|r.l80. 26. Jahrgang. 1. KeW des Jotrairts" Krlim WM. Qmstik!, 5. JiijiiP 1909. Die berliner Nzhllerelie und der Parteitag. Die Parteigenossen der Berliner Wahlkreise nahmen am DienS tag in gut besuchten Versammlungen Stellung zum diesjährigen Parteitag und zu anderen aktuellen Parteifragen. Nachfolgend die Berichte der einzelnen Versammlungen: Erper Wahlkreis. Wolderski eröffnete die Versammlung mit einer kurzen Einleitung und dem Verlesen der verstorbenen Mit- glieder, zu deren Ehren sich die Versammelten erhoben. Zur Pro- vinzialkonfcrenz hat der erste Kreis keine Anträge zu stellen. Drei Delegierte wurden gewählt, die Genossin Ketti Guttmann und die Genossen S t r e h l und Bloch. Eine teilweise sehr erregte Diskussion setzte bei der Besprechung des kommenden Parteitages in Leipzig ein, die sich bis nach Mitternacht hinzog. Wolderski, als Mitglied der in Nürnberg ein- gesetzten Kommission zur Aenderung des Organisationsstatuts, berichtete über deren Beratungen und ging die vorgeschlagenen Aendcrungen des Statuts im einzelnen durch. Der Absatz im§ 6, nach dem den Genossinnen die„Gleichheit" unentgeltlich zu liefern ist, wurde von der Versammlung abgelehnt. Ange- nommen wurde ein Antrag, an Stelle des Absatzes 2 in§ 7 zu setzen:»Eine Delegation der Reichstagsfraktion". In§ 23 soll es heihen:.Wer in bewußter Weise gegen die Parteitagsbeschlüsse verstößt, muß aus der Partei ausgeschlossen werden." Bezüglich der Maifeier erklärte Wolderski, daß ein Unterstützungsfonds für die von der Aussperrung Betroffenen durchaus nötig sei. Meist würden die besten Genossen aus den Betrieben entlassen, sie zu schützen und zu stützen, sei unsere Pflicht. Die Be- seitigung der Maiseier wäre für uns eine Bankerotterllärung. Die ffrage kann lediglich lauten: wie können wir den im Anfangs- sladium befindlichen Maifonds ausbauen? Sodann griff Gutt- ni a n n in die Diskussion ein. Kurz vor dem Parteitage hätten die Revisionisten wieder mal eine Streitfrage provoziert. Seien die früheren Fragen meist akademischer Natur gewesen, so handele es sich diesmal um Dinge, die die Interessen der Partei in brennendster Weise berührten. Die Zeiten, wo die Revifionisten sich nur theoretisch betätigten, seien vorüber, das zeige sich schon in dem Umstände, daß es bei der Finanzreform innerhalb der Fraktion zu scharfen Kämpfen gekommen sei. Der ganze Zug treibe nach rechts, das Streben ginge nach einem Bündnis mit dem Liberalismus. Unseren Abgeordneten insgesamt müsse gesagt werden, daß in ihren Reden nicht die Wut und Erbitterung der großen Masse gegen die Reichsfinanzreform zum Ausdruck gekommen sei, wie man es hätte erwarten dürfen. Statt rücksichtslose Obstruktion zu betätigen, habe man immer Rücksicht auf den Liberalismus genommen, um es mit ihm nicht zu verderben. Gegenüber dem Revisionismus in der Partei müsse endlich einmal die bündige Frage gestellt werden: Will die Masse der Genossen seine Tendenzen gutheißen? Er glaube das nicht. Es werde voraussichtlich eines Tages zu einem gewaltigen Sturm kommen. Unseren Führern aber hätten wir zu sagen: Ihr habt zu tun, waS wir wollen I Unsere Parteipolitik werde jetzt im„März" und anderen bürgerlichen Organen gemacht. Redner polemisiert heftig gegen Heine, Bern st ein, Frank, Maurenbrecher und andere. Wenn Heine für