81.185. 26.»Ä 1. Ktllllßt iles„Alllllllllts" Dtllilltl Dllllisltlilt!. NiMch.l1.AMlM.16. Jahresversammlung des Zentralverbandes der Orts-liraukenkasseu im Deutschen Deiche.Bremen, den S. August.� Zweiter Tag.In der Nachmittagssitzung referierte Kassenrendant AlbertKohn-Berlin über die Vorschläge des ReichsversicherungsentwurfszurVersicherung der Landarbeiter, Dienstboten, Heimarbeiterusw.:Die Ausdehnung der Versicherung auf die Landarbeiter habenicht überrascht. Die Regierung komme nur zu dieser von derSozialdemokratie seit Jahrzehnten verlangten Ausdehnung derVersicherung, um die Armenkassen zu entlasten. Leider werden dieerwähnten Personengruppen vielen.Ausnahmebestimmungen in derDurchführung unterstellt- So sind ihre- Ansprüche geringer(teil-weise haben sie nicht einmal Anspruch auf Krankengeld) mitunterhaben sie die Beiträge selbst zu zahlen, wobei sie im Falle derSäumigkeit überhaupt keine Ansprüche haben sollen usw. Es seisehr bedauerlich, daß den Landarbeitern nicht das Selbstverwal-tungsrecht eingeräumt sei; dadurch werde die Landflucht selbstver-ständlich noch bedeutend größer werden. Der Redner forderte zueinem Protest gegen die Bestimmungen bezüglich der Dienstboten-Versicherung aus. Nach diesen Bestimmungen habe der Dienstherrzu entscheiden, ob der erkrankte Dienstbote in ein Krankenhaus zubringen sei. Bekanntlich herrsche gerade unter den Dienstbotenvielfach die Tuberkulose, die, wenn sie in den ersten Stadien be-handelt, zumeist heilbar sei. Bei derartigen Erkrankungen seiaber die Arbeitsunfähigkeit äußerlich meist nicht erkennbar. Deran Tuberkulose erkrankte Dienstbote werde daher in den seltenstenFällen rechtzeitig dem Krankenhause überwiesen werden. Manmüsse ferner protestieren, die Heimarbeiter in die Landkassen ein»zureihen, die Heimarbeiter gehören in die Ortskrankenkasse. Letzteregelten aber als„sozialdemokratisch verseucht". Die Regierungsträube sich deshalb, die Heimarbeiter in die Ortskrankenkasseneinzureihen. An dieser Stelle solle nicht Politik getrieben werden.Er glaube aber, sagen zu dürfen: Trotz aller Vorsichtsmaßnahmenwerde es der Regierung nicht gelingen, eine Scheidung der Heim-arbeiter von den Industriearbeitern auch nur für einige Zeitaufrechtzuerhalten. Die Art, wie gegen die Hilfskassen vor-gegangen wird, beweise, daß man alles Licht den Arbeitgebern,allen Schatten den Arbeitnehmern zuerteile- Die Delegiertenwerden jedenfalls mit dem festen Vorsatz in die Heimat zurück-kehren, daß. was auch geschehen möge, das Recht der Selbstverwal-tung der Lll Millionen versicherten Arbeiter nicht schmälern zulassen.Der Redakteur der..Krankenkassenzeitung". Sydow-Berlin,spricht sodann über dieBeziehungen der Versicherungsträger zueinander und zu anderenVerpflichteten und das Spruchverfahren.Redner spricht über die Ansprüche der Kassen an die Berufsgenossen-schaften, wenn sie einen Verletzten länger als 13 Wochen unter-stützen; über die neuen Versicherungsämter usw. Die Recht-sprechung in der Arbeiterbersicherung soll eine durchgreifende Um-gestaltung erfahren. So soll zwar die Erledigung der Streitfälleaus der Krankenversicherung dem allgemeinen Spruchverfahrenangegliedert, dagegen soll die Wirksamkeit des Reichsversicherungs-amtes sehr beschränkt werden. Letzteres ist sehr nachteilig für dieVersicherten. Redner kommt zu dem Schluß, daß es richtiger sei,den seitherigen Zustand zu behalten, als die Verbesserungen ein-zuführen.Beide Referate fanden die Zustimmung der Versammlung.Bremen, den 10. August.Dritter Tag.