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Ä vorgezogen, das alte, nun schon so abgebrauchte, von ehrliche» Gegnern selbst als Unsinn zurückgewiesene Mätzchen wieder vorzu- bringen. er sei ein Opfer der mangelnde» Meinungsfreiheit. Statt still die Partei zu verlassen, an die ihn längst nichts mehr band, findet er es für geschmackvoll, sie in der bürgerlichen Presse zu bekämpfen, um nicht um den Schlußeffekt eines billigen.Mar- thriumS" zu kommen. Wie er sich seinerzeit noch als Parteigenosse nicht gescheut hat, innere Parteiftagen in der Scherischen Presse zu besprechen, so teilt er jetzt der Ullsteinpresse mit. er trat aus, weil die Annahme des neuen Parteistatuts eine nicht mehr er« trägliche Bedrohung und Gefährdung der fteien Meinungs« äußerung sei. Im übrigen werden nach seiner Meinung die Mt- gliedsrechte derart beschränkt, daß für ihn ein Verbleiben in der Partei unmöglich gemacht sei." Da genügt wohl die nüchterne Feststellung, daß das Statut einstimmig angenommen wurde, eine Einstimmigkeit, die. wenn die Beschuldigung Calwers nur im entferntesten gerechtfertigt wäre, sicher nicht vorhanden gewesen wäre. Aber diese Denunziation der Partei vor der bürgerlichen Welt sagt nur, daß Calwers Austritt das einzige war, was er f ü r die Partei noch leisten konnte. Dernburg. Gegen die Mgriffe derDeutschen Tageszeitung" auf den Kolonialsekretär wendet sich folgendes Dementi derNorddeutschen Allgemeinen Zeitung": Nach der Meldung eines hiesigen Blattes soll der Staats- sekretär des Reichskolonialamts Dernburg zweimal in Hohen- sinow beim Reichskanzler gewesen sein, und zwar soll es sich das eine Mal um einen Brief an eine Eisenbahnfirma, das andere Mal um Differenzen mit dem Reichsschatzamt wegen Verstaatlichung der Otavibahn gehandelt haben. Diese Angaben sind vollständig unbegründet, Exzellenz Dernburg ist nur einmal in Hohenfinow gewesen, um dem Reichskanzler auf dessen Wunsch, ebenso wie die anderen Staatssekretäre, Vor- trag über den Stand der Angelegenheiten seines Ressorts zu halten." DieDeutsche Tageszeitung" tritt demgegenüber den Rück- z u g an, indem sie meint, sie hätte die Mitteilungen wiedergegeben, ohne Gewähr dafür zu übernehmen. Mit dieser Ausrede, über die dieDeutsche Tageszeitung" sich nicht wenig entrüstet hätte, wenn sie von anderer Seite gebraucht worden wäre, wird sich das Blatt kaum aus der Affäre ziehen können. Läßt doch die An- spielung aus einenseltsamen Brief" an eine Eisenbahnfirma allerhand Deutungen zu, die ein Staatssekretär schwer auf sich sitzen lassen kann. Das Blatt wird also doch wohl etwas deutlicher wertes müsse». Der gestrenge Oertel. Auf der Hauptversammlung des Deutschen Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke hatte Graf Posadowsky eine Rede gehalten, in der er bedauert, daß jemals der Gedanke auf- tauchen konnte, auch alkoholfreie Getränke der Besteue- rung zu unterwerfen. Er beklagte auch, daß der Schnapsblock auf Kaffee und Tee einen erhöhten Zoll gelegt hat. DieDeutsche Tageszeitung" hat die Rede des Grafen arg verschnupft. Das Blatt spricht daher kurzerhand dem früheren Staatssekretär das Recht auf freie Meinungsäußerung ab. Es schreibt: Daß ein früherer Staatssekretär gegen die soeben von den Verbündeten Regierungen angenommene und gebilligte Reichs- finanzreform Stimmung machen zu sollen glaubt, ist trotz der verhältnismäßigen Bedeutungslosigkeit der Sache doch