Die„Magdeburgische Zeitung" berechnet die für den Kuh h a n d e l nöthigcn S ti in m en z a h len wie folgt: „Es müßten also ouS der deutschfreisinnigen und der Zentrums- Partei noch 52 Abgeordnete gestellt werde». Rechnet man für den Anhang der Herren Rickert und Hcinel nur 20, so müßten aus der Zentrumspartei noch 32 Hinzustößen. Die Zahlen könnten sich indessen etwas niedriger stellen, da die Rechnung unter Voraussetzung eines vollständigen Hauses gemacht ist. aus das nicht zu rechnen sein wird." Natürlich, denn der Lauen und Flauen, die im Stillen für die Vorlage schwärmen, giebt es genug. Die Drückeberger werden sich still davonstehlen. und das Volk soll die Zeche zahlen. Aber über die dunklen Ehrenmänner des Zentrums und des D e u t s ch f r e i- sinns, die schnöde und treulos ihr Wort ge- brachen haben, wird das Volk unbarmherzig zu Gericht sitzen und mit diesen treubrüchigen Parteien aufräumen, wie es gerechten Richtern ziemt.— Bismarck schreibt in den„Hamburger Nachrichten": „Daß die jetzige Militärvorlage die Zustimmung der Mehrheit der Nation hat. glauben wir nicht; das glaubt auch die Re- gierung selbst- nicht, sonst würde sie ohne Zweifel aufgelöst haben. um ihre Vorlage durch ein eklatantes Vertrauensvotum der Wähler zu decken. Wenn die Vorlage trotzdem mit alle» Mitteln des Druckes, über den die Regierung verfügt, und mit Hilfe der Furcht der Fraktionspolitiker vor Verlust bei Neuwahlen durch- gebracht wird, so wird sich dies in der Zukunft ebenso schwer rächen, wie sich die früheren Versündigungen an dem Interesse der Wähler bei den inzwischen stattgehabten Ersatzwahlen gerächt haben."— Den Kompromiß-Zlntrag Hnene, der heute dem Reichs- tage zugegangen ist und der nahezu alle Forderungen der Regierung bewilligt, siebe in der Abtheilung: Par- lamentarisches.— Wir verweisen zum Vergleich auf die nachstehende Uebersicht: Antrag Huene: Friedenspräsenz stärk« 473 229 Gemeine. Kavallerie 46V EskadronS. Regierungsvorlage: 492 068 Gemeine, +(mehr) 12 839 Mann. 477 Eskadrons, + 12 Eskadrons. 711 Bataillone. 7S Millionen. selbst folgende Infanterie 038 Bataillone und 173 Halbbataillone (vierte Bataillone) = 711. Dauernde Jahres-Aus- gaben(nach H.'s Schätzung) 66 Millionen. Huene fügt seinem Antrage selbst folgende„Bemer- kun gen" hinzu: „Der Antrag bedeutet gegenüber der Regierungsvorlage: 1. eine dauernde Herabminderung der Präsenz von rund 13 800 Mann einschließlich 109S Unteroffiziere. Darunter befindet sich eine Herabsetzung der Oekonomie-Handwerker um rund 2300 Mann, so daß die Armeeverstärkung nicht nur keine Erhöhung, sondern eine Herabsetzung des jetzige» Zupandes um ca. 600 Köpfe herbeiführt. Ferner findet durch Nicht- einstellung von rund 11 000 Gemeinen fürUnteroffizier-Manquements für die ersten Jahre eine entsprechende Herabminderung statt, welche frühestens im Laufe von 5 Jahren nach und nach verschwinde» wird. Endlich wird in, ersten Jahre durch Entlassung der Tis positionsurlauber im bisherigen Umfange eine Minder-Präsenj. von BOOO Mann erfolgen. Also im ersten Jahre eine Gesammt- herabminderung von 29 800 Mann. 2. Dauernd Rekruten weniger 6SOO, vorübergehend 11000, zusammen 17 500. 