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Trieft und Eapodistria fanden zahlreiche Arbeiterversammlungen statt. Nach denselben überließen sich die Ardeiter ihren Ver- gnügungen, die alle harmlos verliefen. Das Unternebmerthum in Böhmen versucht Maß- regelungen. In G a b l o n z streiken 400 Weber der Firma Mauthner u. Oesterreicher , weil diese einige Arbeiter entlassen hat, die für die Maifeier besonders eingetreten waren. Die Fabrik von Hoffmanns Söhne u. Brande! entließ 300 Arbeiter wegen ihrer Betheiligung an der Maifeier und stellte dann den Betrieb ein. Danach müssen ihre Geschäfte nicht besonders floriren, sonst würde sie das jedenfalls bleiben lassen. Schweiz . In Luzern zogen 600 Parteigenossen mit rothen Bannern und unter Musikbegleitung durch die Stadt. deren Straßen anläßlich der Reise des deutschen Kaisers im Flaggenschmuck prangten. Auf dem Festplatz hielt W u l l- s ch l ä g e r aus Basel die Festrede. Das W etter war herrlich. Frankreich . Die radikalen Pariser Blätter greifen die Re- gierung heftig an wegen der Vorfälle vor der Arbeitsbörfe und wegen der Verhaftung Baudins, der von den Polizisten miß- handelt worden ist. Die Angelegenheit soll in der Kammer zur Sprache gebracht werden. Das Exekutivkomitee für die Kund- gebung vom l. Mai hat einen Protest gegen die Haltung der Polizei und die vorgenommenen Verhaftungen abgefaßt. Von den 100 Verhaftungen haben nur wenige ausrecht erhalten wer- den können. Aus Marseille berichtet das Wolff'sche Bureau: Am Schlüsse eines im Chateau de Fleurs stattgehabten Arbeiter- Meetings hißte einer der Manifestanten eine rolhe Fahne. Es entstand ein Tumult, bei welchem zwei Polizeikommissare Ver- letzungen erhielten. An einer anderen Stelle der Stadt wurde eine Kavallerie-Abtheilung mit Steinen beworsen, wodurch drei Husarenoffiziere verwundet wurden. Auch mehrere Schutzleute wurden in gleicher Weise verletzt, ein Schutzmann erhielt eine Wund« an der Stirn. Belgien . Aus Brüssel wird unS geschrieben: Die Ge- nossen des Arbeiter- GesangvereinsFraternitö" hielten am 1. Mai bei Schmidt, Grand Place 14, ihre Maifeier, verbunden mit Konzert und Ball, ab. Das Fest, von ca. 200 Personen be- sucht, verlief aufs schönste. AuS Holland meldet das Wolff'sche Bureau: Ueberall im Lande sind die von den Arbeitern veranstalteten Kundgedungen friedlich verlaufen. In Gröningen veranstalteten die Theilnehmer an einer Versammlung, in welcher Domela Nieuwenhuis die An- spräche gehalten hatte, einen Umzug. Als die Menge der Polizei- lichen Aufforderung sich zu zerstreuen nicht nachkam, zog die Polizei blank und trieb die Demonstranten mit der blanken Klinge auseinander. Mehrere Personen wurden dabei durch Säbelhiebe verwundet, eine derselben schwer. Jetzt ist überall die Ruhe wiederhergestellt. Norwegen . Ans C h r i st i a n i a berichtet das Herold'sche Bureau unterm 2. Mai: An dem gestrigen Demonstrationszuge der Sozialdemokraten betheiliglen sich fast alle hiesigen Fach- vereine; der Zug ging mit Musik und Fahnen vom Ankermarkl nach Tullinlökken, wo Advokat Ludwig Meyer für den acht- stündigen Normalarbeitslag sprach. Im Zirkus fand am Abend ein Fest statt, die Festrede hielt Advokat Arnhold Hazeland. Alles verlief in Ruhe und Ordnung. Spanien . Aus Madrid läßt sich Wolff depeschiren: Hier war gestern Abend alles ruhig. In den Bergwerken von Gallarta versuchten mehrer« Ausständige die Arbeitenden an der Fortsetzung der Arbeit zu verhindern, so daß die Gendarmerie einschreitenmußte." Die Gendarmen wurden mit Steinen be- worfen und gaben Feuer; ein Arbeiter wurde verwundet. Auch in Malaga versuchten Arbeiter die Arbeit im Hafen zu ver- hindern, jedoch kam es nicht zu ernsten Ruhestörungen. Italien . Die Nachrichten vom 2. Mai bestätigen, daß die Maiseier in ganz Italien in Ordnung vor sich gegangen ist. Z>arlcmrenksl»evtlhke. Deutscher Reichstag . 