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nicht Bis dahin die Konflikte zu den UnternehmerBedingungen Be­endet seien. Diesen Aussperrungen sollten weitere Lockonts folgen. Die Gewerkschaften Schwedens   beschlossen auf einer Vorstände- konferenz, die Friedensverhandlungen weiterzuführen, auf die Ver- wirklichung der Generalaussperrung am 26. Juli und 2. August aber mit der allgemeinen Arbeitseinstellung aller Gewerkschaften am 4. August zu antworten. Von der Arbeitsniederlegung sollen unberührt blerbcn die Arbeiter, die bei der Wartung kranker Menschen, bei Pflege der Tiere und bei der öffentlichen Beleuchtung, Wasserversorgung und Reinigung beschäftigt sind. Jede statuta- rische Unterstützung während dieses Kampfes wird eingestellt; die vorhandenen Mittel bleiben reserviert, um der dringendsten Not zu steuern. Den in Arbeit verbleibenden Mitgliedern wird ein hoher Extrabeitrag auferlegt. Die Aussperrungen am 26. Juli und am 2. August find dem Programme des Ardeitgebervereins gemäß erfolgt, worauf der allgemeine Abwehrstrcik der Gewerkschaften am 4. August seinen Anfang nahm. 83 666 Arbeiter sind ausgesperrt; 256 666 dürften insgesamt am Kampfe beteiligt werden. Die Landeszentrale der Gewerkschaften Schwedens   ist sich voll- ständig klar darüber, daß ein Kampf von solcher Ausdehnung in kürzester Frist entschieden sein muß, und daß selbst die größten verfügbaren Mittel nicht ausreichen würden, alle Kämpfer genügend unterstützen zu können. Gleichwohl appelliert sie an die Solidarität der organisierten Arbeiter aller Länder, ihre Brüder in Schweden   in diesem ihnen auf- gedrungenen Kampfe nach besten Kräften zu unterstützen. Denn ein Riesenkampf, wie dieser, hinterläßt selbst bei kürzester Dauer tiefe Wunden- Die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands   hat unverzüglich alle Schritte eingeleitet, um diese Hilfe ins Werk zu setzen und die Vorstände der Zentralver- bände haben dem Antrage der Generalkommission auf sofortige Einleitung einer Sammlung für die kämpfende schwedische Arbeiter- schaft zugestimmt. Wir richten nunmehr an die organisierte deutsche Arbeiterschaft die dringende Bitte, rasch und willig zur Unterstützung ihrer Kampf- genossen in Schweden   beizutragen. Keiner entziehe sich dieser Pflicht der Arbeitersolidarität. Die Gewerkschaftskartelle werden ersucht, die Sammlung an ihrem Ort zu zentralisieren. Alle Geldsendungen sind zu richten an H. Kube, Berlin   80. 16, Engrlufer 14. Auf den Post- abschnitten ist anzugeben, daß der Betrag für Schweden   be- stimmt ist. Mit Gruß Die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands  , C. Legten. Zar aller Reußen und Preußen! Bekanntlich hatte Nikolaus der Blutige das Bedürfnis empfunden, auf seiner letzten Reise deutschen   Boden und deutsche   Gewässer zu berühren. Wie die deutschen   Arbeiter über dieseEhre" dachten, hat ja die Protestresolution be- wiesen, die die zu Zehntausend versammelten Kieler   Arbeiter einstimmig angenommen hatten: Eine Resolution, die mit aller Ungeschminktheit dem Abscheu des arbeitenden deutschen  Volkes vor dem blutigen Henker des russischen Volkes Aus- druck gab. Es versteht sich am Rande, daß Nikolaus der Blutige sich höchst unsicher fühlte und alle Vorkehrungen treffen ließ, um sein teures Leben zu schützen. Was aber von deutschen Zivil- und Militärbehörden an Maßregeln zum Schutze des unerbetenen Gastes geleistet wurde, über- trifft alles, was die kühnste Phantasie