3. Minderkosten dauernd rund 9 Millionen; außerdem für das erste Jahr noch rund 4 Millionen, welche in den folgenden Jahren in ihrem Betrage entsprechend herab gemindert werden. Endlich werden nicht unerhebliche Ersparnisse an den einmaligen Ausgaben eintreten." Der Kompromiß-Antrag ist von Hnene allein eingebracht, ohne sonstige Unterschriften aus dem Zentrum. Graf Ballest r e m hat den Vorsitz der Fraktion niedergelegt Er, von Huene, Prinz Arenberg, Graf Adel- mann und der unfreiwillige Komiker von Schalscha,der schlesische Semmel-Magnat, haben sich, wie die„National- Zeitung" erfährt, in der gestrigen Fraktionssitzung für das Kompromiß erklärt. Das ist also die Blüthe des feudalen Junkerthums. Ein neuntes, zum Umsall bereites Zentrums- mitgliedsoll krank sei». Bei den D e u ts ch fr ei s in n i g en sind fünfzehn bis sechzehn Kompromißler bis jetzt gezählt. Dem Antrag Huene glebt die„Norddeutsche Allgemeine Zeitung" ihren offiziöse st en Segen: „Der Antrag des Freiherrn v. Hnene hält die Mittellinie zwischen„Sollen und Dürfen" inne. Er gewährt sämmtliche geforderten Formationen, welche nöthig find, um diejenige Schwächung unserer Heeresorganisation, welche moralisch wie technisch mit Aushebung der dreijährigen Dienstzeit für die Fußtruppe unzweifelhaft verbunden ist, zu veo „Dann und wann werden sie aber, um Dein Gleichniß beizubehalten, abgelöst." „Manchmal... Manchmal aber auch nicht, und das ist gerade diesmal der Fall mit uns", antwortete Andrej. Diese unerschrockene Energie und dieser Muth imponirten Repin und eroberten sein Herz für die Re- volutionäre im Allgemeinen und für Andrej im besonderen. Er selbst war so unheilbar skeptisch und hatte überall so viel Feigheit und Selbstsucht gesehen, daß er nicht umhin konnte, Charaktereigenschaften, wie die Andrej's zu be- wundern. Unfähig den Enthusiasmus für die Sache der Revolution zu theilen, bewahrte er ihnen doch wenigstens seine Sympathie. Heute aber überwogen Erbitterung und Enttäuschung über die Bereitelnng seines Lieblingsplanes alles andere. Er zürnte Andrej wegen seiner, wie er meinte, unnöthigen Hartnäckigkeit. „Dann hast Du Dich wohl über jenen Punkt fest ent- schloffen?" fragte er. „Ja, das habe ich. Es ist nutzlos, darüber weiter auch nur ein Wort zn verlieren." „Nun, ich weiß aus Erfahrung, wie unlenksam Ihr alle seid. Ihr seid von einer Gier nach Selbstaufopferung beherrscht und Ihr werdet Euer Leben riskiren müssen, so lange nur Athem in Euch ist. Fanatiker sind Beweisgrün- den unzugänglich. Sie sind unheilbar." „Auch Du, mein Sohn Brutus!" sagte Andrej mit traurigem Lächeln.„Ich dachte, daß Du uns etivas bester kennst. Fanatiker sagst Du. Ich zweifle, ob Menschen, die dieser Definition entsprechen, in Fleisch und Blut existiren. Ich, für meinen Theil, gestehe, keinem begegnet zu sein, obgleich meine Erfahrung in dieser Richtung ziem- lich groß und mannigfaltig ist. Nein, wir sind keine Fa- natiker, wenn anders Ihr unter diesem Worte etwas ver- steht. Wir sind überzeugte und hart arbeitende Leute, welche, ich versichere Dich, gerne leben möchten und die Annehmlichkeiten des Lebens zn würdigen wissen, wofern wir sie, ohne unser befferes Ich zu ersticken, genießen können.". � �. „Ja/ sagte gedehnt