die Politik deS Zentrums schwärme, so müsse es ihm klargemacht werden: Wir sind keine Schachfiguren, mit denen die Führer nach Belieben spielen können. Wenn man sich heute schon von Königen abfüttern lasse und diese zum Danke a n h o ch e, was solle man dazu sagen? Und so was nenne sich noch sozialdemokratische Volksvertreter. Der Witz aber fei, daß der offizielle Witzemacher der Partei auch dabei war. Redner verliest eine dementsprechende Resolution und bittet um einstimmige Annahme derselben. In demselben Gedankengange wie obige Ausführungen spricht Bloch. Es solle endlich Klarheit geschaffen werden, welche Taktik die große Masse wolle. Nicht nur Lkautslys Broschüre»Der Weg zur Macht", sondern der ganze Marxismus werde von den Revisionisten als Privat- ineinung ausgegeben. Redner ist ebenfalls nicht zufrieden mit der Haltung der Partei bei der Reichsfinanzreform. Angesichts der Lage mußte der Generalstreik inszeniert werden. Obstruktion hätte auch sehr leicht gemacht werden können, man wollte aber nicht, dem Liberalismus zuliebe. Für uns gebe eö nur einen reaktionären Block. Ein weiterer Redner wendet sich gegen den LlutoritätSdusel. der sich in der Partei breit mache. Dalli meint, er verstehe die kleines Feuilleton. Die Vogelwiese. Die Dresdener Vogelwiese, die jetzt von einem so schweren Brandunglück heimgesucht worden ist, nimmt in der Geschichte unserer Volksbelustigungen eine besondere Stellung ein: sie ist sozusagen die Mutter aller Vogelwiesen, von der zwar nicht die Sache selbst, wohl aber der Name ausgegangen ist. Die Sitte deS Schießens nach dem Vogel ist im deutschen Volksbrauch uralt; man hat sie sogar mit der Gestalt deS Göttervaters Wotan und seinen beiden mythischen Botenvögeln in Verbindung gebracht und als ein altheidnisches Opferfest in ihrem Ursprung erklärt. Dies Vogelschießen nahm zunächst eine besondere Stelle in den alten Pfingstbräuchcn ein. Mit der Stärkung und EntWickelung eines Bürgergeistes im Mittel- alter, durch die Bildung wehrhafter Schützengilden wurde dann das Vogelschießen von den Pfingstbräuchen losgelöst und zu einem selb« ständigen sommerlichen Fest erhoben. Auch hier war das prächtig aufgerichtete Ziel zunächst noch ein Vogel aus der Stange. Je mehr Volk die Freischießen herbeizogen, je mehr sich diese Feste zu den großartigsten Vergnügungen des Mittelalters entfalteten, desto inehr Vögel mußten aufgestellt werden, drei oder sogar fünf; schließlich genügten sie den Schützen gar nicht mehr und die große Schießscheibe trat an ihre Stelle. Während sich so das eigentliche Preisschießen in anderen, engeren und feierlicheren Formen vollzog, blieb das Vogelschießen doch auch den großen Schützenfesten als eine hormlos gemütliche, volkstümliche Belustigung erhalten, und um den fröhlichen Vogel aus hoher Stange wuchs die so vielgestaltige Budenstadt deS Festes hervor, die ein not- wendiger Bestandteil jedes FreischießenS war. Von Anfang cm war mit dem Vogelschießen ein.Glückstopf" ver- bunden gewesen. Fahrende Gaukler, Akrobaten. Quacksalber sammelten sich hier aus allen Teilen Deutschlands und Schau- stellungen jeder Art fanden hier ihren Platz. Besondere Aufmerk- samkeit wurde im Mittelalter von den Fcslgebern auf die Kegel- bahnen gewandt, die damals noch eine Seltenheit waren; später boten das