ükerraschend kommt, ist begreiflich; sie wollen aber diesen Stimmen« Zuwachs nicht auf das Konto der volksfeindlichen Politik der bürger- lichen Parteien gesetzt wissen, sondern ergehen sich in allen möglichen Phantastereien, um eine Erklärung für diese so außerordentlich leicht begreifliche Erscheinung zu finden. Folgen der Tabaksteuer. Wie der Berliner Gauleitung deS TabakarbeiterberbandeS mitgeteilt wird, beabsichtigen die Fabrikanten in Trebbin , am 13. August ihre Fabriken zu schlieficn. Dadurch würden in diesem Orte mit einem Schlage 250 Arbeiter und Arbeiterinnen der Tabakbranche brotlos werden. In Brandenburg a. H. konimt außer einigen ganz kleinen Fabri- kanten eine Firma mit 30 Arbeitern und Arbeiterinnen in Betracht. Diese hat sich damit einverstanden erklärt, daß sie keine Entlassungen vornehmen, sondern die Arbeitszeit für alle Arbeiter gleichmäßig ver- kürzen wird._ Nur nicht sparen! Kaum ist das Reichsdefizit durch die neubewilligten Steuern ziemlich gedeckt, so geht auch schon die Regierung daran, allerlei neue Geld erfordernde Kolonialpläne auszuhecken. Zunächst soll. wie eine halboffiziöse Korrespondenz zu berichten weiß, die höhere Lehranstalt in Tsingtau (Kiautschou ) zu einer deutschen Hochschule ausgestaltet werden. .Die im Jahre 1907 in Tsingtau errichtete deutsch - chinesische höhere Lehranstalt soll*, so meldet die betreffende Korrespondenz, „im Herbst dieses JahreS weiter zur Hochschule ausgebaut werden. Bisber bestand die Schule aus einer Vorbereitungsanstalt von sechs Klassen, die sehr gut von jungen Chinesen besucht wird. Es soll nun- mehr, wie ursprünglich beabsichtigt, eine fachwissenschaftliche Hochschule angegliedert werden, die vier Abteilungen, eine staatswissenschaft- liche, eine technische, eine medizinische und eine land« und forst- wirtschaftliche, erhalten wird. Der Lehrgang soll 3 bis 4 Jahre währen. Zunächst kommt im Herbst die staatswissenschaftliche und technische Abteilung zur Einführung. Lehrfächer in der staatswissen- schaftlichen Abteilung sind: Völkerrecht, Staats- und Verwaltungs- recht. Etatsrecht, Eisenbahnrecht, Bergrecht, Seerechl, National- Ökonomie, Finanzwissenschaft, in der technischen Abteilung: Maschinen- und Schiffsbau, Hoch- und Tiefbau, Eisenbahnbau, Bergbau. Elektrotechnik. Die weitere Ausgestaltung der Hochschule hängt allein von den Fortschritten der Schüler in der Unterstufe ab. Die medizinische Abteilung soll in kleinem Rahmen gehalten werden. da geeignete Schüler an die deutsche Medizinschule in Shanghai ab- gegeben werden können. Der land- und sorstwirtschaftliche Unterricht soll nur so weit ausgestaltet werden, als sich hierfür die bereits im Schutzgebiet vorhandenen Betriebe nutzbar machen lassen.* Der neue Unterstaatssekretär im Reichsamt des Innern. Der Unterstaatssekretär Dr. Richter, bisher Delbrücks rechte Hand im Handelsministerium, ist zum Unterstaatssekretär im Reichsamt des Innern ernannt worden. Er ist also seinem bisherigen Chef in dessen neues Ressort nachgefolgt. Dr. Max Richter steht im 53. Lebensjahr. Nach dem Studium der Rechte wurde er 1879 Neserendar beim ostpreußischen Tribunal, trat 1882 zur Staats- Verwaltung über und wurde 188S NegierungSasieffor bei der Re- gierung in Posen. Seit 1888 arbeitete er bei dem dortigen Ober- Präsidenten, und 1891 wurde er als Hilfsarbeiter in das Reichsamt des Innern einberufen, in dem er im April 1892 zum Regierungs« rat.und ständigen Hilfsarbeiter ernannt wurde. Im No- vember 1895 rückte er zum Geheimen Reglernngsrat