Repin,„aber Euer bessere» Ich meiden. Er gewährt auch die hiervon sachlich untrenn- baren Etatserhöhungen bei sämintlichen Truppengattungen, bei denen die zweijährige Dienstzeit zur Einführung gelangen soll. Endlich stellt er auch in seinem Gesammteffekt nicht allein die in hohem Grade wünschenswerthe absolute Vermehrung der ausgebildeten Mannschaften sicher. sondern auch die anzustrebende Verjüngung der Feldarmee im Kriegsfalle. Allerdings bedeutet derselbe immer noch eine dauernde Herabsetzung der geforderten Friedenspräsenz- stärke um 10505 Köpfe des streitenden Gemeinenstandes gegenüber der Regierungsforderung, und es bedarf weiter keiner näheren Auseinandersetzung, daß die ver- antwortlichen Stellen nur höchst ungern zu dieser Minde- rung der Friedensstärke sich entschließen werden, weil Friedens- präsenz und militärische Leistungsfähigkeit der vaterländischen Wehrkraft in untrennbarem Zusammenhange stehen. Die be- treffenden Stellen sind aber der sicheren Hoffnung, diesen Ausfall nocb durch die Vortheile der neuen Organisation ausgleichen zu können. Darüber hinaus jedoch nicht!" Das heißt: Herr von Hnene gewährt alles, was die Regierung will. Denn aufgeschlagen hat von vornherein der kluge Makler Caprivi, um sich nachher widerstrebend einen Bettel abdingen zu lassen. Diese Taktik gehört zum„legitimen" Handelsgeschäft, jeder Roß- täuscher wird darüber Auskunft geben können.— Das amtliche Organ des Zentrums, die „Germania", schreibt über die am 2. Mai stattgehabte Fraktionssitzung der Zentrums-Abgeordneten: „Die Sitzung war natürlich zahlreich besucht. Der zweite Vorsitzende der Fraktion, Herr Graf Konrad Preysing, leitete die Verhandlungen. Der erste Fraktionsvorsitzende Graf v. Ballestrem war nicht erschienen. Er hatte in einem Schreiben an den Grafen Preysing, das verlesen wurde, seine Stellung als Vor- sitzender niedergelegt, weil er bezüglich der Militärfrage mit der Mehrheit der Fraktion sich nicht in Uebereinstimmung befinde. Freiherr von Huene legte seine» Antrag, den die Leser unter Parlamentarischem finden, vor, einen vollständigen Gegenentwnrf gegenüber dem Entwurf der Regierung, dem letzteren aber in den Forderungen in der schon bekannten Weise weit über Herrn von Bennigsen hinaus entgegenkommend. Nach einer kurzen Uebergangszeit, die aber sofort mit größeren Leistungen, als das Zentrum zu bewilligen bereit ist, beginnt, kommt der Hnene'sche Vorschlag hinaus auf eine Friedens- präsenz von 70 000 Mann(Regierungsforderung 84 000), auf 53 500 Rekruten jährlich mehr(Forderung 60 000), au 55 Millionen jährlicher Mehrkoste»(gegen 65 Millionen). Die anwesenden Zentrumsmitglieder lehnten den Huene'schen Vorschlag mit allen gegen 6 Stimmen ab. Von den nichtanwesenden werden noch einige weitere Stimmen kommen; im Ganzen sind eS nicht mehr, als wir schon sagten. Die Zahl reicht nicht einmal aus zur U n t e r st ü tz u n g des An- träges im Reichstage, dazu müssen noch andere Parteien Stimmen hergeben; der Antrag ist also auch in dieser Hinsicht kein Zentrumsantrag, und Herr v. Huene wird ihn als seinen Antrag im Reichstag einbringen. DaS Zentrum bringt den Antrag ein, den Herr Dr. Lieber bei der zweiten Kommifsionsberathung