Puppentheater, das Wachsfigurenkabinett oder eine Menagerie die größten Sehenswürdigkeiten. Allmählich überwog viel- fach die Lustbarkeit den eigentlichen Zweck, das Wettschießcn. So erlangte denn bei manchen der jährlichen Schützenfeste gerade die auf einer bestimmten Wiese oder freiem Platz errichtete Budcnstadt besonderen Ruhm, und ganz besonders gut amüsierte man sich stets auf dem Dresdener Vogelschießen. In der frühesten Zeit war das Schießen auf der Ratswiese am Jüdenteich abgehalten worden; Kurfürst August verlegte es IS77 auf die Wiese vor dem Ziegeltor, wo nun der Vogel aufgestellt wurde und Buden und Zelte errichtet waren. Davon erhielt nun der Platz den Namen Vogel - wiese, der sich allmählich auf olle Festplätze der Schützenfeste und dann auf Vergnügungsparks jeder Art überhaupt ausdehnte. Bon der Erdbebenkatastrophe i» Mexiko treffen jetzt ausführlichere Meldungen ein, die die furchtbare Ausdehnung des Unheils erkennen lassen. In der Hauptstadt selbst währten die Erderschütterungen in Empörung der Vorredner über die Reichsfinanzreform. Doch sei der Vorwurf gegen die Fraktion unberechtigt und durch nichts be- wiesen. Eine Spaltung in der Partei herbeizuführen, könne er nicht befürworten. Die Revisionisten wieder nach links zu ziehen, sei unsere Aufgabe. Redner spricht sich für Beibehaltung der Mai- feier und Gründung einer Zentralstelle für den Maifonds aus. Bublitz erklärt, daß derjenige sich in einer Illusion befinde. der glaube, daß der Revisionismus nicht so groß ist. Debatten über diesen hätten schon immer im reichlichsten Maße stattgefunden und in zahllosen Resolutionen sei er totgeschlagen worden, stets aber lebe er wieder. Geschmacklosigkeiten jedoch wie die in Württem- berg, verstehe er nicht. Hier müsse endgültig gezeigt werden, welchen Weg die Partei gehen wolle. Das Interesse der Massen an den inneren Vorgängen der Partei müsse mehr geweckt werden. Der Beschluß über den Maifonds solle nicht nur bestehen, sondern weiter ausgebaut werden.— W o l d t: Fast sämtliche Redner hätten in derselben Richtung gesprochen, er müsse sich jedoch entschieden gegen einzelne Ausführungen und die verlesenen Resolutionen wenden. Diese enthielten ein beträchtliches Mißtrauensvotum gegen die Fraktion. Und was seien die Gründe hierfür? Der Vorwurf, die Fraktion habe mit dem Liberalismus paktiert, sei durch nichts bewiesen. Was Heine irgendwo schreibt, könne man nicht der Partei zuschieben. Unsere alten Parlamentarier, die schon so lange ehrlich und unverdrossen für uns kämpften, nähmen es wohl noch an gesundem Instinkt mit Guttmann und Bloch auf. Es sei immer Brauch bei uns gewesen, zu warten, bis die Fraktion Rechenschaft ablegt. Kein Mißtrauensvotum in Vorschuß, sondern das Ergebnis des Parteitages abwarten und die Resolution ablehnen. Damit war die Diskussion geschlossen. Die Anträge, auf die Tagesordnung dieses Parteitages noch den Punkt: Die Taktik der Partei zu setzen, weiter, den nächsten Parteitag in Berlin abzuhalten, wurden angenommen. Eine Resolution. die zum Ausdruck bringt, daß die sozialdemokratische Partei die einzige war, die daS Volksausplünderungsgesetz im Ernst bekämpft hat, jedoch bedauert, daß weder der Partei- vorstand noch die Fraktion zu schärferen Mitteln gegriffen, sich überhaupt zu wenig an die breite