sich an Seltsamkeiten und an Belästigungen des deutschen Publikums auszumalen vermag. Was das deutsche   Volk sich dieses Blutmenschen wegen ge- fallen lassen mußte, verdient wirklich für den künftigen Kulturhistoriker aufbewahrt zu werden. Um sich von den Strapazen und Aufregungen der See- reise zu erholen, machte der Zar in der Eckernförder Bucht  einen Abstecher nach dem Gut He mm el mark. Ueber diesen Besuch melden dieKieler Neuesten Nachrichten", ein sthrigens höchst loyales und hyperpatriotisches Blatt: In Hemmelmark vollzieht sich der Besuch der Zarenfamilie inzwischen in aller Abgeschlossenheit. Der Sicherheitsdienst wird in strengster Form ausgeübt, auf dem Lande von Gens» idarmerie, Seesoldaten und zahlreichen Geheim- p o l i z i st e n, auf dem Wasser von dem KreuzerUndine" und mehreren patrouillierenden deutschen   Tor» pedobooten. Der Ruder- und Segelverkehr auf der ganzen Eckernförder Bucht   ist untersagt. Dieses erregt berechtigtes Mißfallen der Bevölkerung." Die Vorsichtsmaßregeln warm mit einer derartigen Sorgfalt getroffen, daß, nach der Meldung der genannten Zeitung, selbst der Landrat Freiherr von der Recke über die Landungsart im unklaren gelassen war. Der Landrat harrte vergebens des Zaren, der sich auf einem anderen Wege schleunigst ins Schloß Hemmelmark ge- flüchtet hatte. In einem anderen Artikel schreiben die Kieler Neuesten Nachrichten": Die Sicherheitsmaßregeln waren übrigens staunen. erregend. Alle Organe, die dafür zu sorgen hatten, daß der Zar mit heiler Haut von bannen kam, müssen erleichtert auf» atmen. Der Welt um den Zaren herum war für eine Weile Stillstand geboten. Die F i s ch e r in Eckernförde   konnten während seines Aufenthaltes in der Bucht n i ch t f i s ch e n. Da konnten sich wirklichdie Flundern wundern". Auf dem Felde zwischen Borbh und Hemmelmark herrschte unfreiwillige Sonn. t a g s r u h e. Jeder friedliche Bürger und es gibt sicherlich keine Bombenwerfer unter unseren biederen Holsten an der Waterkant mußte sich legitimieren, wenn er über den Straßen» dämm ging." Einem uns zur Verfügung gestellten Privatbrief ent» nehmen wir noch folgende Einzelheitm über die zum Schutze des Zaren getroffenen Maßregeln: Während des Zarenbesuches wurde die JachtS t a n- dart" bewacht von dem russischen KreuzerAdmiral Makarow" und zwei russischen Torpedobooten sowie von dem deutschen KreuzerUndine" und vier Torpedo» booten, die sich im Kreise um die Zarenjacht verankert hatten. Abwechselnd patrouillierten Torpedoboote und Pinassen um denStandart" herum. Alle Privat» und Fischerboote wurden zurückgewiesen, und als die Fischer auf dem deutschen Kreuzer um die Er» laubnis baten, ihre Netze einziehen zu dürfen, wurde ihnen eröffnet, daß die Netze schon gezogen wären; sie befanden sich an Bord des deutschen   Schiffes und zwar gänzlich durcheinander gewühlt, so daß sie einst- weilen unbrauchbar waren. Wo immer ein Netz sich zeigte, war es fortgenommen. Jedenfalls hat man an- genommen, es könnten im Wasser statt Netze verankerte Minen vorhanden sein. Lächerlich so etwas! Wer aber bezahlt nun den Fischern den Verlust an Netzen, Fang und Zeit?... In Borby  , das als Badeort auf Fremdenverkehr an- gewiesen ist, wurde den Vermietern aufgegeben, d r e i T a g e lang keine Fremden zu beherbergen. Natürlich verließen die Badegäste den Qrt. Uber mit der einfachen Versicherustg, es seien keins Fremden im Haus, begnügte sich die Polizei nicht; sie hat bei einem Tischler in