wie jetzt osfiziös verlautet, nebst seinen Agenten NeuhauS und Woltz aus Berlin entfernt wurde, den Mann, dessen Verbrecherqualität ihr bekannt fein mußte, den die Leiter der deutschen Polizei in Swinemünde im Jahre 1907 für fähig hielten, ein Attentat gegen den Zaren zu inszenieren— ob die Regierung diesen Mann zur Det'orierung mit dem Roten Adlerorden vor- zeschlagen hat. Schätzte die Regierung die„Verdienste" Hartings um den Königsberger Prozeß und feine Dienstleistungen in Berlin wirklich so hoch, daß sie sich nicht scheute, sich durch diese Au?« zcichnung des russischen Spitzelgenerals öffentlich mit diesem zu verbrüdem?_ Was heißt„sofort". Aus Halle a. S. berichtet man uns: Unsere Parteigenossen warten seit rund sieben Wochen auf die Abschreibung der Wahl für Halle und den Saalkreis . Der frühere Abgeordnete Schmidt starb am 6. Juni und heute schreibe» wir den 27. Juli. Nach§ 34 des Wahlreglements soll die Ausschreibung der Wahl sofort erfolgen. Weshalb setzt man dieses„sofort" nicht in die Tat um. In der letzten siarkbesuchten sozialdemokratischen Vereins- Versammlung, in der Genosse Grunwald- Berlin einen Vortrag hielt, wurde eine Protestresolution gegen die Verzögerung der Aus- schreibung des Wahltcrmin-Z angenommen und die verantwortliche Behörde aufgefordert, den Wahltermin sofort festzusetzen. Das.Sofort' wird sonst von der Polizei und den Gerichten ganz anders ausgetegt. Als bor einiger Zeit eine ganze Anzahl Genossen eine polizeilich aufgelöste Versammlung nicht sofort vcr- ließeir, wurden sie unter Anklage gestellt und verurteilt, weil sie auf Anordnung des Wachtmeisters das Lokal nicht sofort verlassen hatten. Sie durften nicht einmal ihr Bier austrinken. Man scheint also daS Wort sofort auszulegen, wie es gerade trefft— bald so, bald so._ Bismarck und die Konservativen. Die Konservativen sind auf den kaltgestellten vierten Kanzler sehr erbost, weil er sie in seiner Herzenserleichterung vor dem Chef- redaltcur des»Hamb . Korresp." der Kanzlerstürzerei bezichtigte. AuS Acrgcr veröffentlichen sie jetzt allerlei kleine maliziöse Anekdoten über den gegangenen Reichskanzler. Darüber wieder scheint sich die»Köln . Zeitung" zu ärgern, denn sie sucht in einem »Die Konservativen im Urteil der Kanzler" überschriebenen Artikel nachzuweisen, daß Fürst Bismarck und Fürst Hohenlohe sich vcr- schiedentlich noch viel wegwerfender über die preußischen Konscr- vativen geäußert haben. So gräbt sie folgenden Ausspruch Bismarcks aus dem Jahre 1897 auS: „Die Gcrlach und Stahl sind heutzutage nicht mehr anzutrcsscu, die hatten wirklich noch ihre Ideale vom konservativen Staatswesen und gingen ihnen nach. Heutzutage hat die Sttebcrei alles ver« drängt: der eine will Beförderung in seinem Amte(man will doch nicht ewig Landrat bleiben I), der andere wünscht eine höhere Ordens- klaffe zu erhalten, der dritte erstrebt auf Wunsch seiner Frau Ein- ladungen zu Hoffestlichkeiten, der vierte möchte dem Avancemciit seines Sohnes sich förderlich erweisen, und so geht eS fort. Ich will nicht sagen, daß diese Charakterisierung auf alle Konservativen im Lande zutrifft, ich habe mehr die Führer im Auge, wckcbc heutzutage einflußreicher sind, als sie es jemals waren. Ueberhaupt muß man zwischen den einzelnen Mitgliedern, welche die Fraktion bilden, und der letzteren als solcher unterscheiden. Das ist so, wie es daS bekannte Wort ausdrückt, das einmal ein königlicher Herr ausgesprochen hat, als er in kritischen Herten direkten Verkehr mit Parlamentariern gehabt hatte:„Wem, man mit dem einzelnen spricht, ist es jedesmal ein ganz vernünftiger Kerl, mit dem man sich ver- ständigen kann und mit dem auszukommen ist; sowie sie aber zusammenkommen, sind es Rackers".— Sonst ist auch ein gewisier Neid eine hervorstechende Eigenschaft meiner Standesgenoffen, der Junker. Viele haben eS mir nie verziehen, daß ich, der kleine Guts- besitzer von Kniephof, hochgekommen bin, während sie das blieben, was sie waren."