die finanzielle Lage. Mein Antrag ruft erheblich mehr Leuteunter die Fahne als bisher; darin sehe rch keinen Fehler, sonderneinen Akt der Ausgleichung; der Rückgang auf die zweijährigeDienstzeit ist auch mit Rücksicht auf die einjährige Dienstzeit einerheblicher Ausgleich. Die Herabsetzung der Ziffer beruht darauf,daß die Zahl der Oekonomiehandwerker vermindert ist. Darüberfreue ich mich, namentlich auch mit Rücksicht aus die wirthschaft-lichen Forderungen der freien Handwerker. Bei der Kavalleriesind alle Etatserhöhungen bei Seite gelassen; bei der Artilleriesollen nur Batterien mit 4 Geschützen bewilligt werden.In den offenen Unteroffizierstellen dürfen Gemeinenicht verpflegt werden. Das bringt eine Verwinde-rung um liovo Mann für die ersten Jahre. Rednergeht dann auf die einzelnen Theile seines Antrages ein.auf die Bestimmung über die zweijährige Dienstzeit, die Enl-lassung der Mannschaften nach zweijähriger Dienstzeit, denen imersten Jahre nach ihrer Entlassung die Erlaubniß zur Aus-Wanderung verweigert werden kann. Die Minderausgaben be-laufen sich auf S Millionen Mark, wozu in den ersten Jahrennoch 4 Millionen treten, die sich allmälig vermindern. Diese Er-sparniß sollte man nicht so kurzer Hand zurückweisen. Bei derRegierungsvorlage vermisse ich die sozialpolitischen Rücksichten,auf welche der Reichskanzler sonst immer Werth gelegt hat, eswird namentlich darauf hinzuwirken sein, daß die Deckung derMehrkosten so beschafft wird, daß die ärmere Bevölkerung nichtbelastet wird. Ich hätte kein Bedenken, dafür Zuschläge zurEinkommensteuer in den Einzelstaaten zu erheben. Aber es wirdsich auch in dem Rahmen der Reichskompctenz ein Weg findenlassen, um die Deckung zu beschaffen durch Luxussteuern u. f. w.Abgesehen von der Verkürzung der Dienstzeit und der Verjüngungder Armee erkenne ich in der Vorlage eine Verstärkung unsererArmee, eine Ergänzung zur besseren Ausbildung der Soldatentrotz der kürzeren Dienstzeit, die Beschaffung eines Rahmens zurVerbesserung der Mobilmachung und die Möglichkeit, den Kriegin Feindesland zu tragen. Ich habe mich gefreut, gerade diesenletzten Punkt vom Reichskanzler hervorgehoben zu sehen. DerReichskanzler mußte die Schäden der Armee öffentlich darlegen, umseine große Forderungen zu begründen. Daß das unangenehmist, ist klar, aber der Reichskanzler konnte es thun, weiler hoffen mußte, daß der Reichstag die Vorlage annehme» würde.Ich glaube mich nicht zu täuschen, daß niemand an der Vorlagean sich selber weniger Freude hat, als die Soldaten, denn eswerden die Anforderungen an sie sehr stark vermehrt. Wenneinmal die Regierung davon durchdrungen ist, daß eine solcheVorlage zur Sicherung des Vaterlandes nothwendig ist, dann hatsie nicht nur das Recht, sondern auch die heilige Pflicht, dieVorlage durchzubringen. Ich sehe den Neuwahlen mit großenBedenken entgegen; ich fürchte, wir treiben einen offenen Konfliktentgegen. Meine Schultern sind mir zu schwach, um die Äer-antwortlichkeit für die Herbeiführung eines solchen Konflikts zutragen.(Zustimmung rechts.) Ich weiß, daß es eine große An-zahl von Herren giebt, deren Schultern stark genug sind; ob ihreKraft sich erproden wird, wird die Zukunst lehren. Ich will dieVerantwortung nicht auf die Regierung abwälzen. Deshalbbitte ich, meine Anträge anzunehmen.