Sfn UnterstützungSgesuchen sind vis vorige Woche eingegangenbeim Magistrat in Bünde 230, beim Ainte Ennigloh 927, beim AmteEnger 463, beim Anite Gohfeld über 730. Die ersten Unterstützungenwurden vorige Woche ausgezahlt.Ein politisches Urteil.Wie auS Posen telegraphiert wird, verurteilte die hiesigeStrafkammer den Neichstagsabgeordneten MielzynSki wegenAufreizung zu Ge Waltätigkeiten. Gefährdung desöffentlichen Friedens durch eine Rede in der polnischen Wähler-Versammlung zu Polajewo am 20. Januar 1907 zu 150 Mark Geld-strafe. Graf MielzynSki ist der Führer der polnischen Fraktion undseinem Einstich gelang es vor allem, die Fraktion für die Unter-stützung des schwarzen Schnapsblocks zu gewinnen. Daß dieserMann, der mit solcher Hingabe den Verbündeten Regierungen denSteuerraubzug in Sicherheit zu bringen half, nun das Opfer derJustiz dieser Regierungen geworden ist. entbehrt sicher nicht derKomik.Das Vereinsgesetz in Westpreutzen.Die ostelbische Polizeipraxis scheint amtlich noch immer nichtsvon dem einst viel besungenen loyalen Liberalismus des neuenVereinsgesetzes zu wissen öder aber sich von ihm nicht imponierenzu lassen. Wenigstens trifft das für den Machtbereich des Polizei-Präsidenten Wessel in D a n z i g zu. Dort begann der GenosseDr. D u n ck c r am 10. September einen wissenschaftlichenVortragskursus über:.Die Entwickelungs stufendes Wirtschaftslebens', zu dem nur durch Kartenlegitimierte Teilnehmer Zutritt hatten. Trotz des zweifellos wiffen-schaftlichen und privaten Charakters der Veranstaltung, fand sichzum gröstten Erstaunen der leitenden Genossen auch ein Polizei-kommissar mit einem Unterbcamtcn ein. Alle Proteste des Leitershalfen nichts. Bei Eröffnung des Kursus stellte deshalb der be-treffende Genosse fest, daß ein gesetzlicher Grund zur Ueberwachungnicht gegeben sei. Sämtliche Anwesende hätten aber nur dasRecht der Teilnahme auf Grund der auf ihren Nanienlautenden Teilnehmerkarte. Er ersuche daher die Polizei-beamten um Auskunft, ob sie im Besitze solcher Kartenseien? Darauf fühlte sich der Kommissar veranlaßt, imbekannten.energischen' Tone zu rufen:.Die Frage ist sehrüberflüssig. Sie wissen doch am besten, daß Sie mich nichteingeladen haben. Eine Legitimation besitze ich nicht, bleibe aber solange, wie ich will!" Der sie leitende Genosse erklärte dann, daßer nun zu der Feststellung gezwungen sei, daß die Polizeiunbefugt eingedrungen sei und somit Haus-friedensbruch begangen habe. Er forderte dann dieBeamten formell auf, den Saal zu verlassen. DerKommissur erwiderte jedoch, daß er bleiben werde. Auf die ent-rüsteten Zurufe drohte er, daß er auflöse, wenn es.Skan-dal' gebe! Dr. D n n ck e r stellte dann fest, daß es ihm inseiner mehrjährigen Tätigkeit als Vortragender jetzt zum erstenmalpassiere, daß die Polizei sich zur Ueberwachung einer Wissenschaft-lichen Veranstaltung einfinde. In keinem anderen Landesteile feistebisher so ohne Berechtigung eingedrungen. Auch trotz dieser fürdie ostelbischen Zustände genügend bezeichneten Konstatierungblieben die Beamten und plazierten sich am Büfett.Nach den Iveiteren einführenden Bemerkungen deS Genossen Dunckerschien der Kommisiar sich schließlich aber doch von seinerUeberflüssigkeit überzeugt zu haben. Denn in einem unbewachtenAugenblick räumte er endlich ziemlich unauffällig das Feld,Jedenfalls beweist dieses echt