_ Lockspitzel in der Lüderitzbucht. Der»Lüderitzbuchter Zeitung" entnehmen wir folgenden Lock« spitzelfall. Vor dem Bezirksgericht hatte sich ein Lüderitzer Kauf- mann wegen Vergehen? gegen die Diamantenverordnung und wegen Hehlerei zu verantworten. Ein Detekttv, der sich Arbeiter Schulz nannte, ließ sich vom Bezirksamt 10 Diamanten aushändigen. Diese bot er dem Kaufmann zum Kauf an. Nach längcrem Handeln soll dieser die Diamanten dann gekaust haben; der Kaiifmaiin bestritt eS, der Detektiv bekundete es als Zeuge. Gegen fein Zeugnis sprach folgender Umstand. Auf ein Zeichen des Detektivs kamen zwei Polizeisergeanten, die nach Verabredung vor dem Laden ge- wartet hatten, in den Laden, durchsuchten dann vergeblich den Detektiv und den Kauftnann. Schließlich fanden sie auf dem Boden des Ladens«in Päckchen liegen, welches die 10 Steine des Detektivs enthielt. Der Angeklagte wurde, wiewohl er lebhast bestritt, die Steine erworben oder in der Hand gehabt zu haben. wegen Vergehens gegen die Diamantenverordnung zu 5000 Mark Geldstrafe verurteilt. Ob nicht aus juristischen Gründen bei dieser Sachlage eine Freisprechung erfolgen mußte, mag auf sich be- ruhen. Unerhört ist die Anstiftung zu Vergehen durch einen Polizeibeamten, der übrigens auf höhere Anweisung gehandelt haben will. Bezirksamtmann in Lüderitzbucht soll übrigens demnächst der Reserveleutnant und Farmer Eickhoff werden. Ihn qualifizir.t zu diesem Amt wohl seine verwandtschaftliche Beziehung zu dein freisinnigen Abgeordneten gleichen Namens. Für eine Verwaltung. deren Tätigkeit in der Beschäftigung von Lockspitzeln besteht, ist eine besondere Vorbildnng anscheinend nicht erforderlich. Ein preußischer Polizist. Vor der Strafkammer Münster i. W. erschien der Polizti- diene» Winnemöller aus Drcierwalde. Winnemöller ist im Haupt- beruf Holzschuhmacher, hat aber von seinem Vater auch noch daS Amt eines Polizeidieners geerbt, lieber seine Taten und seinen Prozeß berichtet ein bürgerliches Blatt, die» O b e r w e st. Ztg.: »Fort mit dem lästigen Altenkram", war auch seine Devise. und wenn sich jemand nicht ganz so benahm, wie er eS für einen Dierwalder angemessen hielt, hotte er sein Schwert und ver- prügelte ihn, gleich wo er war. Der Mißhandelte zog mit einem oder auch zwei blutigen Beinen ab. sagte aber ebenso wenig etwas, wie er vorher etlraS verbrochen hatte, und die Sache war erledigt. So waltete der„Herr Polizeidicner" schon sett 1902 schlecht uud recht seines Amtes zu Dreierwalde und bezog ftir seine»Tätlich- keit" ein JahreSgehalt von 300 Mark, hatte aber, d a S Zeugnis mußte der Staatsanwalt seinem Gehilfen heute ausstellen, von den Rechten und Pflichten eines Polizeibeamten keinen Schimmer. Der Polizeigewaltige, der so viele Dreiecwakder je nach Gutdünken verprügelt hatte, war endlich durch zwei Leute, die sich nicht anders zu helfen wußten, als einem Rechtsanwalt ihr Leid zu klagen, zur Anzeige gebracht worden. Mit ihnen erschienen noch weitere Zeugen, die ebenfalls ohne Grund geprügelt worden waren, die aber, so schien es bald, geglaubt haben, der Herr Polizeibeamte müffe eS wissen. wenn sie Prügel verdient. Für die beiden zur Anzeige gebrachten Fälle erhielt W. 50 M. Geldstrafe zudiiliert." 50 M. Geldstrafe für fortgesetzten Mißbrauch der Dienstgewall und ein halbes Dutzend sonstiger Vergehen, für die jeder Arbeiter monatsweise Gefängnis bekäme?! Zu dem großen Prozeß wegen Soldatenmißhandlung. der in der vorigen Woche von Montag bis Sonnabend vor dem Kriegsgericht der 87. Jnfanterie-Division gegen fünf Chargierte deS 146. Infanterie- Skegiinents vcrhandeli wurde, ist nachzutragen, daß in unserem am Sonntag veröffentlichten Verhandlungsberi'cht irrtümlich gesagt war. gegen Unteroffizier Stock habe der Anklagevertreter als erwiesen angesehen, daß er eine Turnabteiluna sich habe hinlegen und die Köpfe an einander stoßen laffen. Diese«nschuldizung bezog sich auf Sergeant Latza, doch wurde sie vom Anklagevertrreter
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