(Zustimmung rechts.)Abg. v. Mantenffel(dk.) beantragt die Vertagung derSitzung; die Anträge des Herrn v. Huene sind erst heute ver-theilt worden; die Fraktionen werden sich darüber berathenmüssen, zumal der Reichskanzler den Antrag im Namen Preußensals annehmbar bezeichnet hat.Abg. Richter(dsr.) erkennt diesen Grund nicht als be-rechtigt an, will aber mit Rücksicht darauf, daß eine große Parteidie Vertagung wünscht und init Rücksicht daraus, daß wegeneiner Beerdigungsfeierlichkeit(die Beerdigung des StaatssekretärsHanauer findet um 4 Uhr statt) die Sitzung doch abgebrochenwerden soll, dem Antrage nicht widersprechen.Darauf wird die Vertagung beschlossen. Persönlich bemerktAbg. Groebrr(Z.): Wenn Freiherr von Huene meinenPatriotismus den Patriotismus mit dem Stocke in der Handnennt, so hat er meine Ausführungen nicht verfolgt. Von einerRüstung mit dem Stocke in der Hand habe ich nicht gesprochen.Im klebrigen hat Herr von Huene gerade durch seine Redegezeigt, wie dehnbar und veränderlich gerade die militärische»Anschauungen über das Nothwendige und Unvermeidbare sind.(Zustimmung links.)Abg. v. Huene(persönlich): Allerdings hat Herr Groebervon einem Patriotismus mit dem Stocke in der Hand nicht ge-sprachen. Ich habe mit diesem Bilde blas darauf hindeutenwollen, daß, wenn das ganze Volk wehrhast sein soll, derPatriotismus auch nur wirksam werden könne, wenn er wehrhastsei. Wenn ich den Abg. Gröber verletzt habe, so bedaure ich das;es hat nicht in meiner Absicht gelegen.Schluß 2Vt Uhr. Nächste Sitzung Donner st ag l. Uhr.(Fortsetzung der zweiten Berathung der Militärvorlag«.)LoItÄles.Maßregelungen wegen der Maifeier übte die FirmaVölker in der Hagelsbergerstraße an den bei ihr beschäftigtenTapezirern. Dieselben hallen den Montag Nachmittag zu ferernbeschlossen und dies ihrem Prinzipal vorher angezeigt. Doch wobliebe die Autorität, wenn derartige Verbrechen ungehindert ge-schehen könnten?„Erlaubniß" zu feiern gab's nicht, und als dieTapezirer dennoch keine Ordre pariren wollten, wurden sie ent-lassen. Das gleiche Loos traf mehrere Maurergesellen, die inHalensee an den links von der Brücke ausgeführten Neubautengearbeitet haben. Hier diktirle der Polier Wolter am Morgendes 2. Mai die Entlassung. Mögen die Arbeiter aus solchenVorgängen die Lehre ziehen, daß es an ihnen selber liegt, der-artiges zu verhindern. Achtung hat das Unternehmerthum vordem Willen des Arbeiters nur, wenn er einer starken Organi-sation angehört, die ihn ausreichend zu schützen im stände ist.So lange der Arbeiter aber indifferent bleibt oder über den Streitum dre Form der Organisation diese selber vernachlässigt, solange werden auch die Unternehmer lustig weiter maßregeln.Erfreulich ist es immerhin, wenn man auch einmal von einemweißen Raben hört. Von Herrn Busse. Uhrengeschäft, Invaliden-siraße 157. erfahren wir, daß er anläßlich der Maifeier fortandie neunstündige Arbeitszeit in seiner.Werkslätte eingeführt hatund zwar aus eigenem Willen. Eine Schwalbe macht bekanntlichnoch keinen Sommer, und ob eines von der Schablone ab-gewichenen Unternehmers dürfen die Arbeiter nicht vergessen, daßfreiwillig das Kapital an die Arbeiter nichts herausrückt.