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Nr. 215. 26. Jahrgang. 2. KnlM Ks MWch, 15. Atpfmber 1909. Hus der Partei. Berichtigung. Der Bericht desVorwärts" über den ersten Verhandlungstag des Parteitags legt mir die Aeuszerung in den Mund:Die anti- militaristische Agitation ist nicht die Hauptsache der Jugend- bewegung". Ich habe aber gesagt, wie mir der stenographische Be- richt bestätigt:Die antimilitaristische Agitation ist nicht die Auf- gäbe der Jugendbewegung, die die Jugcndzentrale zu leisten hat. Die Jugendzentrale ist in dieser Beziehung gebunden an die Be- schlüsse der Parteitage, insbesondere an das Programm des Nürn- berger Parteitages". _ Heinrich Schulz . Erklärung. ImVorwärts" vom 12. September 1909 schreibt Genosse Ledebour , ich hätte mich in der letzten Nummer derSozialistischen Monatshefte" mit einer Anzahl andererRevisionisten " zu einem Vorstoß zusammengefunden, den daSVerl . Tagebl." mit den Worten begrüß: habe: Das ganze Heft liest sich wie eine große Anklage gegen die sozialdemokratische Parteileitung, gegen denVorwärts" und gegen den Oberinquisiteur der Partei Karl KautSly. Ich muß konstatieren, daß ich nur fiir das, was ich schreibe, die Verantwortung übernehme, daß ich keine Anklage gegen den Partei- vorstand erhoben habe, dessen Mitglieder in der Frage der Erbschafts - steuer zum Teil derselben Meinung Ausdruck gegeben haben, wie ich, mrd daß ich Kautsky überhaupt nicht erwähne. Der Artikel von L e d e b o u r und der in derselben Nummer enthaltene von Hoch, die sich gegen mich wenden, gehen nicht mit einem Worte auf meine sachlichen Auseinandersetzungen der Gründe gegen und für die Zustimmung zur Erbschaftssteuer selbst ein. Keiner hat versucht, zu widerlegen, was ich über die Stellung der Partei zur Erbschaftssteuer von 1909 und zum Flottengesetz von 1897/93 aktenmäßig angeführt hatte. Niemand kann auch die Tatsache bestreiten, daß die Fraktion ohne Widerspruch beschlossen hatte, in zweiter Lesung für die Erbschaftssteuer zu stimmen und daß sie mit großer Mehrheit von sowohlradikalen" alsrevisionistischen" Mitgliedern ihren e n d g ültig e» Beschluß über ihre Abstimmung in dritter Lesung bis nach der zweiten Lesung aufgeschoben hatte, um sich nicht vorzeitig zu binden, sondern die EntWickelung abzuwarten. Karski sucht in seinem Artikel die Frage prinzipiell zu ent scheiden, aber er bleibt durchweg im Abstrakten stecken, und seine Er- wägungen würden uns praktisch nicht einen Schritt weiter gebracht haben. Das Prinzip:Diesem System keinen Groschen" ist, auf Spezialabstimmnngen angewandt, mit jeder praktischen Politik in Staat und Gemeinde unvereinbar! es würde uns hindern, für den LieichSzuschuß zur Invalidenversicherung, fiir die Erhöhung der Soldatenlöhnung, für die Erhöhung derLage der öffentlichen Angestellten einzutreten. Kurz es kann unter gewissen Umständen eine notwendige Parole der Polemik bilden, aber als Prinzip der praktischen Einzel- arbeit in den BolksvertretungSkörpern würde es zur hohlen Phrase werden oder zur Negation jeder Mitarbeit führen, Bon der Partei ist dies Prinzip nie akzeptiert worden. Karski kämpft gegen Ansichten, die kein Mensch ausgesprochen hatte, z. B. dagegen, daß wirfür jede direkte Steuer stimmen müßtest," und widerlegt natürlich diese Dummheit sehr leicht. Was aber ich und viele Genossen auch sehrradikale" für die Zustimmung zur Erbschaftssteuer angeführt hatten, das über geht er oder gibt es durchaus unzulänglich wieder. Er rechnet uns glänzende Wahlchancen heraus, wenn wir nach Ablehnung der Erbschaftssteuer und Auflösung des Reichstags allein mit den prinzipiellen Forderungen unseres Propramms in den Kampf ge- zogen wären; als ob wir diese Forderungen nicht auch 