und vor- tragenden Rat und drei Jahre später zum Geh. Oberregierungsrat auf. Im Oktober 1902 erhielt er seine Beförderung zum Direktor im llteichsamt de« Innern und wurde darauf 1905 an Stelle des ver- storbenen Unterstaatssekretärs Dr. Lohmann Unterstaatssekretär im Ministerium für Handel und Gewerbe. Weiteren Kreisen bekannt geworden ist Dr. Richter vornehmlich durch seine Vertretung Deutschlands auf der Chicagoer Welt- auSstellung im Jahre 1893 und seine Tätigkeit als ReichSkomniissar der Pariser Weltausstellung im Jahre 1900. Erhöhung der Fahrpreise 4. Klasse in Württemberg. Die Finanzkommission deS württembergischen Landtages be- schloß mit 12 gegen 3 Stimmen, den Fahrpreis für die 4. Klaffe der württembergischen Eisenbahnen von 2 Pf. auf 2,3 Pf. pro Kilo- nreter zu erhöhen. Nur die Sozialdemokraten stimmten dagegen. während alle bürgerlichen Parteien geschloffen für diese Mehr- belastui'g der minderbemittelten Volksschichten eintraten. Von sozial- demokratischer Seite wurde nachgewiesen, daß keineswegs gerade die 4. Klaffe da» Defizit der Eisenbahnverwaltung verschuldet habe und ihr« Betriebskosten nicht decke; es stehe bielmehr fest, daß in der 4. Klaffe auf denselben Raum 70 Fahrgäste kommen, auf den in der 3. Klaffe nur 56 Platz finden und die Wagen der 4. Klaffe sind meist voll besetzt, während die anderen Klassen teils leer oder mangelhast besetzt fahren. ES sei zuzugeben, daß in den letzten Jahren eine Abwanderung solcher Passagiere in die 4. Klasse stattgefunden hätte, die früher in höheren Klassen fuhren. Die Ursache hierfür liege aber in der allgemeinen Verteuerung der Lebenshaltung, die immer weitere Schichten, auch die des Mittel- standeS, zu möglichster Einschränkung zwinge. Bei dem Mehrheitsverhältnis in der Kommission ist jedoch mit Sicherheit auf die Annahme der Erhöhung auch im Plenum des Landtages zu rechnen. NattonaMberale Eharakterlostgkeit. An politischer Charakterlosigkeit können die Nationalliberalen wahrhaftig nicht mehr übertroffen werden. Wie die„Germania * feststellt, bettelt die nationalliberale„Pfälzische Presse* daS Zentrum an, bei der Stichwahl in Neustadt - Landau die Stimmen dem nationalliberalen Kandidaten zu geben. Das Blatt begründet dies mit der Religionsfeindlichkeit der Sozialdemokratie. Die„Germania * übergießt das nationalliberale Blatt verdientermaßen mit Spott und Hohn, indem sie feststellt, daß die WeihnachtS -, Öfter- und Pfingft-Leiiartikel der„Pfälzischen Preffe* anttchristlich waren. Was daS Blatt von den Sozial- demokraten sage, gelte in vollem Umfange von ihm selbst und das ganze Gebaren müsse als bodenlose Heuchelei bezeichnet werden. Die„Germania * bemerkt zum Schluß:„In Nenstadt-Landau wird der Liebe Mühe freilich vergebens sein.' Studcntenstreiche. Zu widerlichen Auftritten ist es infolge von Ausschreitungen einiger Studenten vor dem bekannten Gasthaus„Zur Rose* in Jena gekommen. Dort hatten die Mitglieder einer studentischen Ber- indung dem Gambrinus wohl zu reichliche Opfer gebracht, denn ihr Tatendrang äußerte sich auf der Straße dadurch, daß sie harm- lose Passanten anrempelten und die„Philister anödeten*. Radfahrer wurden von den Rädern gerissen und Kindern Spirittiosen ver- abfolgt, sodaß sie betrunken wurden. Da die„Philister* nur ge- ringes Verständnis für derartigen Studcntenull zeigten, kam eS zu Zusammenstößen. Allmählich sammelte sich vor dem Gasthause eine Menschenmenge an. die ihrer Empörung über das Treiben der Studenten lauten Ausdruck gab. Diese mochten sich jetzt