preußische Vorkommnis, mit welcherBeharrlichkeit trotz aller gesetzlichen„Fortschritte' der ostelbischeSonderkurS gesteuert wird.Eine Abrechnung mit dem Zentrum.In E s s e n- W e st, wo die Essener Zentrumsfanatiker zu Hausesind, fand am Sonnabendabend eine Zentrumsversammlung statt,zu der sich zirka 4300 Menschen eingefunden hatten, weil unserenGenossen freie Diskussion zugesichert war. Der weitaus größteTeil der Erschienenen waren Sozialdemokraten, wie die Zentruins-presse am Montag selbst zugibt.Mit dem größten Bemühen sachlich zu bleiben, versuchtenDr. Bell und G i e s b e r t s die Haltung deS Zentrums zu verteidigen. Um die Diskussion in ein ihnen passendes Fahrwasserzu leiten, verlas Dr. Bell zwölf Thesen, um deren Besprechunger die sozialdemokratischen Redner ersuchte. Die erste dieserThesen lautete:Der von der Sozialdemokratie aufgestellte Programmsatz.Religion ist Privatsache' ist unwahr und zur Irreführung derWähler geeignet. Im Gegensatz zu diesem Programnrpunlt ist daswahre Ziel der Sozialdemokratie die Durchführung des Atheismus.Weiter hieß es dann, die Sozialdemokratie erstrebe die religions-lose Schule, wolle auf den Trümmern des heutigen Staats denZukunftsstaat einrichten, sie stimme gegen alle Maßnahmen, diegeeignet seien, die heutige Gesellschaft zu stützen, gegen die Arbeiter«schutzgesetzgebung usw. Erst die letzte Hälfte der Thesen betraf dieFinanzreform.Das Kunststück, die Debatte auf das religiöse Gebiet zu lenken,schlug natürlich fehl und von unseren Rednern L i m b e r tz,Weyers und Becker wurde die Verrätertaktik deS Zentrums imReichstage und Landtage unter stürmischem Beifall gebührend ge-brandmarkt. Wir glauben nicht, daß sich Giesberts nach einerweiteren, derartigen Versammlung sehnen wird.Ein neuer Reinfall Erzbergers.In Mainz hatte Herr Mathias Erzberger ebensowenigGlück mit seiner Verteidigung der Zentrumspolitik wie inFrankfurt. Wie uns aus Mainz gemeldet wird, nahmdie Versammlung in Mainz einen karnevalistischen Verlauf.Herr Erzberger erntete bei der Mehrheit der Versammeltennur höhnischen Beifall, vermischt mit Zischen und Pfuirufen.Beim Schluß der Versammlung ertönte von Taufenden vonLippen der Gesang der Arbeitermarseillaise.Freisinnige Taktik bei den sächsischen Landtagswahlen.In Chemnitz sprach am Sonntag in einer freisinnigen Land-tagswählerversammlimg Herr Naumann. In der Diskussionerklärte Genosse Heilmann, wie wir der Chemnitzer.Volks-stimme' entnehmen, daß„die von Naumann uns vorgeworfene 816«sondcrungspolitik notwendig sei, so lange die freisinnige Partei eineBlock- und selbst nachher rein reaktionäre Politik treibe. ZumSchlüsse fragte er Naumann, ob der Freisinn auch bei den Stich-Wahlen jeden Wahlrechtsfeind bekämpfen werde. Naumann aiit-wartete unter vielen Phrasen: Nein. Er möchte die Verbindungmit der Sozialdemokratie gewiß nicht ganz aufgeben, aber vorallem müffe man den Liberalismus einigen usw. Kurz, hinterden ganzen glatten und platten Worten steht der Entschluß, zuerstfür den nationalliberalen Wahlrechtsfeind einzutreten...Reichstagsersahwahl in Koblenz-St. Goar.Koblenz, 14. September. �(Privatdepesche des„Vorwärts'.)Das bisherige Wahlresultat für Sozialdemokrat 2368 Stimmen,für Zentrum 9370 Stimmen. In gleichen Orten 1907: Sozial-.demokrgt 2169, Zentrum 13 073 Stimmen.Das amtliche Wahlresultat in Schneeberg-Stollberg.Nach amtlicher