„Durch einen unerwarteten Dienstmädchen-NnSstand,so berichtet ein bürgerliches Blatt, wurde am 1. Mai der Besitzereines im Thiergarteuviertel belegenen Hotels und Restaurants inpeinlichste Verlegenheit gebracht. Derselbe hatte sich seit mehrerenTagen die Gunst' feiner Dienstboten dadurch verscherzt, daß er sieeine sogenannte„Hausordnung" unterschreiben ließ, laut welcherfür gewisse Vergehen im Dienstbetriebe entsprechende Strafenslipnlirt ivaren. Die Dienstmädchen benutzten nun den inter-ualionalen Arbeiterfeiertag, um an dem gestrengen PrinzipalRache zu üben: in corxors zogen sie mit Sack und Pack amfrühen Morgen aus—„zur Maifeier", wie sie höhnisch beimLlbgehen bemerkten. Der Hoielier mußte an diesem Tage mitwenigen Kellnern den ganzen Dienst schlecht und recht versehen."Von einem bürgerlichen Blatt kann man selbstredend nichtsanderes erwarten, als daß es eine derartige Affäre mit derüblichen Schnoddrigkeit aufputzt. Wer das Dienstbotenelendkennt, der weiß, daß vor allem in Hotels und Restaurants dieHaussklaven einer wahrhaft unmenschlichen Ausbeutung ausgesetztsind. Vielleicht, daß man über das erwähnte Musterstück von einerHausordnung noch Näheres zu wissen bekommt.Der Kaufmann Theodor Rose in AdlerShof, der imTeltowcr Kreise für die Sozialdemokratie agitirte, ist seit k. Maiim Bureau des Amtsvorstehers von Oppen angestellt. Herrvon Oppen ist bekanntlich nichts weniger als ein Freund derSozialdemokratie.Die moderne liberale Zeitunasmache wird von der„Kreuz-Zeitung" in einer köstlichen Notiz gegeißelt, die wirunseren Lesern nicht vorenthalten wollen. Das Junkerblattschreibt:„Wenn die beiden jüdischen Zeitungsvcrleger Mosse undUllstein sich in die Haare gerathen, was nicht zu den größtenSeltenheiten gehört, so ist das stets ein höchst ergötzliches Schau-spiel, da bei solchen Gelegenheiten oft recht interessante Dingezutage kommen, und die feindlichen Brüder dabei sehr lehrreicheEinblicke in ihre innersten Herzensfalten gestatten. Im Brief-lasten des„Berliner Tageblatts" fand sich kürzlich folgende Er-klärung:„Ja, Sie haben recht. Es ist dies derselbe industriösePapierhändler, der sich des Morgens in der„Berliner Zeitung"in die Toga des radikalen Cato hüllt und der des Abends in der„Abendpost" feinen parteilosen Geschäften betriebsam nachgeht.In diesem Geschäftsbetriebe wird man dem Händler mit ge-walkten Lumpen eine gewisse Ueberzeugungstreue nicht absprechenkönnen."— Dies macht sich im Munde des Herrn Mosse ganzbesonders schön. Denn dieser Herr benutzt nicht einmal ver-schiedene seiner Blätter(„Berliner Tageblatt", Berliner Morgen-zeitung u. f. w.) um eine ähnliche Vielseitigkeit der Gesinnungzu offenbaren, sondern läßt diese vielmehr z. B. in den Spaltendes„Berliner Tageblatt" ganz unverhüllt in die Erscheinungtreten. Im sogenannten politischen Theil donnert das Blatt„zielbewußt und unentwegt" gegen Regierung, Junker und Pfaffenund tritt mit edlem Mannesmuthe für Freiheit, Menschenrechte,soziale Gleichstellung der Staatsbürger u. s. w. ein, während esim lokalen Theil nach allen Seiten hin schweifwedelt und katzen-buckelt und seinen Respekt vor allem, was„Gesellschaft",„vor-nehm" u. s. w. bedeutet, unverblümt ausspricht.