Pöffi ParteiSorstand' stellte fest, daß' ein sehr einfacher Grund iWzu dem Referat über die Maifeier verholfen habe. Genosse Fischerhabe schon voriges Jahr erklärt, daß er nicht mehr das Referatübernehmen könne, weil er den größten Teil der Verhandlungenzwischen Parteivorstand und Generalkommijsion nicht mitgemachthabe. Der Vorredner sage nun, Parteivorstand und General-kommission haben nicht den Mut zu sagen, was sie dächten. Soständen die Dinge nicht. Die beiden Körperschaften seien derMeinung, daß die Abschaffung der Arbeitsruhe gar nicht zu densfkagen gehörte, über die sie zu diskutieren hatten. Die Feierdurch Arbeitsruhe beruhe auf internationalen Beschlüssen. So-lange daran nichts geändert sei, komme die Abschaffung gar nichtin Betracht. Er sei durchaus kein Optimist in bezug auf die Aus-dehnung der Maifeier. Aber etwas anderes sei es doch, ob mandort, wo trotz der Krise annehmbare Resultate erzielt seien, dazuübergehen sollte, zum Gaudium der Unternehmer die Maifeierdurch Arbeitsruhe abzuschaffen. Davon könne keine Rede sein.In Betracht käme auch, daß wir noch andere Demonstrationen,die Opfer kosten, zu vollziehen hätten. Schon die Rücksicht auf diepreußischen und sächsischen Wahlrechtskämpfe müßte uns abhalten,in der Frage der Maifeier abzurüsten. Parteivorstand undGeneralkommission hätten sich lediglich mit der Frage zu befassengehabt, wie die Unterstützung anderweitig zu regeln sei. Be-dauerlich sei es, daß gerade in der Zeit, wo die Verhandlungenschwebten, der Metallarbeiterverband den Zurückzieher gemachthabe. Es wäre taktisch richtiger gewesen, zu warten.Beschlüsse wurden hierzu nicht gefaßt. Als Delegierte zumParteitag) wurhen gewählt die Genossen HermannFritze. Franz Staeger, Karl Schräder sowie FritzM a r k e r als Ersatzmann.Zur Provinzialkonferenz wurden delegiert die GenossenGustav Häufer, Clajus und Ewald j u n. sowie Ger-Hardt als Ersatzmann.Für die Wahl von Delegiertinnen zum Parteitag, die dies-mal noch in einer Frauenversammlung stattfindet, beschloß dieVersammlung, die Genossin Ottilie Baader vorzuschlagen.Unter„Kreisangelegenheiten" wurden mehrere Bezirksführerbestätigt. Ferner murde beschloffen, für das Amt des Beisitzers imParteivorstand(an Stelle des kranken Genossen Eberhardt), denGenossen Hermann Werner vorzuschlagen.> Folgende Resolution wurde angenommen:„Die Versammeltenverurteilen aufs schärfste das Verhalten derjenigen Angestelltender ,.Vorwärts"-Druckerei, welche der sozialdemokratischen Parteiangehören und verpflichtet waren, den Arbeitsverdienst dest. Mai an den Maifonds abzuführen, dies aber unterlassen haben.Ferner erwarten die Versammelten, daß die dort beschäftigtenGenossen ihre Mitarbeiter durch geeignete Agitation dahin bringen,daß auch der letzte wie der gewerkschaftlichen so auch der poli-tischen Organisation angehört. Gerade in einem Betriebe wie der„Vorwärts"�Druckerei, deren Wirken nicht zuletzt dahin geht,ihren Lesern immer wieder den Wert der Organisation, in gewerk-schaftlicher wie in politischer Beziehung, vor Augen zu führen,sollte man annehmen, daß die dort Beschäftigten in erster Liniedanach handeln."