Die mecklenburgische Generaleisenbahndircktion in Schwerin batebenfalls zu dem Bierkriege Stellung genominen. Sie wendet sichgegen die Bahnhofswirte, die eigenmächtig erhöhte Bierpreisefordern oder kleinere Schankgefäße eingeführt haben. Die Wirtewerden aufgefordert, bis zur Neufcststellung der Preise, die sich dieGeneraldirektion vorbehält, die bisher vorgeschriebenen Schankgefäßeund Preise nicht zu ändern.Tins der Partei.Der Vormarsch der tschechischen Sozialdemokratie.Dem am Sonntag in Prag-Smichow zusammentretenden Par»teitage der tschechischen sozialdemokratischen Partei liegt ein aus-führlicher, vom Sekretär, Genossen B r u h a, erstatteter Berichtvor. Er umfaßt die Zeit seit dem Parteitage von Weinberge imJahre ISOö bis Ende Juni 1009, also zwei Jahre und 19 Monateund zeigt, daß die Partei in dieser Zeit trotz der wirtschaftlichenKrise und trotz der in diesen Jahren wieder im großen Stile bc-triebenen chauvinistischen Hetze einen erfreulichen Auf«s ch w u n g genommen hat. Im Jayre 1906 wurde berichtet, daß diePartei 1517 Lokalorganisationen besitze, von denen 1376 ihren Per-pflichtungen nachkamen und insgesamt 99 000 Mitglieder zählten.sDie politische Organisation ist nicht auf politischen Vereinen auf-gebaut, die in Oesterreicht nicht miteinander in Verbindung tretendürfen, sondern auf losen örtlichen Organisationen, die aber einregelrechtes Vereinsleben führen.) Nunmehr tveist der Bericht2462 Lokaloraanisationen, davon 1850 in Böhmen, 324in Mähren, 69 in Schlesien, 123 in Nieder- und 6 in Oberösterreich.Diese verteilen sich auf 28 Kreisorganisationen. Die Zahl derpolitisch organisierten Genossen ist auf 116 762 gestiegen, von denen91 794 in Böhmen, 16 897 in Mähren, 4802 in Nieder- und 289 inOberösterreich organisiert sind. Da eine Reihe von Organisationennicht berichteten und im Juni 1909 bei der Partcikasse die Beiträgefür 148 535 Genossen einliefen, schätzt der Bericht die Gesamtzahlder organisierten Genossen auf rund 13000 0.Die Partei entwickelte auch eine rege Versammlungstätigkeit.In der 34monatigen Berichtsperiode wurden insgesamt 57 103öffentliche und nichtöffentliche Vereins- und Wählerversammlungenabgehalten. Davon wurden 783 verboten oder behördlichaufgelöst.Die Presse macht ebenfalls gute Fortschritte. Die Partei ver-fügt jetzt über 25 politische Blätter, von denen drei täglich, einsdreimal, zwei zweimal und neunzehn einmal wöchentlich erscheinen.Andere Parteiblätter erscheinen neun, darunter eine Wissenschaft-liche Monatsschrift(„Akademie"), ein sehr vornehm ausgestattetesillustriertes Unterhaltungsblatt und zwei Witzblätter. Genossen-fchaftsorgane erscheinen in tschechischer Sprache 43. Ferner sindnoch im sozialdemokratischen Sinne redigiert ein Organ für Häuslerund Kleinbauern, eines für Gewerbetreibende(beide sind Organevon Verbänden sozialdemokratischer Kleinbauern bezw. Gewerbe-treibenden), eines für Konsumvereine und eines für Staats-,Landes- und Kommunalbeamte. Der Parteiverlag gab Bücher undBroschüren in einer Gesamtauflage von 530 000 heraus. Es wurden>168 000 Kalender und 80 000 Maifestschriften abgesetzt.Recht hoch ist das Strafkonto der Partei. Wegen ihrerpolitischen Tätigkeit wurden in den 34 Monaten 1845 Genoßenverfolgt, von denen 508 freigesprochen und 1337 zu insgesamt 12Jahren 8 Monaten und 4 Tagen Freiheits- und zu 6293 KronenGeldstrafe verurteilt wurden.Die Genossen beteiligten sich an 786 Gemeindetvahlen und er»rangen in 564 Fällen Erfolge. Insgesamt gibt es 1621 tschechischesozialdemokratische Gemeindevertrcter, darunter 15 Gemeindevor-steher.