(Telegraphischer Bericht.)Die gestern wegen des schweren Gewitters abgebrochenen Ver-Handlungen wurden heute wieder aufgenommen. Auf der Tages-ordnung stand ein Antrag der Ortskrankenkasse für den Gewerbe-betrieb der Kaufleute, Handelsleute und Apotheker zu Berlin über„Die prophylaktischen Aufgaben der Krankenkassen".Referent war der Geschäftsführer der genannten Kasse, AlbertKohn-Berlin. Der Redner forderte in erster Linie die Einführungder Familienversichcrung. Alle anderen Forderungen seien nurStückwerk, bis diese Forderung erfüllt sei. Ferner sei einzutretenkleines f eullUton.Deutschland, wahre deine herrlichsten Güter. Daß das Straß-burger Münster und ähnliche Kleinigkeiten noch am alten Platzestehen, ist nur der imnier noch mangelhaft entlvickelten Technik zudanken. Pierpont Morgan und andere amerikanische Milliardäre, diejetzt in Kunst machen wie zuvor in Eisenbahnen, Stahl und Menschen-leben, hätten sie sonst längst angekauft und heimlich oder offenüber die Grenze gebracht. Warum auch nicht. In der kapitalistischenGesellschaft ist alles Ware. Wer Geld genug hat,kann alles kaufen: Namen, Titel, Ehre, berühmte Schauspielerinnenoder alte Kunstwerke. Was man früher mühsam erstnach errungenen Siegen zusammenstehlen konnte— die Römer nndzuletzt Napoleon haben diese Sammlermethode besonders entwickelt— kauft man jetzt. DaS ist viel einfacher und sicherlich ein Fort-schritt. Es ist sicherlich nur ein europäisches nationales Vorurteilund ein Mangel an Konkurrenzfähigkeit, wenn unsere MuseumS-direkteren sich darüber entrüsten. Der Berliner Generaldirektor Bodehat eben einen geharnischten Protest gegen die amerikanische Methodeerlassen. Pierpont ist ihm bei verschiedenen deutschen Fideikommiß-besitzern zuvorgekommen und hat eben durch einen etwas hoch-staplerischen Trick einem rheinischen Pfarrer anS seiner Kirche schönealte Elfenbeinbildwcrke entführen lassen. Versteht sich für gutesGeld. Aber gegen den Willen der Aufsichtsbehörden— unddes Herrn Bode. Die Kirche braucht eben Geld, so gutIvie die Söhne der alten Familien, die ihre Kunstsammlungenverramschen. Denen kann eS ja schließlich gleichgültig sein, ob dieSachen nach Berlin oder nach New Bork kommen. Die Amerikanerzahlen am besten. DaS ist die Hauptsache. Warum soll der einzelneplötzlich ein Gesetz nicht befolgen, das die Welt regiert und da?einzige Prinzip unserer Gesellschaftsordnung ist: Verkaufe, so teuerdu kannst? Ethische, nationale und sonstige ideologische Bedenkenhat der siegreiche Kapitalismus längst unter die Füße gestampft.Es ist eine vielleicht bittere, aber durchaus logische Konsequenz desallgemeinen Warengesetzes, wenn der Meistbietende recht behält.Und wir profitieren ja tn Italien und anderswo auch davon. Sichüber den Kapitalismus und seine notwendigen Folgeerscheinungenzu beschweren, steht nur dem zu, der ihn grundsätzlich bekämpft undaufheben will.Die Skulptur im Freilicht. Deutschland ist das Land der Denk-mäler geworden. Und doch gibt es kaum ein Land, in dem solvcnig gute, der Umgebung angepaßte und auf die Wirkung vonLicht und Luft eingestimmte Skulpturen stehen. Bei uns gilt nichtdas Kunstwerk, sondern der patriotische und sonstige Zweck, und esist eine große und seltene Ausnahme, wenn es einen: Künstlergelingt, in dem Mummenschanz der Kleiderpuppen künstlerischeWirkungen zur Geltung zu bringen. Wie ein großer schaffenderKünstler seine Freiskulpturen empfindet, mag man auS einem mitR o d i n, dem genialen französischen Plastiker. geführten Gespräche, sehen, daS Otto Grautoff in den»Münch. N. Nachr.' wiedergibt.'für die Zentralisation der Kasten und gegen die heute bestehendeZersplitterung, weil nur große Gebilde den gestellten Forderungenentsprechen können- In die Macht der Kranlenkasse müsse gestelltwerden, die Tätigkeit der gewerbehygienischen Polizei zu unter-stützen, wobei wir die Mithilfe der