87. Sitzung vom 2. Mai 1893. 1 Uh«. Am BundeLrathStische: von Bötticher, Miquel, von Kaltenborn, von Maltzahn und Kommissare. Eingegangen ist die Verordnung des BundeSraths über die Beschäftigung der jugendlichen Arbeiter und der Arbeiterinnen in den Ziegeleien. Auf der Tagesordnung steht zunächst die dritte Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Ersatzvertheilung. Derselbe wird unverändert nach den Beschlüssen der zweiten Lesung genehmigt; ebenso wird in dritter Berathung ohne Debatte der zweite Nachtrag zum Reichs-Haushalts- Etat für 1892/93 genehmigt. Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend Ergänzung der Bestimmungen über den Wucher, wird in der Schluß- abstimmung endgiltig gegen die Stimmen der Freisinnigen an- genommen. Es folgt die Berathung des schleunigen Antrag«? Ahl- warbt. Die Kommisston beantragt:.Der Reichstag wolle beschließen: 1. nachdem die Kommission erklärt hat, daß der Inhalt der von dem Abgeordneten Ahlwardt dem Reichstage übergebenen Akten und Druckschriflen die durch den genannten Abgeordnelen in den Sitzungen des Reichstags vom 18., 21. und 22. März, sowie vom 25. April d. I. gegen frühere und jetzige Mitglieder des Reichstags und des Bundesraths erhobenen Anschuldigungen nicht rechtfertigt, den Antrag Ahlwardt für erledigt zu erklären; 2. über die der Kommisston überwresene Petition der Wittwe Hiebsch und des H. Wagenbret, um Hinausfchiebung des Be- schlusses der Kommifston, zur Tagesordnung überzugehen." Berichterstatter sind die Abgg. von Cuny und Porsch. Abg. von Cuny berichtet über die Frage, ob die Äeschuldi- aungen des Abg. Ahlwardt , soweit sie sich auf den Reichs- Jnvalidenfonds beziehen, durch den Inhalt der von ihm über- gcbenen Akten gerechtfertigt werden. Es kommt hierbei nicht blos der Reichs-Jnvalidensonds in Betracht, sondern auch zwei andere Fonds, die derselben Verwaltung unterstellt waren, der Ecstungs-Banfoiids und der Reichstags-Baufonds. Die Lage der ache ist eine eigenthümliche, insofern, als derjenige Veschluß, welcher die Kommission einsetzte, von der Uebergabe von Akten ausging, während Herr Ahlwardt keine Akten eingereicht hat, sondern Druckschriften, die schon vor 16 Jahren erschienen sind. Eine Schrift enthält keine Jahreszahl, wird aber bereits 17 Jahre alt sein. Die Schriften sind damals viel besprochen worden, sie haben Aufsehe» erregt; der Inhalt kann als etwas Neues nicht betrachtet werden. Ich erwähne daS, weil sich auch im Auslande der Gedanke verbreitet hat, als wenn von Ahl- warbt neue Enthüllungen k la Panama zu erwarten wären. Der Abg. Ahlwardt knüpfte seine ersten Beschuldigungen an die Novelle zum Militär-Pensionsgesetz an; er tadelte die zu ge- ringe Dotirung des Reichs-Jnvalidensonds(Redner verliest die Auslassungen Ahlwardt's ), welche eine Folge sei der Ver- Handlungen hinter den Koultssen mit großen Börsenjuden. Die Behauptung des Abg. Ahlwardt wird durch nichts bewresen. Die eine Broschüre hat mit dieser Frage nichts