*•Dritter Wahlkreis. Die Generalversammlung fand im großenSaale des Gewerkschastshauses statt. Vor Eintritt in die TageS-ordnunq wurde das Andenken der verstorbenen Mitglieder inder üblichen Weise geehrt. Dem Vorschlage des Borsitzenden, zuerstüber den Parteitag in Leipzig zu sprechen, stimmte die Versammlungzu. ES entspann sich zunächst eine kurze Diskussion über du Aende-tung des Organisationsstatuts der Partei. Zum§ 2 beantragteGenosse Ä e h r in a n n. daß man„Ortsgruppe" anstatt„Orts-verein(des Sozialdemokratischen Vereins) setzen sollte. Zur Be-gründung sührte er an. daß sich SchiviengkeiUn mit manchen Le-Hörden ergeben hätten, die unter„Ortsveremen" selbständige Gebildeannahmen und allerlei Scherereien machten. Die Versammlung er-klärte sich für die vorgeschlagene Aenderimg. �Den Änderungen, wie sie die Zentralvorstände von Groß-Berkinund Brandenburg empfohlen haben, wurde zugestimmt.Gegen den Passlis tm§ B, die freie Lieferung der„Gleichheit" andie weiblichen Mitglieder betreffend, erklärte sich auch eine Genossin.Der S 7 wurde dahin geändert, daß Absatz 2 heißen soll:.20 Pro,.der Mitglieder der Reichstagsfraktion". Im ß 12 soll Absatz 3 dahinaeändert werden, daß ein außerordentlicher Parteitag auf Antragvon mindestens 10(nicht IB) Vorständen der Bezirks- bezw. Landes-organisationen einberufen werden muß. Im K 23, den Ausschlußbetreffend, sollen die Worte„in bewuvter Wesse" gestrichen weroen,da die Schädigung der Parteiinteressen in bewußter Weisesich kaum nachweisen läßt. �.Der§28 soll folgendermaßen lauten:„Der Antrag auf Wieder-aufnähme eine? aus der Partei Ausgeschlossenen ist an den Vorstandder Bezirls- resp. Landesorganisationen zu richten, ,n dem derAntragsteller wohnt, doch haben sich diese dann mit der Organisationin Verbindung zu setzen, bei der usw._,.,Genosse Danziger wünscht, daß die zu wahlenden Delegiertenin der M a i f e i e r f r a g e und in bezug aus die H o f g a n g e r e ider schwäbischen Genossen ihre Stellung präzisieren.Der Vorsitzeilde Genosse Pohl erklarte, daß d,e Delegiertenüber die Wünsche des Wahlvereins in der Maifeierfrage wohlkeinerlei Zweifel haben dürften und demgemäß auch als Delegierteauf de», Parteitage Stellung nehmen würden. Das Verhalten derschwäbischen Hofgänger wurde von allen Rednern mehr oder minderscharf verurteilt.......Genosse W. MoebuS brachte die folgende Resolution em. diegegen eine Stimme angenommen wurde:„Die Generalversammlung des 3. Berliner Reichstagswahl-kreises erwartet vom Parteitag in Leipzig einen dahingehendenBeschluß, daß derartige Vorgänge wie sie sich unter württem-bergischen Landtagsabgeordneten abgespielt haben, für die Zukunftvermieden werden."......... �.Ein Genosse wünscht, daß die Delegierten dafür eintreten, baßder„Vorwärts" künftig nicht mehr so viel Raum zum Streit m,tden„Sozialistischen Monatsheften" verschwende. Andere Genossentraten diesen, Wunsche entgegen und hielten die Auseinandersetzungenfür notwendig.� � P�teltag wurden gewählt dieGenossen Alexander Fröhlich. Paul Jakob, Justin Braunund als Ersatzmann Gustav Müller. Als Delegierte zur Pro-vinzialkonferenz. deren Tagesordnung Genosse Gehrmann kurz be-leuchtet hatte, wurden gewählt die Genossen Gottfried Schulz.Karl Luickhardt, Gustav Müller und als ErsatzmannX 0 De 2 vorgeschlagenen 19 Delegierten zur VervandSgeneral-Versammlung wurden bestätigt.....,„Genosse Pohl erstattete bann den Geschäftsbericht des Vor-standes vom Wahlverein. Er betonte die Notwendigkeit einer regerenAgitation. Die Genossen sollten die Versammlungen fleißiger� be-suchen und sich eiftiger als bisher an allen Veranstaltimgen beteiligen.Neun Versammlungen faiiden in dem verflossenen halben Jahr statt:2 Kreislonferenzen, 12 Vorstandssitzungen, 72 000 Flugblätter ge-langten zur Verteilung. 