der Werkstatt die Hobelspäne durchsucht; bei einem Bauer den Backofen nachgesehen und selbst die Viehställe mit ihrem Besuch nicht verschont. Fischer, die ihre Netze zum Trocknen aushängen wollten, wurden vom Strande   fortge- jagt. Ueberhaupt waren die Fischer die Hauptleidtragenden; sie durften die Förde nicht befahren: ihre Netze waren ruiniert; an den Strand konnten sie nicht kommen, und so- bald sie Badegäste im Logis hatten, mußten sie diesen kündigen. Wer kommt für diesen Schaden auf? Die Stimmung für den Selbstherrscher ist selbst unter den harmlosesten Spießbürgern eine derartige, daß man das be- kannte platte deutsche Wort anwenden könnte:Wie seht leewer sin Hacken als sin Tee n"." Diese ungeheuerlichen Verkehrshinderungen und Frei- heitsberaubungen fanden ihre Fortsetzung, als die Zarenjacht ihre Reise ein paar Tage darauf durch den Kanal von Holtenau   nach Brunsbüttel fortsetzte. Ueber die Sicherheitsmaßregeln berichten wiederum die hyper- patriotischenKieler Neuesten Nachrichten" folgendermaßen: Zur Bewachung des Kaiser-Wilhelm-Kanals waren außer je zwei Schwadronen der Wandsbeker und der Schleswiger Husaren sowie dem in Schleswig   garnisonierenden Bataillon des Schlcswig-Holsteinischen Infanterieregiments Nr. 84 auch das Schleswig-Holsteinische Infanterieregiment Nr. 163 in Neu- Münster   herangezogen worden. Abgesehen von den Streif- Patrouillen waren alle Zugangsstraßen nach dem Kanal von Unter- offiziers- und Doppelposten besetzt, die Hochbrücken mit Offiziers- Posten; auch wapen sämtliche Privatschiffe, die im Kanal lagen, mit Militär besetzt. Am Kanal(der eine Länge von zirka 166 Kilometer hat, Anmerkung der Redaktion) standen alle 866 Schritt Posten von je 3 Msann und zwischen je zwei benachbarten Posten patrouillierte ein Soldat hin und her, während außerdem die HusarendieFlotilledenganzenKanalentlang zu beiden Seiten reitend eskortierten. Für den allgemeinen Verkehr war der Kanal gesperrt.... AuS privaten kaufmännischen Bureaus am Kanal mußte das Personal sich entfernen, um seine Schemel und Schreibtische Geheimpoli- zisten einzuräumen. Ganze Bataillone von Militär waren in der Kakiuniform hinter den Büschen postiert, um ungesehen vom Zaren schützend über ihn zu wachen. Schritt für Schritt wurde derStandart" von patrouillierenden Trupps auf der Kanalfahrt weiter signalisiert, und kein Schiff durfte sich von Brunsbüttel bis Holtenau   blicken lassen, während sich das Ereignis der Zaren- fahrt vollzog." Es ist geradezu unerhört, daß Tausende von deutschen  Soldaten in Bewegung gesetzt werden, um das gekrönte Haupt der schwarzen Banden zu schützen, daß Tausende und Abertausende von deutschen Bürgern in ihrer freien Bewe» gung, ja sogar in ihrem Broterwerb behindert werden, nur damit der Zar deutschen Boden betreten, deutsche Gewässer kreuzen kannl Das deutsche   Volk verzichtet mit tausend Freuden auf solchen Besuch. Wenn aber schon einmal der Mann, der durch seine Kreaturen sogar auf deutschem Boden russische Freiheitskämpfer überwachen, hetzen und der beut- schen Polizei zur Ausweisung denunzieren läßt, das Recht der Gastfreundschaft für sich in Anspruch nehmen will, so mag er dies auf seine eigene Gefahr tun. Wir pro- testieren mit aller Entschiedenheit dagegen, daß auch nur e i n deutscher Soldat in Bewegung gesetzt, nur ein Pfennig aus Staatsmitteln dafür verschleudert wird, das Sicherheits- gefühl des vom bösen Gewissen gepeinigten Mörders der russischen Freiheit zu erhöhen I Kelter nicht; 17 Gegen den Mielczhner Poftot Breithaupt hat nun endlich der Berliner Magistrat sich zu einer Entschließung aufgerafft, die wenigstens so aussieht, wie wenn es diesem Mann doch noch an den Kragen gehen sollte. Ab- gesehen von dem Beschluß, der Mielczhner Anstalt nur noch die leichter zu behandelnden Zöglinge zu belassen und die Strafbefug» nisse des Leiters einzuschränken und durch genaue Bestimmungen festzulegen, will der Magistrat bei der Verwaltung des Fürsorge- stiftes Mielczhn darauf bestehen, daß der derzeitige Anstaltsleiter Pastor Breithaupt möglichst bald abberufen werde.»Es mag zugegeben werden, daß so sagt eine aus dem Rathaus stammende Mitteilung, die wir der Boss  . Ztg." entnehmen nur ein mißverstandenes Pflichtbewußt- sein des Anstaltsleiters zu den Ueberschreitungen geführt und daß seine Maßnahmen von dem Glauben an die Wirksamkeit solcher Zuchtmittel und von der Ueberzeugung. daß andere Mittel ohne Wirkung bleiben würden, geleitet worden sind. Allein, es ist nicht zu verkennen, daß die Ueberschreitungen so gröbliche gewesen sind, daß eine weitere gedeihliche Einwirkung aus die Zwecke der Anstalt von dem jetzigen Leiter der Anstalt nicht mehr erwartet werden kann." Wenn der Magistrat seinen Wunsch, Breithaupt abberufen zu sehem den für die Anstalt Mielczyn maßgebenden Persönlich­keiten in ebenso zarter Form vorträgt, wie in dieser Notiz die Taten des Herrn Pastors immer noch beschönigt werden, dann wird dem Herrn Pastor wohl kein Härchen gekrümmt werden und nach wie bor   wird er Leiter der Mielczhner Anstalt bleiben dürfen. Fast könnte man daran zweifeln, ob der Magistrat selber ernstlich darauf rechnet, daß feinem Wunsch Erfüllung werde. Besser wär'S schon, er machte reinen Tisch mit diesen ostmär. kischen GermanisierungSleuten und forderte Auflösung des Vertrages, den Berlin   mit dem dortigen Evangelischen Ver» ein für Waisenpflege geschlossen hat. Und auch das sollte der Ma- gistrat von Berlin   als eine selbstverständliche Pflicht ansehen, daß er die Staatsanwaltschaft um ein Einschreiten gegen Breithaupt zu ersuchen hat, damit möglichste Klarstellung des Sach» Verhaltes erreicht werden kann. Von Vertragsauflösung will der Magistrat nichts hören; er erklärt diean sich gewiß beklagens- werten" Vorkommnisse aus Fehlern, die bei Neueinrichtung der Anstatt gemacht seien, aber künftig vermieden werten könnten. Auch die Staatsanwaltschaft wird er nicht bemühen wollen; er selber bescheinigt ja seinem Breithaupt das»mißverstandene Pflicht- bewußtsein". Einstweilen muß daher dieliberale" Berliner  Stadtverwaltung immer noch den Vorwurf hinnehmen, daß ihr mit einer Vertuschung der Wahrheit über Mielczyn gedient sei. Ja, einstweilen muß sie andererseits sich auch von dem Pastor Breithaupt bieten lassen, daß dieser Mann die von der Ber  - liner Kommission geführte Untersuchung als parteiisch verdächtigt. Der frcundwillige Beistand, den er bisher in Berlin   fand, hat ihm den Mut so gestärkt, daß er sich erkühnt, in einem denPosencr Neuesten Nachrichten" übe» sandten Brief anzudeuten, die vom Magistrat geführte Untersuchung sei nicht einwandfrei gewesen, man habe ja nur B e lastungszeugen gehört, nur solche Zöglinge, dieinfolge der erlittenen Züch» tigungen begreiflicherweise in den schwärzesten Farben mallen". Pastor Breithaupt im Lichte der verfolgten Unschuld jawohl, so mußte es kommen! Zum Schluß wettert er übrigens gegen die Feinde jeder staatlichen Ordnung", dieVerhöhner christlicher Zucht", dieVerächter der Vaterlandsliebe", dieBcgeiferer alles dessen,' was auf Gesundung der Gesellschaft abzielt", diePar- tei des Umsturzes". Da wird der liberale Berliner   Ma- gistrat ihm versöhnt die Bruderhand reichen. politische(leberticht. Berlin  , den 7. August 1903. Der neue sozialpolitische Kurs. DieBerliner Börsenzeitung" stellt es als ganz sicher hin, daß dem Reichstage bei seinem Wiederzusammentritt wiederum eine GewerbeordnungSnovelle zugeht. Die weiteren Ausführungen des Blattes lassen aber erkennen, daß nicht die Getverbeordnungs- Novelle wieder eingebracht werden soll, die in einer Kommission dcS Reichstages eine gründliche Borberatung erfahren hat, sondern eine andere Novelle. Es solle geregell werden: die Schanlkonzessionsftage, in Verbindung mit der Zulassung weiblicher Bedienung, eine Regelung der Marktverkehrsbestimmungen und der Konzessionen für Singspielhallen und ähnliche Unternehmungen. Die Beschlüsse der Kommission zur GewerbeordnungSnovelle sind von dem damaligen Staatssekretär des Innern, Herrn v. Bethmann Hollweg  , dem jetzigen Reichskanzler, als unannehmbar bezeichnet worden, und der Druck der Unternehmer auf die Regierung ist offenbar so groß, daß endgültig darauf Verzicht geleistet wird, diese für die Arbeiterschaft so überaus wichtige Gewerbeordnungsnovelle wieder einzubringen. Man beachte dabei das Spiel mit Motten: Zuerst wurde be- behauptet, die Gewerbeordnungsnovelle werde nicht wieder ein- gebracht, dann wurde halbamtlich erklärt, diese Meldung beruhe auf Erfindung, denn eS werde dem Reichstage wieder eine Gewerbe- ordnungsnovelle zugehen. Jetzt stellt sich heraus, daß letzteres zwar richtig ist, daß die nun dem Reichstage zugehende GewerbeordnungS- Novelle aber ganz andere Materien behandelt, als die im Reichstage bereits durchberatene und durch den Schluß der Session nun unter den Tisch gefallene Gewerbeordnungsnovelle behandelt hat. -j Zentrumsarbeiter gegen den Abgeordneten Giesberts. Der Abgeordnete GiesbertS hat bekanntlich hinter verschloffeneu Türen den Zentrumsvertrauensleuten Bericht über seine Tätigkeit bei der Reichsfinanzreform erstattet. Die Essener ZentrumSblättcr berichteten über diese Rede anderthalb Zeitungsseiten, die Diskussion unterschlugen sie vollständig. Jetzt erfähtt em nationalliberales Essener Blatt aus dieser Sitzung folgendes: Fast alle Redner gingen mit Herrn GieSBetts hatt ins Ge­richt; besonders scharf wurde er von den Gewcrkschaftssekretäreu Strunk und Bissel angegriffen. Man machte dem Essener Ab- geordneten den Vorwurf, daß die Arbetterintereffen in der Zentrumsfraktion nicht gewahrt worden seien. Ueberhaupt neige die Partei zu sehr nach rechts. Heute gäbe es nicht mir evangelische Konservative, sondern auch zahlreiche katholische Ab- geordente konservativer Couleur. Statt mehr Arbeiterabgeordnete zu wählen, stelle man einen Adligen nach dem anderen auf. Die Stellungnahme Giesbetts habe der ZentrumLpattei im hiesigen Wahlkreise sehr geschadet. waS die nächsten Wahlen beweisen werden. Herr GieSBetts erklärte auf diese Vorwürfe u. a., daß ihn, die heutige Politik schon lange keine Freude mehr mache. Wenn man meine, daß er gefehlt und der Partei geschadet habe, so solle man bei der nächsten Wahl ruhig einen anderen Kandidaten stellen. Ihm selbst und seiner Familie würde es nur erwünscht sein, wenn er die Last des Mandates nicht länger zu tragen brauche." Die vier Berliner   Landtagsersatzwahlez» im 5., 6., 7. und 12. Berliner   Landtagswahlbezirk finden, wie wir bereits gestern mitgeteilt haben und heute auch eine offizielle Bekanntmachung des Berliner   Magistrats mitteilt, an den von uns bereits mitgeteilten Terminen statt. Die Wahlmännerwahlen werden bekanntlich beretts am 26. Oktober vorgenommen werden. Der Freisinn hat unlängst bereits für den 12. Berliner   Landtagswahlkreis ein Flugblatt verbreitet. Die Vorbereitungen für die Wahl und der Wahlkampf werden demnächst wohl lebhafter einsetzen. Pflicht der Ge- nassen ist es. schon jetzt mit allen Mitteln und bei allen Gelegenheiten die Wahl- agitation zu betreiben! Talonsteuer Schuldensteuer. Die Talonsteuer wird nicht nur vielfach umgangen, sie ist auch in den allermeisten Fällen eine bloße Schuldensteuer, nicht eine Steuer auf den Besitz. So hat der Stadtrat in Karlsruhe   beschlossen. die Couponsteuer für seine Kommunal-Obligationcn bei der Ausgabe selber zu enttichten. DaS Zentralblatt, der»Beobachter", hatte den Stadtrat deshalb angegriffen und die Entttchtung der Steuer von den Inhabern der Schuldverschreibung im Interesse der städtischen Steuerzahler verlangt. In einer Zuschrift an denBeobachter" teilt nun Oberbürgermeister S i e g r i st mit, daß die Städte gar keine rechtliche Möglichkeit hätten, anders zu verfahren. Denn die Stempel- abgäbe sei zu entrichten, bevor die ZinSbogen ausgegeben werden, und müßten den zu dem Zwecke der Abstempelung befugten Amt!- stellen vorgelegt werden. »Nach den Bedingungen", heißt eS dann wörtlich,»der bestehenden Anlehen ist die Stadt verpflichtet, auf Vorlage der Talons neue Couponbogen für zehn Jahre»kostenftei' auszufolgen. Da nun auch das Gesetz der Stadt nirgends das Recht gewährt, von den Besitzern, der Schuldverschreibungen Ersatz der vom Gesetz dem Ausgeber auferlegten Steuer zu verlangen, so hat die Stadt keinerlei recht- liche Handhabe, diesen Ersatz von den Besitzern der Schuld- berschreibungen zu erwirken: wollte sie es gleichwohl versuchen. so würde sie sicherlich bei jedem Gericht damit abgewiesen. Denn die Gerichte werden eben nach dem Gesetz und nach dem Dar- lehensvertrag entscheiden müssen und keine Rücksicht aus die politische Erwägung nehmen können, daß das Gesetz unter diesen Umständen keineBesitz"-, sondern eine»Schulden»- Steuer auferlegt. Formell anders liegt die Sache bei den künftigen Anlehen. Hier besteht wohl die rechtliche Mög- lichkeit, in den AnlehenSbedingimgcn zu bestimmen, daß die Er- Werber oder Besitzer der Schuldverschreibungen der Stadt Coupon-(Talon-) Steuer zu ersetzen haben. Die Stadt- Verwaltungen müßten aber sehr unerfahrene und unkluge Ge- schästsleute sein, wenn sie übersehen würden, daß die Stadt da- von nicht nur keinen Vorteil, sondern bedeutenden Nachteil haben würde. Denn selbstverständlich würde die Steuerpflicht der Coupon? nicht nur den Uebernahme-Kurs der städtischen Anlehen drücken und zwar aller Wahr- scheinlichleit nach um mehr, als die Steuer aus- macht. sondern sie würde das Publikum auch vor dem Ankauf der städtischen Schuldverschreibungen abschrecken, was wieder auf den Tageskurs drücken würde. Die Stadt kann also im wohlverstaudencii eigenen Interesse und somit in dem de,' städtischen Steuerzahler nichts besseres tun, als auch hier in den sauren Apfel beißen und die Couponsteuer auf sich behalten; sie wählt dabei von zwei Uebeln das kleinere. Zum gleichen Ergebnis ist man meines Wissens auch in allen anderen Städten