n'ntcrial der Kommission deS Reichstages vorliegt, kann ich selbstverständlich darüber in einer Volksversammlung nicht sprechen, es märe das eine große Taktlosigkeit. Ich will blos über den gestrigen Vorgang im Reichstage sprechen. Die Angriffe der Slbgg. Lieber und v. Manteuffel haben mich schwer erschüttert, selbstverständlich nicht meiner Person wegen, sondern der Sache rvegen, die ich vertrete. Was meine Gegner im Reichstage und die Judenpresse gegen mich vorbringen, ist mir vollständig gleich« giltig.(Beifall.) Ich will lediglich an das Rechtsbewußtsein des deutschen Volkes appelliren.(Beifall.) Ich werde, soweit meine Kräfte reichen, durch Abhaltung von Versammlungen das deutsche Volk aufzuklären suchen. Und wenn von dem Eintrittsgeld von 20 Pf. etwas für die Sache und für meine Person übrig bleibt, so werde ich mich keineswegs darüber grämen.(Heiterkeit.) Mich treibt allein der Gedanke, das deutsche Volk von dem jüdischen Vampyr zu befreien. Ich will nicht eher ruhen, bis die Juden aus Deutschland entfernt sind.(Beifall.) Der Redner erzählte alsdann, daß der vielgenannte Meißner früher im Reichstage beschäftigt war. Er hatte speziell die Bedienung am Bundesrathstische und wurde, da er ein ganz besonderes Ver- trauen genoß, in den» Bureau der rumänischen Eisenbahn- Gesellschaft angestellt. Diese Gesellschaft sei seit ISS1 todt und es sei wohl möglich, daß er die Akten von dieser Gesellschaft geerbt habe. Gestohlen könne höchstens ein kleiner Theil sein, denn zumeist seien es Abschriften oder zusammengeklebte Schrift- stücke. Im Uebrigen habe er(Ahlwardt) es nur mit dem Inhalt der Akten zu thun, und er würde es geradezu als Verrath be- trachten, wenn er die Schäden, die er aus dem Inhalt der Aktenstücke ersah, nicht aufgedeckt hätte.(Stürmischer Beifall.) Ter Redner bemerkte zum Schluß, daß von höherer Seite der Wunsch geäußert worden sei, über das heutige Thema keine Debatte zuzulassen. Die Versammlung schloß hierauf unter Hoch- rufen aus Ahlwardt und Werner." Der von„höherer" Seite geäußerte Wunsch, keine Debatte zuzulassen, ist augenscheinlich Flunkerei. Ucber das in Berlin vorhandene Kranke»pflege-Per> sonst! enthält der 6. Gesammtbencht über das Berliner Sanitäts- uud Medizinalwesen einige Angaben. Der erst lS90 begründete, unter Protektorat der Kaiserin stehende Berliner Lokalverein des evangelisch-kirchlichen Hilfsvereins verfügte im Jahre 1S9l bereits über acht Stationen, auf denen gegenwärtig 43 Diakonissen in der Arbeit stehen. Außerdem sind seitens des Johanniter- ordens 16 für Krankenpflege ausgebildete Johanniterinnen den Stationen zur Aushilfe zugewiesen. Zu gleichem Zweck werden geeignete Kräfte aus den Gemeinden durch Vermittelung der Gemeindepflege gewonnen. Für Kranke, bei welchen eine Ver- sorgung durch männliche Pflege Bedürfniß ist, hat das Bielefelder Brüderhaus einige Brüder in der Reinickendorferstr. 36 a stationirt. Die Schwestern der Pflegestationen haben im Jahre I39l in 943 Familien 7785 Tage und 2603 Nächte gepflegt.— Von älteren Vereinigungen sind 44 Diakonen und 586 Diakonissinnen im Johannis- Stift bei Plötzensee, in Bethanien, im Elisabeth. Krankenhause, im Lazarus-Krankenhause und im Paul Gerhardt « Stift vorhanden.