1100 Märzzeitunaen""d 2700 Mmzeunngenwurde» umgesetzt. Am 30. Juni war der Mitgliederbestand 2030(darunter 1L8 weibliche) Genossen. Abonnenten für den„Vorwärtswurden 3100. für die„Gleichheit" IIB gezählt. 6 Genossen und2 Genossinnen gingen dem Verein durch den Tod verloren.Die Frage deS Maifeierlokals für den 3. KreiS wurde«och be-sonders lebhaft besprochen. Die VerbandS-Generalversammlunghatte beschlossen, daß der 3. Kreis im nächsten Jahre den RixdorferGenossen die„Neue Welt" zu überlassen habe. Die Funktionare habensich dann wiederum mit der Frage beschnftlgt und waren in der Mehr-zahl nicht niit dieser Entscheidung zufrieden: sie machten den Vor-schlag, der 3. Kreis soll auch fernerhin in der„Neuen Welt dieMaifeier abhalten, bis der abgeschlossene Kontralt abgelaufenist(1013). Genosse K a w i e r legte der Generalversammlung eineProtestresolution vor, die nach kurzer Diskussion zur Annahmegelangte: sie wurde mit IM gegen U Stimmen angenommen und.lautet:„Die am 3. August im Gewerkschaftshause tagende General-Versammlung des 3. Berliner Reichstagswahlkreises erhebt Protestgegen den in der am 23. März 1009 tagenden Verbands-Generalversammlung von Groß-Berlin gefaßten Beschluß, lautwelchem dem 3. Kreis das Recht abgesprochen wurde, in der„NeuenWelt" seine Maifeier abzuhalten.Die heutige Generalversammlung erklärt, sich diesem Beschlußnicht fügen zu können und erwartet, daß derselbe aufgehobenwerde.Ferner erklärt die Generalversammlung, daß der erwähnteBeschluß in die Parteigeschäste der einzelnen Kreise eingreift, diesaber nach§ 14 des Verbandsstatuts nicht zulässig ist: Z 14,Absatz 1 spricht aus, daß jeder Kreis seine Parteigeschäste selb-ständig regelt."Genosse G e h r m a n n, der vor der Annahme dieser Resolutiondringend gewarnt hatte, legte nach der Abstimmung sofort sein Amtals Mitglied des Zentralvorstandes nieder.Den Kassenbericht erstattete Genosse Albert H a r n d t. Die Ein-nahmen in dem ersten Halbjahr 1909 betrugen 9487,97 M.. die Aus-gaben 7979,80 M., bleibt somit ein Bestand von 1B08.17 M. AufAntrag der Revisoren wurde dem Kassierer Decharge erteilt.Zuletzt wurde noch ein Antrag angenommen, laut welchem denGenossen bei ihrem Ableben, wenn sie' ein halbes Jahr Mitglied desVereins waren, eine Anzeige, und wenn fie zwei Jahre Mitgliederwaren, auch ein Kranz gewidmet werden soll....Vierter Wahlkreis. Die nach Frehers Fesssälen, Koppenftr. 29,einberufene Generalversammlung war außerordentlich gut besucht.Der geräumige Saal und die Galerien waren dicht besetzt.Vor Eintritt in die Tagesordnung unterbreitet der LorsitzendeGenosse Paul Hoffmann der Versammlung einen Antrag der Kreis-konferenz, die Einführung von Urwahlen auf die Tagesordnung zusetzen. Melle begründet den Antrag. Hackelbusch und Barenthin,letzterer namens des MionsauSschusse«, bekämpften ihn vergebens.Die Versammlung stimmle dem Antrage der KreiSkonferenz zu.Barenthin referierte sodann über den Parteitag in Leipzig.Auf die letzten politischen Ereignisse, die die Arbeiterklasseschwer schädigende Wirtschaftskrise, die äußerst geringen Fort-schritte auf dem Gebiete der sozialen Gesetzgebung hin-weisend, legte Redner dar, wie außerordentlich wichtig die Auf-gaben deS diesmaligen Parteitages seien. Die Gabelfrnhstückaffärebeim König von Württemberg und die Maifeier würden jedenfallsden Parteitag