bedroht fühlen, denn einer von ihnen gab einen Schreckschuß aus einer Browningpistole in die Luft ab. Ein Polizist wollte darauf dem Studenten, der fortwährend rief:„Wer mir in den Weg kommt. den schieße ich nieder*, die gefährliche Waffe entreißen. Es entspann sich zwischen den beiden ein Handgemenge, in dessen Verlaus ein zweiter Schuß losging. Die Kugel traf den Schutzmann in den rechten Oberschenkel. Er mußte ins Kraukenhaus übergeführt werden. Der betreffende Student, der behauptete, er habe nicht absichtlich geichossen, wurde zu seiner eigenen Sicherheit nach der Polizei ge- führt, da die Menschenmenge nicht übel Lust hatte, an ihm eine Art Lynchjustiz zu üben._ Was sich die Polizei erlauben darf. Bei der Beerdigung eines StadtbaurateS in Hörde bei Dort- mund verlangte der Polizeirat Heide, daß ein Möbelwagen, der auf der sehr breiten Straße, die der Leichenzug passierte, stand, von der Straße für die Dauer des Vorbeizuges fortgefahren würde. Der Fuhrmann und die Packer wiesen darauf hin, daß die noch im Wagen befindlichen Möbel dann schwer beschädigt würden und der Wagen umfallen könne, und weigerten sich deshalb, der Polizei- lichen Aufforderung nachzukommen. Der Polizeikommissar ließ den Wagen dann einfach durch einen Beamten fortfahren. Den Kutscher ließ er festnehmen; die Möbel wurden alle beschädigt und fielen zum Teil auf die Straße. Der Kommissar hatte sich wegen der Gesetzesüberttewng vorder Dortmunder Ferienstrafkammer zu verantworten. Der Staats- anwalt beantragte wegen der unerlaubten Festnahme eine Gefängnis- strafe von vier Monaten. Das Gericht sprach jedoch den Angeklagten frei, weil eS annahm, daß der Polizeikommissar nicht bewußt rechtswidrig gehandelt habe._ franhmcb. Die Gciverkfchaft der Postbeamten. Paris , 29. Juli. Das Polizeigericht verfügte die Auflösung der P o st b e a m t e n- S Y n d i l a t e, die sich bei dem letzten Ausstande konstituiert hatten. 16 Postbeamten wurden als Gründer der Syndikate zu je 16 Frank Geldstrafe verurteilt. Begnadigung der Deserteure. Paris , 29. Juli. Die kürzlich vom Kriegsgericht zu Cafablanca über die Deserteure der Fremdenlegion verhängten Strafen find vom Präsidenten FalliöreS gemildert worden. Englanä. Die Arbeiter gegen das Wettrüsten. In der letzten Flottendebatte, die wir bereits in telegraphischem Auszug wiedergegeben haben, hielt der Wortführer der Arbeiter- fraktion BarneS eine Rede, die sich mit großer Schärfe gegen die imperialistische Agitation wandte, und aus der wir noch einige charakteristische Stellen nachtragen wollen. BarneS sagte: „Die Arbeiterpartei unterstützt das Amendement auf Herab- setzung deS Flottenetats, da keine Gründe für die Erhöhung der FlottenauSgaben vorgebracht wurden; ebensowenig wurden Beweise geliefert, daß die deutsche Regierung ihr Bauprogramm beschleunige. Das deutsche Flottenprogramm enthält nichts Mysteriöses. Um die Mitte deS Jahres 1912 wird Deutschland 13 Schlachtschiffe vom Dreadnoughtthp haben, während England zu Ende des JahreS 1911, wenn die 4 Dreadnoughts des laufenfen Etats fertiggestellt sind, 16 Dreadnoughts besitzen wird; mit den 4 Eventual-DreadnoughtS würde England 20 gegen 13 deutsche haben. Die kon- servative Opposition ist in Flottensachen nicht zu- frieden zu stellen. Die Arbeiter fraktion vertritt in England dieselben Ansichten, wie die Sozialdemokratie mit ihren drei Millionen Wählern in Deutschland . Ich kann nicht zugeben, daß die herrschenden Klassen Deutschlands uns feindlich gesinnt feien. Aber auch wenn sie