Masse des unterdrückten Volkes gewandt hat, wurde angenommen. Desgleichen eine Resolution Guttmann. die besagt, daß angesichts all dessen, was der Liberalismus schon verschuldet hat, die Zumutung sozialdemo- kratischer Reichstagsabgeordneter, mit dieser Sorte Liberaler zu- sammenzugehen und gar die Kritik aus taktischen Gründen einzu- schränken, wie eine blusige Verhöhnung der Partei anmuten müsse, und die Arbeiterschaft Mittel und Wege genug habe, ihren Willen aus eigener Kraft durchzusetzen. Annahme fand auch eine Resolution, die ihren Abscheu gegen die spanischen Grausamkeiten und die Shm- pathie der Versammlung gegenüber dem kämpfenden Volke aus- spricht. Zum Parteitag wurden gewählt: Wolderski und B i t t n e r. Zur Verbands-Generalversammlung die Genossen: Königs, vaumgarten, Neumann, Woigfch, Träger. Vollendorf, Sänke, Hohendorf, Christian und Guttmann. Die nicht erledigten Punkte wurden für eine spätere Versammlung zurückgestellt. Zweiter Wahlkreis. Die gut besuchte Generalversammlung tagte in der Bockbrauerei. Die Verbandsgeneralversammlung von Groß-Bcrlin betraf der erste Punkt der Tagesordnung. Dazu lag der von den Bezirksführern empfohlene Antrag eines Bezirks vor, eine umfassende Agitation für Partei nud„Vorwärts" nach dem Hamburger System zu entfalten. Das heißt, es sollen von den Gewerkschaften Abschriften ihrer Mitgliederlisten erbeten und dann unter den ermittelten Gewerkschaftlern die Agitation betrieben werden. Der Antrag wird angenommen. Ebenfalls von den Bezirksführern empfohlen wird ein Antrag Wendel, den Parteischülern aus Berlin einen Michergeldzuschuß in Höhe von 50 M. zu gewähren.— Genosse Pfannkuch ist der Meinung, daß die Beschränkung eines solchen Zuschusses auf die Berliner untunlich wäre. Ein Antrag, allen Parteischülern den Zuschuß zu gewähren, müßte beim Parteivorstand gestellt werden. Der Parteivorstand habe nun schon Erwägungen angestellt, den Partei- schülern eine höhere monatliche Zubuße zu geben. Die Höhe der Zulage sei noch nicht festgestellt. Für das ganze halbe Jahr werde der Betrag aber mehr ausmachen, als die beantragten 50 M. Des- halb könnte der Antrag abgelehnt werden.— Nachdem Genosse Wendel noch einmal für leinen Antrag eingetreten war, wurde dieser angenommen.— Die für die Verbandsgeneralversammlung kurzen Pausen nahezu 30 Stunden; erst am Sonnabend ließen die Stöße nach. Zeugen der Katastrophe berichten von Hunderten von Toten und zahllosen Verwundeten; der angerichtete Materialschaden kann einstweilen noch nicht abgeschätzt werden. Die prachtvolle alte Kathedrale der Stadt Mexiko ist nur noch ein trostloser Trümmerhaufen. Die Bevölkerung ist in höchster Aufregung; alle Häuser sind verlassen; in den Gärten, auf den großen Plätzen und in der Umgegend der Stadt kampiert die Menge unter offenem Himmel. Sie leiden furchtbar unter der Kälte, die ein plötzlich eintretender Regen mit sich gebracht hat. Um daS Unglück vollzumachen, brach in einem Stadtteile am Sonnabend Feuer aus. Die Feuerwehr war völlig wehrlos, da die Erdstöße deS Freitags die Wasserleitung zerstört hatten. Die Verwüstungen und daS Unglück scheinen in den Provinzen noch schlimmer zu sein als in der Hauptstadt. Von Jguala und Chilpanoinge fehlen bis jetzt alle Nachrichten. Man nimmt an, daß beide Städte völlig zerstört sind. Das letzte, was man vernahm, war die lakonische Meldung der. Telegraphenbeamten, die diese aufgaben, ehe sie ihren Posten verließen.