1907 hochgehalten hätten. Aber er geht nicht im geringsten auf mein Argument ein, daß unsere Aussichten im vorliegenden Falle darunter gelitten haben würden, wenn wir alsMitschuldige des Zentrums und der Konservativen", belastet mit dem Odium der Ablehnung der Erb- schaftssteuer, den Kampf hätten führen müssen. Kurz, er hält sich auch hier rein an das allgemeine und macht keinen Versuch, die be- sonderen Umstände de? politischen Moments zu berücksichtigen. Zu der Fußnote desVorwärts" zum Hochschen Artikel will ich nur dies bemerken: Die Redaktion muß merkwürdig schlecht in- formiert sein, wenn sie nicht weiß, daß einige Redner in der Fraktion� sitzung eine ausdrückliche, öffentliche Desavouierung deS.Vorwärts' erörtertest, und daß von einerrevisionistischen" Seite dem wider> sprochen wurde. DerVorwärts" bringt ferner eine geheimnisvolle Anspielung, daß dasBerl. Tagebl." besremdlicherweise so gut über Vorkommnisse in der sozialdemokratischen Fraktion informiert gewesen wäre. Ich erkläre ausdrücklich, daß ich keine Beziehungen zum Berl. Tagebl." habe und keinem Menschen Mitteilungen über Be� schlüsse der Fraktion gemacht hatte. Es ist ja bedauerlich, daß man so etwas noch sagen muß, aber angesichts der systematischen Ans streuung von Mißtrauen will ich eS nicht unterlassen. Noch eine Kleinigkeit gegen Hoch: er läßt mich von.Ausländern' reden. In Wahrheit habe ich davon gesprochen, daß jemand von dendeutschen politischen Verhältnissen nichts verstehen könne". Die Tendenz dieser Verdrehung ist klar. Die sämtlichen Artikel in Nr. 213 des.Vorwärts' gegen mich verfolgen die bequeme Methode, den Tatbestand umzukehren und mir die Schuld an der Diskussion über die Erbschaftssteuer zuzuschieben. Demgegenüber muß ich doch konstatieren: Emmel, Stadthagen und Hoch haben die Erörterung begonnen. Emmel und Hoch haben in ungewöhnlicher Weise öffentlich Mitteilungen aus der Fraktion gemacht, was sonst auf das schärfste gemißbilligt zu werden pflegt! noch dazu teilweis unrichtige, jedenfalls unvollständige Mitteilungen. Emmel und Stadthaaen haben von der Absicht eines gewissen Kreises erzählt, sich bei der Abstimmung von der Fraktion zu trennen, falls sie in der Minderheit blieben, ein in solcher Lage der Partei schwer zu verantwortendes Beginnen, das auch vonradikaler" Seite(Kasseler Volksblatt") ernsthast getadelt worden ist. Emmel, Hoch und Ledebour haben der ganzen DiS- kussion von vonihercin einen persönlich aggressiven Charakter dadurch gegeben, daß sie fich nicht auf die sachliche Frage beschränkten, sondern gegen dierevisionistischen" Abgeordneten scharfzumachen und sie öffentlich zu diskreditieren suchten. Wehre ich mich aber dagegen, in dieser Weise zum Genossen zweiter Klasse degradiert zu werden, nenne ich den vom Zaun gebrochenen Zankfrivol" undunkollegial", so geht das Geschrei loS, i ch hätte den Streit begonnen. Ledebour beruft sich averdings darauf, daß er erst auf Anfrage aus der Versammlung im sechsten Kreise auf dieRevisionisten " zu sprechen gekommen wäre; daS würde aber an der Sache nicht das geringste' ändern. Nach seiner jetzigen Behauptung will er auch nicht gesagt haben: eL müsse fortdauernd von den Parteigenossen im ganzen Reiche dafür gesorgt werden, daß nur Genossen in den Reichstag geschickt werden, die ganz zuverlässig sind." Nun, wenn er das nicht gesagt hat, so hätte er den Bericht des Vorwärts" öffentlich richtig stellen sollen, denn er mußte sich doch wohl klar sein, welche grobe Beleidigung seinerrevisionistischen" Kollegen in diesem Wortlaute liegt. Im übrigen kommt das, was Ledebour selbst gesagt zu haben behauptet, im Resultat auf dasselbe hinaus. Ganz wie Hoch will er, daß die Genossen nicht danach fragen, was ihr Abgeordneter