beschäftigen. Hinsichtlich der letzteren sei zu hoffen,daß der Parteitag keiner Abschwächung der Maifeier zustimmenwerde. Für die Berliner Parteiorganisation von besonderer Be-deutung sei die Senderung deS Organisationsstatuts. Besonderswünschenswert sei die Beseitigung der Ungerechtigkeit, die darin be-teht, daß jeder Kreis, ob er 2000 oder 18 000 Mitglieder zahlt,>rei Delegierte zum Parteitag entsenden darf.An die beifällig aufgenommenen Ausführungen deS Referentenchloß sich eine kurze Diskussion. Darauf gelangen folgende Anträgezur Annahme:1.„Der Beschlutz deS internationalen KongresieS von Parisim Jahre 1839 ist unter allen Umständen hochzuhalten. Zudiesen, Zwecke find mindestens vier Wochen vor dem 1. Maiöffentliche Volksversammlungen abzuhalten, um die Propagandafür die Arveitsruhe intensiv zu betreiben.2. Entgegen den öffentlichen Bestrebungen in Gewerkschafts-kreisen, die Maifeier zu beseitigen resp. auf einen Sonntag zuverlegen, erklärt der Parteitag, daß nach wie vor die Arbeitsruhedie würdigste Form der Feier darstellt. Um nun dieser Feier diegrößtmöglichste Ausdehnung zu geben, wird der Parteitag beauf-tragt, noch einmal mit der Generalkommisfion in Verhandlungenzu treten zwecks Aufbringung der Gelder für die Opfer der Mai-feier."Ein weiterer Antrag an den Parteitag fordert, daß er die Ge-nosienschaftsstage behandeln soll.Der Entwurf deS Organisationsstatuts fand mit einigen Aende-rungen die Zustimmung der Versammlung, �m§ 5 soll die vorgesehene unentgeltliche Lieferung der„Gleichheit" an die weibliSenMitglieder gestrichen werden. Desgleichen im ß S die Worte„derAnwesenden", die durch die Worte„der gewählten Delegierten" er-setzt werden sollen.Nach langer, lebhafter Diskussion wurde sodann im Prinzip dieEinführung des Systems der Urwahlen beschlossen. Die beiden derVersammlung unterbreiteten Entwürfe eines Reglements hierfürwurden den Bezirken zur Beratung überwiesen. Infolge eines Be-fchluffes der Kreiskonferenz, die Vorschläge zu Parteitagswahlen auSden Bezirken entgeaenzilnehmen, anstatt wie bisher aus der General-Versammlung selbst, waren diesesmal die Vorschläge zu den De-legaiionen bedeutend zahlreicher. Zum Parteitag in Leipzig waren33 Kandidaten aufgestellt, zur Provinzialkonferenz 25 Kandidaten.Die Feststellung des Wahlergebnisses war deshalb in der Versamm-lung nicht mehr möglich. Der nicht erledigte Rest der Tagesordnungwurde einer späteren Versammlung überwiesen..*Fünfter Wahlkreis. Nach Eröffnung der Versammlung ge-dachte der Vorsitzende Friedländer der in letzter Zeit verstorbenenMitglieder, besonders des Genossen Julius Bahr, der in schwererZeit Vertrauensmann des fünften Wahlkreise? war.Zur Tagesordnung übergehend gab Friedländer einen kurzenUeberblick über die von der Provinzialkonferenz zu erledigendenAufgaben. Als Delegierte zur Konserenz wurden Hauschede,Wegner und Schönburg geivählt.Die Stellungnahme zum Parteitag wurde durch ein ReferatdeS Genossen Zucht eingeleitet. Er sagte unter anderem, derParteitag werde voraussichtlich die energische Haltung der Reichs-tagSfraktion bei de» Steucrdebatten billigen; denn die Fraktionhabe ja getan, was sie nach Lage der Sache tun konnte. Vielleichtwäre es besser gewesen, unsere Genossen hätten indritter Lesung für den Antrag Giesberts, betreffendEntschädigung der Tabakarbeiter, gestimmt, weil ja dieGegner, namentlich das Zentrum, unsere allerdingsbegründete Ablehnung des Antrages agitatorisch gegen uns aus-nützen.