zu thun; sie spricht blos von Gründergewinnen auf grund des Berichts der Eisenbahn-Kommission. Eine Broschüre beschäftigte sich mit dem vorher genannten Reichssonds. aber der Verfasser derselben. Rudolf Meyer, meint, die Fonds seien eine Erfindung der Diskonto- Gesellschaft, die sich emer Menge fauler Effekten ent­ledigen wollte. Diesem Plane stand der Geheimrath Wagner entgegen, nach dessen Beseitigung erst es gelungen ist. die Fonds zu bilden. Rudolf Meyer spricht sich durchaus nicht in dem Sinne aus, wie Herr Ahlwardt ; er ist überhaupt ein Gegner eines solchen Fonds; die Diskonto- Gesellschaft hätte gerade ein Interesse gehabt, die Fonds recht groß zu machen. Die Behaup- tung des Abg. Ahlwardt steht also vollständig beweislos da. Der Abg. Ahlwardt hat im Laufe der Verhandlungen die An- griffe wieder aufgenommen über die Belegung dieses Fonds. Herr Ahlwardt hat darüber ganz genaue Auskunft in der Kom- Mission versprochen, er bat darüber aber nichts angegeben, son- dern sich nur auf die Broschüren berufen, lieber die Behaup- tung derselben hat in den siebziger Jahren eine eingehende Berathung stattgefunden und es ist damals ein ausführlicher Bericht vorgelegt worden.(Redner geht auf diese Vorverhand- langen ausführlicher ein und weist darauf hin, daß die An- läge von 12 Millionen in Hannover - Altenbekener Priori- täten im Verhältniß zur Gesammtanlage von 300 Mark nur sehr gering war. Alle diese Eisenbahn- Prioritäten seien aber von dem Fonds mit Gewinn veräußert worden.) Herr Ahlwardt meint nun, es würden Verluste eingetreten sein, wenn der Staat die Linie Hannover -Altenbeken nicht verstaatlicht hätte. Aber der Kaufpreis für die Linie ist auf S0 Millionen Mark normirt worden, fodaß die 12 Millionen Prioritäten ge- sichert waren. Berichterstatter Abg. Porsch: Die Anschuldigungen des Herrn Ahlwardt sind nicht blos hier im Hause, sondern auch im ganzen Baterlande mit Bedauern gehört worden; es sollen nicht blos die Mitglieder des Reichstages, sondern auch andere, die ein Interesse daran haben, unseren Befund superrevidiren können; deshalb ist der stenographische Bericht über die Kominissions- Verhandlungen verlheilt worden. Redner verliest die Aus- lassungen Ahlwardt's vom 21. März, in welchen er daraus hin- wies, daß Verhandlungen k la Panama hinler den Koulissen geführt sind, daß Altenstücke vorliegen, vom gegenwärtigen Finanz- minister unterzeichnet n. f. w.; es handle sich'um Original-Aklen, über deren Echtheit kein Zweifel sei. Am 22. Marz legte Ahl- warbt nur einige Aktenstücke vor; die Akten sollten zusammen 2 Fentner wiegen. Die Vertrauenskommission des Reichstages prüfte die vorgelegten Aktenstücke und erstaltete durch den Grafen Ballestrem Bericht, daß Ahlwardt Aktenstücke nicht bezeichnen konnte, die etwas Gravirendes enthalten; er hat das auch jetzt nicht gekonnt. Am 22. April wurde der Antrag Ahlwardt auf Einsetzung einer besonderen Kommisston eingebracht. Er versprach genaue Auskunft in der Kommission darüber, daß das Volk um Hunderte von Millionen Thaler oder Mark ist nicht gesagt betrogen oder geschädigt worden sei. Ahlwardt selbst konnte sich in den Akten nicht zurecht finden, es wurde, ohne dadurch ein Präjudiz zu schaffen, ein Schriftsteller Plate zugezogen, der besser niit den Akten Bescheid wissen sollte. Es ist in den Berichten der Kommission irrthumlich von dem Schriftsteller Glagau die Rede; das haben die Stenographen