leistet, sondern ob er nicht revisionistischcr Auffassung verdächtig ist. Um Mißtrauen gegen einen Kollegen zu erregen, daß er in einer Spezialfrage anderer Meinung gewesen ist, als Ledebour und Hoch. Ob Ledebour dabei den Ausdruckzuverlässig" gebraucht hat, wie ich nach dem Bericht des.Vorwärts" annehmen mußte, ist sehr nebensächlich! einen Unterschied zwischen den Genossen zuungunsten derer, die erRevisionisten " nennt, will er jedenfalls statuieren. Ich muß schließlich hier gerade so wie in meinem Artikel in denSoz. Monatsh." nachdrücklich auf den Punkt hinweisen, den Ledebour, Hoch und die Redaktion desVorwärts" mit Stillschweigen übergehen, daß nämlich von einer Spaltung der Fraktion in zwei Lager, einradikales" und einrevisionistisches" im allgemeinen nicht die Rede sein kann. In elf Jahren parlamentarischer Arbeit habe ich außer dieser verfrühten Erörterung über die Abstinimmig dritter Lesung bei der Erbschaftssteuer nur' ein einziges Mal eine tiefergehende Differenz über die Frage der Annahme eines Gesetzes in der Fraktion erlebt. In 99 Prozent aller Fälle sind die Kollegen von vornherein einig. Wo kleine sachliche Differenzen. wurden sie fast ohne Schwierigkeit in kollegialer Weise erledigt. Ueberhaupt wickelt sich die Zusammenarbeit zwischen denRadikalen" undrevisionistischen" Abgeordneten soweit ich einen solchen Unterschied überhaupt zugeben kann in durchaus harmonischer, kollegialer Weise ab. Dies habe ich ausdrücklich betont. Um so mehr muß ich dabei bleiben, daß die Polemik gegen die Revisionisten " bei dieser Gelegenheit ungerecht und parteischädigend war, und daß es eine Umkehrung der Wahrheit ist, einen anderen des Friedensbruchs zu bezichtigen, als die, die sie begonnen haben. Urfeld, 13. September 1999. Wolfgang Heine . « Anm. der Redaktion: Wir können gegenüber dem Ge Nossen Heine nur wiederholen, daß wir über Vorgänge in der Fraktion, wie er sie andeutet, in der Tat nicht informiert worden sind. Im übrigen sei doch festgestellt, daß Genosse Heine in seinem Artikel in denS. M." von einem in Erwägung gezogenen Tadelsvotum gegen denVorwärts" sprach, während er heute von eineröffentlichen DeSavouierung spricht, also etwas ganz anderem! Denn so unbestritten das Recht der Fraktion ist, einer Presseäußcrnng gegenüber ihre abweichende eigene Auffassung festzustellen, so entschieden würde derVorwärts" den Versuch der Fraktion zurückgewiesen haben, ihm einTadclsvotum" auszusprechen. Wenn Genosse Heine ausdrücklich erklärt, daß nicht er daS Berliner Tageblatt" über die Interna der sozialdcniokratischen Fraktion unterrichtet habe, so wendet er sich da gegen einen Arg wohn, den auszusprechen uns nicht im entferntesten eingefallen ist! Es ist mindestens ein AuSfluß von Ueberempfindlichkeit, wenn Heine in solchem Zusammenhange von einersystematischen Ausstreuung von Mißtrauen" spricht. Ganz überflüssig? Genosse Kautsky hat in der Sonntagsnummer desVor� wärts" gemeint, es seiganz überflüssig" gewesen, daß ich ihm imCorrespondenzblatt der Gcneralkommission" die Erfolge der deutschen Holzarbeiter entgegenhielt. Denn er habe gar nicht be' hauptet, daß der gewerkschaftliche Kampf in Deutschland erfolglos war, sondern seine Erfolge selber ausdrücklich hervorgehoben. Diese Darstellung des Genossen Kautsky kann ich leider nicht gelten lassen. Allerdings hat Kautsky die Erfolge der Gewerk schaften nicht absolut bestritten, aber er hat sie wiederholt der' maßen verkleinert und gegen die Möglichkeiten zukünftiger Er folge soviel Einwendungen erhoben, daß ich und andere Genossen ihm im Interesse unserer gewerkschaftlichen Agitation sehr zu meinem Bedauern entgegentreten mußten. Unter anderem hat Kautsky die Meinung vertreten, daß die Gewerkschaften