„Vorne picktes, hinten nickt es."Mosse sowohl wie Ullstein werden allerdings sich den Teufelum diese Züchtigung scheeren. Erst das Geschäft und dann dieKonsequenz.Der letzte Regen hat, trotz der außerordentlich kühlenTemperatur, Wunder gewirkt. Ueber Nacht hat sich das frischeGrün von Sträucheru und Bäumen in überraschender Weiseentwickelt, und wo gestern Abend nur Knospen sich zeigten, daprangte heute früh zartgrüner Blätterschmuck; selbst die Eichen,die doch sonst die letzten bleiben beim Erwachen des Frühlings,beginnen ihre zarten Blätlchen zu entwickeln. Auf die ausge-dörrte Erde freilich hat der feuchte Niederschlag nur wenig zuwirken vermacht; dieselbe ist heute noch ebenso dürre, wie sie seitWoche» gewesen. Nur ein längerer, milder„Landregen" wirdhier befruchtend wirken und dann auch den Gräsern und Blumenzu besserer Entwickelung verhelfen. Leider sind auch die meistenGemüse, die eigentlich jetzt schon auf den Märkten stark gehandeltwerden müßte», noch sehr zurück.Die Linie Ackerstraße-Tchlestscher Bahnhof der NeuenBerliner Pferdebahn-Gesellschast wird bis zur Hasen Haide(Fichte-straße) verlängert, und zwar über die Köpnickerbrücke undAdalbertstraße.DaS Berliner Verkehrö-Lexikon, Semester XV(Verlagvon Max Schildborger), ist soeben erschienen mit allen Fahr-plänen der Eisenbahnen, Pferdebahnen, Omnibusse und Dampf»schifffahrten von Berlin und Umgebung.Die letzten Neberreste des Ballons„Humboldt" sind inCharlotteuburg eingetroffen. Sachverständige zweifeln übrigensdaran, daß die Explosion durch eine glimmende Zigarre ent-standen sein könne.Das Tischriicken spielt gegenwärtig in den Wirthshäusernmit weiblicher Bedienung eine große Rolle. In mehrerenLokalen der Friedrichstadt haben die Wirthe, um bei der leidigenPolizeiverordnung ihren Kellnerinnen eine größere Annäherungan die Gäste zu gestatten, kleine Dreifüße anfertigen lassen, aufdenen nur ein Glas Bier Platz hat, die aber mit der Hebe zu-sammen nach Bedürfniß an die splendiden Gäste herangerücktwerden. Ob's lange dauert!Ein dritter Postdiebstahl ist den beiden von der DeutschenBank gemeldeten gefolgt. Auch dieser betrifft dieselbe Bant unddasselbe Postamt. In allen drei Fällen hat die Bank die Quit-tungen über die geschehenen Einlieserungen der Briefe in Händen.sodaß die Annahme, ein Bankbeamter könnte mit im Spiele sein,ausgeschlossen erscheint. Die behördlichen Nachforschungen richtensich demgemäß nach einer anderen Stelle.Arbeiter- SanitätSkommission. Die Angaben über dieWohnung im Hanse Skalitzerstraße 116a.(siehe vorige Sonntagsnummer) werden uns von der Besitzerin als durchaus unrichtigbezeichnet.Verschwnuden ist feit dem LS. d. Mts. der vierzig Jahrealte Bankier Elling aus EberSwalde. Derselbe hat sich, wie er-mittelt worden ist, nach Berlin begeben, woselbst er auch andemselben Tage noch am Slcttiner Bahnhofe gesehen worden ist.Da keinerlei Gründe vorliegen, die die Annahme eines Selbst-mordes rechtfertigen, so glaubt man, daß E. irgendwie ver-unglückt ist. Die Angehörigen haben behufs Ermittelung desVermißten die Hilfe der hiesigen Kriminalpolizei in Anspruchgenominen.Mit beziig auf dnS Verschwinden der kleinen HedwigWeber ist jetzt eine schwache Möglichkeit vorhanden, daß derSachverhalt seine Aufklärung findet. Der Kaufmann RudolfPieper, Wilhelmstr. 