Aerzte nicht entbehren wollen.Denn es ist für uns nicht gleichgültig, welche praktischen Schutz-Vorrichtungen getroffen sind und ob die Arbeitsräume den hygieni-schen Anforderungen entsprechen. Wir haben unser Augenmerkzu richten auf die Wöchnerinnen- und Säuglingsfiirsorge, aus dieGewährung von Stillprämien und auf die Milchfürsorge. Wennauch die Schule in erster Linie die Pflicht hat. die Seele des Kindeszu pflegen, so hat sie doch auch auf die Gesundheit ihre Aufmerk-samkeit zu richten. Die Frage des Schularztes, der Zahnpflege,der Schulbäder und der Schulspeisungen liegt mit in unseremInteresse. Wir werden einen Zusammenhang mit den Schul-ärzten finden müssen, um die Akten von Kindern zu erhalten, dawirkliche Krankheitenbekämpfung nur möglich ist in hygienischeinwandfreien Wohnungen. Solange wir ein Wohnungsgesetz nichthaben, werden wir die bestehenden Mißstände öffentlich feststellenund auf Abhilfe drängen! Profestor Rubens hat auf dem letztenBerliner Tuberkulosenkongreß in flammenden Worten zur Be-kämpfung der schlechten Luft aufgefordert. Es ist richtig, unterden gegenwärtigen Wohnungsverhältnissen werden von denKrankenkassen Millionen ausgegeben, die durch die schlechten Woh-nungen keinen Nutzen bringen können. Damit im Zusammenhangsteht die Bekämpfung des allgemeinen Schlafstellenwesens und dieFörderung der Ledigenheime, wie sie in England, neuerdings inItalien und in Charlottenburg eingerichtet sind. Die Bestre-bungen der Baugenossenschaften und der Gartciistadtbewcgung sindzu unterstützen. Ob es möglich sein wird, hierfür Mittel aus demReservefonds der Krankenkasten zu bewilligen, wird einer ernstenPrüfung zu unterziehen sein. Die kostenlose Desinfektion vonWohnungen bei Auftreten von Krankheiten ist zu erweitern. Diebisherige Desinfektion ist nicht ausreichend. Bei Tuberkulose-erkrankungen wird nur dann desinfiziert, wenn ein Todesfall bor-gekommen ist. Wenn, wie dies vielfach üblich ist, der Kranke inden letzten Tagen oder Wochen in ein Krankenhaus gebracht wird;,bleibt die Wohnung undesinfiziert. Redner streifte sodann dieFrage der Lebenshaltung der Arbeiter. In Stuttgart habe sichheftiger Widerspruch erhoben wegen der Einreichung einerPetition gegen die Erhöhung der Kornpreise. Es unterliegt aberkeinem Zweifel, daß die Verschlechterung der Lebensweise ihrenNiederschlag findet in den Krankenlisten der Kassen. An der Nah-rungsmittelbehandlung haben wir besonderes Interesse. Es istnicht gleichgültig, ob die Nahrungsmittel in dumpfen Räumen auf-bewahrt werden, und ob der Verkäufer an ansteckenden Krank-heiten leidet oder mit Frostbeulen bedeckten Händen die Nahrungs-mittel einpackt. Weiter müssen wir die Bekämpfung der Geheim-mittel unterstützen- Die Errichtung von Bolksbädcrn ist energischzu fördern. Die Verabreichung von medizinischen Bädern soll nichtGegenstand gewinnbringender Unternehmungen sein. Das gleichegilt für die Errichtung von Licht- und Sonnenbädern. DieHerausgabe von populären Schriften, wie sie von der General-kommission in Berlin, von der Reichskommission für Kranken-Wesen in Oesterreich begonnen wurde, ist zu unterstützen. Fernermuß durch kostenlose hygienische Vorträge hygienische Kultur inweite Kreise getragen werden. Es kommt hinzu die Ausdehnungder Hauspslege. Der kranken Hausfrau muß es möglich gemachtwerden, den ärztlichen Anforderungen nachzukommen und die vor-geschriebene Diät zu halten. Die Bestrebungen, die sich auf Be-tämpfung der Tuberkulose, der Geschlechtskrankheiten und desAlkoholmißbrauchs beziehen, sind zu unterstützen. Es sind dieshohe Aufgaben und hohe Ziele. An diesen Arbeiten mitzuarbeiten,gehört ein fühlendes Herz und eine wahre Freudigkeit. Diesesind aber bedingt von der Selbstverwaltung der Krankenkassen.Nur dann herrscht wahre Freudigkeit an der Mitarbeit.