„Alles in Trümmern" lauten übereinstimmend die beiden letzten Meldungen. In der Hafenstadt Atopulco sind sämtliche Häuser an der Hafenftont eingestürzt. Doch gelang es hier den Einwohnern, sich beizeiten zu retten. Am Abend wiederholten sich die Stöße, die Kirchen stürzten ein, zum Schluß war in der ganzen Stadt kein Haus mehr, daS nicht schwere Beschädigungen erlitten hat. Ebenso lauten die Nachrichten aus Puebla , Vera Cruz. Oexata, Tlacotalpam und Hachuca. In Acapulco ist sogar das mächtige alte Gefängnis zerstört, das bisher den schwersten Erdbeben getrotzt hatte. Die abergläubische Bevölkerung sieht in der Katastrophe einen � Wink GottcS und weigert sich, in die Stadt zurückzukehren. Das südliche Mexiko , das von der Katastrophe am härtesten heimgesucht ist. hatte schon in den Jahren 1877, 1880, 1387. 1902 und 1007 durch Erd- beben schwere Prüfungen zu bestehen. Die Hauptstadt Mexiko hat bisher gewöhnlich nur leichtere Erdbeben zu überwinden gehabt. In Südmexiko und Zentralamerika sind die Erderschütterungen gleich denen in Süditalien vulkanischen Ursprungs. Musik. »Miß Dudelsack". Operette usw., Musik von R. N e l s o n. Erste— anscheinend wirklich erste— Aufführung Dienstag, den 3. August, im Neuen Schauspielhaus(Nollendorfplatz). Ein schotsifcher Schloßherr verläßt sein Schloß und übergibt sein uneheliches Töchterchen dem Verwalter zur Pflege. Das wächst sich zu einem recht naturwüchsigen Wildfang aus:„Ich bin das Fräulein Dudelfack, Und paßt mir jemand nicht, Dann Hab' ich Takt und viel Geschmack Und sag's ihm ins Gesicht." Die spät eröffnete Verfügung deS Schloßherrn macht feinen Verwandten Hoffnungen auf das Gut und gibt den zwei Verfassern des Textes Gelegenheit, drei Akte mit einem Hin und Her zu füllen, das sich durch ein Zusammenfinden deS Wildfanges mit einem Leutnant aus der Verwandtschaft löst. Werden wir zu einer Operettenkomposition dieses Textes gerufen, so dürfen wir erwarten, daß die musikalische Art deS auch in vorgeschlagenen Delegierten wurden bestätigt. Anträge für die Provinzialkonferenz lagen nicht vor. Es folgte die Stellungnahme zum Parteitag in Leipzig . Genosse Pfannkuch referierte. Er hob die Be- deutung der Parteitage als Kristallisationspunkte des Parteilebens hervor und ging dann auf die Parteitätigkeit im letzten Jahre ein. Was die Arbeiten der Organisationskommission angehe, so stehe in Aussicht, daß� ein abgerundetes Ganzes vor den Parteitag kcmme. Das Bestreben der Partei, die Kräfte immer mehr zu- sammen zu fassen, werde dadurch weiter gefördert. In der Finanz- gebarung der Partei müßte seiner Meinung nach eine ähnliche Ilmwandlung eintreten, wie sie die Gewerkschaften durchgemacht hätten. Wer große Ziele erreichen wolle, müsse sich auch mit den« Gedanken vertraut machen, höhere finanzielle Opfer zu bringen. Um die Sozialdemokratie auf breiterer Grundlage mit immer festeren Wurzeln sich entfalten zu lassen, sei auf neuen Gebieten vcrgegangen worden. Das Preßbureau sei seit einem Jahre in Tätigkeit und habe seit dem 1. April auch seinen gewerkschaftlichen Redakteur, die Organisierung und Bildung der Jugend werde gepflegt und die Landarbeiterorganisation sei ins Leben gerufen. Bei allen drei Institutionen, die weiter zu entwickeln und auszu- bauen seien, habe sich die günstige Einwirkung des engeren Konnexes zwischen Partei und Gewerkschaften gezeigt. Auch bei der Parteischule mache sie sich bemerkbar.