im März im Namen des Zentrums gestellt hat. Wenn also nicht— und das ist nicht zu erwarten— die freisinnige Partei fast ganz um- fällt, so ist die Militärvorlage auch im Reichs- tage verworfen, wie sie von der immensen Mehrheit des Volkes schon längst verworfen war. Möge die Regierung dem Zentrumsantrage entgegenkommen— sie kann es!" Hält das Zentrum Stand, dann scheitert trotzalledem die Vorlage. Es müßte denn der Deutsch frei sinn die ruhmvolle Aufgabe übernehmen, den Negierungskarren aus dem Sumpf zu ziehen und die volksver- wüstende Vorlage mit Hurrah zu genehmigen.— Vergleicht man das Huene'sche Angebot mit dem jetzigen Zustande und dem Zentrum santrage in der Kommission, so bietet sich, wie die„Voss. Ztg." hervorbebt, eine Erhöhung der Friedenspräsenzstärke, im bisherigen Sinne des Wortes, um 71 vaöi Mann, außerdem die llmwandlung der H ö ch st z i s f e r in die D u r ch s ch n i t t s z i f f e r, das heißt nach den in der Kommission angestellten Berechnungen eine weitere Erhöhung um etwa 20 000 Mann.„Für die ersten Jahre" wird die Gesainnitzahl allerdings geringer sein. Aber dieser vorübergehende Zustand kann für die Beurtheilung des Antrages nicht maßgebend sein. Die fortdauernden Mehransgaben, die der Antrag Huene erfordert, stellen sich auf 55 Millionen Mark jährlich. Der vom Zentrum in der Kommission eingebrachte Gesetzentwurf wollte eine Präsenzziffer von 420 031 Mann be willigen, also 58 193 Mann weniger als Herr von Huene; nur sollte nach dem Zentrumsantrage die auf die Fußrruppen ent- fallende Zahl als Durchschnittsstärke, die auf die Kavallerie und die reitende Feldartillerie kommende Zahl als Höchststärke gelten.— Die bisherigen Berechnungen' über die Aussichten der Militärvorlage gingen von der Voraussetzung aus, daß die zehn keiner Fraktion angehörenden Abgeordneten auS Elsaß-Lothringen den Verhandlungen fern bleiben würden. Diese Annahme ist unzutreffend gewesen. Die reichsländischen Abgeordneten sind heute im Reichstage erschienen. Es wird ver- sichert, daß sie. mit einer Ausnahme, einmüthig gegen die Vorlage stimmen werden.— Die in Bonn erscheinende ultramontane„Deutsche Reichszeitunj)" übt scharfe Kritik an Huene und schreibt zum Schluß:„Wrr wiederholen es zum dritten Male, es ist Ehrensache des Freiherrn von Huene, sein Abgeordneten- mandat in die Hände seiner Wähler zurückzugeben, resp. bei der.Neuwahl zurückzutreten." poimrdje LteberNöftk. Berlin , den 3. Mai. Bravo! Dem Seniorenkonvent des Reichstages ist von der Reichsregierung mitgetheilt worden, daß im Falle der Ablehnung der Militärvorlage der Reichstag sofort ausgelöst und auf die Erledigung der noch ausstehenden Gesetzentwürfe verzichtet werde. Je rascher, desto besser, meinen wir.—j Das Herrenhaus hat in seiner gestrigen Sitzung die vom Abgeordnetcnhause beschlossene 2000 M.