(Schulzen)._Die Wirkung des Boykotts. i«— Au» Burscheid wird berichtet: In der..WermelSkircherZeitung" befindet sich folgendes Inserat:Bekanntmachung.Durch den von sozialdemokratischer Seite gegen den Gast-Wirt Wilms ausgeübten Terrorismus bestehend in den Tatsachenverdrehenden Zeitungsnachrichten, Flugblättern und Poftenstehenist es gelungen, da? Saalgeschäft des Herren Wilms stark zu be-einträchtigen und dadurch das dort gastierende erstklassige KölnerBurleskentheater finanziell ganz erheblich zu schädigen, und dasalles, weil Herr Wilms seinen Saal den Sozialdemokraten ent-zogen hat. Wir richten deshalb an alle patriotischen Kirmes-besucher die dringende Bitte, diesem sozialdemokratischen Druckeinen Gegendruck zu versetzen, und muß deshalb heute, morgenund Mittwoch die Parole lauten:„Ins Deutsche Haus", damitdieser Saal von den Sozialdemokraten nicht wieder gewonnenwird.Mehrere patriotische Bürger, die sich freuten, der Sozial-demokratie einen Saal entrissen zu haben.Das ist eine Anerkennung der Disziplin der WermelSkirchersowohl, wie der auswärtigen Arbeiterschaft, wie man sie sich bessergar nicht wünschen kann!Dieselben Patrioten aber, die den Mannheute gegen den sozialdemokratischen Terro.riSmuS in Schutz nehmen, vereitelten demselbenvor Jahresfrist mit dem niederträchtigstenMittel der Denunziation ein Militärronzert.Und das alles, weil Herr Wilms seinen Saalden Sozialdemokraten zur Verfügung stelltet lDas war Terrorismus in der schmutzigsten Formt tpoKrellllbeo» OerlchtUcbeo ukw«Strafkonto der Presse.Wegen Beleidigung zweier Grubenbeamten von Zeche«Ein-tracht Tiefbau" wurde Genosse Pierenkaemper vom Bochumer„Volksblatt" vom dortigen Schöffengericht zu 100 M. Geld-strafe verurteilt. Er hatte aus Anlaß eines Unfallesauf genannter Zeche, bei dem ein Bergmann umS Leben ge-kommen, geschrieben, daß das Unglück nicht hätte kommen können,wenn alles in Ordnung gewesen wäre. Zugleich war mitgeteiltworden, daß die Bergleute sich über eine alles Maß überschreitendeAntreiberei deS betreffenden Hilfssteigers beklagten. Obwohl dasletztere erwiesen wurde und feststeht, daß die Antreiberei die Ver.mehrung,, von Grubenunglücken zur Folge hat, und obwohl in derBemerkung über die mangelhafte Ordnung keine Namen genanntwaren, kam das Gericht doch unter Versagung deS Schutzes des193 zur Verurteilung nicht nur wegen Beleidigung des Steigers,sondern auch wegen Beleidigung eines Neviersteigerö und Sei Betriebsführers.Wegen Beleidigung eines Fabrikanten wurde Genosse Heyvon der»SchleSwig-Hol steinischen VplkSzeitung"zu Kiel zuLlloM. Geldstrafe verurteilt.fugendbewegiitig.Sozialistische Jugend.— 22„Volkskin deren" aus Gent(Belgien) im Alter vonneun bis dreizehn Jahren weilten in dieser Woche zum Besuchin K ö l n. Als..Volkslinderen" bezeichnet man jene Arbeiterkinder,die systematisch im sozialistischen Geiste erzogen werden. Mit Spiel,Gesang und leichtfaßlichen Vorträgen wird bei den Kindern be-gönnen. Man lehrt sie, daß die Feinde nicht im Auslande sitzen,sondern als kapitalistische Ausbeuter im eignen Lande herrschen,daß auch jenseits der Grenze unsere Brüder wohnen. Die Erziehungwird später in der eigentlichen Jugendorganisation fortgesetzt, bisdie Kinder in einem solchen Alter sind, daß sie in die Parteiorgani-satioy, die Genossenschaften usw. eintreten. Die belgischen Ge«Nossen wollen auf diese Art dem systematischen Jugendfang derKlerikalen entgegenwirken, und sie führen