ver- hört; es handelt sich um den Herrn Plake. Der Abg. Ahlwardt erklärte in der ktommission, daß die Aktenstücke sich nur auf den früheren Abg. Miquel bezogen. Bezüglich Bennigsen'? berief er sich nur aus die gedruckten Bücher. Redner weist daraus hin, daß eine Briefkopie mit vorgelegt sei, in welcher die Namen Hör- witz und Munckel sich befinden. Sie sind als Vertreter von Aklier. auf der Generalversammlung erschienen, aber wenn der Brief richtig ist, sind sie als Gegner der betreffenden Person erschienen, welche den Brief geschrieben hat. Der Brief datirt überhaupt aus dem Jahre 1881, während die Beschuldigungen Ahlwardt's sich beziehen auf die Zeit vor 1876. Redner weist noch darauf hin, daß sowohl die Besassung des Seniorenkonvents mit der Sache als die Einsetzung einer besonderen Kommission außer- gewöhnliche Schrille seien: aber da niemand dagegen Wiederspruch erhoben habe, so habe die Kommission verhandelt, obgleich es sich nicht um Reichsangelcgenheilen handelte. Der Abg. Ahlwardt hatte in einer öffentlichen Versammlung erklärt, daß er die wich- tigsten Aktenstücke noch zurückbehalten habe, er sagte aber zu, daß der Kommission sofort die noch fehlenden Aktenstücke vorgelegt werden sollten. Der Vorsitzende der Kommission fragte deshalb sofort bei Beginn der Verhandlungen, ob er die fehlenden Schrifstücke übergeben wolle. Ahl- warbt erklärte sich bereit dazu, er holte die Akten, welche noch in der Hand des Herrn Plake sich befanden. Ahlivnrdt hatte in der Verhandlung des Seniorenkonvents von einem zerrissenen und wieder zusammengeklebten Brief eines rumänischen Senats- Präsidenten gesprochen. Der Brief wurde vorgelegt, aber die Quittungen der österreichischen Journalisten über die erhaltene Bestechungssumme konnte Ahlwardt nicht finden: der Schrift- steller Plake wurde zugezogen und Ahlwardt erklärte, daß die Quittungen sich nicht unter den übergebenen Aktenstücken befänden; er übergebe sie erst am nächsten Morgen, nachdem er Abends in einer Volksversammlung erklärt halte, die Akten seien so in Un- ordnung gebracht, daß er sich nicht mehr hätte herausfinden können. Ein Unheil darüber brauche ich wohl nicht erst fällen. Als der Referent und Korreferent die?lkien prüfte, stellte sich heraus, daß dieselben nichts weiter sind, als zum Theil recht unorthographische Abschristen und Herr Ahlwardt erklärte, das seien die mit Kopirlinte geschriebene Originale des Herrn Meißner. (Heiterkeit.) Briefe der Diskontogesellschaft an die rumänische Eisenbahn waren in Abschristen von den Abschriften Meißners überreicht; dabei war an einem Aktenstück ein Name von den zwei Unterschristen wegradirt; im Original stand neben Miquel der Name Meißner. Der letztere war Prokurist und hieß ebenso wie der Komtoirdiener. Das mußte dem betreffenden Benutzer verwunderlich vorkommen, deshalb ist der Name Meißner wegradirt. Herr Ahlwardt meinte. Meißner habe zur Beglaubigung mit- unterzeichnet(Heiterkeit) und zwar als Direktor, gleichsam zum Ersatz für den abwesenden andern Direktor als Kolleg« des Herrn Miquel(Große Heiterkeit). Das habe ich auch nicht geglaubt, daß Herr Ahlwardt so etwas vorbringen würde. Die rumänische Eisenbahn habe ein Darlehn gegen Bürgschaft der Diskouto-Ge- sellschaft und Bleichröder's erhalten. Der Bürgschastsverlrag wurde dem Finanzminister Miquel zur Last gelegt; es standen aber im Original ganz andere Namen, nicht der Name Miquel; in der Abschrist fehlten