114, hat aus Kranzlin bei Neu-Ruppin vonseinem Vater ein Schreiben erhalten, wonach unweit der Jänsch-hrücke in Neu-Ruppin die Leiche eines etwa elfjährigen Mädchensim Wasser aufgesunden sei. Der Brief betont ausdrücklich, daßdie Persönlichkeit der Todten noch nicht festgestellt worden sei.Bemerkenswerth erscheint, daß der Bruder der Vermißten bisvor wenigen Tagen bei einem Schlächtermeister Hindenberg,Wichmannstr. 12, in Neu-Ruppin in der Lehre stand. DieMög-lichkeit ist daher nicht ausgeschlossen, daß Hedwig Weher sich aufdie Reise nach ihrem Bruder begeben hat und dabei verunglücktist. Diese Annahme steht allerdings im Widerspruch zu denEigenschaften des Kindes, das durchaus keinen Hang zu Aben-teuern zeigte und sich ohne Vorwissen der Ellern niemals vonHause entfernt hat. Der Schlächtermeister Weber hat die Nach-richt nicht ohne Erregung hingenommen und sich sofort nachNeu-Ruppin gewandt, um Gewißheit zu erhalten.Ein flüchtiger Wachtmeister wird aus Bockenheim hierhersignalistrt. Der dortige Wachtmeister Schankweiler hat zwei-tausend Mark amtlicher Gelder unterschlagen und ist dann durch-gegangen. Es besteht die begründete Bermuthung, daß er sichaus der Flucht den Namen Otto Schröder beilegen werde, weil eraus diesen Namen lautende Ausweispapiere mitführt.Das„Anspnsten" einer Petroleumlampe hat gesternwieder eine» schweren Brandunfall zur Folge gehabt. Die Feld-zeugmcisterstraße 6 wohnende Frau Erich wollte vor dem Schlafen-gehen eine aus dem Nachttisch stehende Petroleumlampe aus-löschen und blies von oben herunter in den Zylinder. Die Flammeschlug zurück und erreichte das gefüllte Bassin; im nächsten Augen-blick explodirte das letztere, und die brennende Flüssigkeit ergoßsich nun über das Gesicht und beide Arme der Unvorsichtigen,derselben entsetzliche Brandivunden zufügend.Ein Raubanfall ist am Montag Abend in Köpenick aneinem Handelsmanne verübt worden. Der Händler Louis G. ausSchlamau, Kreis Belzig. der am Nachmittage dieses Tagesmehrere Stunden in der Orlel'schen Wirthschaft gsiveilt, passirteum 9 Uhr Abends die Straße zum Bahnhofe, und zwar, wie derMann selbst angiebt, in ziemlich angetruntzenem Zustande. Plötz-lich erhielt er einen Schlag gegen die recht« Kopfseile und stürztehalb bewußtlos zu Boden; jetzt beugte sich der Räuber über denGefallenen, nahm aus der linken Hosentasche desselben einenleinenen Beute mit 161) M. und lief davon. Jedenfalls hat derRäuber vor der That die Bekanntschaft des Händlers gemacht.Polizeibericht. Am 2. d.M. Morgens wurde am Tempel-hofer Ufer ein sechsjähriges Mädchen durch einen Bierwagenüberfahren und am Oberschenkel schwer verletzt.— Am Friedrichs-Hain, gegenüber dem Grundstück Fnedenstr. 34, versuchte Abendsein Arbeiter, sich mittels einer mit Schrot geladenen Pistole zuerschießen. Er verletzte sich bedeutend au der Brust und mußtenach dem Krankenhause am Friedrichshain gebracht werden.