— Der Redner besprach den Entwurf des neuen Organi-sationsstatuts. Er billigte ihn in der Hauptsache, empfahl obereinige Aenderungen in einzelnen Punkten.— Hinsichtlich der Mai-[eier gab der Redner der Erwartung Ausdruck, daß der Parteitagiefelbe nicht abschwächen werde. Ohne ArbeitSruhe würde dieMaifeier wertlos sein. Es müsse mehr für die Arbeitsruhe agitiertwerden, dann würde sie auch eine größere Ausdehnung annehmen.— Während es bis vor kurzem schien, daß der Parteitag ruhig ver»laufen werde, habe sich doch in letzter Zeit Material zu Reibungenergeben. Das sei die Teilnahme von sieben württembergischenParteigenossen an dem Ausflug nach Friedrichshafen und demBesuch des Königs von Württemberg. Bei der Besichtigung derZeppelinschen Luftschiffbauanstalt hätten die Abgeordneten jamanches lernen können(Zwischenruf des Genoffen Friedländer:Besonders das Fliegen!), aber an dem Besuch des Königs hättensie nicht teilnehmen sollen. Doch die württembergischen Genossenkönnten sich ja auf das Beispiel der Berliner Genossen berufen, dieals Stadlvcrordnete mitgingen nach London und auch zu dem Königvon England im Schlosse Windsor. Die württcmbergischen Ge-nossen hätten keine durchschlagenden Gründe für ihr Verhalten an-führen können.Robert Schmidt, der als erster Diskussionsredner sprach,begründete die Haltung der Fraktion zum Antrage Giesberts, denndieser Antrag sei doch eine wesentliche Verschlechterung gewesennicht nur unseres Antrages, der volle Entschädigung der brotloswerdenden Tabakarbeiter und Angestellten forderte, sondern auchdes ursprünglichen Zentrumsantrages. Ucbrigens habe ja da?Zentrum mit den anderen Parteien auch gegen die von uns be-antragte Entschädigung der Arbeiter anderer Berufe gestimmt, diegleichfalls unter derSteuererhöhung zu leiden haben. Wenn dicFraktioneinstimmig beschlossen habe, in zweiter Lesung für die Erbschaft«-jtener zu stimmen, so sei das deshalb geschehen, iveil wjz leine Bei»aulassung Habeis, eine Sieüdc abzulehnen, welche den Besitzende«auferlegt rvird. Dazu komme, daß ja die Erbschaftssteuer zuunscr.xn Programmforderungen gehöre. Schärfere Mittel habe dieFraktion bei den Steuerdebatten nicht anwenden können, denn die1902 verschlechterte Geschäftsordnung mache die wirksame An-Wendung einer Obstruktion unmöglich. In der Agitation müsseimmer darauf hingewiesen werden, daß unter der Herrschaft dcSallgemeinen Wahlrechts in letzter Linie die Wähler selberdaran schuld seien, daß dem Volke so ungeheure Lasten aufgebürdetwerden.— Hinsichtlich der Maiseier sagte der Redner, er hoffe,daß die Vereinbarungen, welche neuerdings zwischen dem Partei-vorstand und der Gcneralkommissioii getroffen würden, vomParteitage angenommen werden. Diese Vereinbarungen� welchedemnächst veröffentlicht werden würden, beruhten aus der Erkennt-nis, daß die Opfer der Maifeier von der Partei und den Geiverk-schaften gemeinsam und in gleichem Verhältnis getragen werdenmüssen.— Zu bedauern wäre es, wenn die letzten Vorgänge inWürttemberg Anlaß zu erregten Debatten geben würden. Wirsollten uns daran gewöhnen, über Dummheiten, die der eine oderder andere von uns macht, hinwegzusehen. Es wäre besser, wennwir solche Angelegenheiten unter vier Augen erledigen, als daß wirdurch heftige Debatten unseren Gegnern Agitationsstoff liefern.Die weitere Debatte erstreckte sich hauptsächlich auf die Mai-feier, den Königsbesuch in Württemberg und die Frage, ob eineObstruktion bei den Steuerdebatten am Platze gewesen wäre.En gel mann meinte, die Maifeier könnte und müßte ohneUnterstützung durchgeführt werden.— Karra bedauerte daö Ver-halten der sieben württembergischen Genossen und wünschte, daßso etwas nicht wieder vorkomme.— K a u sch k e vertrat die An-ficht, die Fraktion hätte doch versuchen müssen, im ReichstageObstruktion zu machen, auch hätte ein Massenstreik von mehrerenTagen ins Werk gesetzt werden können. Wenn wir nicht alleMittel versuchen, würden wir nicht vorwärts kommen.— Thielebegründete einen Antrag, welcher fordert, daß der„Vorwärts"täglich zweimal erscheinen soll.— Huhnfleisch hälteine Regelung der Unterstützung für die Opfer derMaifeier für notwendig, er begrüßt es, daß derParteivorstand mit der Generalkommission in dieser Hin-ficht Vereinbarungen getroffen haben. Den Besuch von Partei-genossen beim König von Württemberg mißbilligt der Redner.—Z i p p e l billigte die Haltung der Fraltion bei den Steuerdebatten.Er hält die ArbeitSruhe am 1. Mai auch ohne Unterstützung fürdurchführbar und trat schließlich dafür ein, daß gegenüber solchenHandlungen wie die der sieben württembergischen Genossen sowieüberhaupt hinsichtlich der MeinungSdiffercnzen innerhalb der!Zartei Duldsamkeit geübt werde. Man sehe doch, daß mit Reso-utionen gegen die revisionistische Richtung nichts zu machen sei,man solle sie deshalb nicht provozieren.Wels bemerkte zu diesen Ausführungen: Die Revisionistenseien cS ja, welche durch ihre Handlungen die radikalen Genossenprovozieren. So handle es sich auch bei dem neuesten württem.berger Fall nicht, wie Robert Schmidt meine, um eine unüberlegteDummheit, soiidern, wie Hildenbrand gesagt habe, seien ja diesieben Genossen zum König gegangen in dem Bewußtsein, daß ihrVerhalten Unwillen in der Partei hervorrufen würde, und trotz-dem seien sie hingegangen. Die Revisionisten sollten doch derStimmung der Genossen Rechnung tragen und nicht fortgesetzt diePartei vor vollendete Tatsachen stellen, von denen sie wissen, daßunliebsame Debatten in der Partei die unausbleibliche Folge sind.— Daß die Reichstagsfraktion für die Erbschaftssteuer stimmte,sei zu billigen. Auch in der dritten Lesung hätten wir dafürstimmen müssen, denn eine cntwickelungSfähige Steuer des Be-sitzcs müßten wir bewilligen. Bei den Steuerdebatten aber hättedie Fraktion versuchen müssen, Obstruktion zu machen. Wenn derVersuch auch nicht gelungen wäre, so hätte doch daS Auftretenunserer Genossen im Sieichstage Eindruck im Lande gemacht. Da-durch würde schon während der Parlamentsverhandlungen die Er-bitterung über die neue Steuerbelastung in den Massen entfachtworden sein, die jetzt erst langsam die Massen sowohl in Arbeiter-wie in bürgerlichen Kreisen zu erfassen scheine.Hieraus wurde die Diskussion geschlossen und zum Statutfolgende Anträge angenommen: Im ß 2 soll statt„OrtLverein"gesagt werden„Ortsgruppe".— Im§ b soll der Satz gestrichenwerden, welcher sagt, daß den weiblichen Mitgliedern die„Gleich-heit" unentgeltlich zu liefern ist.— Im 12 soll gesagt werden.daß nicht 15, sondern 8 Vorstände der Bezirks- oder LandeSorgani-sationen die Einberufung eines außerordentlichen Parteitages ver-anlassen können.— Im§ 23 soll es heißen:„Auch kann der AuS-schlnß eines Mitgliedes erfolgen, wenn eS die Partciinteressenschädigt."