— Der Frauen- Lazarethverein hat zirka 300 Frauen ausgebildet.— Im Viktoria-Hause haben 126 Schülerinnen ihre Ausbildung erhalten.— Dazu treten noch 24 evangelische Hilssschwestern, welche dem Hilssschwestern- Verein der Gräfin Rittberg angehören. Außerdem bestehen noch zwei'.katholische Ordensniederlassungen zur Krankenpflege, und zwar mit 33 Barromäerinnen und 24 grauen Schwestern, denen sich seit dem Jahre 1339 noch eine Niederlassung der Franzislanerinnen an- geschlossen hat. Der Ballon Humboldt ist am Mittwoch bei Münsterberg in Schlesien gelandet und bei der Entleerung wahrscheinlich durch die weggeworfene Zigarre eines Bauern explodirt. Hülle und Netz sind vernichtet. Wiedernm ist ein Bankbeamter flüchtig geworden. Der 25 Jahre alte Buchhalter Franz Elstcrman», der bei der Dresdener Bank angestellt war, bat sich durch Fälschungen in den Besitz von 4000 M. gesetzt und ist am Montag Mittag auf und davon- gegangen. Sem nur wenige Jahre jüngerer Bruder, der bei der Nationalbank beschäftigt war, ist gleichzeitig verschwunden, ohne daß ihm Unterschleife nachgewiesen werde» können. In einer bedauernswerthen Lage befindet sich die gelähmte und an Krücken gehende Mutter der Beiden, die nur von den Unterstützungen ihrer Söhne lebte und völlig mittellos zurückgeblieben ist. Ein unverhofftes Wiedersehen hat gestern Mittwoch zur Verhaftung eines Fuhrwerks-Marders geführt, dessen Spezialität in dem Entführen unbeausstchtigt vor der Markt- Halle haltender Fleischerwagen besteht. Am Dienstag Morgen um 6 Uhr wurde dem Engros-Schlächter Hänell, Große Frankfurter- straße 2 wohnhaft, ein solches Fuhrwerk, auf welchem sich 24 halbe Schweine befanden, in dem Augenblick gestohlen, als Herr H. für einige Augenblicke in die Markthalle hinein ging. Ein früherer Geselle des Bestohlenen aber, der jetzige Schlächtermeister Bach- nick, Posenerstraße 3, wohnhaft, hatte bemerkt, wie sich ein un- bekannter Mann auf das Fuhrwerk gesetzt und damit fortgefahren war; Herr Bachnick hatte sofort die Verfolgung des Diebes auf- genommen und war demselben bis zur Warschauerstraße gefolgt, wo es dem wie toll und blind ausdie Pferde cinhauenden Spitzbuben gelungen war, zu entkommen. Am gestrigen Morgen gegen 9 Uhr stand Herr Bachnick in seinem Laden, als ein Schlächtergeselle eintrat und den Meister frug, ob er billig Schweine kaufen wolle. Der letztere trat eimge Schritt vor und sah den Verkäufer, dessen Gesicht ihm bekannt vorkam, nun näher an und erkannte in demselben den Dieb ivieder, den er tags vorher so lange vergeblich verfolgt. In demselben Augenblick aber sah der Fremde auch seinerseits, daß er mit seiner Offerte just an den Unrechten gerathen und in der nächste» Sekunde saß er auch schon auf dem gestohlenen Wagen und fuhr davon. Aber Meister B. war auch diesmal Himer ihm drein und in der Wrangelstraße wurde der Dieb ge- stellt und der Polizei übergeben. In demselben wurde der de- schäftigungslose Schlächtergeselle Heise ermittelt; auf dem Wagen wurden nur noch 13 halbe Schweine vorgefunden, den Rest hatte der Dieb bettits zu Schleuderpreisen verkauft. Ein gefährlicher Hochstapler hat feit einiger Zeit hier in Berlin die verschiedenartigsten Schwindeleien verübt. Sein Hauptaugenmerk hat er auf die feineren