—Im Laufe des Tages fanden drei kleine Brände statt.Gerirkiks-HJeitmtg.Ein miszgliicktcS unsittliches Attentat auf ein zwölf-jähriges Mädchen wurde dem Militär-Jnvaliden Oskar Se red inzur Last gelegt, der gestern der ersten Strafkammer des Land-gerichts I vorgeführt wurde. Am Abende des 13. März, gegen8 Uhr, ging das 12jährige Schulmädchen Anna Wulkow durchdie Friedrichsbergerstraße. Es trat ein Mann an das Mädchenheran und bot ihm 16 Pfennige, wenn es einen Brief bei einerDame abgeben wolle, deren Wohnung der Mann als ganz in derNähe liegend bezeichnete. Das Kind nahm den Auftrag an, woraufder Mann es auf den Flur eines Hauses führte und es ersuchte,nach der drei Treppen hoch gelegenen Wohnung hinaufzugehen.Dem Kinde wurde ängstlich, es gab dem Fremden das Zehn-Pfennigstück zurück und wandte sich zum Gehen. Der Manu er-griff es, hob es auf seinen Arm, hielt ihm mit einer Hand denMund zu, um es am Schreien zu verhindern und eilte mit'ihm nachdem auf dem Hofe befindlichen Kloset, welchds unverschlossen war.Hier hielt der Unhold dem Kinde mit einem Tuche den Mundzu, würgte es am Halse, um das Schreien zu ersticken unddrohte ihm mit Halsabschneiden, wenn es nicht ruhig sei.Das Wimmern des Kindes war aber doch von einigenHausbewohnern gehört worden; es wurden Fenster ge-öffnet und der Wüstling zog es vor, von seinemOpfer abzulassen. Das Kind schlüpfte hinaus und eilteangsterfüllt hinaus, der Angreifer flüchtete in entgegengesetzterRichtung. Sein Treiben war aber bemerkt worden, er wurdeverfolgt und ergriffen. Vor der Polizei wie vor Gericht be-hauptete der Angeklagte, daß er nicht mit dem Attentäteridentisch sei, er habe vielmehr zu den Verfolgern gehört und seidas Opfer einer Personenverwechselung geworden. Der Gerichts-Hof gewann durch die Beweisaufnahme die Ueberzeugung vonder Schuld des Angeklagten und verurtheilte ihn zu einemJahre Gefängniß.Eine empfindliche«träfe verhängte gestern die erste Straf-kammer des Landsgerichts I über zwei Personen, welche Zuhälter-dienste geleistet und dadurch die öffentliche Sicherheit m hohemMaße gefährdet hatten. In der Nacht zum 27. März hatte derKaufmann O. fast seine in der Gitschinerstraße gelegene Woh-nung erreicht, als er von zwei Frauenspersonen angesprochenwurde. Er wies dieselben kurz ab. wurde aber fortwährend be-lästigt, bis er damit drohte, handgreiflich zu werden. Nunblieben die beiden Frauenzimmer zurück, O. bemerkte, daß sichgleich darauf zwei Männer zu ihnen gesellten und beschleunigteseine Schritte. Die beiden Männer verfolgten ihn und holtenihn ein, als er im Begriffe war,'seine Hausthür zuöffnen. Mit den Worten: Du willst Weiber schlagen?Das werden wir Dir besorgen!" fielen sie über ihn her undschlugen mit Instrumenten auf ihn eini Der Ueberfallene setztesich nach Kräften zur Wehre, bevor ihm aber andere Personen zutilfe eilen konnten, hatten ihm die Angreifer mehrere blutendeopswunden beigebracht. Die letzteren, der Komiker RobertH e i n s d o r f und der Gürtler Georg P a r u s ch e l, wurdenzur Haft ßevracht und durch gestriges Urtheil zu einer Ge«fängniß strafe von je e i n e m I a h r e verurtheilt.Unter der Anklage der fahrlässigen Tödtnng standgestern der Droschkenkutscher Karl Lehmann vor der 3. Straf-kammer des Landgerichts I. In der Nacht zum 18. September v. I.fuhr der Angeklagte mit seiner leeren Droschke durch die Pots-damerstraße. liebermüdet wie er war, schenkte er seiner Um-gebung nicht die nöthige Aufmerksamkeit. An der Ecke derEichhornstraüe stieß er mit einem ihm begegnenden