es wären, so könnte dies nur die Folge der Jingo- reden britischer Politiker sein. Die Mitteilung des konservativen Abgeordneten Lee, daß die Kruppschen Werke im letzten Jahre ihr Personal um 38000 Mann oder um60Proz. vermehrt haben, um die Flottenrüstungen beschleunigen zu können, ist eine groteske Uebertreibung. Währenddem hier Panikreden über die Beschleunigung der deutschen Flottenrnstungen gehalten wurden, schrieben mir meine Freunde, daß nur auf einer einzigen deutschen Schiffswerft die Zahl der Arbeiter erhöht wurde. Die britische Regierung scheint den Vor- Wurf, daß Deutschland seine Flottenrüstungen beschleunige, still- schweigend fallen gelassen zu haben. Es wäre aber ihre Pflicht, diesem Hause und Deutschland gegenüber dieS offen anzuerkennen und die Anschuldigung zu widerrufen.(Beifall bei der Arbeiterfraktion.) In Deutschland sowohl wie in England entsteht eine Bewegung gegen das Anschwellen der R ü st u n g e n. Die Arbeiter beider Länder erblicken in den wachsenden Rüstungen eine Gefahr für den Frieden. Sie fürchten weder fremde Armeen noch fremde Flotten. Die Feinde, die sie bekämpfen, befinden sich inner- halb ihrer eigenen Länder, und sie heißen: U n w i s s e n- heit, Elend und Krankheit.*(Beifall.) Die Territorialarmee. London , 28. Juli. Das Kriegsministerium gibt bekannt, es habe beschlossen, die Territorialarmee durch Bildung einer Reserve zu erweitern, die alle geeigneten Leute umfassen soll, welche sich zur Teilnahme an der Landesverteidigung bereit zeigen. Die Reserve wird aus drei Klassen bestehen. Zur ersten Klasse sollen 100000 Mann gehören, die bei Verlusten im Kriege als Ersatz herangezogen werden. Die zweite Klaffe soll eine technische Reserve darstellen. Die dritte Klosse besteht in einer Veteranenreserve auS gedienten Offizieren und Mannschaften. Cürhei. Die kretische Frage. Konstantinopel , 29. Juli. Die Erregung über die H i s s u n g der griechischen Flagge auf Kreta dauert fort. Die Blätter weisen in scharfen Worten auf die Erfolglosigkeit der türkischen Diplomatie hin. Die jungtürkischen Deputierten erklären, es sei der Türkei unwürdig, die Bedeutung der letzten Vorgänge verschleiern zu wollen, wie dies der Großwesir in der Unterredung mit dem Redakteur der„Sabah* versuchte. Die Stellung des Kabi- netts, die in den letzten Tagen etwas befestigt war. erscheint neuerdings stark erschüttert. Ein gestern abgehaltener Ministerrat soll über die künftige Haltung der Regierung in der Kretafrage wichtige Beschlüsse gefaßt habe». Die türkischen Vertreter im Auslände erhielten neue Instruktionen. Wie verlautet, wird die Kammer in den nächsten Tagen die Regierung über die Kretafrage interpellieren. „Tachhdromos* erfährt, die griechische Regierung habe an die Pforte das freundschaftliche Ersuchen um Aufklärung über die Gründe von Truppenbewegungen an der türkisch - griechischen Grenze gerichtet. Nach der„Turquie * habe die türkis cheFlotte Befehl erhalten, nach dem Aegäischen Meer abzugehen. Nach Mitteilungen des neugeschaffenen� türkischen JuformationS- bureauS hat sich die Pforte wegen der Hiffung der Flagge an die S ch u tz in ä ch t e gewandt, welche versicherten, sie garantierten die Wahrung der türkischen Rechte und deS Ltntus guo auf Kreta . Die kriegerische Kammer» Konstantinopel , 29. Juli. In der Kammer kam eS heute zu einer patriotischen Kundgebung wegen Kretas . Die Sitzung wurde mit der Verlesung von Telegrammen eröffnet, welche in sehr großer Zahl aus allen Teilen der Türkei eingelaufen sind. In diesen