die Unterschriften gänzlich, vielleicht im Vertrauen darauf, daß die Referenten die Sache nicht weiter prüfen würden. Alle die verschiedenen Schreiben, welche Ahl- warbt vorgelegt hat, enthalten nichts, was irgendwie den Finanz- minister Miquel belasten könnte. Genau geprüft worden sind die Schriftstücke, welche sich aus das Verhältniß der Diskonto-Gesell- schaft zur rumänischen Eisenbahn beziehen; sie stimmen mit den Originalen zum Theil übercin, aber sie beweisen nicht das, was Ahlwardt beweisen wollte. Was Ahlwarvt nach Ostern über- reicht hat, beweist gar nichts und offenbar hat er gar nicht de- merkt, daß er Abschriften überreicht hat, deren Originale er vor Ostern schon überreicht hatte. Sonst bestnoen sich unter den sogenannten Akten Ausschnitte über allerlei Prozesse, Drucksachen der rumänischen Eisenbahn u. s. w. Die Akten machen überhaupt den Eindruck, als ob niemals ein verständiges Auge in die- elben hineingeschaut und sie in Ordnung gebracht hätte. Der Abg. Ahlwardt hatte behauptet, daß die rumänischen Eisen- bahnen auf das grauenhafteste ausgewuchert seien; es habe des- wegen schon ein Prozeß stallgefunden gegen Gehlsen, in welchem der jetzige Finanzminister Miquel der Hauptzeuge war. Dieser bestritt, daß sehr hohe Zinsen gezahlt wurden; er sprach von 4 pCt., Ahlwardt dagegen behauptete, daß 16 und 35 pCt. Zinsen gezahlt worden sind. Dem Finanzminister wird also der Vor- wurf gemacht, daß er mit Hilfe der Diskontogesellschaft die rumänische Eisenbahn-Gesellschaft ausgewuchert habe durch Forde- rung von 16 oder 35 pCt.; ferner hat Ahlwardt dte Richtigkeit des seitens des Finanzministers geleisteten Eides bezwerfelt. Die Darlehen, um welche es sich dabei handelt, sind 1372/73 verlangt worden von der Diskontogesellschaft, das ReichSdarlehn von ö Millionen Thalern ist erst 75 verlangt worden, bezieht sich also nicht mehr auf die Zeit der Thäligkeit des Herrn Miquel, der bereits 1873 aus der Direktion ausschied. Als Beiveis für den Wortlaut deS EideS de ? Finanzministers berief sich Ahlwardt auf eine Broschüre, die Herr Placke überreichte, welche ohne Tilclblatt war und einen Auszug aus der Prozeßverhandlung gab. Der Finanzminister Miquel übergab die ohne sein Zuthun aus- genommene stenographische Niederschrift des Gehlsen'schen Pro- zesses und auch seines Eides. Herr Miquel erklärte vor Gericht, daß er von der anderen Darlehnssache erst später nach seiner Rückkehr aus Thale , wo er sich längere Zeit aufgehalten. erfahren habe. Aus dem Prozeß Gehlsen geht hervor, daß es sich dabei nicht um Darlehen aus dem Jahre 1872/73 handelte. Das beweift das Urtheil in Sachen Gehlsen, welches Herr Lieb- knecht mir zur Verfügung gestellt hat. in welchem ausdrücklich festgestellt wird, daß ein Zinssatz von acht Prozent für ein solches Geschäft nicht zu hoch ist. Nach dem Aktenmaterial ist es also ein durchaus ungerechtfertigter Vorwurf, wenn Herr Ahlwardt behauptet, der Eid des Herrn Miquel habe die Verurtheilung Gehlsen's herbeigeführt. Der Berichterstatter führt dann die ge- währten einzelnen Vorschüsse und die verabredeten Zinssätze genau auf, weil Ahlwardt von 16 bis 35 Prozent Zinsen ge- sprochen habe, trotzdem es sich nur um 8 bis 9 Prozent Zinsen und Provisionen handelte. Wie nach allen diesen Dingen der Abgeordnele Ahlwardl behaupten konnle, daß das deulsche Velk um Hunderte von Millionen betrogen worden sei. ist um so weniger zu begreifen, als es