Zählung wurden bei der Neichstagsersatzwahl im19. sächsischen Wahlkreise von 39 160 Wahlberechtigten 30 813 Stimmenabgegeben. Redakteur Georg Schöpflin- Leipzig(Soz.) erhielt21 190 Stimmen, Schuldirektor Friedrich Wilhelm Vorwerk-Untersachseiiberg 9444 Stimmen, zersplittert und ungültig waren179 Stimmen.Ländliche Schnlidyllen.Man schreibt uns aus Stolp:Von dem Licblingskinde unserer Regierung, der Volksschule,ist wieder mal recht Erbauliches zu berichten. In dem DorfeIldl. Freest, Besitzer Herr von Somnitz, Amtsvorsteher, ließ sich derLehrer am 1. Juni versetzen, um Mißhelligkeiten mit dem Schul-Patron aus dem Wege zu gehen. Da die Regierung nun keinenErsatz schickte, haben die Kinder Ferien, was unseren LlgrariernFreude macht. Die Schulaussichtsbehörde verhandelte nun mitdem Schulvorstande des benachbarten Dorfes Freist zwecks gast-weiser Aufnahme der Kinder, da die dortige Schule von fast einemDrittel weniger Schülern besucht wird. Der Schulvorstand er-klärte sich bereit, aber— eS fehlt die Erlaubnis der Regierung.Wie nun eine Notiz in den bürgerlichen Blättern besagt, ist„gegendie gastlveise Ueberweisung der Freester Kinder rechtzeitig beimOberpräsidenten Beschwerde erhoben worden, und zwar„wegenschwerer Bedenken!" Sonderbar, daß unsere Agrarier mit einemMale Bedenken haben. Offenbar wünschen sie diese billig? Kinder-ausbeutung noch weiter auszunutzen. Noch netter ist es in dem inRcntengütern aufgeteilten Dorfe Tamusin. Der Lehrer diesesOrtes hat etwa 160 Kinder allein zu unterrichten. Infolge derAufregungen ist er erkrankt. Auch hier haben die Kinder Ferien,weil ein Vertreter nicht entsandt worden istl Undnun will man uns erzählen, daß der Staat die Volksschule als seinhöchstes Kleinod ansieht! Wie nun amtlich bekannt gemocht wird,soll die Lehrerstelle in Freest zum 1. November besetzt werden!Oesiterreicb-dngarn.Eine Konfiskation.Der Wiener Staatsanwalt, ein Streber namens Pollack,hat die Sonntagsnummer der„Arbeiterzeitung" kon-f i s z i e r t, womit natürlich eine bedeutende materielleSchädigung des Blattes verbunden ist. Wie frivol diese Kon-fiskation war, die unser Bruderblatt sehr richtig als ver-Wegeue Willkür charakterisiert, ist schon daraus zu ersehen,daß der Staatsanwalt in den zwölf Seiten des Blattes nichtsgefunden hat, was für eine Konfiskation tauglich gewesenwäre, als vier Zeilen in dem Feuilleton, und diesevier Zeilen mußte er in drei Stellen zusammenkratzen!Diese Konsiskationspraris, die an die schlimmsten Neaktions-zeiten erinnert, ist charakteristisch für die Politik des Mi-nisteriums Bienerth, für die die deutschbürgerlichen Par-teien so viel Bewunderung übrig haben, während die lächer-liche Obstruktion der tschechischen Chauvinisten die Lebens-dauer dieser ministeriellen Mischung von Unfähigkeit undklerikaler Reaktion verlängert.Gegen den Nationalismus.Eine gewaltige Demonstration gegen die nationale Ver»h e tz u n g veranstaltete die Wiener Arbeiterschaft. GenoffeDr. Ellenbogen legte vor taufenden Zuhörern dar, aus welchgeringfügigen, maßlos aufgebauschten Anlässen die Bewegunggegen die angeblichen„tschechischen Vorstöße" in Wien und Nieder-österreich hergeleitet werden. So scharf wie die tschechischen Aus-schreitungen in Prag usw. im vorigen Jahre verurteilte die Sozial-demokratie die von gewerbsmäßigen oder eitlen Rettern der Nationherbeigeführten