Gasthöf« gerichtet, wo er nicht blos die Wirthe, sondern auch Gäste mit ziemlichem Ge- schick in seine Schlingen zu ziehen versteht. Besonders ist er bis jetzt in der Dorotheenstraße und Fricdrichstraße aufgetreten. Ein besonders in die Augen springender Fall betrifft den Kauf- mann B., der mit seiner Gattin in einem Gasthofe der Doro- theenstraße wohnt. An einem Abend saßen beide im Friedrichs- garten, als sich ihnen ein Herr in tadelloser Form näherte und um die Erlaubniß nachsuchte, mit seiner angeblichen Frau an demselben Tisch Platz nehmen zu dürfen, da er anderswo von einer ihm nicht zusagenden Gesellschaft verdrängt worden sei. Er gab sich als Dr. med. Lehmann zu erkennen und theilte beiläufig mit, daß er Stationsarzt in der hiesigen kgl. Klinik sei. Die Doltorfamilie, dieim Hotel R.in derDorotheenstraße abgestiegen war, fand bei den B.'schen Eheleuten großes Entgegenkommen und man unternahm� einen gemeinschaftlichen Ausflug nach dem Grunewald . Wie weit die Unverfrorenheit des Schwindlers geht, mag daraus entnommen werden, daß er, als Frau B. unterwegs durch den Zugführer einen zufälligen Stoß in ein Auge erhielt, sofort als Arzt zur Hand war und mit unleserlichen Zeichen auf einem Zettel Augensalbe verschrieb. Nachdem er dann noch die Familie B. durch den Fernsprecher als Dr. Paul Lehmann wlederholt angerufen hatte, stellte er sich eines Tages in deren Gasthofe mit Sack und Pack ein, um gleichfalls daselbst Woh- nung zu nehmen, da er sich mit seinem früheren Wirlh entzweit habe. Nach einem eintägigen Aufenthalte war er unter Zurück- lassung von Schulden«nd unter Mitnahme der B.'schen Papier« verschwunden. Der Polizei ist es bisher nicht gelungen, de? Betrügers und Diebes habhaft zu werden. In der Frau Doktor glaubt man eine Frauensperson namens Elly B. aus der Novalis- straße vermuthen zu sollen. Der Kaufmann OSkar Dahlheim, der feit dem 12. d. M. verschwunden war, und auf dessen Ermittelung eine Belohnung von 500 M. ausgesetzt worden war, ist gestern im Span- dauer Schifffahrtskanal in Charlottenburg als Leiche gelandet worden. Der Lebensmüde hatte vor dem Sprunge in das Wasser alle seine Taschen mit Steinen und Sand beschwert. Diesein Umstände ist es zuzuschreiben, daß der Leichnam erst jetzt gefunden wurde. Dahlheim war mit seinem Bruder Besitzer des Konfektions-Ausfuhrgeschästes Alte Leipzigerstr. 12. Der Laufbursche kin de eiicle. Als Zeichen der Zeit können zwei Anzeigen gelten, welche in der Rubrik„Offene Stellen" einer hiesigen Zeitung an einem Tage zu finden waren. In der einen Annoncesuchte jemand einen„Laufburschen, der in Buchdrnckereien beschäftigt war und das Setzen gut versteht"— während in der anderen Annonce eine Luxuspapierfabrik einen ebensolchen Burschen suchte,„welcher an der Tiegeldruck-Presse Bescheid weiß und etwas setzen kann." Die„Pap.-Ztg." bemerkt hierzu etwas bissig: Besteller, welche den suchenden Geschäften Austräge ertheilen wollen, ersehen aus diesen Anzeigen, daß sie auf fachgemäße Ausführung die schönsten Hoffnungen setzen können. Ein Einbruch ist in der verflossenen Nacht in der Villa der Bankiers S. in der Thiergartenstraße unter eigenthümlichen Umständen verübt worden. Der Thäter hat sich vom Garten aus den Eingang zunächst in das Billardzimmer des Erdgeschosses dadurch verschafft, daß er mit Hilse eines im Garten gefundenen eisernen Hakens die Rolljalousie emporhob und zwei Fenster- scheiden des Einganges so weit zertrümmerte, daß er mit dem Arm hindurchlangen und die Thür aufwirbeln konnte. Dann hat er alle Räume des Erdgeschosses, in denen sich zur Nachtzeit niemand aufhält, betreten und hier wie ein Vandale gehaust. Die zum Theil werthvollen Kunstgegenstände sind in Trümmern zer- schlagen, und Gemälde berühmter Maler wie Hildebrandt und Hogin zerschnitten. In gleicher Weise sind eine Gobelingarnitnr. die 40 000 M. gekostet haben soll, Polster und Stühle, zerstört worden. Verschiedene Behältnisse sind aufgerissen, doch ist von ihrem Inhalte nichts entwendet worden. so daß es zweifelhaft erscheint, ob es überhaupt auf einen Dieb- stahl abgesehen gewesen ist. Geld befand sich allerdings in den Räumen nicht, weshalb auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, daß der Einbrecher aus Aerger über das Fehlen des ver- mutheten Geldes die Zerstörung angerichtet hat. Indessen ent- spricht dies nicht den Gepflogenheiten der hiesigen Einbrecher und die Kriminalpolizei kann sich eines solchen Falles nicht ent- sinnen. Trotzdem muß vorläufig angenommen werden, daß ein Racheakt vorliegt. Zur Ermittelung des Thäters fehlt bisher jeder Anhalt, da niemand gesehen wurde, obgleich das Dienst- personal insgesammt 17 Köpfe zählt. Die Dienerschaft schläft indessen theils im Souterrain, theils im ersten Stock. Daß man von dem nächtlichen Besuche nichts gehört hat, erklärt sich durch die dicken Teppiche, mit denen die Fußböden belegt sind. Ein schwerer NnalückSfall. Die von uns gestern unter dieser Spitzmarke gebrachte Notiz ergänzen wir heute dahin, daß der junge Malergehilfe den Folgen seines unglücklichen Sturzes erlegen ist. Die Sache unterliegt bereits der Untersuchung der Staatsanwaltschaft. Wie der Malermeister Wiegmann in einer Zuschrift an uns erklärt, ist der Unglücksfall nicht infolge der Schadhaftigkeit der Leiter, die in brauchbarem Zustande sich befand, eingetreten. Verbrüht wurde infolge Platzens eines Dampfrohres auf dem Grundstücke Gerichtstraße 12/13 am Mittwoch Nachmittag der sechsundzwanzig Jahre alte Arbeiter Paul Kühne, der Pank- straße 6 wohnt. Er erlitt am ganzen Körper derart schwere Brandwunden, daß er der Charitee zugeführt werden mußte. Das königliche Polizeipräsidium hat im Einvernehmen mit der königlichen Mmisterial-Baukommission die landespolizei- liche Genehmigung zur Erbauung der neuen Moabiter Brücke unter der Bedingung genehmigt, daß die Schiff- fahrt während der Auführung des Baues weder unterbrochen noch erheblich gestört werde. Polizeibericht. Am 26. d. M. Vormittags wurde an der Ecke der Universitäts - und Dorotheenstraße ein Bäcker durch einen Geschäftswagen überfahren und so bedeutend am Kopfe verletzt, daß er nach der Charitee gebracht werden mußte.— Beim An- bringen eines Geschäftsschildes an der Vorderseite des Hauses immerstr. 13 fiel ein Maurer von der Leiter und erlitt an der tirn und am Arm und Bein bedeutende Verletzungen, so daß seine Uebersührung nach der Charitee erforderlich wurde.— Bei der Markthalle aus dem Magdeburgerplatz wurde Mittags ein Arbeiter, als er das durchgehende Pferd eines unter seine Auf- ficht gestellten Schlächterwagens aufhalten wollte, zur Erde geschleudert und überfahren. Er erlitt dabei Verletzungen am Bein und mußte nach dem Elisabeth- Krankenhause gebracht werden.— Stuf dem Hofe des Grundstücks Brunnenstr. 196 fiel Nachmittags ein Schildermaler von einem Gerüst etwa 3Vs Meter hoch herab und erlitt außer inneren Verletzungen eine starke Quetschung des Knies. Er nucrde nach dem St. Heb- wigs-Krankenhause gebracht.— In seiner Wohnu.ig, in der Prmzen-Allee, wurde ein Handschuhmacher erhängt vorgefunden. — Beim Aufstellen eines Leitergerüstes auf dem Hofe des Hauses Friedrichsir. 239 stürzte Abends eine Leiter mit dem darauf stehenden Arbeiter um und traf einen anderen vorübergehenden Arbeiter. Beide Arbeiter wurden anscheinend bedeutend verletzt und nach dem Krankenhause gebracht.— Auf dem Schlesischen Bahnhofe fiel der Posthilssvote Hube beim Ueberschreiten der Ge- leise infolge eines Fehltritts zur Erde, als gerade eine Rangir- Maschine heranfuhr; sie ging ihm über den Fuß, so daß sämmt- liche Zehen zerquetscht wurden. Er wurde nach der Univer- sitätsklmik gebracht.— Im Laufe des TageZ und(n der darauffolgenden Nacht fanden sieben Brande statt. Geriickikv-Fleiknttg. Zur Vorsicht bei der Eidesleistung mahnte eine Ver- Handlung, die gestern vor der achten Strafkammer des Land» gerichts 1 stattfand. Der Schlächtermeister Gustav Söll war des fahrlässigen Meineides beschuldigt. Derselbe hatte im vorigen Jahre«ine Forderung in Höhe von 55 M., die er an die Fleisch- Händler Röper'schen Ebeleute hatte, an einen Agenten cedirt. Da die Forderung bestritten wurde, betrat der Agent den Klage- weg und lud den Angeklagten Söll als Zeugen. Dieser beschwor im Termine, daß die Forderung aus Lieferungen herrühre, die er im Jahre 1830 an die Röper'schen Eheleute geleistet habe. Den Letzleren gelang der Nachweis, daß sie in jenem Jahre überhaupt kein Geschäft gehabt hatten. Söll richtete darauf eine Eingabe an das Gericht, worin er zugab, daß er sich in einem Jrrthum be- sunden, die Forderung stamme nicht aus dem Jahre 1330, son- dern aus dem Jahre 1876. Die Fahrlässigkeit bei Ablegung des Eides war somit erwiesen. Während der Staatsanwalt sechs Monate Gefängniß beantragte, berücksichtigte der Gerichtshof die bisherige Unbescholtenheit des im vorgerückten Alter befind- lichen Angeklagten und erkannte auf drei Monate Ge- fängniß. Unter dem Verdacht der Hochstapelet stand gestern der Kaufmann Eugen W i e l a n d vor der 9. Strafkammer des Landgerichts l. Der Angeklagte hat in Sportkreisen eine Rolle gespielt. Er war früher Direktor des Berlin - Spandauer Svediteur-Vereins, wurde dann Direktor der Aktien-Gesellschast „Sporn" und gab schließlich das Sportblatt„Turf" heraus. Keines der letzteren Unternehmungen wurde vom Glück begün- stiat, der Angeklagte soll in den letzten Jahren fortwährend mit Geldverlegenheiten gekämpft haben und von seinen Glän- bigern arg bedrängt worden sein. Die Anklage behauptet, da» Wieland sich durch Hochstapelei über Wasser gehalten habe. Er bewohnte ein« Villa in Mariendorf , er soll sich nach wie vor als Direktor des vorgenannten Spediteur- Vereins� ausgegeben haben und so aufgetreten sein, als sei er