nicht in der Lage seien, die Ausbeutung der Ar' bester zu vermindern, im Gegenteil, die Ausbeutung vermehre sich; die Erringung von Teilerfolgen werde immer schwieriger und seltener; die Gewerkschaften würden von den Unternehmern allenthalben in die Defensive gedrängt; die Organisation der Ar bester werde immer mehr erschwert usw. Diesen und einigen anderen Einwendungen gegen die Erfolg- Möglichkeiten der Gewerkschaften habe ich die beredten Tatsachen der praktischen Erfahrung gegenübergestellt, die Kautskys Meinung zum Glück sehr widersprechen, und ich kann nicht glauben, daß es außer Kautsky noch viele Leser meines Artikels geben kann, welche darin eineganz überflüssige" Arbeit erblickt haben. Natürlich kann ich meine Darlegungen aus demCorrespondcnz blatt" hier nicht etwa wiederholen, damit würde die Redaktion desVorwärts" nicht einverstanden sein. Um den Lesern aber den Zweck und die Notwendigkeit meiner Kritik der Kautskyschen Beurteilung der Gewerkschaften verständlich zu machen, verweise ich darauf, daß lange vor mir schon ein anderer Kritiker KautskyS, den dieser selbst in einer Entgegnung in derNeuen Zeit" als einenwohlwollenden, verständnisvollen und sachkundigen" be zeichnen mußte, nämlich der österreichische Genosse Otto Bauer , im Maihcft desKampf" Kautsky vorgehalten hat, daß seine Lehre in diesem Punkt der Arbeiterschaft Hoffnung und Tatkraft. Leidenschaft und Mut rauben müsse. Hierum handelt es sich. Gerade jetzt sind nämlich mit der stärktem Eifer alle Kräfte in den deutschen Gewerkschaften an- gespannt, um durch eine systematische Agitation die Wirkungen der KrisiS zu paralisieren, die Zaghaften und Kleinmütigen unter den Mitgliedern aufzurichten und zu stärken, die in- differenten Arbeitsgenossen aufzuklären und als Mitkämpfer heran' zuziehen. In dieser allgemeinen Werbetätigkeit steht der Deutsche Holzarbeiterverband nicht an letzter Stelle, und es liegt mir natürlich am Herzen, daß die großen Mühen und Kosten unserer Agitation nicht etwa vergeblich aufgewendet werden. In dieser Hinsicht freut eS mich deshalb sehr, daß auch Genosse Kautsky nunmehr erklärt, daß er die Erfolge unseres Verbandes nie be zweifelt habe. Er soll es erleben, daß die deutschen Holzarbeiter auch in Zukunft nicht vergehlich von der Macht ihrer Organisation Ge brauch machen werden._ Theodor L e i p a r t. Parteiliteratur. Die Rechtsprechung in Unfallreiitcustreitsachen. Von Hermann Müller, Verlag Buchhandlung Vorwärts, Berlin SIV. 68. Preis geb. 3 M. Genosse Arbeitersekretär ReichStagSabgeordneter Robert Schmidt veröffentlicht imCorrespondenzblatt der General- kommission der Gewerkschaften Deutschlands " folgende Besprechung: Allen, die mit der Unfallversicherung zu tun haben, besonders unseren Gewerkschaftsangestellten und Arbeitersckretären, wird das Buch sehr gute Dienste leisten. Der Verfasser hat, übersichtlich ge- ordnet, die wichtigsten Entscheidungen deSReichSversicherungs- a m t e s auS denAmtlich. Nachrichten", den Zeitschriften der Berufs- genossenschaften und dem Material, das ihm als Sekretär im im Zentralarbeitersekretariat zur Verfügung stand, kurz im Auszug unter Quellenangabe wiedergegeben. Ein sehr detailliertes Sach- register erleichtert die Auffindung einer besonderen Entscheidung auS dem reichen Material, das hier zusammengetragen ist. Derjenige, dem dieAmtlichen Nachrichten" nicht zur Verfügung stehen, wird gern bei Begründung von Ansprüchen auf Grund der UnfallversichernugS- gesetzs auf das hier gebotene Material zurückgreifen und viel Zeit und Mühe sparen. DieAmtlichen Nachrichten" sind mittlerweile so umfangreich gelvorden, enthalten auch eine Anzahl längst überholter Entscheidungen, daß die Nachforschung nach einer prinzipiellen Ent- scheidung in einer strittigen Frage mit einigen Schwierigkeiten ver- knüpft ist. Hier gibt das Buch von Hermann Müller eine schnelle und sichere Anleitung, und es dürste sich wohl bald in den Bureaus der Gewerkschaften. Auskunftsstellen und Arbeitersekretariaten ein-. führen." Gcmeindewahlsieg. Bei der BürgerauSschußwahl in Lörrach (Baden) erhielt die Sozialdemokratie in der dritten Wählerklasse 421, die vereinigten bürgerlichen Parteien 3Sö Stimmen, Die sozialdemo- kratischeListe ging demnach glatt durch. Lörrach ist zwar ein reines Fabrikstädtchen, aber das Zentrum hat dort ziemlich starken Anhang und eS ist immerhin ein schöner Erfolg unserer Genossen, aus eigener Kraft die bürgerlichen Parteim überwunden zu haben._ Anhalt in guter Hut. DasHamburger Echo" brachte folgende aniüsante Notiz: Einer aufmerksamen und vorsichtigen Redaktion erfreut sich daS Volksblatt für Anhalt" in Dessau ; dessen Leiter Peus ist offenbar darauf bedacht, auch die geringste Andeutung irgend einerradikalen" Bemerkung sorglich den anhaltischen Genossen fernzuhalten. Wie schon wiederholt, hat dasVolksblatt für Anhalt" auch diesmal unsereWochenplanderei" abgedruckt, nach alter lieber Gewohnheit natürlich ohne Quellenangabe. Doch dasHamburger Echo" ist daran gewöhnt, benutzt, aber nicht genannt zu werden; die Anleihe bei uns kümmert uns also nicht. Wir sind ja doch auf unsere Kosten gekommen, denn wir haben herzlich gelacht über das Zensoren- stücklein, das Chefredakteur Pens geleistet hat. ImHamburger Echo" lautete eine Stelle derWochenplauderei" so: Mr. Cook machte sich schleunigst auf die Strümpfe und wanderte querfeldein dem Nordpol zu, um an der Erdachse das Sternenbanner zu hissen und auszurufen:Eetsch. da sind wir schon I" wie es einstmals die Aushöhler machen werden, wenn sie sich in den bekannten Kuchen gründlich hineingegessen haben und dann den Kopf herausstecken. Aber der umsichtige, überlegende Chefredakteur merkte sofort, was der Satz von denAushöhlern" neckisch andeuten sollte. Und das geht doch nicht, daß in Anhalt, wo man sich jahraus, jahrein mit dem vorsichtigen, sehr vorsichtigen Hineinessen in den bekannten Kuchen beschäfttgt, ein Spottwort über diese Taktik bekannt wird I Rotstift nein doch, Blaustist und weggestrichen wird der Satz: wie es einstmals" bisdann den Kopf herausstecken". Die radikale Gefahr ist wieder einmal von den Lesern desVolksblatt für Anhalt" abgewendet. Peus wacht!"_ Höhere Konfusion. Rom , 11. September. (Eig. Ber.) Wie derAvan ti" mit Bestimmtheit meldet, wird der Mai- länderT e m p o"(sozialistsch-reformistisch) demnächst seine Per- öffentlichung einstellen und das MailänderS e c o l o" (bürgerlich-demokratisch), das unlängst in den Besitz einer neuen Aktiengesellschaft übergegangen ist, wird eine vollständige Umwand« lung seiner Redaktion erfahren. Aus dem demokratischen Blatte würde der heutige Chefredakteur, Abgeordneter R o m u s s i, aus- scheiden, und an seine Stelle der Journalist M a l a g o d i treten, der zurzeit Korrespondent derTribun a" aus London ist. Der heutige Chefredakteur desTemp o", der Abgeordnete Genosse T r e v e s, soll Mitarbeiter des umgestalteten S e c o l o" werden. Diese Nachricht, die nur die Sicherheit, mit der sie derAvanti" mitteilt, glaubbar macht, befremdet um so mehr, als das Secolo" für finanziell sehr fest fundiert gilt und nicht recht einzusehen, was es bei der Fusion mit einem sozialisti- schen Blatte gewinnen könnte. Als Organ kleinbürgerlicher Jntcr. essen und Ausdruck eines wohlfeilen Radikalismus, dem der anti- klerikale und irredentistische Beigeschmack in Italien ein großes Publikum sichert, hat dasSecolo" eine sehr starke Verbreitung, so daß ihm die 19 099 