Roheiten gegen slawische Arbeiter, die Ausflügeveranstalten oder harmlose nationale Feste feierten. Er zeigte, wiedie nationale Vermischung mit Notwendigkeit aus der kapita-listischen Betriebsweise hervorwächst. Derselbe Fabrikant, der gegendie„Angriffe auf den deutschen Charakter Wiens" demonstriert,wird sich energisch zur Wehr setzen, wenn man ihm den Bezugbilliger slawischer Arbeitskräfte abschneiden wollte. Die Gefahrdieser nationalen Hetze sei aber noch gesteigert dadurch, daß siedem Volke die wirklichen Gefahren verdecken, die es be-drohen. Neue gewaltige Ausgaben für Heer und Marine stehenbevor, neue Steuerlasten werden die Folgen sein. Die nationalenKämpfe lähmen die Arbeitsfähigkeit des Parlaments und der?lb-solutismus triumphiert. Vor allem gilt es, die Bahn freizumachenfür die ins Stocken geratene sozialpolitische Gesetz-gebung. Die Arbeiterschaft werde sich die Möglichkeit, durchdas Parlament für die Verbesserung ilfter Lage zu wirken, nichtnehmen lassen, und, wenn es nötig werden sollte, schließlich selbstdie Straße von den nationalen Radaubrüdernsäubern. Im gleichen Sinne sprach Genosse R e u m a n n. EineResolution, die den nationalen Haß verwirft und friedliches Zu-sammenlebcn der Völker Oesterreichs auf dem Boden voller natio-naler Gleichberechtigung fordert, wurde einmütig beschlossen.Spanien.Die Gewaltherrschaft.Madrid, 14. September.„Jmparcial" teilt mit, daßüber 120 Schulen in Katalonien geschlossen sind.Ihre Wiedereröffnung hängt von dem Gutachten der betr.Bürgermeister und Dorspfarrer(!) ab. Demselben Blattezufolge, das seine Mitteilungen von dem Abgeordneten Genorerhalten haben will, sind augenblicklich 3000 Personen in denGefänguiffeu Kataloniens interniert.Italien.Kirchliches oder staatliches Eherecht.Rom, 11. Sept.(Eig. Bcr.) Das italienische Zivilrecht erkennt,wie das der meisten Kulturländer, nur die standesamtliche Trauungalö gültig an und überläßt die kirchliche Trauung dem Klerus derverschiedenen Konfessionen. In der Regel wird zuerst die zivil-rechtliche und dann die kirchliche Handlung vorgenommen, aberin vielen Fällen, wo einer rechtsgülligen Ehe Hindernisseim Wege stehen, begnügt man sich mit einer kirch-lichen Trauung, die zwar keinerlei rechtliche Folgen hat.aber dem durch sie geeinigicu Paar in der gesellschaftlichenAnerkennung bis zu einem gewissen Grade als Legitimation gilt.So kommt es vor, daß Offiziere, die die nötige Kaution nicht be-sitzen, sich nur kirchlich trauen lassen, ebenso Witwen, die durch ihreWiederverheiratung ihre Pension verlieren würden, oder auch Frauen.die die gesetzlichen Vorteile ihres Wittums— Militärfreiheit für denSohn— nicht einbüßen möchten.8lll diese Ehen sind zivilrechtlich als Konkubinate zu be-trachen. Vergebens hat die Regierung gegen das Fort-bestehen nur kirchlich geschlossener Ehen Stellung zu nehmenversucht, aber die Gesetzentwürfe, die die kirchliche Trauungvor erfolgter Ziviltrauung verbieten sollten, wurden in derKammer nicht angenommen. Dieser Tage hat nun der Justizministerein Zirkular versandt, um die Staatsanwälte der AppcvationSgerichteaufzufordern, ihm Informationen zugehen zu lassen über diefolgenden Fragen: In welchen Diözesen ist die Einsegnung derEhen erst nach erfolgter Ziviltrauung gestattet? Wie hoch ist dieZahl der nur lirchlich geschlossenen Eben? Wie stellt sich dieGeistlichkeit zu der