ein reicher Mann. Es haben sich verschiedene Geschäfts- leute gemeldet, die durch den Angeklagten geschädigt sind. Zu dem Abtheilungs-Direktor der Weinhandlung des Hotels„Kaiser- hos" erklärte der Angeklagte gelegentlich einer erheblichen Wein- bestellung, daß er seinen Kutscher nebst seinem Diener schicken würde, um den bestellten Wein zu holen. Durch diese Aeuße- rungen, sowie durch sein ganzes Auftreten bewirkte der An- geklagte, daß ihm Kredit gewährt wurde. Bei einem Gewehr- sabrikanten soll der Angeklagte sich durch unwahre Angaben eine Jagdflinte zum Preise von 190 M. erschwindelt haben, die sofortzum Pfandleiher wanderte. Aehnlich liegen die übrigen Betrugs- fälle. Der Angeklagte bestritt seine Schuld mit Entschiedenheit, er ließ durch scmen Vertheidiger, Rechtsanwalt Hamburger, einen umfangreichen Entlastnngsbeweis antreten, daß er Guthaben an vermögende Personen habe, die, falls sie rechtzeitig eingegangen wären, zur Deckung der von ihm gemachten Schulden ausgereicht hätten. Der Zeuge Burckhardt entlastete den Angeklagten inso- weit, als er bekundete, daß er demselben ein größeres Kapital in Aussicht gestellt habe, sobald er großjährig geworden. Der Staatsanwalt hielt den Angeklagten für einen Hochstapler der gefährlichsten Art, gegen den inzwischen noch zwei andere An- zeigen eingegangen seien. Er hielt ihn des vollendeten und versuchten Betruges in insgesammt neun Fällen für überführt und beantragte gegen ihn eine Gefängnißstrafe von sechs Jahren, zehnjährigen Ehrverlust und 3000 M. Geldstrafe event. noch 300 Tage Gefängniß. Der Vertheidiger führte aus, daß das Verhalten des Angeklagten als Hochstapelei nicht angesehen werden könne. Niemand sei verpflichtet, bei einer Bestellung von Waaren dem Käufer zu sagen, daß er nicht in der Lage sei, dieselben sofort zu bezahlen. Es sei nur eine vorübergehende Nothlage gewesen, in der derAngeklagtch'ichsbefunden. Der Vertheidiger beantragte Freisprechung in allen Fällen event. die Ladung neuer Zeugen. Der Gerichtshof schied die Mehrheit der Fälle aus und erkannte nur auf acht Monate Gefängniß, wovon ein Monat durch die erlittene Untersuchungshast für ver- büßt erachtet wurde. Für Bierbrauer und Biertrinker gleich interessant ist eine in der„Jur. Wochenschr." veröffentlichte Reichsgerichts-E>t- scheidung in einer Anklage wegen Nahrungsmittel- Verfälschung. Der Angeklagte hatte einen Vorrath von Bier gebraut, welches, weil es einen ungenügenden Malz- und Zuckergehalt hatte, nicht absatzfähig war. Er hat nun dem Bier, um dessen Verkäuflichkeit zu ermöglichen, Saccharin beigemischt. Das Reichsgericht hat dieses Vorgehen als Bierverfälschung festgestellt, indem es sagt: Das Saccharin ist allerdings für die menschliche Gesundheit unschädlich, entbehrt aber gänzlich der Nährkraft insbesondere des Malzzuckers. Es ist nicht als Ersatzmittel für einen Bestandtheil des Bieres zu benutzen. Indem der Angeklagte das Saccharin dem Biere zur Verdeckung der Minderwerthigkeit desselben beimischte, hat er dieses Bier durch Verleihung des Scheines einer besseren als seiner wirklichen Beschaffenheit verfälscht. Indem er ferner die Hälfte dieses verfälschten Bieres seinem guten Biere beimischte, hat er auch dieses normale Bier verfälscht, er