Pferdebahn-wagen zusammen. Der Anprall hatte die Folge, daß der Scheer-bäum der Droschke ausgehakt wurde und daß die Stränge zer-rissen, jede Verbindung des Pferdes mit der Droschke wurdedadurch aufgehoben und das scheu gewordene Thier stürmte dieStraße entlang. Es lief in einen Haufen Menschen, die im Begriffewaren sich gegenseitig zu verabschiede». Der 67 jährige Makler Lcwinwurde von dem Pferde überrannt und von dessen Hufen getreten, der-selbe erlitt eine Menge Verletzungen, die ein widerstandsfähiger Körpervielleicht ertragen hätte, bei dem Alter und der Gebrechlichkeitdes Lewin aber dessen Tod zur Folge hatten. Der Angeklagtebehauptete, daß die Räder seiner Droschke in den Pferdebahn-schienen festgehalten worden seien und er deshalb außer ständegewesen sei, rechtzeitig dem sehr schnell fahrenden Pferdebahn-wagen auszubiegen. Der Gerichtshof hielt diese Behauptungdurch die stattgehabte Beweisausnahme weder für erwiesen, nocheine derartige Entschuldigung für stichhaltig, sondern verurtheilteden Angeklagten zu einer Gefängniß st rase von sechsMonaten.Wegen unbegründeter Versäumnis? des Unterrichts inder Fortbildungsschule zu Sommerfeld war gegen den zu seinemBesuch verpflichteten Maurer Sch. und dessen Lehrherrn einStrasbefehl erlassen. Die Geldstrafe konnte gegen Sch. nicht voll-streckt werden und so wurde ein Haftbefehl ausgefertigt, mildessenVollstreckung der Polizeidiener N. betraut wurde. Als dieser de»Sch. aus einem Bau erblickte, forderte er ihn auf, nach demPolizeibureau mitzukommen. Sch. verlangte zunächst, ihm„etwasSchriftliches" zu zeigen und leistete sodann feiner Fortführungdurch den Beamten, der den Haftbefehl nicht bei sich führte,Widerstand. Aus dieser Veranlassung wurde Sch. unter Anklagegestellt. Die Strafkammer bei dem Landgericht zu Guben sprachin der Berufungsinstanz den Angeklagten frei, aus die Revisionder Staatsanwaltschaft hob aber der Strafsenat des Kammer-gerichts dieses Urtheil auf und wies die Sache in die Instanzzurück. Wenn der Angeklagte angenommen, der Beamte hätteohne Vorzeigung des Hastbesehls die Verhaftung nicht bewirkendürfen, so habe er auf seine Gefahr dem Beamten Widerstandgeleistet. Eine gesetzliche Vorschrift, daß diese Vorzeigung er-folgen müsse, bestehe nicht und so sei der Widerstand ein un-rechtmäßiger gewesen.DaS Vertheilen von Aufrufen an einem öffentliche»Ort ohne polizeiliche Erlaubniß wird in dein preußischen Preß-gesetz vom 12. Mai 1851 mit Strafe bedroht. Auf grund dieserBestimmung wurde gegen den Former R. das Strafverfahreneingeleitet. Dieser halte in Glückstadt u. a. auf dem Hausflureiner Gastwirthschaft eine Druckschrist niedergelegt, die, sich andie Bewohner des 6. schleswig-holsteinischen Wahlkreises richtend,Ausführungen über die gegenwärtige Militärvorlage enthieltund aufforderte, einer bestimmten Adresse mitzutheilen, welcheSäle für die Abhaltung von Versammlungen zur Ver-fiigung ständen. Die Strafkammer zu Itzehoe verurtheiltein der Berufungsinstanz den Angeklagten und diehiergegen eingelegte Revision wies der Strafsenat desKammergerichts zurück. Unzweifelhaft enthalte jene Druck-chrift einen Auiruf. Hierunter sei jede an die Oeffentlichkeitgerichtete Aufforderung zur Vornahme von Handlungen zu ver«f