Frage? Durch diese Umfrage soll das Materialherbeigeschafft werden, um bei der Gewährung des königlichenExequatur oder Placet bei der Anstellung von Bischöfen undPfarrern eventuell die Elemente zurückstellen zu können, die der Ab-schließung der Ziviltrauung entgegenarbeiten.Vom Standpunkt des modern denkenden Menschen ist offenbardie Verfolgung oder Behinderung der nur kirchlichen Eheschließungebenso zu verwerfen wie überhaupt die Verfolgung desKonkubinats. Nur wo die kirchliche Trauung eine Irre-führung eines der Interessenten darstellt, muß sie vom Staate ge«hindert werden; hierzu ist Verbreitung von Rcchtskemitnissen unterdem Volke das allerbeste Mittel. Im übrigen mag es den Staatwenig kümmern, wenn religiöse Menschen einen Ehebund kirchlicheinsegnen lassen, den sie zivilrechtlich nicht eingehen können. Fürdie rechtliche Stellung der Kinder, die aus solchen Ehen hervorgehen,wird sowieso in der Regel durch Legitimation von Seiten beiderEltern Sorge getragen, so daß keinerlei Benachteiligung der DeL-zendenz vorliegt.Srieckenlanck.Für die Offiziere.Slthcn, 13. September. Die Presse drückt einstimmig ihrErstaunen über die Aeutzerungen von Theotokis aus und er-klärt sich entschieden gegen die Auflösung der Kammersowie gegen die Beibehaltung des Oberkommandos des Krön-Prinzen. Wenn die Anhänger von Theotokis sich an den Arbeitender Kammer nicht beteiligen würden, würden die Folgen fierhäng-nisvoll und nicht wieder gut zu machen fem.— Zahlreiche Vereinigungen in Ilthen und in der Provinz haben Resolutionen an-genommen, in denen sie sich für die Forderungen derOffiziere aussprechen und verlangen, daß die Kammer denvon der Regierung borzuschlagenden Matzregeln zustimme. Wahr-scheinlich wird sich Theotokis, der auf Opposition in der eigenenPartei stößt, vom politischen Leben zurückziehen.Mrokko.Gegen die Barbareien Mulast Hafids.Tanger, 13. September. Das KonsularkorpS ist am11. d. M. vom Sultan in feierlicher Audienz empfangen worden.Ihm wurde dabei der Wunsch der Mächte mitgeteilt, daß er g r a u-same Strafen und Verstumm elnugen, welche denTod zur Folge haben, einstellen möge. Der Sultan antwortete, daßer derartige Strafen nicht mehr verhängen wolle.Hiis Induftm und Fjandel.Ein Kameratrust.Die Trustbcwegung hat sich jetzt auch einem Handelsartikelzugewandt, dessen ShndizierUng weite Kreise berührt. Es handeltsich um die soeben gegründete Vereinigung der Kamera-fabriken. Diesem neuen Trust gehören die drei Firmen an,die bisher den größten Teil der deutschen Produktion an Photo-graphischen Apparaten herstellten. Es sind dies die Firmen Hüttigu. Sohn, Ernemann und die Emil Wünsche-Aktiengesellschaft. diealle drei ihren Sitz in Dresden haben. Die bisher selbständigendrei Unternehmungen gehen in eine einzige Gesellschaft auf.Diese wird als Aktiengesellschaft konstituiert und erhält denNamen„Jca-Slktiengesellschaft" in Dresden. Das Aktienkapitalbeträgt 3,8 Millionen Mark. Die deutsche Kamerainduftrie hatteseit langer Zeit unter einer recht erheblichen Ueberproduktion undgegenseitiger Konkurrenz zu leiden. Daher war schon seit Jahrender Wunsch rege, durch einen Zusammenschluß der einzelnenWerke und Ausschaltung der Konkurrenz die Rentabilität dergesamten Industrie zu heben. Gerade bei der Kameraindustriedürften sich durch die Fusion der drei Gesellschaften recht erheb-liche Ersparnisse erzielen