hat diese Fälschung zum Zwecke der Täuschung des Publikums vorgenommen und den Abnehmern, welche reines aus Malz und Hopfen gefertigtes Bier, dessen Süßigkeit aus seinem Malzgehalt beruhe, erwarteten, das verfälschte Bier als normales Bier verkauft. Damit sind die Thatbestandsmerkmale des ß 1 und 2 des Nahrungsmittel-Gesetzes erfüllt. Leipzig , 27. April. Das Reichsgericht erkannte in dem Pro- zesse gegen den Pfarrer Stöck in Trier wegen Entziehung eines Kindes, sowie gegen die Wittwe Ludwig, die Mutter des Kindes, aus Aufhebung des am 12. Januar er. vom Landgericht in Trier gefällten freisprechenden Urtheils. ZDevinmmlmrgen. Ju der Versammlung des Fachvereins der Firmen- schilderbranche, welche am 24. Aprit tagte, hielt Rackwitz über die Bedeutung des 1. Mai einen mit Beifall aufgenommenen Vortrag. Des weiteren wählte die Versammlung zur Unter- suchung eines Streitfalls zwischen den Mitgliedern Kerkau und Nagel eine Kommission, welcher Cordes, Gerlach, Herbst, Silber- berg. Zuribarth und Kindleben angehören. Die nächste General- Versammlung wird am 28. Mai stattfinden. Der Verband deutscher Zimmerlente(Lokalverband Berlin) hatte am 23. April eine von Männern und Frauen zahl- reich besuchte Versammlung, in welcher Frau Palm über das Thema„Die zehn Gebote und die besitzende Klasse" einen interessanten und mit Beifall aufgenommenen Vortrag hielt. Nach dessen Beendigung ließ der Gesangverein„Frohe Hoffnung" seine ernsten und heiteren Weisen ertönen. Tanz und Gesang hielten die Anwesenden noch lange in gemüthlichster Weise beisammen. Im Berein der oft- und westprenffischen Sozialisten sprach der Genosse B orchard am 16. April über das Wesen der Sozialdemokratie. In der Diskusston äußerte fich Rein im Sinne des Referenten. Der Bauarbeiter-Verein der Roseuthaler Vorstadt hielt am 16. April eine Versammlung ab. Die verlesene Jahres- abrechnung, sowie die Abrechnung vom Monat Januar wurde für richtig befunden, desgleichen die Abrechnung vom Winter- vergnügen, welches einen Ueberschuß von 19 M. 70 Pf. abwarf. Den noch restirenden Mitgliedern stundete man die Beiträge für November, Dezember und Januar bis zum 14. Mai. Sodann wurden dem Mitgliede Gaßmann 30 M. Unterstützung aus der Vereinskasse zugebilligt. Mit der Beschaffung eines Saales zum Stiftungsfest beauftragte die Versammlung Leim, Passerkel und Wintzer. Nach Erledigung einiger inneren Angelegenheilen wurde bekannt gegeben, daß die nächste Versammlung am 21. Mai statt- findet. Vevimfckikos. Wieder Einer. Das Dresdner Landgericht verurtheilte den Bankier Haas« wegen Unterschlagung und Untreue �nsichttich der Depots zu 3 Jahren Gefängniß und 5 Jahren Und abermals Einer. Aus Zittau wird der„Frank- furter Ztg." berichtet: Als Mörder des vor etwa acht Tagen im Jeschken- Walde erschossenen fürstlich Rohan'schen Revier- sörsters Placht ist jetzt der Gemeindevorsteher Billner rn Drausendorf, ein wohlhabender und allgemein geachteter Mann, ermittelt worden. Die Entdeckung des Mörders wurde dadurch herbeigeführt, daß er fich eine Schrotschußwunde im Arm, die er im Kampfe mit dem Förster erhalten hatte, von einem Arzte untersuchen ließ, weil sie sich inzwischen stark entzündet hatte.
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