an die durch dke FeuerSvrunst Geschädigten die eigentlichen Not-leidenden meist schlecht weggekommen seien, während viele> Wohl-habenden weit mehr erhalten hätten, als ihrem Schaden entsprach.In dem bunten Wechsel der Tagesereignisse schliefen indes dieseVorwürfe bald ein. Jetzt werden sie durch einen Brief desZentrumsabgeordneten Wittemann wieder ans Licht gezogen.An diesen Herrn Witteinann richtete nämlich ein liberales Blatt dieFrage, ob es richtig sei, daß er, Wittemann, von den zur Linderungder Not der Brandgeschädigten auf öffentlichen Aufruf hin ge-sammelten Hilfsgeldern sich habe auszahlen lassen, und daß er nichtnur den Anteil, der seinem Versicherungsbetrag(17 000 SP?.) entsprach, sondern noch mehr<42000 SP?.) haben wollte.damit aber abgelviesen worden sei. Herr Wittemann hat daraufin Form einer mich vom Karlsruher Zentrumsblatt reproduziertenpreßgesetzlichen Berichtigung folgendes geantwortet:Es ist nicht wahr, daß ich nach dem Brande in Donau-eschingen.ohne Not".als begüterter Landtagsabgeordneter" und„als gut bezahlter höherer badischer Richter" von den gesammeltenHilfsgeldern noch mehr haben wollte, als meinem Versicherungs-betrag entsprach, damit aber abgewiesen wurde. Wahr ist. daß ichdem Hilfskomitee, so wie dasselbe die Angaben verlangte,meinen vollständigen Brandschaden, gerade sowie liberale höhere Beamte lind reiche Donau«eschin ger Einwohner auch.nachdem Brande anmeldete, unddaß ich gerade wie diese zum Teil in führender liberalerStellung befindliche Staats- und Kommunal-beamten, welche überdies wohl ein höheres Einkommen hatten,den mir von den Hilfsgeldern zugewiesenen,Anteil annahm. Es ist nicht wahr, daß ich nach Be-schränkung meiner Forderung auf den versicherten Betrag michnoch dahin bemüht habe, einen höheren Prozentsatz als die Haus-besitzer zu erhalten. Wahr ist, daß vor der Festsetzung, wiedie Hilfsgelder verteilt werden sollten, ohne mein Wissen vonzwei höheren Staatsbeamten, die selbst brandgeschädigt waren,eine Versammlung der Fahrnisbrandgeschädigten einberufen undhier ein Vorschlag über die Verteilung der Hilfsgelder zur Be-schlußfassung unterbreitet wurde und daß ich diesem Vorschlagelediglich zustimmte.Die Berichtigung des Herrn Wittemann stellt nicht nur denbeteiligten wohlhabenden Staats- und Kommnnalbeamten sondernauch dem Verteilungskomitee eine miserable Zensur auö. Ist tat-fächlich so verfahren worden, wie Herr Wittemann behauptet, dannhat das Hilfskomitee ganz eigenartig gewirtschaftet. Dazu, um dieProfitsucht einer Anzahl.reicher Donaueschinger" zu befriedigen undihnen die SP?ittel zu liefern, sich schöne neue Häuser zu bauen, sinddie Gaben nicht im ganze» Reiche zusammengebettelt worden. DieGeberschaft kann verlangen, daß die Angelegenheit gründlich unter-sucht wird, und zwar von Unparteiischen und Unbeteiligten, nicht vonMitgliedern des sogenannten VerteilungSkomiteeS.Die„Leipziger Volkszeitung" in Ruhland verboten!Unser Leipziger Parteiorgan erhielt folgendes Schreiben:Kaiserliches Postamt 10. Leipzig, den 20. August 1909.Konto Nr. S beim Postscheckamt Leipzig,Da laut Schreiben von Riga die„Leipziger Volkszeitung'von der Zensur in Rußland verboten worden ist, wird gebeten,bis auf weiteres Sö für Rußland bestimmte Exemplare nicht mehrliefern zu wollen. I. V.: Portaszewicz."Die„Leipziger VolkSzeiwng" bemerkt dazu:„Die SS Exemplare, denen hier die russische Zensur den Eingangin Väterchens Blutreich verwehren will, sind selbstredend nur die.die ans legalem Wege nach Rußland gehen. Unsere Leser inRußland werden aber auf die Lektüre der„Leipziger