sich bei diesen Darlehen überhaupt nur um elwa 15 Millionen Mark gehandelt hat. Ahlwardt hat behauptet, daß der Finanzminister Miquel 100 000 Thaler'Aktien der rumänischen Eisenbahngesellschaft gezeichnet hat. Ein Akten- stück dafür ist nicht vorhanden, außer einer unbeglaubigten Ab- schrist Meißner's. Wenn Herr Miquel wirklich gezeichnet hat, so hat er es gethan, wie er schon im Plenum erklärt, für die Inhaber der Obligationen der rumänischen Eisenbahnen. Ahlwardt hat behauptet, daß Stempel- Erlasse vorgekommen seien, daß niemand hastbar war für das Darlehn. Für das letztere berief er sich auf einen Brief eines Herrn Calindero, der aber diese Behauptung nicht beweist. Bezüglich des Stempelerlasses liegt auch nur eine Abschrift von Meißner vor, die aber Ahlwardt selbst falsch zitirt hat. Daß überhaupt Wechsel vorhanden waren, könne er nicht beweisen; er berief sich auf Meißner als Zeugen, der jetzt in Calania sich befinde. Die Bestechungen der Zeitungen werden ebenfalls Herrn Miquel zugeschoben, Ahlwardl verwies auf einen Brief deZ Herrn Miquel. Das Vorgelegte war nur eine Abschrift, die durchaus nichts für die Behauptungen Ahlwardt's beweist. Dafür, daß die Berliner Presse direkt von der Diskonto-Gesell- schaft bearbeitet wurde, konnte Herr Ahlwardt keinen Beweis er- bringen; er verwies wieder aus Plack, der zwei Notizen ans den Büchern vorlegte, in welchen es sich zweimal um hundert Thaler handelte. Damit wird wohl die ganze Berliner Presse nicht ge- kauft sein.(Heiterkeit.) Die sonst angeführten Zahlungen an Zeitungen u. s. w. beziehen sich augenscheinlich aus die Kosten für Inserate und eingesandte Notizen, die elwaS theurer bezahlt zu iverden pflegen als Inserate. In den stenographischen Berichten über die Kommissions-Verhandlungen sind die betreffenden Akten- stücke zum Theil abgedruckt. 21 Wiener Zeitungen haben je 50 bis 100 Gulden erhalten! Das soll ein Beweis für eine Be- stechung sein! Ahlwarbt berief sich auch aus einen Brief des rumänischen Senatsnrästdenten Calindero; der Brief sollte zcr- rissen im Papierkorb gefunden und wieder zusammengeklebt worden sein. Die Jahreszahl ist vorsichligerweife abge- rissen. Es ist nicht zu ersehen, an wen der Brief ge- richtet ist. Der Brief ist, was für einen Rumänen merkwürdig ist, in flüssigen deutschen Buchstaben geschrieben. Der Finanzminister hat mit Hilfe der rumänischen Regierung feststellen lassen, daß es 1872/73 keinen rumänischen Senats- Präsidenten Calindero gegeben hat. daß erst 1881 ein Herr Calindero nach Berlin gekommen ist, also lange nach dem Aus- scheiden des Herrn Miquel aus der Diskonto-Gesellschaft. Herr Ahlwardt hat diesen Brief selbst als gefälscht, als nicht beweis- kräftig erklärt. Der Berichterstatter verliest ein von Herrn Calindero an den Präsidenten des Reichstags eingegangenes Telegramm, in welchem dieser den Brief als eine Fälschung, als eine abscheuliche Infamie erklärt und gegen solche gehässigen Anschuldigungen protestirt. Der Berichterstatter empfiehlt den Antrag der Kommission und erklärt, daß die Kommission davon Abstand genommen hat, die Anschuldigungen des Herrn Ahlwardl weiter zu verfolgen, weil es innerhalb des Hauses keine Quali- fikation für seine Anschuldigung giebt. Herr Ahlwardt hat er- klärt, daß ihm jede Absicht der Verleumdung fern liegt, daß er sich aber irren könne. Was die Belege zeigen, habe ich Ihnen dargelegt. Was Herr Ahlwardt weiter thun wird, muß ich ihm überlassen. Ich handle im Sinne der ganzen Kommission, wenn ich nur das eine ausspreche: Wenn der Abg. Ahlwaldt einen Funken von Verständniß für das hat, was er hier vorgebracht hat, wenn er einen Funken von Ehrgefühl im Leibe hat, dann wird er nicht anstehen, die schweren Anschuldigungen, die er aus- gesprochen hat. zurückzunehmen.