immerhin eine etwas peinliche Erscheinung." Diese Junker sind so sehr gewöhnt, die Minister als ihre Be- Dienten zu betrachten, daß sie es sofort peinlich empfinden, wenn einmal auch von einem Minister, natürlich einem gewesenen, eine schüchterne Kritik an der Junkerraffgier gewagt wird. DerSkandal von Halle" in Permanenz. Die in Halle erscheinenden bürgerlichen Blätter verkünden feierlich, daß eine vertrauliche Besprechung der bürger- liehen Parteivorstände des Wahlkreises Halle- Saalkreis be- schlössen habe, von allen Sonderkandidaturcn abzu- sehen und den Wählern die Unterstützung des vom Verein der Liberalen aufgestellten Reichstagskandidaten Kaufmann Georg R e i m a n n aus Berlin zu empfehlen. Am 24. September soll sich Herr Reimann den Wählern vorstellen und sein Programm ent- wickeln. Was wird nun Herr Arendt, der Entdecker desSkan- dals von Halle", der für ihn in der Aufstellung eines auswärtigen Kandidaten bestand, dazu sagen? Merkwürdigerweise wollen seine Parteifreunde, die Konservativen des Kreises, erst in einer Generalversammlung am 28. September zur Kandidatenfrage end» gültig Stellung nehmen, also erst nach der offiziellen Proklamierung der Kandidatur. Die Angst der bürgerlichen Parteien um das bei der Hotten- tottenwahl erschwindelte Mandat äußert sich jetzt bereits in krassester Form. Bevor der Wahltermin ausgeschrieben, wird bereits zum altbewährten Mittel der Saalabtreibung gc- griffen. Unsere Genossen hatten im Bierkrieg nicht allein einen billigeren Bicrpreis, sondern auch die Freigabe von verschiedenen Versammlungslokalitäten errungen. Jetzt suchen die Gegner durch Androhung des bürgerlichen Boykotts die Brauer un d Lokal besitzer zu bestimmen, ihre Zusage w l e d e r z u r ü ckz u z i e he n. Sollten die bürgerlichen Treiber damit Glück haben, so würde die Empörung der Arbeitermassen, die infolge der schamlosen Wahlverschleppung ohnehin schon einen hohen Grad angenommen hat. keine Grenzen mehr kennen. Christliche Nachsicht. Die Ultramontanen sind bekanntlich sehr streng in Sachen der Sittlichkeit, aber sie können doch auch wieder sehr nach- sichtig sein, wie das Urteil derW e st d e u t s ch e n A r b e i t e r- Zeitung" über den Fall Schack beweist. Das M.-Glad- bacher Blatt redet von einerpeinlichen Angelegenheit", in die der Abgeordnete Schack verwickelt sei, von einem Briefe, der Aeußerungen mindestens mißverständlicher Art" enthalte. Die politischen Gegner Schocks hätten die Wendungen in dem Briefe nach der schlimmsten Seite hin ausgedeutet" und das habe Schack veranlaßt, seine Aemter niederzulegen. Das Blatt gibt dann der Vermutung Ausdruck, daß bei Schackeine schwere, in ihren An- sängen weit zurückliegende geistige Krankheit" vorliege und schließt dann: Wer Schack persönlich gekannt hat, der muß sich in der Tat fragen: Wie ist es möglich? Was hatte Schack vor, und was geradezu verrückte Einleitung? Man steht vor lss a l l e l n. Ez somit nicht ausgeschlossen, daß tatsächlich die letzte Ursache in dem Vorhandensein einer geistigen Störung gesucht werden muß und gefunden werden dürfte." Nachsicht mit den Schwächen des Mitmenschen ist eine schöne Sache, aber sie ist nur dann zu loben, wenn sie nicht unter Schändung der Wahrheit geschieht und auch gegen jedermann und nicht nur gegen Nahestehende geübt wird. In diesem Falle liegt aber die Sache so. daß es derWestdeutschen Arbeiter-Zeitung" unter