■— Die Partei habe in Deutschland alles daran zu setzen, um in geschlossener Stärke den Feinden gegenüberzustehen. Daher sei es notwendig, Streit und Zwist aus unseren Reihen zu verbannen zu suchen. Er glaube nicht, daß die Gegner mit ihren Erwartungen auf ihre Rechnung kommen.(Nal nal Württemberg!) Das sei-mehr eine lokale Sache, zu der der deutsche Parteitag, wenn es notwendig wäre, seine Meinung sagen werde, die aber nicht solche Bedeutung habe, daß sie zu tagelangen Debatten führen könnte.— Gegenüber den Behauptungen von Gegnern, daß die Partei zum Stillstand gelangt sei, stellte Redner fest, daß die Partei trotz der Krise um 45 000 Mitglieder zugenommen und nicht nur ihre Schulden be» zahlt, sondern einen anständigen Kampffonds von fast einer halben Million bereit habe.— Ein wunder Punkt sei die Maifeier. (Zwischenruf.) Wie der Parteivorstand erkenne auch die General» kommissson die Feier durch Arbeitsruhe als die würdigste an, aber über oie Wege und Mittel gingen die Meinungen auseinander. Der Parteivorstand habe den Auftrag erhalten, mit der Generalkom» Mission zu verhandeln, das heißt zu sehen, nach Möglichkeit die divergierenden Ansichten zu vereinigen. Wer einen solchen Auf» trag gebe, der müsse sich selber sagen, daß ein Resultat nur bei Konzessionen auf der einen und der anderen Seite möglich sei. Gemäß dem Auftrage des letzten Parteitages sei aufs neue ver» handelt worden. Zu einem Zentralfonds für die Maifeier habe der Parteivorstand die Zustimmung nicht erlangen können. Bor- behaltlich der Zustimmung der Konferenz der Zentralvorstände sei jedoch die Schaffung von Bezirksfonds für bestimmte wirtschaftlich zusammenhängende Gebiete zugestanden worden. Mit diesem Vor- schlage werde der Parteivorstand wohl kommen. Auf der General- Versammlung von Niederbarnim habe aus der Tatsache, daß als Maifeierreferent an Stelle Richard Fischers Genosse Müller vom Parteivorstand getreten ist, ein� Genosse den Schluß gezogen, die Frage solle noch unklarer gemacht werden. Diese Aeußerung, die in der Person den ganzen Parteivorstand treffe, weise Redner ganz entschieden zurück. Zum Schluß sprach Redner unter leb- kaftem Beifall die Erwartung aus, daß der Parteitag daran fest- halten werde, daß die Partei unbeirrt durch andere Parteibildungen ihren Weg weitergehen werde. Wer mit uns gehen will, muß in unsere Reihen kommen. Genosse C l a j u s verlangt, daß der Parteitag ein ernstes Wort mit den württembergischen Abgeordneten rede, die sich mit dem König an die Frühstückstafel setzten.— Genosse Feierabend ist derselben Meinung und läßt sich dann sehr skeptisch hinsichtlich der Durchführbarkeit der Maifeier aus. Es sei eine schöne Idee darin verkörpert, sie koste aber Opfer wie keine andere Idee. Vorläufig sei die Maifeier nicht durchführbar.