(Zustimmung und Unruhe.) Abg. Ahlwardt : Es handelt sich um zwei Dinge: um den Jnvalidenfonds und um die rumänische Eisenbahn. Ich hatte den Jnvalidenfonds als zu niedrig bemessen bezeichnet, weil die allmälige Aufzehrung des Fonds nicht geeignet war für die Invaliden und für das Volk, wohl aber für die Börse, welche bei derBeschaffung der Obligationen ein gutes Geschäft machte und nach Aufzehrung des Fonds immer wieder bei Anleihen in Anspruch genommen werden mußte. Die Invaliden sind heute nicht besser versorgt als 1870. Daß bezüglich des Jnvalidenfonds etwas vorgekommen sein müsse, ist eine Vermuthung, die einen hohe» Grad von Wahr- scheinlichkeit hat.(Gelächter.) Diese Thalsache(Zuruf: That- fache?) liegt in den Verhältnissen begründet. Ich erinnere an die Worte des Herrn Richter, die ich nicht wörtlich ziliren kann: Fürst Bismarck ist ein Großgrundbesitzer, also hat er einen Vor- theil von der Einführung der Schweinesteuer(Zuruf Richters: Erfunden!) Meine Vermuthungen sind begründet durch That- fachen; die Begründung durch Aktenstücke habe ich überhaupt nicht übernommen.(Gelächter.) Ich habe diesen Beweis nur bezüglich der rumänischen Bahn übernommen. Redner beruft sich bezüglick des Jnvalidenfonds auf einen Bericht der Budget- kommissio» über denselben, in welchen von den damals schwer verkäuflichen Eisenbahnobligationen die Rede ist. Redner verliest unter wachsender Unaufmerksamkeit des HauseS einige Stelleu darüber aus der Niendorf'schen Broschüre. Er führt aus, daß die Bahnen, deren Obligationen für die Fonds angekauft wurden, erst hätten geprüft werden müssen. Redner geht nun auf die Entstehung der Linie Hannover -Alten- beken ein und auf die Untersuchungen der Eisenbahn-Kommission von 1873. Die ersten Gelder waren alle, ehe nur die Haupt« fachen für den Bahnbau beschafft waren; eS wurden dann Priori- täten aufgenommen von bedeutender Höhe. Hannover -Alteubeken wurde auf diese Weife die theuerste Bahn; eine Meile kostete nämlich 360 000 Thaler, ohne daß eine Spur von rollendem Material be- schafft war. Was aus solchen Bahnen wird, wenn sie ohne Staatshilse bleiben, kann man sehen an der Norddahn und der pommerschen Zentraldahn, die für einen billigen Preis vom Staate übernommen wurden, obgleich man erklärte, daß sie kaum den Abbruch werth waren. Wäre Hannover -Altenbeken nicht auf den preußischen Staat übernommen, so hätte der Jnvalidenfonds große Verluste erlitten, die jetzt der preußische Staat zu tragen hat. Jedenfalls ist durch alle diese Manipulationen die Ge- sammtheit des Volkes schwer geschädigt worden. Präs. v. Leveyow bittet den Älbg. Ahlwardt, nicht zu weit abzuschweifen, sondern bei seinen ursprünglichen Behauptungen zu verbleiben. Abg. Ahlwardt : Ich will beweisen, daß der Invaliden- fonds schwere Schädigungen hätte erleiden können, wenn der preußische Staat die Bahn nicht angekauft hätte. Präsident v. Levetzow: Sie haben zunächst davon zu sprechen, daß ehemalige und gegenwärtige Mitglieder des Reichs- tags an dieser Schädigung schuld sind. Abg. Ahlwardt : Darauf kann ich nicht wW Angehe.,.