diese Absicht energischdurch.Seit zwölf Jahren machen die„Volkskinderen" in den Schul-ferien Ausflüge ins Ausland: nacki Frankreich, Holland,Luxemburg usw. Diesmal war Deutschland an der Reihe. DieKosten bestreiten die Eltern durch Ersparnisse. Die Kinder wohnenunentgeltlich bei den ausländischen Genossen der zu besuchendenStädte. In Köln überwogen die Meldungen derjenigen, die dieKinder und ihre erwachsenen Führer aufnehmen wollten, den Be-darf um das das Vielfache. Die Hauptführung hatte GenosseBogaertz, Chefredakteur des Gentcr„Vooruit'. ES war ein>herzerfrislh:ndcr Anblick, die mit roten Schleifen und Bändern ge-schmückten Kinder unter Trammelschall durch die Stadt ziehen zusehen. Sie besuchten alle Sehenswürdigkeiten und machten eineRheinfahrt ins herrliche Siebcngebirge.Außerordentlich bemerkenswert war der BegrüßungS»a b e nd im Kölner Volkshause. ES war gerade am Sedantage,und Genosse Bogaertz nahm Veranlassung, unter speziellem Hin-weis auf Viesen Tag die internationale Verbrüderung zu feiern.Dann sangen die Kinder, deklamierten, führten Spiele, lebendeBilder und dergleichen auf, und schließlich sangen sie auf der Bühnedie Internationale, und zwar mit so packender Wirkung, daß siedas Lied wiederholen mußten. Und nun fielen alle Besucher in denGesang mit ein, und mächtig durchbrauste das Kampflied den Saal.Hua Industrie und k)andel.Arbeitslosigkeit, Steuerdruck, LebenSmittelteuerung.Die Verteidiger der indirekten Steuern, die Apologeten derZollwucherpolitik, die LiebeSgabenemter, sie haben erfolgreiche Arbeithinter sich. Erfolgreich nach zwei Richtungen. Für sich haben dieNutznießer der von Konservativen, Großindustriellen und Ultra-montanen betriebenen Wirtschaftspolitik Millionenbeute ergattert,dem Volke sind immer neue Lasten aufgebürdet worden. Die außer-ordentlich hohen Lebensmittelpreise während der Hochkonjunktur ver-teidigte und erklärte man mit der steigenden Kaufkraft der Be-völkerung und der starken Nachfrage; jetzt, wo die Arbeiterschaftschon lange unter den Folgen der Krise leidet, wo sie ihren Konsumhat einschränken müssen, weil die Einkommen zurückgingen, sinkenaber die Lebensmittelpreise nicht, im Gegenteil, teilweise stehen sieheute sogar höher als in der Zeit besserer Wirtschaftslage. DieserTage gaben wir einen Ueberblick über die Steigerung der Brotpreise,jetzt lassen wir einige Angaben folgen über die Veränderung derPreise verschiedener anderer Lebensmittel.Es kosteten nach den Angaben der städtischen Markthallendirektionin Berlin Anfang September:HöchstpreiseSchweine... 50 kg MLandeier unsort. Schock.große..Butter I.,, 50kg,. II.....abfallende1907673,804.0012011795Jetzt hat der schwarzblaue Block1903678,604.50123119104dafür1909774,204,80123113103gesorgt,in 1909 höhergegen 190714,92 Proz.10,52,20,00.6,66,8,42'daß dem VolkBier, Kassee, Tee, Streichhölzer auch noch ordentlich verteuert werden.Was die Arbeiterschaft in mühevollen Kämpfen dem Unternehmertumabringt, das jagen ihr die Beutemacher auf dem Wege politischerSchnapphahnerei zum großen Teile wieder ab. So wird'S bleibenso lange noch große Massen Proletarier den bürgerlichen ParteienWahlgefolgschaft leisten._Krise und Großindustrie. Ueber die Verhältnisse in der Eisen-Großindustrie macht die Handelskammer zu Bochum u. a. folgendeAngaben: Der Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabrikationerzielte im Kalenderjahre 1903 eine Verminderung feines Umsatzes um zirka 9 Proz., während sich der DurchschnittSerlöS unizirka L>/g Proz. erhöhte. Aus der ersten Hälfte des JahreS 1903lagen noch einige ältere Aufträge zu guten Preisen vor. Immerhinzeigt das Resultat, daß die Werke sich— auf Kosten der Löhne—einen guten finanziellen Abschluß sicherten. Die Westfälischen Stahl-werke A.