-Klausel, wonach die Einkommensteuerbeträge über 2000 M. bei der Bildung der Wählerabtheilungen nicht angerechnet werden sollen, im Interesse der nationalliberalen Großbürger Rheinland- Westfalens gestrichen. Gegen die von uns schon mit- getheilten Angriffe des Pharao Stumm vcrtheidigte der Ministerpräsident Graf Eulenburg die Regierung. Er sagte u. a.:„Jedenfalls wird Herr von Stumm be- stätigen, daß der Rückgang des Rechtsschutzvereins eine Folge der Regierungsmaßregeln gewesen ist." Auf die vom Selbstherrscher des SaarrevierS geübte Kritik weiß der Ministerpräsident nur zu entgegnen, daß die Regierung ja das Koalitionsrecht der fiskalischen Bergarbeiter unter- drückt habe. Aber vergißt Graf Enlenburg denn, daß sein Ohm ein weit besseres und den Pharaonenwünschen Stumm's viel mehr entgegenkommendes Rezept verschrieben hat: Die Flinte schießt, der Säbel haut. Der König Stumm wird erst dann befriedigt sein, wenn der Arbeiter- trutz in der Bestimmung gipfelt:„Gegen Ausstände, Lohnbewegungen, Organisationsversuche wird sofort das Standrecht angewendet. Wer räsonnirt, wird füsilirt."- Das ZenguißzwangS« Verfahre» ist im Prozeß R o m e n(Hamburg ) gegen den Reichstags- Abgeordneten Genossen Molkenbuhr, eingeleitet. Molkenbuhr sollte als Zeuge über die Urheberschaft und den Sinn einiger Echo-Artikel vernommen werden, durch welche der Staats- anmalt R o m e n sich beleidigt erachtete. Molkenbuhr ist Mitarbeiter des„Echo" und ist der Ansicht, daß, solange die bekannten Darlegungen des Herrn R o m e n über die Stellung sozialdemokratischer Schriftsteller zum Eid nicht offiziell widerrufen sind und solange Herr Romen Staatsanwalt am Hamburger Gericht ist, die Gefahr einer strafgericht- lichen Verfolgung gegen ihn wegen Zeugnißablegung be- steht, und hat deshalb Zeugniß abzulegen abgelehnt. Das Amtsgericht Berlin I , vor dem er kommissarisch als Zeuge vernommen werden sollte, hat diese Gründe nicht als be- rechtigt anerkannt und deshalb eine Strafe von 30 Mark gegen Molkenbuhr wegen Zeugnißverweigerung fest- gesetzt. Beschwerde gegen diesen Beschluß ist eingelegt.— Cin Muster« und Markenschutz-Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und Serbien ist dem Bundes- rath zugegangen, welches das frühere Abkommen von 1886 ersetzen soll. Es handelt sich um eine Ausgestaltung nach dem Vorbilde der gleichen Verträge mit Oesterreich-Ungaru und Italien . Der Erfindungsschutz ist einstweilen noch nicht in das Uebereinkommen einbegriffen, da ein solcher in Serbien noch nicht besteht. Doch soll, sobald die serbische Regierung diese Lücke in ihrer Gesetzgebung ausgefüllt hat, eine entsprechende Ergänzung erfolgen. Das Uebereinkommen soll am 1. Juli in Kraft treten.— Die Berufungsfrage. Nachdem die Landgerichte mit nur einigen Ausnahmen die ihnen vorgelegte Frage wegen verlangt so viel, um sich behaglich zu fühlen. Und wenn Ihr es nicht erlangen könnt, werdet Ihr wild wie Kinder, die nach dem Monde schreien." In diesem Tone fuhr er fort. Da er Andrej zürnte, gab er seinem Grolle Ausdruck, indem er die Partei, zu der sein Schwiegersohn gehörte, mit besonderer Bitterkeit angriff. Er sprach von der Aussichtslosigkeit ihrer An- strengungen, der unbedachten, sorglosen Herausforderung, die den Despotismus, gegen den sie stritten, nur noch mehr stärke; daß sie sich dem ganzen gebildeten Rußland , für welches Repin auch das Recht der Existenz beanspruchte, ganz unerträglich niachten. Andrej vertheidigte sich ruhig und zuerst halb scherzend. Er war an solche Angriffe von Repin gewöhnt. Das Thema ging aber zu nahe, um bei seiner Besprechung ruhig zu bleiben und die letzte Anklage brachte ihn ans. „Euere freidenkenden und gebildeten Russen," rief er aus,„sind um ihre Existenz und um ihr bequemes Leben sehr besorgt, das weiß ich wohl. Es wäre für unser ganzes Land besser, wenn sie auf diese Dinge weniger Gewicht legen würden." „Wolltet Ihr vielleicht, daß wir alle auf die Straßen gehen und ans jeden vorübergehenden Polizisten Bomben werfen?" fragte Repin ironisch. � „Welcher Unsinn!" stieß Andrej hervor.