(Leb-hafter Beifall.)—Die Versammlung erklärte sich ohne Debatte mit den Aus-führungen des Referenten einverstanden.Hierauf sprach Arbeitersekretär Bauer-Berlin über dieUnfallversicherung.Er forderte in erster Linie die Ausdehnung der Unfallversicherungauf alle Arbeiter und kleinen Unternehmer, die weniger als 5009Mark Jahresberdienst haben. Der Entwurf bringt auch in bezugauf die Unfallversicherung Verschlechterungen. Der Rechtsweg seigegenüber den bisherigen Bestimmungen noch mehr verschlechtertund die Rechtsinstanz zum Teil ganz augeschaltet worden. DieMitwirkung der Versicherten in Versicherungsämtern sei zum Teilillusorisch gemacht worden. Die Festsetzung der Rente nach demJahresberdienst bedeutet ebenfalls eine Verschlechterung, da derJahresverdienst nach anderen für den Arbeiter ungünstigerenGrundsätzen festgestellt wird. Das Bestreben der Reichsregierunggehe dahin, die kleinen Renten, die unter 20 Proz- der vollen Rentebetragen, womöglich überhaupt auszuschalten. Eine völlige Um»gestaltung der UnfallversicherungsgesetzgebMg ist dringend er«forderlich.(Beifall.)■>--— l-Ueber den letzten Teil der Reichsbersicherungsordnung. dieInvaliden- und Hinterbliebenenversicherung,sprach Elfenbeinschnitzer Starke-Dresden. Der Redner ging bonder Lex Trimborn aus, die er lebhaft kritisierte. Die Lex Trim-born sollte am 1. April 1910 in Kraft treten, wird aber wohlvertagt werden. Die neue Reichsversicherungsordnung bedeutetauch auf dem Gebiete der Invalidenversicherung eine Verschlechte»rung, wenn auch nicht direkt, doch indirekt. Die Ausstellungen,die bisher an der Invalidenversicherung gemacht worden sind, habeni» dem neuen Gesetz keinerlei Beachtung gefunden. An einzelnenBeispielen erörtert Redner sodann die Kompliziertheit und diegeringen Leistungen bei der Invalidenversicherung. Was aberdaS schlimmste ist, sei, daß die Einrichtung in denselben Händenbleiben soll, die bisher die Invalidenversicherung hatten. In ersterLinie muß man eine Erhöhung der Invalidenrente fordern.—Wenn man die bisher gehaltenen Referate gehört hat— so führteRedner zum Schlüsse aus—, so könne man nur eins sagen: Durchdas Gesetz geht ein Grundzug eines Burcaukratismus und derPlusmachcrei auf Kosten der Arbeiter. Der Versicherte wird indem Gesetz sozusagen als Mensch niederen Grades betrachtet.Demgegenüber müssen wir ein Vorwärtsredigieren der ganzenArbeiterversicherung verlangen.(Lebhafter Beifall.)Als Vertreter der Arbeitgeber führte sodann Wolff-Metz aus:Ich lege besonderen Wert darauf, daß die hier vertretenen Arbeit-gcber mit den vorgetragenen Ausführungen der Referenten durch-aus einverstanden sind. Ich unterschreibe das Schlußwort desProfessors Stier-Somlo:„Das Moralische muß sich Bahn brechen!"Herr Kohn hat darauf hingewiesen, welche hohen Aufgaben dieKrankenkassen noch zu lösen haben. Dies ist nur möglich auf demWege des Zusammcliarbcttcns von Arbeitgebern und Arbeit»nehmern. Es gibt auf dem Gebiete der Sozialpolitik keinerleiSonderinteressen. Wenn wir so zusammenarbeiten, so wird in derOeffentlichkeit das Geschrei von entgegengesetzten Interessen inden Krankenkassen bald verstummen- Man könnte meinen, derletzte Referent habe den Arbeitgebern Sachen gesagt, die diesenunangenehm seien. Das trifft aber nicht zu. Denn über allesgeht die Wahrheit! Ich möchte hier als Arbeitgeber aussprechen.es hat selten ein harmonischeres Zusammenarbeiten stattgefundenals bei den Krankenkassen.(Lebhafter, langanhaltender Beifall.)Krankenkassenreudant Grüf-Frankfurt a. M. begründete sodannfolgenden Antrag der Ortskrankenkasse Frankfurt a. M.:«Die Krankenkassen haben beim Abschluß von Verträgenmit den Aerzten die Forderung aufzustellen, daß alle Kassen.