(Die Worte„wiederholt" und„bewußt" sollen auS derVorlage gestrichen Werdern)— Der Antrag auf Ausschluß ausder Partei soll nur von Wahlkreis-. Bezirks- oder LandcS-, nichtaber(wie in der Vorlage) von Ortsorganisationen gestellt werdenkönnen.—§ 28 soll dahin geändert werden, daß ein Antrag aufWiederaufnahme eines Ausgeschlossenen an die Bezirks- oderLandesorganisation zu richten ist, in der der Betreffende wohnt,und daß sich diese Organisation dann in Verbindung zu setzen hatmit der Organisation, welche den Ausschluß beantragt hatte.— DerAntrag, das täglich zweimalige Erscheinen dcS„Vorwärts" zu ver-anlassen, wurde ebenfalls angenommen.Als Delegierte zum Parteitag wurden die Genoffen Hanisch,Gregor Wolf und Timm gewählt.Sechster Wahlkreis. Die Generalversammlung, die in denGermaniasälen abgehalten wurde, füllte den großen Saal bis aufden letzten Platz. Auch die Genossinnen waren zahlreich erschienen.Der erste Punkt der Tagesordnung, die Wahl der Dele-gierten zur Verbandsgeneralversammlung, warschnell erledigt, da die gedruckt vorliegende Vorschlagsliste der 13 Ab-teilungen mit ihren 189 Kandidaten ohne Debatte einstimmig gut-geheißen wurde. Zur Provinzialkonferenz lagen Anträgenicht vor. so daß sich auch über diesen Punkt keine Diskussion cnt-spann. Als Delegierte zur Konferenz wurden entsprechend de» Vor-schlügen der Kreiskonferenz die Genossen Rosenow, Obst undWerth gewählt.— Bei dem nächsten Punkt der Tagesordnung: D e rParteitag in Leipzig, beschäftigte die Versammlung sich ausführlich mit dem Entwurf zur Aenderung des OrganisationSstatutö derPartei. Der Referent zu dieser Angelegenheit, Genosse Ernst, wieseinleitend darauf hin, daß nicht das Statut, der Buchstabe es ist,was die Kraft der Partei ausmacht, sondern der Geist und dieTüchtigkeit der Parteigenossen, daß eS aber doch von großer Be«deutung und notwendig ist, daß die Partei sich feste Formen gibt.Der Redner begründete sodann den vorliegenden Entwurf mit dendazu von den Vorständen Groß-BerlinS und der Provinz Branden-bürg gestellten AbänderungSanträgen.— Es folgte eine rege Dis-kusflon. Zu der von den Vorständen beantragten Streichung dcSSatze? im§ 5:„Den weiblichen Mitgliedern ist die„Gleichheit"unentgeltlich zu liefern", begründete Genosse L i e b n i z einenGegenantrag des 000. Bezirks, den Satz stehen zu lassen und den§ B unverändert anzunehmen. Hiergegen wandte sich unter anderen,auch die Genossin M a t s ch k e. Wenn man bei dem niedrigenBeitrag den Frauen noch die„Gleichheit" gratis liefern wolle.bleibe kam» etwas für die Agitation übrig. DieGenossinnen wollten aber auch selbst ihr Teil zu denUnkosten der Agitation unter den Frauen beitragen.— Vom715. Bezirk lagen zwei Anträge bor; der eine zu 8 7 Absatz 2wünschte, daß die RcichStagSfraltion auf den Parteitagen durch eineDelegation vertreten werden sollte, und zwar so, daß auf je zehnAbgeordnete ein Vertreter käme; der andere Antrag hatte zumZweck, den Absatz 3 des§ 12 so zu fassen:„auf Antrag von fünf-zehn Wahl kreis vorständen usw." Genosse Strunz ver-trat diese Anträge, die dann ebenfalls in die Diskussion einbezogenwurden. Im übrigen sprachen sich im Zusammenhang mit den ve-stimmungen des Entwurfs über das Ausschußverfahren besondersdie Genössen L i e b n i tz, Gutmann und Ernst auf« schärfstegegen die Hofgängerei in Württemberg und andere revisionistischeSeitensprünge aus.— Bei der Abstimmung wurde dann ein Antragzu§ W angenommen, wonach der zweite Passus des erste» Absatzes