Depeschen wird die Ver- anstaltung von Versammlungen angekündigt und erklärt, daß alle Ottomanen bereit seien, ihr Blut für die Verteidigung der Rechte der Ottomanen auf Kreta zu vergießen. Mehrere türkische, albanische und arabische Deputierte hielten unter lebhaftem Beifall begeisterte Reden, in welchen sie der Regierung Untätigkeit vor- warfen, sie aufforderten, energisch vorzugehen, und er- klärten, daß alle zum Kampfe bereit seien, um die griechische Flagge auf Kreta zu zerreißen und eine Regie- rung zu vernichten, welche diese Flagge auf Kreta gehißt habe. An der Debatte beteiligten sich auch ein armenischer und ein bulgarischer Deputierter sowie der Grieche Arta , der die Regierung aufforderte, diese Frage in einer den Interessen der Otto- mancn einsprechenden Weise zu lösen. Der Präsident erklärte, er werde dem Kabinett von den Gesinnungen der Kammer Mitteilung machen. Wie er wisse, sei die Regierung bemüht, die Jnterffen des Vaterlandes zu wahren. Mau müsse ihr darin freie Hand lassen..____ Eus der Partei. Aus den Organisationen. � � �.. Der Jahresbericht des sozialdemokratischen BereinZ In Fürth verzeichnet trotz der Krise, die in Fürth geradezu verheerend wirkt (heute sind 600 Arbeitslose vorhanden, für die die städtischen Kollegien dieser Tage 6000 M. für Notstandsarbeiten ausgeworfen haben), einen Fortschritt in der Entwickelung I Bemerkenswert aus dem Bericht ist die Tatsache, daß die Vorteilung eines Brieses in Form eines Flugblatts an Landarbeiter und Kleinbauern der Partei viele neue Mitglieder aus diesen Kreisen gebracht hat. Frauen sind im Wahlkreis vorerst nur 200 politisch organisiert. für die neben Leseabenden auch R ä h k u r s e eingerichtet sind, die gut frequentiert werden. Der sozialdemokratische Verein Nürnberg hat seine Mitgliederzahl im vergangenen Jahre um 1000 vermehrt. Unter den 13 500 Mit- gliedern befinden sich 700 Frauen. Das Prozentverhältnis der Mitgliederzahl zu den sozialdemokratischen RcichStagswählcrn ist von 37,8 auf 40,6 gestiegen. Bei einem Kassenbestand von 12 000 M. bilanzieren Einnahmen und Ausgaben mit 67 000 M. Der Nürn- bergcr Parteitag verursachte eine Ausgabe von 10 300 M. und brachte eine Einnahme von 8750 M. Das Defizit von 1500 M. wurde auS der Vereinskasse gedeckt. Die Neubauten der. F r ä n k. Tagespost* repräsentieren inklusive Maschinen usw. einen An- schaffungswert von rund 900 000 M. Unser Parteiorgan ist bei einer Auflage von 80 500 die größte politische Zeitung Nürnbergs und ganz Nordbayerns. Die neu eingerichtete Buchhandlung floriert sehr gut. Sehr interessant ist der Bericht des Bildungsausschusses: 159 Unterrichtsabende und Vorträge wurden im Berichtsjahre ab- gehalten, davon von dem angestellten Lehrer(Dr. Maurenbrechcr) 147. Uebcr die Unterrichtskurfe für Jugendliche sagt Manrenbrccher: „ES hat sich gezeigt, daß die Aufmerksanikeit am größten war bei dem Thema:„Die Abstammung deS Menschen* und„Der 18. März*. Die theoretischen und literarischen Stoffe, die einige Fähigkeit zu systematischem Denken voraussetzen, gingen Wohl über das Interesse der Jugendlichen hinaus.