— Genosse B ehrend ist der Meinung, daß Parteivorstand und General- kommission sich einig seien, daß die Maifeier nicht durchzuführen wäre. Es hätte aber keiner den Mut, dies zu sagen. Für die Gewerkschaften sei die Maifeier eine große Last. Aus seinen Er- fahrungen als Angestellter des Metallarbeiterverbandes könne er mitteilen, daß die mühsamen Errungenschaften der Organisations- arbeit in großen Betrieben durch die Maifeier auf lange Zeit immer wieder vernichtet worden seien. Mit Freuden habe er die bekannte Resolution des Metallarbeiterverbandes begrüßt. Man sollte endgültig den ganzen Kram aufheben, l— Genosse Müller Schottland üblichen DudelsackeS, der Sackpfeife, mit drolligstem Ulk ausgenützt werde. Der eine oder die mehreren stets gleichen Baßtöne und die darüberlicgenden etwa sechs Melodietöne könnten zur Charakterisierung der Titelfigur etwas beittagen, das in der Geschichte des musikalischen Humors einzig dastehen würde. Der Komponist hat nichts Derartiges versucht. Er gibt eine Musik, wie sie zu jedem Berliner oder Wiener oder brasilianischen oder neusee- ländifchen Operettentext ebenso gut passen könnte. Anfangs ist sie nicht mehr, als was man Sommertheater nennt; später nimmt sie nette Anläufe, die kurzatniig abreißen, allmälig nähert sie sich dem Opernhaften; das Orchester gellt; und schließlich triumphieren ein paar wirklich graziöse Duette. Das alles ergibt den bekannten Bombenerfolg. Ihn verringert weder, was die einen an Gesangskunst fehlen lasten, noch erhöht ihn. was beispielsweise Laura v. Karwinska durch vornehmes Singen und Spielen leistet. Mirzi F r e i h a r d t in der Titelrolle und Fritz Werner als ihr Partner entscheiden das»Einschlagen" des Stückes._ ez. Notizen. — Prof. Karl Sachs , der bekannte Lexikograph, ist über 80 Jahre alt, in Brandenburg a. H. gestorben. Er war lange Jahre Lehrer der neueren Sprachen am Realgymnasium in Brandenburg . Sein Name ist verknüpft mit dem besten existierenden Wörterbuch der deutschen und französischen Sprache, das er gemeinsam mit Prof. Villatte bearbeitete. Dieses Wörterbuch, daS m einer großen und noch mehr in einer kleineren Ausgabe weite Verbreitung fand. ist mustergültig für die ganze neuere fremdsprachliche Lexikographie geworden. — Neuerwerbungen des Kaiser-Friedrich- Museums. Von dem besten deutschen Porträtmaler deS aus- gehenden 18. Jahrhunderts, Anton Graff , wurden zwei Porttäts neu erworben. Sie stellen in der schlichten, treuen und charakteristtschen Art des wackeren Malers ein aristokratisches Ehe- paar dar. — Theaterchronik. Das Lessing-Theater eröffnet am 16. August die neue Saison mit BahrS Burleske»Die gelbe Nachtigall". Am 17. beginnt ein neuer I b s e n- Z Y k l u S. — Musikchronik. Offenbachs»Orpheus in der Unter- Welt", der am nächsten Montag zum ersten Male an der Gura- Oper gegeben wird, erscheint in einer textlichen Neubearbeitung und mit neuen Coupletstrophen versehen von Ludwig Renner . — Bühnenchronik. Alexander Girardi. der Volks- tümlichste deutsch -Lsterreichische Schauspieler, der die letzten Jahre fast ein Berliner geworden war, kehrt in der nächsten Saison ans Wiener Rai mundtheater zurück. Wir tverden ihn aber vorher noch bei uns sehen. Hoffentlich tritt er aber auch bei uns, wie er in Wien vor hat, in Anzengruber-Rollett auf. — Die beiden Wochenschriften:»Der Morgen' und „Die Neue Revue" sind an den Verlag von„Nord und Süd" über- gegangen und sollen als Wochen» und Halbmonats-AuSgabe dieser Monatsschrift fortgefiihrt werden.
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