ärzte verpflichtet sind, auch den von ihnen behandelten Unfall-verletzten aus Wunsch ein ärztliches Gutachten auszustellen, da-mit diese auch in der Lage sind, einen Kampf um die zu niedrigangesetzte Unfallrente zu führen."Redner führte aus: Wir haben als Krankenkassen nicht nurdie Interessen der Krankenkassen, sondern auch die Interessen derVersicherten zu wahren; denn beide fallen zusammen. Es mußauch den Unfallverletzten ein ärztliches Gutachten gegeben werden,damit diese Ansprüche bei der Berufsgenossenschaft geltend machenkönnen. Es ist bisher vorgekommen, daß ein Arzt, auch wenn manihm ein Zehnmarkstück auf den Tisch gelegt hat, die Ausstellungeines Attestes abgelehnt hat, während er sofort dazu bereit war,sobald die Berufsgenossenschaft ein solches Attest verlangte. Nacheinem Referat auf dem Lübecker Aerztetag soll bon den Aerztenüberhaupt die Ausstellung bon Attesten abgelehnt werden. Indiesem Falle wäre es schon das beste, die Aerzte lehnten überhauptdie ärztliche Tätigkeit für die Krankenkassen ab.(Zustimmung.)Es liegt auch im Interesse der Krankenkassen, daß die Aerzte beiAbschluß von Verträgen verpflichtet würden, auch Unfallverletztenaus Wunsch ärztliche Atteste auszuhändigen.Die Versammlung erklärte ihr Einverständnis mit den Aus-führungen des Referenten.Es wurden hierauf die Wahlen in das Tarifamt vorgenommen.Als geschäftsführende Kasse für die nächsten 3 Jahre wurde dieOrtskrankenkasse Dresden gewählt. Zum Ort der nächsten Tagungwurde Regensburg bestimmt- Für das Jahr 1911 ist Dresden inAn einem klaren und milden Sommertage, als ich den Hügelbon Meudon hinanstieg, herrschte geschäftiges Treiben ans der Höhe.Rodin ließ seine mächtige Balzaestatue auS dem Atelier hinaus-schaffen ins Freie, um sie von seinem Freunde, dem Maler EduardSteinlen, photographieren zu lassen. Als sie an dem Rande desAbhanges aufgestellt war, schien die Statue eins zu werden mitder Erve. Sie stand da, umspült von der weichen Atmosphäre, be-gössen vom Licht, wie das Denkmal der schöpferischen Urkraft desGeistes. Wie ein elementares Ereignis schien dieser zerarbeiteteRiesenschädel aus der Erde heraus durch die Gewaudung hindurchins Licht zu wachsen, von Wissen schwer, bon Schauen überwältigtüber die Stadt Paris zu blicken. Ein furchtbares Haupt, ein vomUeberfluß schweres Haupt, ein Haupt, dessen Augen die Welt durch-bohre» und sie bildend erfassen. Ich habe Rodin selten so fieber-hast erregt gesehen. Dieses war die Erfüllung seines Künstler-traumes.»Sehen Sie,' sagte er ganz beseligt,„hier wirkt die Skulptur.Hier wächst sie in die Atmosphäre hinein. Im Gegensatz zuvielen anderen Skulpturen, deren Silhouette im Freienzerrissen oder dürftig wirkt, beginnen meine erst in der Luft und inder Sonne zu atmen. Sie sind in der Natur geschaffen und brauchendie Natur. Erst in der Wechselwirkung zwischen Stein undAtmosphäre fängt jeder Teil der Flächen an zu vibrieren; und manglaubt an das eigene Leben des Werkes. Hier erweist sich die Kraftdessen, was der Künstler hineingelegt hat. Genau die Naturkopieren ist nicht der Zweck der Kunst. Ein Gipsabguß nachder Natur ist die vollkommenste Kopie, die man erhaltenkann. Aber der ist ohne Leben, ohne Bewegung, ohne Bered-samkeit. Man muß übertreiben.