* Ferner meint Maurenbrecher, nach seinen Erfahrungen sei es überhaupt unmöglich, an Sonntagen eine systematische und planmäßige Bildungsarbeit unter den Jugendlichen zu treiben; sie wollen den Sonntag als Tag des AufatnienS, des Frobsinns und des Spiels. Er empfiehlt daher die Unterrichtsabende an Wochentagen. Mit den theoretischen und wissenschaftlichen Lehrkursen für fort- geschrittene Parteigenossen sind gute Erfahrungen ge- macht worden: Die Kurse wurden durchschnittlich von 90 Proz. der Angemeldeten regelmäßig bis zum Ende besucht. In Betracht kamen in der Bewegung mit an erster Stelle stehende Parteigenossen. Da« gegen sank die Teilnchmerzahl bei Unterrichtskursen, die jedem zugänglich und für eine größere Zahl von Hörern(130) berechnet waren, zuletzt bis auf ein Drittel der Angemeldeten. Maurenbrecher sagt dazu:„Gerade derjenige Kursus(die sozialen Klassen), der mir in der Vorbereitung die meiste Arbeit gemacht hat, in dem meiner Meinung nach am meisten Arbeit steckte, hat das wenigste Interesse in der breiteren Masse der Zuhörer gefunden.* An Theaterbilletts bat der BildungSauSschuß 5000 Stück vermitteln können.— Die Jugendabteilung zählt heute 700 Mitglieder. Bei einem Kassenbestand von 1000 M. bilanziert der Etat des Bildungsausschusses mit 9500 M. Soziales. Fabrikbctricv oder ZnchthanS. Ein bor dem Gewerbegericht um ein Objekt von 80 Pf. ber- handelter Rechtsstreit zeigte wieder einmal, wie Fabrikunternehmer die Rechtsverhältnisse ihrer Arbeiter durch rigorose Straf- bestimmungen in der Arbeitsordnung„regeln". Die Arbeiterin K. ivar bei der Firma Siegel u. Cie. beschäftigt. Bei der letzten Lohnzahlimg wurden ihr 80 Pf. in Abzug gebracht und zwar, wie der Vertreter der Beklagten sagte. 30 Pf. für eine Wider- spenstigkeit und 50 Pf. weil durch Unvorsichtigkeit der Klägerin ei» Stempelkissen beschädigt worden sei. Die Firma hält sich zu den Abzügen auf Grund der Arbeitsordnung für berechtigt. Daö Gericht bezeichnet die Strafbestinimungen der Arbeitsordnung— unter anderem wird auch den Arbeiterinnen das Lochen bei einer Strafe von 30 Pf. verboten— als gegen die guten Sitten verstoßend. DaS Gericht hielt aber doch eine Beweisaufnahme über das Verhalten der Klägerin für erforderlich, deshalb wurde die Verhandlung vertagt._ Nichtbezahlung der Ueterstundru als Grund zur Lösung deS Arbeits- Verhältnisses. Nach f!!nfwöche»tlicher Beschäftigung bei der Firma Lippnimin, Fabrik ätherischer Oele und Essenzen und Fruchtsaftpresserei, löste der Fruchtsaftpresser M. das Arbeitsverhältnis, weil er die geleisteten Uebersiunden nicht bezahlt erhielt, und klagte vor dem Gewerbe- gericht aus Entschädigung. Er bezog in der ersten Woche seiner Tätigkeit einen Stundenlohn von 50 Pf.; plötzlich sollte er mit 25 M. Wochenlobn zufrieden sein. Die Firma will den Kläger nur für die Zeit der ArbcitShänfung in der Fruchtsaftpresserei engagiert und ihm gesagt haben, daß er eS mit der Arbeitszeit nicht genau nehmen dürfe. Sie hält sich zur Erfüllung der Forderung, eine vierzehn- tägige Lohncntschädigung zu zahlen, nicht verpflichtet, da der Kläger infolge der Lohnverweigerung für die Ueberstimden selbst das Arbeitsverhältnis gelöst hat. Das Gewerbegericht vertrat die An- ficht, daß bei einem dauernden Arbeitsverhältnis, in dem die Arbeitshäufmig durch eine schwächere Geschäftszeit mit ihrer Arbeits- Verringerung wieder ausgeglichen wird, der Anspruch auf Ueber- stundenbezablung noch streitig sein könnte. Der Kläger sei aber. wie die Beklagte selbst angibt, nur für die Zeit der ArbeitShäusimg in der Fruchtsaftpresserei engagiert worden und war somit berechtigt, die Bezahlung der Ueberstimden zu fordern. Da ihm dieser Lohn nicht gezahlt wurde, war er nach§ 124 Ziffer 4 der Gewerbeordnung zur Lösung deS Arbeitsverhältnisses berechtigt. Der Beklagte mußte.deshalb zur Zahlung der 60 M. Entschädigung verurteilt werden.
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