-G. in Bochum hatten im Kalenderjahre 1903 einen Umsatzvon 11'/, Millionen Mark. Die Zahl der Arbeiter belief sich aus1562 gegen 1304 im Jahre 1907. Der Schalker Gruben-und Hüttenverein hatte eine Produktion von 273 397 Tonnen imWerte von 24,83 Mill. M. DaS Gußstahlwerk Witten hatte 1908eine Produktion von 11.72 Mill. M. nnd 1471 Arbeiter gegen 1741in 1907. Das Drahtwalzwerk Boecker u. Co. in Gelsenkirchen-Schalke hatte in 1903 eine Produktion von 43 872 Tonnen imWerte von 8,47 Mill. M. Die Witlener Stahlröhrenwerke A.-G.hatten einen Umsatz von 5,77 Mill. M. Infolge des Rückganges derBeschäftigung wurde die Erzeugung derart zusammengefaßt, daß dieWittener Betriebe im wesentlichen voll beschäftigt blieben,während auf dem Schalker Werke Einschränkungen des Betriebesund auch der Arbeiterzahl vorgenommen wurden. Weiter heißt esin dem Bericht der Handelskammer, es werde darüber geklagt, daßnach Auflösung des RoheisenshndikatS manche Hochofenwerke von denEisengießereien verlangten, bei ihnen ihren Roheisenbedarf zu hohenPreisen zu entnehmen, andernfalls sie den Gießereien ihre Be-stellungen in sonstigen Eisengußwaren entziehen würden. SoweitAngaben vorliegen, zeigt sich ein nicht unbeträchtlicher Rückgang inder Arbeiterzahl._Großkapitalistische Industrie.In Deutschland haben wir rund 100 chemische Gesellschaftenmit einem Aktienkapital von 840 Millionen Mark. Von diesen 840Millionen Mark besitzt der größte Konzern— Elberfelder Farben-fabriken— Badischo Anilin- und Sodafabrik— Anilinfabrik Treptow— allein rund 160 Millionen Mark. Dann kommen noch einigeandere Konzerne, wie Höchster Farbwerke— Casella u. Co. usw., diewieder alle innerliche Jnteressenverbindungen mit den anderenKonzernen eingegangen find.Einen kleinen Einblick in die organisatorische Tätigkeit dergroßen Konzerne mag die nachfolgende Zlisammenstellung geben.Der schon genannte Konzern Elberfeld— Badische Anilin— Treptowhat die Kohlenzeche Auguste Vittoria erworben. Man will imKohlenverbrauch von den Shndikatspreisen unabhängig sein. InNorwegen hat die Interessengemeinschaft eine Gesellschaft ins LebenSerusen, die den ausschließlichen Zweck hat. die Patente der Badischennilinfabrik für die Gewinnung von Stickstoff aus der Lust mittel«der billigen Wasserkraft zu verwerten. Das Unternehmen bestehtau« zwei Gesellschaften, der Kraftaesellschaft mit 16 Millionen Mark,und der eigentlichen Salpetergefellschast mit 18 Millionen MarkAktienkapital. Ebenso hat man in England eine Fabrik gegründet.Dasselhe gilt vom Konzern Höchst— Casella. Die? sind einigeBeispiele von dem AuSdehnungSdraug der chemischen Industrie.DaS schweizerische Schnapsmonopol.Im Jahre 1908 hat das schweizerische Schnapsmonopol einenUeberschutz von 5 920 000 Fr. erzielt, wovon 6 918 541 Fr. an dieKantone— 1,80 Fr. pro Kopf der Bevölkerung— verteilt werden.Seit 1837, in welchem Jahre das Monopol errichtet wurde, hat eSeinen Gesamtüberschuß von 130 654 729 Fr. abgeworfen, wovon andie Kantone 123 573 279 Fr. verteilt wurden, die ein Zehntel davonzur Bekämpfting deS AlkoholiömuS verwenden sollen. Im Jahre1908 kamen ans den Kopf der Bevölkerung 4 Liter SchnapS, wasbedauerlich viel ist. Die Monopolverwaltung beschäftigt insgesamt81 Personen._18 809 44 881 75 370Soziales«Die Ursachen der Betriebsunfälle.Eine wirksame Bekämpfung der Unfälle in Industrie undLandwirtschaft wird durch die genaue Kenntnis der Ursachen derUnfälle jedenfalls sehr erleichtert. Die Unfallverhütungsmaß-nahmen haben sich in erster Linie auf jene Vorgänge und Ar-beitsgelegenheiten zu erstrecken, welche die meisten Unfällezeitigen. ES ist anzuerkennen, daß die einschlägige Statistik durchdie Berufsgenossenschaften ziemlich ausgestaltet ist.Die entschädigten Unfälle, also diejenigen, welche eine Er»werbsbcschränkung der Verletzten auf länger als 13 Wochen zurFolge hatten, ereigneten sich(nach Prozenten der Gesamtzahldieser Unfälle) bei den gewerblichen PerufSgenossenschaftendurch:L Motoren, Transmissionen, Arbeits«Maschinen und sonstige maschinelleVorrichtungen........2. Fahrstühle, Aufzüge, Krane, Hebezeuge3. Dampfkessel. Dampfleitungen, Wasser-dämpfe...........4. Sprengstoffe(Explosionen usw.)..5. Feuergefährliche heiße und ätzendeStoffe, Vergiftungen......6. Zusammenbruch, Einsturz, Herab- undUmfallen von Gegenständen...7. Fall von Leitern, Treppen, in Ver«ttefungen usw.........8. Auf- und Abladen, Heben und Tragen9. Durch Fuhrwerk und Wagen...10. Eisenbahn und sonstigen Bahnbetrieb11. Schiffahrt und Verkehr zu Wasser.12. Durch Schlag. Stoß und Biß vonTieren...........18. Durch Handwerkszeug und einfacheGeräte...........14. Sonstige Vorgänge.......Absolute Zahl der Unfälle......Die Veränderungen, die im Laufe der Jahre in den Ursachender zu entschädigenden Unfälle eingetreten sind, sind sehr intcr-essant. Abgenommen hat verhältnismäßig die Zahl der durch dieMaschinen, Dampfkessel, Sprengstoffe, Schiffahrt usw. hervor.gerufenen Unfälle, zugenommen dagegen die der durch Aufzüge,Heben und Tragen, Fuhrwerk usw. entstandenen Verletzungen.In der Landwirtschaft sind ähnlich« Tendenzen zu beobachten.Hier erhöhte sich die Zahl der durch Fall von Leitern, in Ver-tiefungen usw. entstandenen Unfälle in der Zeit von 1838 auf1907 von 26,1 auf 28,4 Proz., die durch Auf- und Abladen undTragen von Lasten entstandenen von 2,4 auf 9,0 Proz.(!) usw.Vermindert hat sich die Zahl der durch den Fahrbetrieb hervor.gerufenen Unfälle von 25,2 auf 18,0 Proz. und die durch Motoreund Maschinen entstandenen von 11,4 auf 8,1 Proz. Die Zahlder durch Tiere hervorgerufenen Verletzungen ist gleich geblieben.Es ist also unrichtig anzunehmen, daß heute in erster Linieder maschinelle Betrieb die Ursache der Unfälle bildet. Nur inrund ein Fünftel aller Unfälle in der Industrie und ein Zwölftelin der Landwirtschaft sind durch die verschiedenen ArbeitSmaschinenverursacht. Die mit der Beförderung von Gegenständen vor-bundenen Arbeiten, die Beschäftigung an Fahrstühlen, Kranen,mit Fuhrwerk usw. setzen den Arbeiter beständig erhöhten Ge-fahren aus. Hier die menschliche Tätigkeit auszuschalten Undimmer mehr durch die der Maschine zu ersetzen, muß eineHauptaufgabe der Unfallverhütung sein.Bemerkt sei noch, daß relativ d>e Zahl der Unfälle pro 1000Arbeiter sich in der Industrie von 1888 auf 1907 von 4,4 auf8,3 und in der Landwirtschaft von 1.6 auf 5,6 vermehrt hat, einekolossale Steigerung, die aber wie gesagt nicht auf die vermehrteAnwendung mechanischer Kraft, sondern Neben den sonstigen ge-nannten Ursachon vor allem auf die ständig steigende Intensitätder Arbeit zurückzuführen ist.Aerzte und BcrilfSsrnossenschaften.Der Präsident des ReichsverfichcrungSamteS, Dr. Kauf.mann, erläßt eine interessante Rundfrage an die BerufSgenosscn-fchaften über ihr Verhältnis zu den Acrztcn. Aus den Kreisender UnfallversichcrungSträger sei angeregt worden, auch ihr Ver-hältnis zu den Aerzten in der ReichSversicherungSordnung näherzu regeln. Die BerufSgenoffenschaften befürchten also, daß auckihnen die Herren Aerzte eines schönen TageS die Gefolgschaft auf.kündigen werden. Für den Staatssekretär deS Innern wäre dahervon Wert, wie cS m der Rundfrage heißt, zu erfahren: 1. wiesich die Berufsgenossenschaften bisher die ärztlichen Gutachten bc-schaffen; 2. in welchen Fällen diese Gutachten und von wem nach-geprüft werden; 3. wie sie die ärztliche Heilbehandlung gewähren;4. wie die Mitwirkung der Aerzte bei den Nachrcvisionen sich ge-staltet? Von besonderem Interesse sei eS zu erfahren: 5. inwie-weit Vertrauensärzte bestellt sind oder dem Versicherten die freieWahl des Arztes überlassen ist? Ob bei Abschluß von VerträgenAerzteorganisationen mitwirken, welche Grundsätze bei Festsetzungder Kosten für ärztliche Hilfe vorherrschen, ob schon Streitigkeitenund Beschwerden seitens nicht berücksichttgter Aerzte und derenOrganisationen vorgekommen wären, ob der jetzige Zustand bei-behalten werden sollte oder worin eine Aenderung anzustrebensei? Hervorgehoben wird zum Schluß, ob speziell§ 69 Absatz 3des Gewerbeunfallversicherungsgesetzes geändert oder beibehaltenwerden soll. Es beißt da unter anderem, daß vor Festsetzung derRente»der behandelnde Arzt gehört" tverden soll. Der Ministerwill nun auch wissen, ob sich in der Praxis Schwierigkeiten hier-aus ergeben haben, die Aerzte sich weigern oder in der Honorar-frage bestimmte Regelung eintreten sollte?. Die Anworten der BerufSgenossensckvften werden eben lauten,daß der seitherige Zustand„ideal" sei und beibehalten werdenmüsse. Daß sie auch künftig das Recht haben müssen, ihre eigenenVertrauensärzte selbst zu ernennen und zu bezahlen, ohne daß dieAerzteorganisationen drein zu reden haben. Alle Berufsgenossen-fchaften haben ja ihre Vertrauensärzte und von eine»„freien Arztwahl" der Unfallverletzten kann doch wahrlich keine Rede sein.Schwierigkeiten aus§ 69 des G. U. G. werden sich insofern ergebenhaben, als die meisten Berufsgenosscnschaften den behandelndenArzt gar nicht„hören", sondern einfach die Rente nach dem Attestihres Vertrauensarztes festsetzen und wenn sie den behandelndenArzt wirklich„gehört" haben, auf dessen Gutachten pfeifen. Daßdann anderseits wieder zahlreich« Aerzte die Anfta«n der Berufs-genoffenschaften sehr lange unbeantwortet liegen lassen die Ver»letzten unter Umständen dann lange warten müssen, ist auch er-wiesen. Wir sind neugierig, wie der Minister die Arztfrage beiden BerufSgenoffenschaften regeln will, zumal ja den Verletztenselbst keinerlei Rechte auf die Verwaltung der Genossenschafteneingeräumt werden soll. Diese Frage wäre wohl diel wichtiger alsdie ganze Rundfrage, die schon Ende August dieses Jahres„eil-fertig" beantwortet fein mußte.Wozu sie Geld habe».Wie die klerikale Presse mit Genugtuung konstatiert, läßt derfrühere ReichStagSpräfident Graf Ballestrem zum Andenken anseinen bei einer Automobilfahrt verunglückten Sohn in Lostaueine katholische Kirche nebst Pfarrhaus u» Werte von 800 000Marl erbauen.Ob das Geld nicht viel besser angewendet würde, wenn derschwerreiche Graf damit WohlfahrtScinrichtungen für arme alteArbeiter, die ihm ja die kolossalen Mittel schafften, schaffen würde.Denn bekanntlich herrschen auf den ausgedehnten Grubenrevierenund Gutsbezirken des Grafen Ballestrem unter den Arbeiternkeineswegs ideale Zustände.