lassen. Die Unzahl der einzelnenFabrikate, die gegenwärtig auf dem deutschen Markt zu habensind, wird eine Verminderung erfahren; voraussichtlich werdenin den einzelnen Werkstätten des neuen Trusts nur diejenigenSpezialitäten hergestellt werden, die bisher den Einzelfabriken diegrößten Gewinne gebracht haben. Des weiteren hat gerade diephotographische Industrie außerordentlich hohe Kosten für Re-k l a in e. Auch diese werden sich durch die Vereinigung erheblichherabmindern lassen, denn ein Prospekt der vereinigten Fabrikenwird dieselben Früchte tragen wie bisher drei Prospekte dereinzelnen Werke. Größere Schwierigkeiten wird wohl das Hinauf-setzen der Preise haben. Nicht nur der inländischen Konkurrenzwird der neue Trust, der keineswegs alle maßgebenden Kamera-fabriken Deutschlands umfaßt, ausgisetzt sein. Auch der aus-ländische Wettbewerb wird den Werken zukünftig genau in demgleichen Maße fühlbar werden wie früher. Vor allem sind dieAmerikaner seit Jahren daran, den deutschen Markt mitrecht billigen Fabrikaten zu überschwemmen. Ueberhaupt kannan ein Heraufschrauben der Preise für Kameras nicht so leichtgedacht werden, da ihm eine Einschränkung des auf Billigkeit an-gewiesenen Absatzes auf dem Fuße folgen müßte.Bedeutende Verkäufe von Kolftenfeldern.Seit langer Zeit hat wieder einmal eine wichtigere Besitz-Übertragung von deutschen SteinköhleAfeldern stattgefunden. Diebekannte lothringische Eisenfirma Gebrüder Röchlingerwarb von der Internationalen Bohrgesellschaft in Erkelenz30 Steinkohlenfelder zum Preise von 12 Millionen Mark. Diesefelder sind in dem neuen zukunftsreichen Steinkohlenrevier derippe im Kreise Lüdinghausen gelegen und das Kohlenflöz be-findet sich dort in einer Teufe von 700 bis 800 Meter. DieseTransaktion ist nach verschiedenen Seiten hin interessant. DieInternationale Bohrgcscllschaft dürfte mit diesem Felderkomplexvielleicht ihren letzten Besitz an Steinkohlenfeldern in Westfalenverkauft haben. Durch die Lex Gamp ist ja bekanntlich die Ver-leihung von Bergwerkseigentum auf Steinkohle im preußischenBerggebiet dem Fiskus vorbehalten worden, weil die großen Käufedes Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikates und seiner Hinter-männer den gegenwärtigen Bergwerksbesitzern das Monopol derdeutschen Koylcnvcrsorgung für alle Zukunft zu verschaffendrohten. Allerdings ist der preußische Fiskus nicht alleinigerHerr der westfälischen StcinkohlenschMe. In einem recht be-deutenden Teil des zukünftigen PrDuktionsgebietes steht dieOberhoheit des Bergregals dem Fürsten E a l m und dem Herzogvon Arenberg zu. Der letzte Verkauf eines großen Stein-kohlenfelderkomplexes seitens der Jnte«ationalen Bohrgesellschaftgeschah vor etwa einem Jahre. Damals wurde von der Deutsch-Oesterreichischen Bergwerksgesellschaft, dem Wcstböhmischen Berg-bauverein, dem Schaaffhausenschen Bankverein und der DresdenerBank der Deutsch-Böhmische Kohlenvercin ins Leben gerufen zurUebernahme von zirka 125 Normalfelder in Westfalen, Lothringen,Oberschlesien und Galizien. Für diesen Komplex sollen damalsgleichfalls 12 Millionen Mark gezahlt worden sein. Der Preis,den jetzt Röchling für 30 Normalfelder gezahlt hat, würde demnachals ungewöhnlich hoch anzusehen sein, auch wenn man bedenkt,daß nur ein Teil der Felder des Deutsch-Oesterreichischen Kohlen-.bergbauverxins in Westfalen gelegen ist.