— In der Skulptur hängtalles davon ab, wie man die Modellierung ausführt, man muß diebelebende Linie der Fläche und die harmonischen Uebergänge vonLicht und Schatten suchen. Es handelt sich nicht darum, in einemKörper eine Partie zu betonen, und die andere zu vernachlässigen.Jede muß proportionell übertrieben werden gemäß dem Ton, welchenman anschlagen will, aber immer im Verhältnis zum ganzen. DieAufstellung im Freilicht ist der große Prüfstein der Skulptur, um sieunter allen ihren Möglichleiten zu beobachten. Im Freilicht istkeine Betrügerei möglich. Keine Skulptur hält dem Freilicht stand,wenn sie nicht einen' klaren Aufriß hat."»Man sagt zuweilen, daß ich mich dem Geist der Griechennähere. Vielleicht ist es wahr. Aber nicht, indem ich sie kopiere.Oder ich hätte nichts anderes erreicht als die Klassizisten. DerSchaffensprozeß, das Naturstudinm, das Streben nach Typisierungder Griechen ist mein Ideal, aber ihre Formen äußerlichnachzubilden, kam mir»ie in den Sinn. Durch Geduld,methodische Arbeit und die uiianfhörliche Anspannung meinesNaturgefühls glaube ich das Verfahren der Griechen wieder-gefunden zu haben. Ich beobachte mein Modell lange. Ichzwinge es nicht in gesuchte Posen. Ich lasse es im Atelier auf undmedergeheil wie ein ungezügeltes Pferd und zeichne meine Be-obachtungen unmittelbar auf. Wenn meine Skulptur gut ist, so istsie geometrisch. Ich bin Mathematiker, und meine Kunst ist dasErgebnis meiner Logik. Die Skulptur ist die Kuiist der Buckel undLöcher, nicht die Sauberkeit der glatten, nicht durchmodelliertenFlächen.'Wo besiegte Armin die Römer? Diese alte Streitstage, dieeine bald unübersehbare Literatur hervorgerufen hat, behandelteProf. K n o k e auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte in Hannover. Daß man über die Oertlichkeit de»„Teuto-vurger Waldes", allwo im Jahre 9 nach Chr. die Legionen deSBarus vernichtet wurden, zu keinem übereinstimmenden Ergebniskam, führte er auf den Mangel des Zusammenwirkens der ver«schiedcnen Fachwissenschaften zurück. Unter eingehender Würdigungaller Quellen, besonders auch des Zuges des GermaniluS, der sechsJahre nach der Schlacht stattfand, kam er zu dem Schluß, daß manjetzt mit Sicherheit behaupten könne, die Schlacht habe zwischenIburg und dem Habichtswalde stattgefunden.Auf einem Ausfluge, den die Teilnehmer an der Tagung inden Teutoburger Wald unternehnieu, soll das des Näheren denivti»striert werden.Humor und Satire.Lehmann.Ein Berliner erzählt in der„Franks. Ztg.' eine Begebenheitaus seinem Leben, die für die preußische Kulturgeschichte sehr be-zeichnend ist. Er berichtet:Ich war ein junger Dachs bon etwa 13 Jahren und besaßeinen langhaarigen sibirischen P i n t s ch e r, dem ich daS Haupthaarscheitelte und pomadisierte und dem ich einen Schnurrbartdrehte, wie ihn damals die Offiziere zu tragen pflegten;ich hatte ihm den Namen.Lehmann' gegeben. Einesschönen TagcS wurde ich zu dein mir übrigens persönlichbekannten Polizeipräsidenten I.... beschieden, der mir eröffnete,daß ich mich durch meinen Hund mißliebig gemacht hätte. Aufmeine Frage wieso? erhielt ich die Antwort:„Ja, wissen Sie, erstens haben Sie dem Hunde eine nichtübliche Aergenkis erregende Frisur gegeben und dann der Name— I'„Ja, tvaS ist denn daran Auffälliges, Herr Präsident?'„Na, junger Mann", war die Antwort,„tun Sie doch nicht so,als ob Sie nicht wüßten, daß Se. königl. Hoheit der Prinzregentdiesen Spitznamell hat."„Davon ist mir wirklich nichts bekannt, Herr Präsident."„Na, es sei dem, wie ihm wolle, ich rate Ihnen jedoch freund-schaftlichst, dem Hund einen andere» Namen zu geben."„Wie ist das möglich. Herr Präsident? Hunde hören doch nurauf den ihnen gegebenen Namen. Doch Ihnen zu Liebe will ichversuchen, ihn an einen ähnlich klingenden Namen zu gewöhnen."„Recht so. junger Mann: ich werde mich stellen, dem wirklichallerliebsten Hund künftig unter einem anderen Namen zu be-gegnen."So wurde aus dein»Lehmann' ein.Graumaim', und diehochpolitische Mio» hatte damit ihre» befriedigenden Abschlußerreicht."