Verdrehung der tatsächlichen und für jedermann offenkundigen Verhältnisse nur darum zu tun ist. den Gesinnungsgenossen zu retten. Herr Schack war mit den Führern der christlichen Gewerkschaften und der konfessionellen Arbeitervereins eine Hauptstütze der sogenannten christlich- nationalen Arbeiterbewegung;« spielte auf dem«Deutschen ArB'eiterko»gresse " eine Haüptrdlle und' saß Mit d' Herren Giesberts, Stegerwald usw. im Ausschuß des Arbeiterkongresses, und wenn die Namen der Ver- treter derchristlich-nationalen Arbeiterbewegung" im Reichstage genannt wurden, so fehlte Herr Schack darunter nicht. Die Nachsicht, die das sonst so sittenstrenge Blatt aus M.-GIadbach gegenüber moralischen Schwächen zu üben weiß, ist also in diesem Falle mehr als verdächtig, und man darf sich auch verwundern, daß ein Mann, der mit einerweit zurück- liegenden geistigen Krankheit behaftet war", im Januar 1907 mit Hilfe des Zentrums in den Reichstag gewählt wurde und daß derselbe Mann im Oktober 1907 auf dem zweiten christlich- natiMglen Arbeiterkongreß eine maßgebende Rolle spiele» durfte. Nachwirkungen der Zündwarensteuer. Zwischen den deutschen Fabriken und den Großhändlern von Zllndwaren haben seit Jahren Lieferungsverträge bestanden, ohne daß von der Industrie'die strenge Jnnehaltung der Ab- nahmetarife durch die Großhändler verlangt wurde. Auf diese Weise waren sehr erhebliche Lieferungen noch rückständig, als das Zündwarensteuergesetz zur Annahme gelangte. Um nun die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes gegebene Frist für den Verkauf steuerfreier Streichhölzer auszunützen, verlangten die Grossisten die sofortige Lieferung aller noch rückständigen Austräge. Hierzu waren die deutschen Fabriken naturgemäß nicht im- stände, trotzdem fie ihre Betriebe, soweit nur irgend möglich, ausnützten. Die Genehmigung zu Ueberstunden in den Fabriken wurde von verschiedenen Regierungen nicht erteilt, weil man die bevorstehende Einführung der Steuer nicht als einen ausreichenden Anlaß anerkannte. Da nun die Grossisten infolge des Sturmes auf die Streichholzvorräte in den Detailgeschäften zur Ausführung ihrer vereinbarten Lieferungen gezwungen wurden, bezogen sie den sehr erheblichen Teil ihres Bedarfes, der von den deutschen Fabriken nicht geliefert werden konnte, aus dem Auslande, zu durch den Zoll erhöhten Preisen. Diese Preisdifferenz ist nun von den Groß- Händlern gegen die deutschen Fabriken eingeklagt, wobei eS sich um sehr bedeutende Summen handelt. Von den Fabriken wird in dem Rechtsstreit toroe majeure eingewendet; mit welchem Erfolge, bleibt abzuwarten._ Spanien . Die politische Lage. PariS , IS. September. DerMatin" berichtet aus Madrid : Die Oppositionsparteien treffen Vorbereitungen, um einen energi- schen Kampf gegen die Regierung einzuleiten. Die Republikaner verlangen sofort die Einberufung der CorteS. Der frühere Minister des Auswärtigen Gulong erklärte, daß eS notwendig sei, die jetzige Regierung zu stürzen und dieselbe durch ein konservatives Kabinett zu ersetzen, welches das Gesetz achte, da die liberalen Parteien noch nicht bereit seien, die Verantwortlichkeit der Regierung zu übernehmen. Der Führer der Demokraten, Lopez Domiguez, hatte gestern eine lange Unterredung mit den Vertretern der liberalen und republikanischen Partei. Er ist der Ansicht, daß die Haltung der Regierung verfassungswidrig ist. Alle Oppositionsparteien werden einen Block bilden, um die Wieder- Herstellung der spanischen CorteS sowie die Ein- berufung derselben zu verlangen. Polizeistreiche. Madrid , 18. September.El Pais " meldet die Explosion und Auffindung mehrerer Höllenmaschinen in Barcelona , worüber die Zensur keine Depeschen verbreiten ließ. So habe fie die Ver- öffentlichung zweier Explosionen am 28. August und die Auffindung zweier Höllenmaschinen und von acht Petarden am 30. August unter- sagt. An diesem Tage sei auch eine Explosion vorgekommen, die gleich den früheren keine Opfer erforderte, wohl aber seien am 13. September durch eine Explosion in der San Pahlostraße fünf Personen verwundet worden. Englanc!. Im Kampf um das Budget. Birmingham , 17. September. Hier fand eine große Demonstration der Liberalen zugunsten des Budgets statt, bei der 70 Parlamentsmitglieder am Vor- standstisch saßen und Arthur Chamberlain , der Bruder Josef Chamberlains, den Vorsitz führte. Premierminister Asquith erklärte, die Versammlung müsse eine gleich- mäßigeBelastung desReichtums verlangen. Die erwählten Vertreter des Volkes müßten hierin das letzte Wort haben. Er gebe den Ernst der von R o s e b e r y er- hobenen Vorwürfe zu: die immer wiederkehrenden Grund- steuervorschläge jedoch seien kein Sozialismus jüngsten Datums, sondern beinahe von ehrwürdigem Alter. Asquith schloß, die Liberalen nähmen die Herausforderung der Lords kampfesmutig an. Der Widerstand der Lords gegen das Budget sei die ungeheuerlichste Revolution der neueren Zeit. Imperialistische Agitation. New Jork , 17. September. Der englische Admiral Lord Beresford erklärte bei einem Bankett im Anwaltsklub, an- gesichts der Lage in Europa bleibe England nichts anderes übrig, als einen großen nationalen Verteidigungsplan vorzu- bereiten. Es wolle behalten, was es habe, und die Suprematie zur See bedeute für daS Reich Leben oder Tod. Wenn erst die Zeit gekommen, wo die englischsprechenden Nationen sich zusammengeschloffen haben würden, so gäbe es keinen Krieg. Die Sufsragettes. Birmingham , 13. September. Zwei Anhängerinnen des Frauen- stimmvechts, die gegen einen Eiscnbahnzug, in dem sich Premier- minister Asquith befand, Steine geworfen hatten, Mrden zu einem Monat Gefängnis verurteilt, Marokko . Berhöhnung der europäische» Juterventlon. Fez, 18. September. Wie mitgeteilt wird, ist der Roghi Buhamara im Innern des Palastes hingerichtet worden. Diese Matzregel soll verfügt worden sein infolge der Auftegung. in welche der Sultan durch den Schritt der fremden Konsuln gegen die grau- samen Folterungen versetzt worden ist. Die Hinrichtung fand in Gegenwart seiner Haremsdamen statt. Infolge der Nichtzahlung des Soldes desertierten 1300 Soldaten. TJmenKa. Folgen des Zolltarifs. Hamilton'(Ontario), 17. September. Bei einem Festmahl des Kanadischen Fabrikantenvereins erklärte Eisenbahnmini st er G r a h a m mit Bezug auf den amerikanischen Zolltarif, Kanada würde eine würdevolle Haltung bewahren und seine Geschäfte weiter betreiben, ohne sich durch irgendwelche Maßnahmen anderer Länder einschüchtern zu lassen. Es sei nicht nur die Politik der Regierung, sondern auch die des kanadischen Volkes, daß dem Mutterlande eine Vorzugsstellung eingeräumt werde. Da die Vereinigten Staaten diese Vorzugszölle für England sls eise Verlegung bei gilei&beie&tißuaa ansehen und' daknit drohen, gegen Kanada den Maximaklarlf angtef wenden, könnte es infolgedessen leicht zu einem Zollkrieg zwischen beiden Ländern kommen. Eue der Partei. Zwei wichtige Broschüren zur Steuerfrage sind erschienen. Im Verlage der Leipziger Buchdruckerei A.-G. (Druckerei derLeipziger Volkszeitung ") kam heraus: Die Brandschatzung des Volkes durch indirekte Steuern in Deutschland . Von I. K a r s k i. 90 Seiten. Preis SV Pf. Im Vorwort sagt Genosse Karski: «Die reaktionären Parteien und die Regierung haben der Be- völkerung Deutschlands von neuem eine ungeheure Last an in- direkten Steuern aufgebürdet, um Mittel zur Fortführung der ver- heerenden volksfeindlichen Politik des Militarismus zu erlangen. Von neuem fühlt das Proletariat am eigenen Leibe die Wirkungen dieses infamen Steuersystems. Vor nahezu fünf Jahrzehnten schrieb Ferdinand Laffalle seine zündenden Broschüren gegen die indirekten Steuern, und seither kämpft die Sozialdemokratie aller Länder ununterbrochen gegen dieses System. Indessen fehlt im Rüstzeug des proletarischen Kämpfers eine Waffe für diesen Kampf. Die Broschüren Lassalles sind unentbehrlich und unersetzbar, auch heute soll man sie lesen und wird man sie lesen. Allein seit sie niedergeschrieben, hat sich manches geändert, denn nirgends ist wohl die Erfindungsgabe der Volksbedrücker tätiger als da, wo es gilt, immer neue Millionen aus dem Beutel der arbeitenden Massen herauszuholen. In den Reden der parlamentarischen Vertreter des Proletariates und in der Preffe haben diese Praktiken der Lebensverteurer und Liebes- gabenempfänger stets die gebührende Beleuchtung erhalten, aber es fehlt eine zusammenfassende Darstellung. Diese soll die vor- liegende Schrift geben, sie soll schildern, wie heute das Volk in Deutschland durch indirekte Steuern gebrandschatzt wird, nicht nur zugunsten des Staates, sondern auch zugunsten der Junker und der Kapitalisten. Aus den Aufgaben des Kampfes geboren, möge das Büchlein im Kampfe guten Dienst tun. Am Jahrestage des Todes Ferdinand Lassalles 1909." < Im Verlage der Wiener Volksbuchhandlung Jg. Brand u. Co., Wien , erschien: Das arbeitende Volk und die Steuern. Zum Kampfe gegen die Steuervorlagen der Regierung Bienerth-Bilinski. Vom Reichs- ratsabgcordneten Dr. Karl Renner . 1. Teil: Allgemeine Einführung in das Steuerwesen. Preis 60 Pf. Genosse Renner hat seiner Schrift folgendes Vorwort ge- geben: Mit schweren Lasten suchen wieder einmal die Regierungen der Staaten ihre Völker heim. Die Not der Massen ist groß, noch größer aber ist der leichtfertige Uebermut der Herrschenden. Erst haben sie ganz Europa mit dem Schrecken der Kriegsgefahr erfüllt: Durch Monate zitterten die Mütter um ihre Söhne, cS schien, daß Oesterreich und Rußland , Deutschland und England, Bulgarien und die Türkei , daß das europäische Festland und Europas Meere der Schauplatz eines ganz ungeheuerlichen Mordens werden müßten! Wie vom Alpdruck erlöst, atmeten Millionen Familien auf, als diese Gefahr an uns vorübergegangen. Aber an dem bescheidenen Tisch der Proletarierbehausung ist der freundliche Genius der Sicherheit ein flüchtiger Gast, dafür hält die Sorge ständige Einquartierung. Kaum war die Kriegs- gefahr geschwunden, so besannen sich die Staatsmänner aus neue Kriegsrüstungen. Neue Staatsschulden und neue Steuern in allen Ländern! Das Deutsche Reich fordert eine halbe Milliarde neuer Reichssteuern. England reformiert seine Finanzen, Rußland macht neue Schulden. Und auch die österreichische Regierung Bienerth hat durch ihren Finanzminister BilinSki eine lange Reihe neuer Steuern gefordert. Diese Steuern sollen in Oesterreich wie in Deutschland auf die geduldigen Rücken der arbeitenden Massen ge- wälzt werden, während sich die Besitzenden steuerfrei zu halten suchen. Sie haben nur einen Wunsch an die Regierung: Laß uns unseren täglichen Profit und versteuere den Massen das tägliche Brot, den täglichen Trunk! Wieder geht in ganz Europa die Steuerfeme um, nachdem die Kriegsfurie sich einstweilen verkrochen. Die Steuern stehen allent» halben auf der Tagesordnung. Und darum ist es notwendig für jeden, über das Steuerwesen im allgemeinen und über die Abgaben in seinem Lande sich zu belehren. Diesem Bedürfnis soll dieses Schriftchen entsprechen. Es ist gemeinverständlich gehalten. aber eS verzichtet nicht darauf, wissenschaftlich zu sein. Manche neue Auffassungen sind darin ausgesprochen, welche erst später in streng theoretischer Weise begründet werden können. Denn die Sache drängt, die Steuerfrage ist heute schon die Angelegenheit der Volksmassen und keine bloße Doktorfrage mehr. Das kämpfende Proletariat in der Abwehr der neuen Steuern zu unterstützen, ist die nächste Aufgabe dieser Arbeit. Sie behandelt das Steuer- und Staatsschuldenwesen über- Haupt, die verschiedenen Arten der Besteuerung und ihre Entwickc- lung. Eine zweite, besondere Arbeit soll den österreichischen Staats- Haushalt, seine Entwickelung und die Bedeutung der neuen Steuer- vorlagen untersuchen. Das vorliegende Schriftchen mag als Ver- such einer Einführung in die Finanzwissenschaft nach sozialistischer Auffassung gelten." Wie aus dem Vorwort ersichtlich ist, ist der I. Teil nicht bloß für österreichische Proletarier bestimmt. In der gegenwärtigen Situation besonders wird er auch den reichsdeutschen Urbeitern gute Diln�p leisten können. vom Ilierinieg. In Remscheid nimmt der stille Bierbohkott mit jedem Tage an Ausdehnung zu. Die von der Parteileitung und den GeWerk- schaften ausgegebene Parole«Bierenthaltung" wird von den Ar- beitern und teilweise auch von der Bürgerschaft strengstens befolgt. Eine Anzahl Wirtschaften, die bereits einen PrciSaufschlag eintreten ließen, haben diese Erhöhung wieder fortsallen lassen. Daß sich hierunter Lokale befinden, die vorwiegend oder ausschließlich von der bessergestellten Bürgerschaft besucht werden, also keine Arbeiter- lokale sind, ist typisch für den ganzen Bierkrieg. Es wird dadurch der Beweis erbracht, daß die Konsumenten aller Bevölkerungs- schichten die Verteuerung zurückzuweisen gewillt sind. Eine humane" Maßnahme hat die Wohlfahrtsfirma..Bergische Stahl- industriegesellschast". das größte Werk in Remscheid , durch An- schlag bekannt gemacht. Der Bierkonsum ist durch die Bewegung der Konsumenten total ins Stocken geraten, und ausgerechnet in diesem Monat hält es die Firma für angezeigt, den Milchpreis zu erhöhen. Durch Anschlag teilte die Firma ihren Arbeitern mit, daß die Milch, die bisher zu 20 Pf. pro Liter abgegeben wurde. in Zukunft mit 25 Pf, pro Liter zu bezahlen ist. Anscheinend soll diese Maßnahme den Zweck haben, den Bierkonsum wieder zu be- leben. Die Kalkulation dürfte aber verfehlt sein. Für das humane Getue dieser Firma ist dieser Preisaufschlag auf die Milch aber auf alle Fälle bezeichnend. Sie drohte auch die Schließung der in ihrem Betriebe befindliche« drei Bierkantinen an.