Bolkszeitung"nicht verzichten wollen, und so werden wir ihnen ihr Blatt aufanderem Wege zustellen. Die Zwirnsfäden der russischen Zensurexistieren für uns ebensowenig, wie für die deutsche Sozialdemo-kratie zur Zeit des Ausnahmegesetzes die Zwirnsfäden der Reichs-postverwaltung existterten.Augenscheinlich ist der russischen Zensur die treffliche Charakte-ristik des Blutzaren auf die Nerven gefallen, die unser GenosseLiebknecht in Kiel neulich vorgenommen hatte."Unter dem neuen Vereinsgesetz.DaS Landgericht T h o r n hat am 17. August als BerufnngS-instanz die Zahlstelle des Verbandes der Töpfer für politisch er-klärt und den Vorsitzenden zu 10 Mark Strafe verurteilt, weil ertrotz Aufforderung die Vorstandsmitglieder nicht angemeldet hat.Diese Anklage ist zustande gekommen auf Grund von zusammen-getragenen Berichten der Polizei aus überwachten Versammlungenunter dem alten Vcrcinsgesetz. Die Staatsanwaltschaft hat sich beider Anklage namentlich darauf gestützt, daß nach dem Bericht einesPolizeibeamten in einer Mitgliederversammlung kurz vor denReichstagSwahlen ISO? der Vorsitzende auf die Wahlen hinwies.'Ergo schlußfolgert man. daß in der Zahlstelle der Töpfer Politik ge-trieben wird, diese ein politischer Verein sei und der Vorstand ge-meldet werden müsse. Das ist die Praxis deS liberalen Vereins-gesetzes._AuS dem Prügelstift Mielczyn hat die n e u e st e Unter-suchungskommission, die in voriger Woche dorthin ab-gegangen war, jetzt das Ergebnis ihrer Studienreise nach Verlin mit-gebracht. Die Teilnehmer werden nun zunächst ihrer vorgesetzten Be-Hörden darüber berichten, dem preußischen Ministerium des Innern derGeheimrat Schlosser, dem Berliner Magistrat der Stadtrat Münsterberg.Wir fürchten indes, daß die Herren in Mielczyn nicht mehr vielzu untersuchen gefunden haben werden. Inzwischen soll nämlich einebeträchtliche Zahl Zöglinge sich der Fürsorge deS Pastors Breithauptentzogen haben, so daß es der neuesten Untersuchungskommissionnicht mehr möglich gewesen sei, auch diese zu vernehmen. DieFluchtversuche haben, so hören wir, in den letztenWochen sich in Mielczyn ganz ausfällig gemehrt.und nicht wenige davon sind überraschend geglückt. Ge-wissen Leuten wird daS sehr erwünscht gekommen sein.Einmal wird auS der Mehrung der Fluchtversuche der„Beweis" hergeleitet werden, daß Pastor Breithaupts Methode„nötig" gewesen sei, um von Fluchtversuchen—„abzuschrecken". So-bann aber ist durch die geglückten Entweichungen die Anstalt justmanchen der Zöglinge losgeworden, die über Vreithaupts Erzieher-tätigkeit sehr viel hätten bekunden können. Die sind nun„unschädlich" geworden. Bei den ersten Untersuchungenhat übrigens die Furcht vor Herrn Pastor Breithaupt noch manchenZögling gehindert, gegen ihn die volle Wahrheit zu sagen. Ist dieserEinfluß auch jetzt noch wirksam gewesen, so dürften die beidenHerren nicht viel Neues zu berichten haben. Was nunmehr derMinister tun wird, muß abgewartet werden. Der M a g i st r a twird voraussichtlich— nichts tun wollen. Einstweilen aber wirdihm, wie wir bereits meldeten, Gelegenheit gegeben werden, in derStadtverordnetenversammlung den sozialdemokratischen Stadtverord-neten Rede und Antwort zu stehen.Eine Null zu viel.Bürgerliche Blätter wußten dieser Tage zu melden, daß derEmpfang auf der Hohensyburg einen Betrag von 700 OOO.Mark verschlungen habe. Zur Beruhigung wird jetzt mitgeteilt, daß es sichbei Angabe der Summe uni einen Druckfehler gehandelt habe, dennnicht 700 000 Mark, sondern„nur" 70 000 Mark sollen bei der Ge-legenheit draufgegangen sein.UnS dünkt, daß eine Ausgabe von 70 000 Mark unter denheutigen Verhältnissen auch noch eine ganz unverantwortliche Geld-Verschwendung bedeutet.---_CUrhci.•..- Aufstand in Albanien.Konstantliiopel, 24. August. Da die in V e r i s s o w i tz versammelten Sil Baues en der Aufforderung des Mutessarifs vonPrischtina, sich zu zerstreuen, nicht Folge leisteten, eröffneteMilitär am 22. Feuer gegen sie, worauf sie sich ins Ge-birge zurückzogen, ohne das Feuer zu erwidern. Am 23. kam esabermals zu Zusammenstößen, wobei die Artilleriein Aktion trat. Aus UeSküb und Kumanovo gingen dreiBataillone mit drei Maschinengewehren nachBerissowitz ab.Köln, 23. August. Der„Kölnischen Zeitung" wird aus Ueskübvom 22. telegrahiert: Die Albanesen lehnten es ab, VerHand-lungen anzunehmen. Infolgedessen wurde um 10 Uhr vormittagsvon der Station Verissowitsch aus mit Schnellfeuergeschützen dieSäuberung des umliegenden Geländes von Albanesen begonnen.Der Bahnverkehr wurde eingestellt. Ueber die Verluste ist nochnichts bekannt.Amerika.Blutbad unter Streikenden.In P i t t s b u r g ist es abermals zu Bluttaten des Militärsgegen streikende Arbeiter gekommen. Am Sonntag kam eS zufünf Zusammenstößen. Im Vorort Mackeers Rock blieben 11 Tote.Ueber den Ort ist der B e l a g e r u n g s z u st a n d verhängt. AlleHäuser werden nach Waffen durchsucht und viele Ver-dächtige werden verhaftet. Alle Straßenecken sind von Sol-daten besetzt, die die Paffanten durchsuchen. Wer sich weigert,wird niedergeschossen. Die Behörde ist zu den schärfsten Maß-nahmen entschlossen. Die Mahnahmen werden um so rigoroseresein und werden von der Presse gutgeheißen, da es sich um aus-ländische Arbeiter(I) handelt. Man will vor denblutig st en Mitteln nicht zurückschrecken. Bisher sind nebenden Toten 40 Verwundete Opfer des Kampfes geworden. InPittsburg treffen noch immer Truppenverstärkungen ein.ein Soläichi'eibei' lies klaternehmertums.Gestern spielte L e b i u s vor Gericht wieder eine Rolle, umdie ihn niemand beneiden wird. Als Kläger gegen unseren verant-Ivorllichen Redakteur Weber trat er auf. Bald aber sah er sichdurch eine lange Reihe begründeter Beweisanträge, die Rechts-anwalt Dr. Kurt Rosenfeld als Verteidiger Webers stellte,in die Rolle eines Angeklagien gedrängt, der mit leidenschaftlichemEifer, aber ohne den gewünschten Erfolg, sich gegen die Beschuldi-gungen zu wehren suchte, die Rechtsanwalt Rosenfeld gegen ihnerhob und unter Beweis stellte.Ein Gerichtsbericht, den wir über eine Klagesache LebiuS' gegenWeber am 13. Januar veröffentlichten, bringt nebenbei eine fürdas Verständnis der Prozeßverhandlung notivendige Kennzeich-nung der Persönlichkeit des Lebius sowie seiner journalistischenLeistung, die den Gegenstand der damaligen Klage bildete. DerBericht über jene Verhandlung veranlaßte Lebius zur Erhebungeiner neuen Beleidigungsklage. Diese wurde gestern vor demSchöffengericht verhandelt. Bekanntlich hat das Kammergerichtaus Anlaß einer früheren Beleidigungsklage des Lebius gegen den„Vorwärts" entschieden, der Wahrheitsbeweis über die moralischeQualität deS Klägers Lebius müsse zugelassen werden, da diesefür die Beurteilung einer Beleidigung von wesentlichem Einfluß sei.Weber machte also von seinem guten Recht Gebrauch, indem erdurch seinen Verteidiger eine Reihe von Anträgen stellte, um zubeweisen, daß Lebius ein Mann sei, dem in bezug auf Ehre nichtderjenige Schutz gebühre, auf den sonst jeder an-ständige Mensch Anspruch habe, und daß selbst dieschärfsten Ausdrücke nicht scharf genug seien, um LebiuS und seinTreiben zutreffend zu kennzeichnen. Ausgehend von dieser Ansicht,stellte der Verteidiger folgende Beweisanträge:Es solle bewiesen werden, daß LebiuSgleichzeitig für Zeitungen verschiedener Parteirichtung,-und zwar eine nationalliberale, eine unparteiisch-zentrumsfreunb-lichc und— eine sozialdemokratischr geschrieben habe. Nicht etwa,wie Lebius behaupte, unpolitische Lokalnotizen, sondern Artikelpolitischer Tendenz.Es solle bewiesen werden, daß Lebius, als er Redakteureiner in Bochum erscheinenden parteilosen Zeitung gewesen sei,zu dem Verleger einer gleichfalls in Bochum erscheinenden national.liberalen Zeitung gegangen sei und sich erboten habe, in dernationalliberalen Zeitung gegen die Zeitung zu polemisieren,deren Redakteur er zu jener Zeit noch gewesensei. Auf diese Weise— so habe Lebius dem Verleger gesagt— könne die Zeitung, an der er angestellt sei, kaput gemacht werden.Es solle besviesen werden, daß Lebius während der Zeit,wo er journalistisch, vielleicht auch noch während der Zeit, wo erbereits als sozialdemokratischer Redakteur tätig gewesen sei,mit der Polizei in Verbindung gestandenund ihr Berichte geliefert habe. 1Es solle bewiesen werden, daß Lebius zu einer bestimmtenZeit sich selber nicht zu den ehrenhaften Menschen gerechnet habenkönne, denn er habe, lvas ebenfalls erwiesen werden könne, gesagt:„Gesetz, Humanität, Moral, das sei allesUnsinn, daS Geld regiere die Welt, Geld stehe höher als alleIdeale, der Grundsatz der Journalisten sei: wer uns ammeisten zahlt, der hat uns."Es solle bewiesen werden, daß Lebius in einem früherenProzeß gegen den„Vorwärts" zum Beweise dafür, daß einfluß-reiche Führer der Sozialdemokratie anders über ihn denken, wieder„Vorwärts", die unwahre Behauptung aufgestellt habe, daßder sozialdemokratische ReichstagsabgeordneteSüdekum ihm bor kurzer Zeit eine Glückwunschkarte gesandthabe.Es solle bewiesen werden, daß Lebius als Herausgeber einerZeitung bei einem Preßprozeß den Verfasser des unter Anklagegestellten Artikels nicht genannt habe, daß er aber nach Jahren,als derselbe Verfasser gegen ihn als Zeuge vor Gericht geladenwerden sollte, denselbenbei der Dresdener Polizeibirektion als Verfasser de? Artikelsdenunziert habe,der sich gegen einen Dresdener Polizeibeamten gerichtet habe.Es solle bewiesen werden, daß Lebius durch seine Frau ver-sucht habe, einen Zeugen, der in einem früheren Prozeß gegen ihngeladen gewesen sei, zum Meineid zu verleiten.Es solle bewiesen werden, daß Lebius in einem früherenProzeß einen Dresdener Journalisten wahrheitswidrig als Polizei-spitze! bezeichnet habe.Es solle bewiesen werden, daß Lebius unter falschen Vor-spiegelungen einen jungen Mann zur Abfassung einer Broschürebesvogen habe, die Lebius nachher so zurechtgestutzt habe, daß sielediglich eine bestimmte Person vernichten sollte, die als Zeugegegen ihn vor Gericht zu erscheinen hatte und daß es dem Lebiusdarauf angekommen sei, diese Broschüre noch vor dem betreffende»Gerichtstermin erscheinen zu lassen, um dadurch den ihn belasten-den Zeugen als nicht einwandfrei hinzustellen.Es solle bewiesen werden, daß Lebiizg als Führer der gelben> ArbeitervereinHdie Arbeiter tSusche,indem er ihnen vorspiegele, er vertrete ihre Interessen, währender tatsächlich die Interessen der Unternehmer vertrete, die ja auchdie Geldmittel für die gelben Vereine und deren Blatt auf-brächten.ES solle bewiesen werden, daß Lebius bei einer in einemgelben Verein vorgekommenen Unterschlagung sich der Begünstigungschuldig gemacht hat.Es solle bewiesen werden, daß Lebius die verschiedenstenWandlungen durchgemacht habe, von einer Partei zuranderen gegangen sei,, als er unter Hinterlassung von Schuldendie Sozialdemokratie verlassen habe, sei er in Dresden zu denNationalsozialen gegangen; nachdem er auch von diesenabgeschüttelt wurde, fei er unter Hinterlassung eines beträchtlichenSchuldenkontos plötzlich aus Dresden verschwunden.Wenn diese Beweise erhoben würden— sagte der Ver-teidiger—, dann werde der Kläger als ein Mann gekennzeichnet,dessen Gemeinschaft jeder anständige Mensch meide, und der sichdurch Acußerungen, wie sie im„Vorwärts" gegen ihn gebrauchtworden seien, nicht beleidigt fühlen könne.Angesichts dieses wuchtigen Beweismaterials mag dem KlägerLebius jedenfalls nicht wohl zumute gewesen sein. Als er sich zuden Beweisanträgen äußern sollte, spielte er eine recht kläglicheRolle. Vieles von dem, was der Verteidiger angeführt hatte, be-zeichnete Lebius als unwahr, und wo er bereits erwiesene Tat-fachen nicht abstreiten konnte, suchte er ihnen eine möglichst harm-lose Deutung zu geben. Der Umstand, daß seine bewegte Ver-gangenheit durch seine eigene Schuld nun vor Gericht beleuchtetwerden soll, brachte den Kläger Lebius in eine verbissene Wut,die ihn mehrmals szu groben Ausschreitungen imGerichtssaale hinriß, welche der Borsitzende entschiedenrügte. Zunächst suchte LebiuS dadurch Stimmung zu machen, daßer sich als eine von den Sozialdemokraten verfolgte Unschuld auf-spielte. Mit unverfrorener Dreistigkeit stellte Lebius die Be-hauptung auf, es werde in diesem Prozeßmit Meineidengegen ihn operiert. Die gegen ihn benannten Zeugen Schrift-steller May aus Dresden und dessen Frau bildeten mit einemdritten Zeugen, dem Militärschriftsteller Dietrich zusammeneinen Meineidsklüngel, sie schwören im gemeinsamenInteresse Meineide. Weiter brachte der Kläger die schon oftals bodenlose Verleumdung erwiesene Behauptung vor, in derSozialdemokratie gelte es als Pflicht, politische Gegner durchMeineide zu vernichten. Als Weber zu den Beweisanträgeneine Bemerkung machte, bezeichnete LebiuS diese als unwahr undrichtete an Weber die Frage, ob er das auch beschwören wolle.Als Weber das bejahte, zischte LebiuS wütend:„Dann sind SieIhrer Parteigenossen würdig. Pfui Deubel!"Da diese Aeußerung des Lebius unmittelbar hindeutete aufseine Behauptung, in der Sozialdemokratie gelte der Meineidgegen den Gegner als Pflicht, so forderten Weber und seine Ver-teidiger den Schutz des Gerichts vor solchen infamen Be-leidigungen. Der Vorsitzende stellte dem Lebius denn aucheine Ordnungsstrafe in Aussicht, falls er seine Schmähworte nichtzurücknehme. Das tat LebiuS. Ein ähnlicher Vorgang hatte sichübrigens schon zu Beginn der Verhandlung abgespielt. Da be-zichtigte Lebius den Verteidiger R o s e n f e l d der U n-glaubwürdigkeit. Doch mußte er diese Verunglimpfungauf Veranlassung des Vorsitzenden ebenfalls zurücknehmen. Alsspäter Zeugen für die einzelnen Beweisanträge benannt wurden,kam Lebius wieder auf seine Meineidsphantasien zurück. Ichbitte— sagte er—, keinen Sozialdemokraten als Zeugen zu laden,da diese alle Meineide leisten. Ich werde ein Buch von K a u t s k yborlegen, worin gesagt wird, daß den Sozialdemokraten im poli-tischen Interesse Meineid und Diebstahl gestattet sind.— Der Vorsitzende wies diesen Ausfall mit der Bemerkung zurück: Die Glaub-Würdigkeit eines Zeugen könne doch erst dann angefochten werden,wenn der Zeuge vor Gericht stehe.Die Verhandlung kam nicht zum Abschluß. Das Gericht be-schloß, Beweis darüber zu erheben, ob Lebius gleichzeitig fürZeitungen verschiedener politischer Richtungen geschrieben habe;ob er sich in Bochum zur Bekämpfung des Blattes, an dem er an-gestellt war, erboten habe; ob er als Sozialdemokrat mit derPolizei in Verbindung gestanden habe; ob er die bezeichnete Kartevon Südekum erhalten habe; ob er die Aeußerung:„Moral istMumpitz" usw. gemacht habe; ob er einen Zeugen zum Meineidzu verleiten gesucht habe, und ob er von den Nationalsozialen ab-geschüttelt worden sei und Dresden nach Hinterlassung einesgrößeren Schuldkontos plötzlich verlassen habe.Es wird also wieder einmal vor Gericht in die Vergangen-heit des Lebius hineingeleuchtet werden. AngenehmeBilder sind es nicht, die man da zu sehen bekommen wird. Dochihre Aufrollung ist nötig, um die Person eines Schützlings derUnternehmer gebührend zu zeichnen.Iiigenclbevveginig.Die Gewerkschaften und die Jugendbttvcgnng.Das„Correspondenzblatt der Generalkommission deutscherGewerkschaften" schreibt:„Der Buchdrucker-„Korrespondent" beschäftigt sichin einer seiner Artikelserien neuerdings mit der Frage derJugenderziehung. Schon im zweiten Artikel beginnt er,gegen die von Partei und Gewerkschaften in vielen Orten ein-gesetzten Jugendausschüsse Sturm zu laufen. Er fordert dieVerbandsmitglieder auf, die Buchdruckerlehrlinge von dem Besuchder Veranstaltungen der Jugendausschüsse und vom Beitritt indie Jugendorganisation abzuhalten. Den Gewerkschaftenund besonders der Generalkommission wird der Vorwurf gemacht,sie lassen sich in allen ivichtigen Fragen von der Partei das Messer„aus den Händen winden". Und der Partei wird das Zeugnisausgestellt, ihre Taktik gehe dahin:„Wie kompromittiere ich dieGewerkschaften nach außen, um ihnen den Nimbus der Neutralitätund Unabhängigkeit gründlich zu rauben?"(I) Das Blatt be-zeichnet dann schließlich die„sozialdemokratisch-gewcrkschaftlicheJugenderziehung als für die Gewerkschaften gemeinschädlich", die„unbedingt abgelehnt werden" müsse.Wir haben keine Ursache, die Gewerkschaften bezw. dieGeneralkommission gegenüber diesen ebenso takt- als Verständnis-losen Anwürfen zu verteidigen, Sveil sie in sich selbst zusammen-fallen. Uns ist nicht bekannt, daß die„Korrespondent"-Redaktionjemals irgendivelche Schritte zur Erziehung der Buchdruckerjngendunternommen hätte. Solange der„Korrespondent" nicht mitpraktischen Resultaten auf diesem Gebiete aufwarten kann, wirder sich mit dem Schicksal abfinden müssen, daß die Gewerkschaftenauf dem von ihnen nun einmal als richtig erkannten Weg weitergehen. Die gewerkschaftliche Neutralitätsfrage hat wirklich nichtsdamit zu tun, da die eingeleitete Organisation der Jugend-erzrehung außerhalb des gewerkschaftlichen und politischen Kampfesvor sich geht. Die gewerkschaftlichen Interessen können dabei nurdurch die Mitarbeit der Gewerkschaften geioahrt werden. DasRecht der einzelnen Verbände, besondere Abteilungen für ihrejugendlichen Arbeiter und Lehrlinge zu errichten, wird durch dieMitarbeit gewerkschaftlicher Kreise in den Jugendausschiissennirgends angetastet; es ist im Gegenteil recht erwünscht, daß indieser Richtung mehr als bisher geschieht. Die Gewerkschaftenhaben ein sehr großes Interesse daran, daß die nun einmal vor-bandenen Bestrebungen der jungen Generation nach Schulungund Betätigung in Bahnen gelenkt werden, die zu ersprießlichenResultaten führen. Sie haben dagegen kein Interesse daran, dieJugenderziehung den konfessionellen Jünglingsverelnen oder derenExtrem, anarchistelnden Phraseuren, zu überlassen. Der„Kor-respondent" wird es also den Gewerkschaften gefälligst uberlassenmüssen, selbst darüber zu entscheiden, was für sie„gemelnschadlichist oder nicht."