„Ihr braucht keine Bomben zu werfen; Ihr habt Eure eigenen Waffen, mit denen ihr kämpfen könnt; aber kämpfet, wenn Ihr Männer seid! Laßt uns znsanimen fechten. Wir werden dann stark genug sein, um die Autokratie ein für alle Mal zu bekämpfen und auch zu siegen. So lange Ihr aber fortfahrt zu winseln und uns vorzuwerfen, daß wir die Hand, die uns schlägt, nicht küssen, wird es nicht besser. Wenn die blinde Wuth der Wiedervergeltung sich ans Euch erstreckt, dann zerreißt Euere Kleider und streut Asche auf Euer Haupt, ertragt es aber als das, was Euch gebührt. Stimmt keine Klagen an, die ebenso würdelos wie nutzlos sind, denn Ihr werdet Euch heiser schreien vor Flüchen, Vorwürfen, Bitten, aber wir werden Euch nicht beachten." „Wer spricht von Vorwürfen?" sagte Repin , eine un- geduldige Haudbeivegung niachend.„Persönlich magst Du recht haben und auch gerechtfertigt sein, wenn Du bei einer besonderen Herausforderung die Vernunft verlierst. Dies wäre eine Entschuldigung für einen gemeinen Verbrecher vor einem gewöhnlichen Geschworenengericht, nicht aber für eine politische Partei vor der öffentlichen Meinung. Wenn Du Deinem Lande dienen willst, mußt Du es verstehen, Deine leidenschaftlichen Triebe zu zähmen, wenn nicht Niederlage und Elend das Resultat Deiner Thätigkeit sein sollen." „Niederlage und Elend!" rief Andrej aus.„Bist Du dessen sicher? Moskau wurde durch eine Pfennigkerzc in Brand gesteckt. Wir haben in das Herz von Rußland einen viel größeren Feucrbrand gestoßen. Niemand kann die Zukunft voraussagen, oder für das, was sie birgt, die Verantwortung tragen. Wir thun augenblicklich unser bestes; wir haben ein Beispiel mannhafter Empörung ge- geben, was bei einem unterjochten Volke nie verloren ist. Mit Deiner Erlaubniß will ich sagen, daß wir Rußland die Selbstachtung wiedergegeben und die Ehre des russischen Namens gerettet haben, so daß er nicht mehr gleichbedeutend mit Sklave ist." „Etwa, indem man zeigt, daß man nur dieser kleinen Angriffe gegen Individuen fähig ist? Besteht das darin?" „Und ivessen Schuld ist es?" erwiderte Andrej, bei Repin's fallendem Tone Feuer fangend.„Nicht unser, sondern Euer ist die Schuld. Es ist die Schuld jenes Theiles des großen liberalen Rußlands , welches sich vom Kampfe um die Freiheit fern hält, während wir. Euere eigenen Kinder, zn Tausenden, Jahr für Jahr kämpfen und zu Grunde gehen!..." Andrej spielte durchaus nicht auf Repin an, der eher eine Ausnahme von der Regel war. Ans dem einen oder anderen Grunde empfand Repin aber den Vorwurf sehr stark. Er beobachtete einige Zeit Stillschweigen und als er wieder sprach, waren Ton und Benehmen verändert. (Fortsetzung folgt.)
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten