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kegenden Schiffe werden mit Militär besetzt. Auf ebener Fläche dürfen Zuschauer nur auf 10 Meter, im hügeligen und bewaldeten Gelände nur 50 Meter an den Kanal hinauskommen. Der Eckern« färder Hafen ist während der Anwesenheit dcS Zaren auf Gut Emmelmark für den gesamten Nuder- und Scgelbootsverkehr voll» ständig gesperrt. Torpedoboote sorgen für Aufrecht- erhaltung dieser Matzregel. Auf dem Gute selbst wimmelt es von russischen und deutschen Geheimpolizisten. Neue Enthüllungen über die Spitzel-Exzellenz. Wie ein Mitarbeiter deS OktobristenblatteSGolos MoSkwy" mitteilt, ist Burzcw im Besitz der Abschrift eines Briefes, den Harting kurz nach der Entlarvung AzewS an einen Freund in Berlin geschrieben hat. In diesem Brief schreibt er u. a., daß er, wenndas Gewitier vorüberziehen würde", seinen Abschied einreichen werde, und bittet den Berliner Freund, den bekannten Oberspitzel Ratschkowsky darauf vorzubereiten. Weiter ist in diesem Brief ein Passus ent- halten, aus welchem hervorgeht, daß Harting von Paris auS die Tätigkeit seiner Berliner Kollegen, die dieselben Funktionen wie er ausübten, leitete und überwachte. Er macht nämlich seinem Berliner Freunde" Vorwürfe, daß dieser die Anwesenheit zweier politischer Flüchtlinge in Berlin , die von der russischen Regierung gesucht wurden, verschlafen habe. Er habe von A z e w erfahren, daß sich die betreffenden Flucht- linge einige Tage in Berlin aufgehalten hatten. Wie werden eS die russischen und deutschen Geheimpolizisten bedauert haben, daß ihnen die schöne Gelegenheit entgangen war, noch einigelästige Ausländer" auszuliefern. Das Zentrum»nd die Schaumtveinsteuer. Die klerikalen Blätter prahlen damit, datz die Zentrums staktion im Reichstage für die Zollerhöhung auf ausländischen Champagner und die Steuererhöhung auf inländische» Champagner gestimmt hat; denn dadurch habe das Zentrum bekundet, datz nicht nur der Ar- beiter mit neuen Verbrauchssteuern belastet werden dürfe, sondern auch der Reiche zum Steuerzahlen herangezogen werden müsse. Die ganze Schwätzerei zeugt von echt jesuitischem Geiste. Denn nach der vom Schnapsblock selbst vorgenommenen Schätzung bringt die Erhöhung der Schaumweinzöll« und»Steuern jährlich dem Deutschen gleiche nur ungefähr fünf Millijonen Mark ein. während die breite Volksmasse durch die Erhöhung der Tabak-, Bier- und Branntweinsteuern, die Erhöhung des KaffeezolleS, die Einführung der Schwefelholzsteuer uswZ um fast das Siebzig» fache belastet wird. Zudem aber war vorauszusehen, datz die Erhöhung de» Zolles auf französischen Champagner um 60 Mark pro Doppelzentner sich kaum werde durchführen lasten, da Frankreich dann auch den Zoll auf deutsche Biere erhöhen würde. Es wurde deshalb denn auch von dem Echnapsblock selbst dem Bundesrat die Ermächtigung erteilt, den Schaumweinzoll, wenn sich dies als nöttg erweisen sollte, wieder herabzusetzen. Diese Notwendigkeit ist nun bereits eingetreten, ehe noch die höheren Zölle überhaupt in Kraft gesetzt werden konnten. Die Franzosen haben nämlich den Boykott der deutschen Biere angedroht und allem Anschein nach wäre dieser Boykott auch noch auf andere Waren deutscher Herkunft ausgedehnt worden. Das hat den Bundes» rat veranlatzt, den Zollsatz auf Schaumwein von 180 M. per IVO Kilo auf 180 M. herabzusetzen. Der seitherige Zollsatz betrug 120 M.. so datz die ganze Erhöhung 10 M. bettägt, das macht pro Flasche 20 Pf.-- Auch die Zölle auf Kognak und Liköre mutzten ermäßigt werden. Den Schaden hat die mit höheren Steuern belastet« deutsche Schaumwein- und Spirituosen-Jndustrie, denn natürlich wird da- durch den französischen Schaumweinfabriken die Konkurrenz mit den deutschen wesentlich erleichtert. Selbstverständlich wird die Erhöhung deS Zolls und der Steuer auf Schaumwein nun dem Reich auch nicht die erhofften vsMtllionen Mark einbringen, sondern beträchtlich weniger, so datz diese Steuer gegenüber der den unbemittelten Schichten aufgebürdeten Riesenlast gar nicht mehr in Betracht kommt. Das neue Zentrnm. DieGermania " fühlt sich durch die beiden Leitartikel DaS neue Zentrum" in der Sonntag- und Dienstag- uummer deSVorwärts" unangenehm berührt, denn sie widmet derWiderlegung" eine lange Auseinandersetzung. Allerdings ist diese Widerlegung etwaö sonderbarer Art denn auf die Erörterung der von uns angeführten Tatsachen läßt sich da» Blatt gar nicht ein; es versichert nur. daß das Zentrum niemals, auch zur Zeit des Kulturkampfes nicht, eine Politik der Nur-Opposition und Verärgerung getrieben, sondern stets sachlich mitgearbeitet habe, daß. wenn die Zentrums- fraktion des Reichstages zurzeit mehr Angehörige des hohen Adels in ihrer Mitte habe alS jemals früher, so doch auch andererseits mehr Arbeiter, Arbeiterführer und Handwerker Zentrumsmandate erlangt hätten, daß sowohl Rom als der deutsche Episkopat dem Zentrum völlig freie Hand ließen und lediglich zwischen den Bischöfen und manchen Zentrums- abgeordneten herzliche Freundschaftsverhältnisse bestünden. AlleS altbekannte Redensarten, deren Erörterung sich um so weniger lohnt, als der am Rhein neu auSaebrochene Kampf zwischen derKöln . Volksztg." und den Teilnehmern der Osterdienstagsversammlung unter Führung der Zentrums- abgeordneten Bitter und Roeren die Ausführungen unserer beiden Leitartikel in jeder Hinsicht bestätigt. Worum handelt eS sich in deni Streit? Wie dieKöln . Volksztg." selbst sagt, darum, tn der Politik deS Zentrums die katholische Welt- anschauung schärfer zum Ausdruck zu bringen und das Zentrum zu einer rein konfessionellen, spezifisch katholische Politik treibenden Partei zu gestalten. Was heißt das aber anders. als die Zentrumspartet noch mehr als bisher unter die Auf- ficht des Episkopats zu stellen, denn über die Fragen der katholischen Weltanschauung und der Kirchenpolitik entscheidet ausschließlich der hohe Klerus, nicht das Laienelement. Tatsächlich handelt es sich bei den Bestrebungen der Teil- nchmer an der Osterdienstagsversammlung lediglich darum, den Einfluß des KleruS auf die Zentrumspolitik noch mehr auszudehnen als bisher und zugleich jene Elemente, die sich nicht auf streng konfessionellen Boden stellen zu verstehen sind darunter vornehmlich die christlichen Gewerkschaften auszuschalten. Mag auch heute noch dieGermania " es im Parteiinteresss für nützlich halten, diese Bestrebungen wider eigenes besseres Wissen zu leugnen, so werden doch vielleicht schon bald die Tatsachen die Richtigkeit unserer Auffassung beweisen._ Nationalliberales Liebestverben. Herr Bassermann ist im Wahlkreis Neustadt-Landau erschienen, in dem Freitag die Stichwahl stattfindet, um die Leute vom Bunde der Landwirte zu bewegen. Mann für Mann dem Nationalliberalen ihre Stimme zu geben. Als da« einigende Moment zwischen Bündlern und Nationalliberalen bezeichnete er die scharfe Bekämpfung der Sozialdemnkratie. Datz die Bündler diese» Lockungen folge», ist sicher, denn auch umgekehrt würden die Nationalliberalen ohne Zioeifel für einen Bündler eintreten, wenn sie dadurch einen Sieg der Sozialdemokratie verhindern können. So scharf auch der Ritz ist, der momentan Konservative und Nationalliberale trennt, sobald es gegen die Sozialdemokratie geht, sind sie einig. Damit erweisen sich aber auch die Phantasien einiger liberaler Geschäftspolitiker von dem kommenden Block der Linken als völlig verfehlt Verbot der Ueberarbeit in Zigarrenfabriken. Die Besitzer von Zigarrenfabrtkcn lassen jetzt Tag und Nacht arbeiten, um noch so viele Zigarren als nur möglich auf den Markt zu bringen, ehe die Tabaksteuer in Kraft tritt. Die Folge mutz natürlich sein, datz mit diesem Termin sofort eine große Arbeits- lofigkeit eintritt, denn die Lager sind gefüllt, die Konsumenten haben sich mit teils erheblichen Mengen versorgt und autzerdem geht der Konsum zurück. Die badische Regierung hat nun die Ueberarbeit in Zigarren- fabriken verboten, soweit diese Ueberarbeit mit der Tabaksteuer zusammenhängt. Für das Verbot dürften rein fiskalische Gründe bestimmend gewesen sein._ Die Scharfmacher im Hansabund. DaS Direktorium des Hansabundcs ist gewählt, und wir be» gegnen in der langen Liste der Vorstandsmitglieder so manchem Namen, der in Scharfmacherkreiscn einen guten Klang hat. Wir nennen nur: Landrat a. D. Rosiger in Essen, Ballin- Hamburg . ilger. Geh. Bergrat in KönigShütte, Kirdorf -Gelsenkirchen , Rieppel- ürnberg, Röckling-Saarbrücken und Vogel-Ehemnitz, bestens bekannt aus den Kämpfen in Crimmitschau . Diese Herren werden schon dafür sorgen, datz der Hansabund in das richtige Fahrwasser kommt. Ein Ungeheuer! Da» Oberkriegsgericht in Dresden verurteilte den im 11. Dienstjahre stehenden Vizefeldwebel Schwarz vom 177. Jnfanterir-Regimeitt in Freiberg wegen Sittlichkeits- verbrechen in Tateinheit mit Körperverletzung und B e- leidigung zu 5 Jahren 2 W o ch e n Zuchthaus, Degra» d a i i o n, LuSstotzung auS dem Heere und 5 Jahre EhrenrechtSver- lust. Der Angeklagte hatte sich an zwei erst sieben und n e u n Jahre alten Mädchen eine« Arbeiters vergangen und das jüngere autzerdem noch mit einer ekelhaftenKrankheit an- gesteckt. Das Kriegsgericht hatte aus 8 Jahre 6 Monate erkannt. Die höhere Strafe wurde auf Berufung des Gerichtsherrn aus- geworfen. Der Angeklagte ist verheiratet und Bater von zwei Kindern. Eine neue deutsche Kaiserjacht. Wie die.Kölnische BolkSzeltting' aus sicherer Quelle erfahren haben will, wird der kommende Marine-Etat auch die Forderung für den Neubau einer kaiserlichen Dampfjacht bringen, wen dieHoheit- zollern" den Anforderungen nicht mehr entspreche, die an ein moderne« Schiff gestellt werden müssen. Die Jacht, die nach den eigenen Angaben und Wünschen de« Kaiser « erbaut werden soll, wird ungefähr 8 Millionen Mark kosten. Da« Modell soll bereit« auf der kaiserlichen Werft fertiggestellt sein. Der Neubau einer Jacht für Wilhelm ll. ist selbstverständlich da» dringendste Erfordernis des TageS. Das Reich hat so Viel Geld, datz es nicht weitz, wohin damit. Cürkei. Die griechische Flagge auf Kreta . Conen, 28. Juli. (Meldung des Neuterschen Bureaus.) Die griechische Flagge, die gestern auf der Festung geweht hatte. ist heute durch eine a n d e r e F l a g g e. die ein wcitzeS Kreuz auf blauem Grunde zeigt, ersetzt worden. Die griechische Kriegs- flagge zeigt zwar dasselbe Muster, hat aber in der Mitte deS Kreuzes noch eine Krone._ Miuisterwechsel. Koustantinopel, 28. Juli. Der Minister deS Aeutzern R i f a a t Pascha hat seine Demission gegeben. Konstantinopel , 28. Juli. Die türkische Preffe ist wegen der Meldung von der Hissung der griechischen Flagge auf der Festung in Cauea in Unruhe versetzt. Der Groß wesir erklärte in einem Interview mit dem Herausgeber der.Sabah", die» könne keineswegs die türkischen Rechte schädigen, und auch Griechenland sei dafür nicht verantwortlich. Die Türlei werde ihre Rechte verteidigen. Wenn die Kreter auf die Schutzmächte nicht hören, werde dieTürkeidaSRötigetun. Venezuela . Ein deutscherRevolutionär". Caracas , 27. Juli. Der deutsche Untertan Theodor Hauer und sein Anwalt Porpacen sind gestern in Maracaibo verhaftet worden. Hauer versucht« als Castro« Vertreter angeblich Venezola« nische Aktien desselben zu verkaufen, organisierte aber in Wirklichkeit eine Revolurion zugunsten Castro«, was Korrespon» denzen und ein Geheimcode, die bei ihni gefunden und beschlag» nahmt wurden, bewiesen. ES werden wichtige Verhaftungen erwartet. Castro« Anhänger im Kongretz sind beunruhigt. Das Gaklfrühltiicft beim Monarchen. Unser Stuttgarter Korrespondent schreibt nn«: Die beiden Kammern de« württembergischen Landtage« haben am Donnerstag vergangener Woche den üblichen SonmierauSflug gemacht, diesmal an den Bodensee . Von den 02 Abgeordneten der Zweiten Kammer beteiligten sich etwa 80 an der Fahrt. 8S Mit- glieder der Ersten Kammer waren mit von der Partie, die sechs Staatsministcr nicht zu vergessen. Im Programm war neben der Besichtigung der Zeppelin- Luftschjffbauaiistali auch der Besuch des königlichen Schlotzgarten« in Friedrichshafen vorgesehen. Bei der Aniunft in Friedrichshafen selbstverständlich Rede deS Herrn Bürgermeisters, Ehrenjungfraiien, Deklamation, Blumen usw. Graf Zeppelin geleitete die Herren sodann zur Luftschiffbauanlage. Darauf ging'S zum Schlotzgarten. Der König von Württemberg, Wilhelm II. , begrützte die Teilnehmer des Ausflug« sehr herzlich. Von den sieben sozialdemokratischen Abgeordneten, die sich an der fahrt beteiligt haben, zog der König die Genossen Hildenbrand, auscher, Heymann und Dr. Lindemann ins Gespräch. Den Aus- flüglern wurde ein Gabelfrühstück angeboten. Die Weingartener Regimentskapelle konzertierte im Garten. Nach etwa einstündigem Aufenthalt wurde Abschied genommen. Der Präsident der Ersten Kammer, Graf y. Rechberg, hielt eine DankeSrede für die freund- liche Aufnahme. Die Rede schlotz mit einem Hoch auf den König. Minister und Ständemitglieder fuhren sodann vom Scklotzhafen aus mit einem Salondanipfcr zur Reichsbaüouhalle. Hier wurde Z. Il" besichtigt. Dann ging die Fahrt weiter nach Konstanz . Im Jnselhotcl wurde zu Mittag gespeist. Die beiden Präsidenten der Kammern hatten vereinbart. datz beim Mahle Reden nicht gehalten werden sollten. Der badische Minister v. Bodman » war von dieser Abmachung wohl nicht unterrichtet. Er begrützte die Minister und Gtändemitglieber auf badischem Boden. Seine Rede klang au»- in ein Hoch auf dm König von Württemberg . Nun mutzte der württembergische Ministerpräsident v. Weizsäcker auch reden. Er Uetz zum Schlutz de» Grotzherzoa von Baden leben. Das die Historie, die»ch letzter Tage auf schwäbischem Boden zugetragen hat. Die Teilnahme der sieben sozialdemolratischen Landtagsabgeordneten an dem Ausfluge wird unter den Partei» genossen Württembergs lebhaft erörtert. Datz die bürgerliche Presse den Vorgang mit hämischen Glossen kommentiert, ist selbstverständlich. Durch welche Gründe die sieben Genossen veranlatzt worden sind, die Fahrt mitzumachen, ist noch nicht bekannt. Sie haben noch keine Gelegenheit gehabt, sich öffentlich darüber zu äutzern. Dringend zu wünschen ist, datz aus der Erörterung, die nicht mehr zu ver» meiden ist, alle« Persönliche ausgeschieden wird. Denn die An» gelegenhett erfordert eine sachliche Behandlung. Haben sich nun die sozialdeinokraiischen Teilnehmer a» der Fahrt auch noch nicht über ihre Motjpe geäutzert, so hält eS doch nicht schwer, ihre Beweggründe zu erraten. Es werden etwa die folgenden sein: König Wilhelm II. von Württemberg ist ein persönlich sehr anständiger und liebenswürdiger Mensch, frei von jedem Dünkel, al« Mann geachtet von den Mitgliedern aller Parteien. Majestäis- beleidigungen sind in Württemberg unbekannt. Als Monarch hält er sich streng an die Verfassung. Niemals hat er sich der Erweite- rung der Volksrechte widersetzt, im Gegenteil bei der Vcrfassungs- reform seinen grotzen Einflutz eingesetzt, um das Werk zustande zu bringen. Die Nichtbeteiligung der sozialdemokratischen Landtags- frakiion an dem Besuch hätte der Monarch als persönliche Kränkung empfinden müssen. Ihm diese Kränkung zuzufügen, lag nicht der geringste Anlatz vor. Da» Volk hätte nicht verstanden, warum die sozialdemokratische Fraktion jenem HöslichleitSalte ausweicht. Da» der eine Grund. Ein zweiter ist wohl der: die parlamentarische Tätigkeit zwingt zur Zusammenarbeit mit bürgerlichen Parteien. Allein ist die sozialdemokratische Fraktion zu schwach, ihren Willen zur Geltung zu bringen und den gewollten Einflutz auf Gesetzgebung und Per- waltung auszuüben. Will man, datz die Fraktion durch ihre Mit- arbeit im Parlament herausholt, was irgendwie zu holen ist, so darfman sich an solchem Beiwerk wie gemeinsame Ausflüge usw. nicht stotzen. Auch sie sind Mittel zu dem Zweck, den Einflutz der Sozialdemokratie zu stärken und neue Erfolge vorzubereiten. Entweder man hängt dasParlamenteln" überhaupt an den Nagel, oder man schluckt mit dem Angenehmen auch das Unangenehme, wenn es sein mutz, sogar ein Gabelfrühstück mit Äönigöhoch. Da» etwa werden die Gründe sein, die wir von den sieben Genossen der Fahrt demnächst zu hören bekommen werden. Selbst- verständlich können noch eine ganze Reihe sonstiger Beweggründe für die Fahrt ins Treffen geführt werden. Sie alle ausfindig zu macheu, ist nicht unsere Aufgabe. Nur die beiden hauptsächlichsten Momente unserer Kenntnis nach haben wir skizziert. Datz König Wilhelm II. von Württemberg ein persönlich hoch­achtbarer Mann ist, der sein Amt unparteiisch und streng rechtlich zu führen sucht, wird von nieniand bestritten. Die Person zu kränken, liegt jedem fern. Hier handelt es sich aber nicht um die Person. sondern um die Institution. AIS Vertreter und Vorkämpfer der Demokratie müssen wir die Monarchie bekämpfen, ganz gleich- gültig, wer zufällig daS Szepter trägt. Darum hat sich der Sozial- demolrat, wenn nur irgend möglich, von Veranstaltungen fern- zuhalten, die mit Huldigungen für Monarch und Monarchie verknüpft sind. Das hätte auch der Gegner verstanden. Auch Wilhelm II. von Württemberg. Daß es der Sozialdemokratie fern liegt, gegen ihn persönlich zu demonstrieren, weiß Wilhelm II. so gut wie jeder andere auch. Dem verlogenen Geschrei der bürgerlichen Preffe hätte man leicht trotzen können und ein neuer Zwiespalt unter den Partei- genossen selbst wäre vermieden worden. Weiter scheint eine, unseres ErachtenS. total falsche Auffassung vom Parlamentarismus al« Kampfmittel der Sozialdemokratie gegen den Klaffenstaat unsere Genossen bewogen zu haben, so zu handeln, wie sie gehandelt haben. Einig sind wohl alle Genossen darin, datz das Parlament uns nicht nur der Ort ist, aufklärende und begeisternde Reden an« Volk zu halten, sondern datz auch an praktischen Resultaten erzielt worden soll, was möglich ist. Aber über die Taklik, die von unseren Parka» mentariern einzuhalten ist, herrschen grundverschiedene Auffassungen, die ihren Ursprung haben in einer grundsätzlich verschiedenen Auf- saffung vom heutigen Staat und vom Parlamentarismus. Gewiß ist Württemberg nicht zu vergleichen mit dem Polizeistaat Preußen. Der Württemberger hat zum Beispiel ein besseres Landtags- Wahlrecht als der Reichsdeutsche zum Reichstag. Der Einfluß de» Adel » ist trotz der Ersten Kammer längst nicht so groß als in Preußen. Das hat seine Gründe in den wirtschaftlichen Verhältniffen und in der historischen EntWickelung des Landes. Aber trotzdem und alledem ist auch der Bundesstaat Württemberg nur ein Teil der staatlichen Herrschastsorganisation der besitzenden Klassen. Der kapitalistische Klassenstaat druckt auch dem württcmbergischcn Parlament seinen Stempel auf. So groß und schätzenswert die praktischen Erfolge im Parlament den Parka- mentariern selbst erscheinen mögen, gegen das Lebens- und Herrschaftsinteresse der besitzenden Klaffen wird die bürgerliche Mehr- heit des Parlaments vom Konservativen bis zum Bolksparteiler nie verstoßen, es sei denn, datz sie gezwungen wird. Wir schätzen die gesellschaftlichen Talente unserer Parlamentarier, die Ueber- rcdungskunst unserer Abgeordneten hoch ein. Aber die lieb- lichste Beredtsamkeit wird wirkungslos bleiben da, wo ein wichtiges Jntereffe der besitzenden Klassen in Frage steht. Wichtiger. weit wichtiger als die durch solche Mittel erzielten parlamentarischen Erfolge ist, datz die Massen nicht irre werden in- der Wertung des KlassenstaateS. Und sie werden irre, wenn sie sehen, datz unsere Vertreter im Parlament, statt den Klaffenstaat unerbittlich zu bekämpfen, sich anzuschmiegen und anzupassen suchen. Sicherlich in der festen Ueberzengung. so dem Proletariat mehr zu nützen al« durch starres Festhalten an der entschiedensten Opposition gegen alle Institutionen, die wir programmgemäß zu belämpsen haben. ES mutz offen anerkannt werden, datz unsere Genoffen der Meinung sein konnten, wichtige Vorteile so z. B. bei der württembergischenSwuerreform", auf deutsch : Stenererhöhung könnten den minderbemittelten Klaffen verloren gehen, wenn sie die bürgerlichen Parteien durch Ablehnung der Einladung zur Teilnahme am Ausflug verstimmten. Uns scheint allerdings diese Befürchtung nicht stichhaltig zu sein. Denn schließlich bestimmt nicht da» iiiehr oder minder angenehme Verhalten unserer Parlamentarier die Taktik unserer Gegner, sondern das Interesse der besitzenden Klassen und die Furcht vor dem aufgeklärten, organisierten und kampserprobten Proletariat. Wohin die OpportnnitätSpolitik führt. lehrt »n» ja daS Schicksal der bürgerlichen Demokratie. Und- gerade jetzt, da bei der Reichsfinanzreforin sich alle bürgerlichen Parteien ans das schmählichste gegen das Wohl der arbeitenden Klaffen vergangen haben, da in den Mafien die Empörung über die volksverräierische Politik der Reichs» regierung, des Bundesrats mit Einschlich Württembergs sowie sämtlicher bürgerlichen Parteien wächst und wächst, da die sozial- demokratische Partei zum schärfsten Kampf« rüstet, gerade jetzt mutzte alle« vermieden werden, waS die Massen wankend machen kann in ihrer Ueberzeugnng von der grundsätzlichen unerbittlichen Gegnerschaft der Sozialdemokratie geaen die kapitalistische Herrschaft. Gerade jetzt. da uns Einigkeit und Geschlossenheit not tut wie kaum jemals zuvor, hätten unsere Genossen im württembergischen Landtag alle» ver» meiden müssen, was den alten Streit neu entflammen mutz. Keinem Parteigenossen wäre e» eingefallen, den Parlamentariern einen Vor» wurf zu machen, wenn sie sich an de« Fahrt nicht beteiligt hätten. Nun aber ist der Zwist neu geweckt. Unsere Vertreter im württem- bergischen Landtag haben die Parteigenosscnschaft und die Partei» presse gezwungen, sich mit der Angelegenheit von neuem zu be» schäftsgen und Stellung zu nehmen. Wir wünschen, datz die un- verineidlich gewordene Auseinandersetzung mit peinlicher Sachlichkeit geführt wird, datz aber da» Resultat auch den letzten Zweifel über den Willen der Parteigenossenschaft beseitigt.