Leser, die derTempo" in die Ehe mit- bringt, kaum fühlbar sein dürfte. Nach den Mitteilungen des Avanti" wäre der Präsident der neuen Aktiengesellschaft der Bankier Genosse Deila Torre, der bisher die hauptsächliche finanzielle Stütze desTempo" war. Auf die Richtung deS neuen Blattes kann man neugierig sein. Der Chefredakteur Äalagodi war seinerzeit einmal Parteigenosse, neigte dann immer mehr zum Anarchismus und verband diesen mit den impcralistischen Tendenzen, die er sich in England zu eigen gemacht hat. Die Einheitlichkeit und die politische Direktive, die seiner Persönlichkeit fehlt, dürfte dem seiner Leitung anvertrauten Blatte gleichfalls fehlen. Daß in der neuen Zeitung ein wirklicher Konflikt zwischen sozialistischen und bürgerlick>-demokratischen Interessen stattfinden sollte, glauben wir nicht. Die sozialistischen werden überhaupt nicht zu Wort kommen, wo es sich um mehr als leere Worte handelt. Der Versuch, den in der Kammer so mühsam zusammenzuhaltenden Block der äußersten Linken in das journa- listische Gebiet zu verpflanzen, kann nur mit einem Siege des finanziell stärkeren Teiles, also der bürgerlichen Demokratie, enden. Bemerkenswert ist übrigens, daß der Mailänder Sozialismus, der sich für so stark und hoch entwickelt hält, sich als unfähig er- wiesen hat. eine sozialistische Tageszeitung zu erhalten. In seinem siebenjährigen Leben hat derTempo" es kaum jemals auf eine Auflage von mehr als 19 999 gebracht. Allerdings war das Blatt kein Parteiblatt, sondern finanziell das Unternehmen wohlhabender Parteigenossen, denen es viel Opfer kostete. Aber diese Partei« genossen rekrutierten sich alle aus dem äußersten rechten Flügel der Partei, der ja in Mailand tonangebend ist, und derTempo" war ganz in ihrem Sinne geleitet. Wie geht es dann zu, daß der starke Mailänder Reformismus nicht imstande gewesen ist, einer Tageszeitung die Existenz zu sichern! Zur politischen Haltung ber sozialistischen Kammerfraktion in Frankreich hat die Pariser Parteiorganisation(Konföderation der Seine ) eine Resolution gefaßt, die jede Unterstützung des Mini- steriums Briand verwirft, da jede bürgerliche Regierung not- wendigerweise den Kapitalismus verteidigen und der Befreiung der Arbeiterklasse entgegenarbeiten müsse. Daß dem Kabinett einige ehemalige Sozialisten angehören, müsse das Mißtrauen nur noch reger machen. In derHumanite" unterzieht Gen. Alb. Thomas diese Forderung einer Kritik. Er ist auch weit entfernt von der Hoffnung aufsozialistische" oder sonstwie durchgreifende Re- formen, erwartet vielmehr ein ausgesprochen der kapitalistischen Entwicklung dienendes Regierungssystein. Er glaubt aber, die Partei dürfe sich nicht von vornherein festlegen, müsse viclniehr die Taten deS Ministeriums abwarten und ihnen entsprechend, frei von Vertrauensseligkeit wie von Gehässigkeit, ihre Stellung nehmen. poliseilicbes, Oenctittlcbes ulw. Noch ein Nachspiel zum Königsberger Schandsänlcuprozcß. Als Genosse Markwald am 14. August d. I. das Gefängnis zu Allenstein verließ, brachte die BrcslauerVolks wacht" einen BegrüßinigSartikel. der zugleich Gedächtnisartikel jenes unerhörten Prozesses und des furchtbar harten Urteils war. Wegen dieses Artikels hat die Königsberger Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen den Genossen Schiller von derVolksmacht" wegen Richterbeleidigung angestrengt. So sorgt also der Staats- anwalt mit zäher Ausdauer dafür, daß jene aufreizende Justiz«' episode, die sich an die Enthüllung der Mcmeler Centenarsäule knüpft, nicht in Vergessenheit gerät._ Straskonto der Presse. Genosse Brenner vom BraunschweigerVolks- freund" wurde vom Schöffengericht in L u t t c r a. B. wegen Beleidigung einer Fabrikdireltorenfrau in Langelsheim zu