Vorstehers gebeten wird. Wie die ganze Affäre enden wird, steht dahin. Einstweilen ist der Landrat Triumphator. Sein Eingreifen in die Selbstverlvaltnng der Gemeinde aber wird in der Beschwerdeschrift der nenn Gemeindevertreter mit den Worten charakterisiert: „So wird die Selb st Verwaltung zur Farce. Sie existiert nur so lange, als es dem Landrat und denen, die ihm blindlings gehorchen und auf allen Wegen folgen, w ohlgefällt." Der Freisinn aber hat cS, wie feine Stellung zum F all S ch ü ck i n g beweist, längst aufgegeben, die Rechte der kommunalen Selbstverwaltung nachdrücklich zu verteidigen I Wie sehr aber eine Verteidigung dieser Rechte am Platze ist, beweisen die Ansführungen des Heidelberger Profeffors Alfted Weber auf der zurzeit in Wien tagenden General- Versammlung des Vereins für Sozialpolitik. Professor Weber sagte dort: „Wenn wir den Fall Schücking erleben, wenn wir sehen, wie der Begriff der Selbstverwaltnng durch die Bureaukratie ersetzt wird durch den Begriff Autorität, müssen wir zu der Anschauung kommen, daß wir in die Hände dieser Bureaukratie keine weitere Macht legen dürfen.(Zuruf: Haben Sie überhaupt eine Selbstverioaltung in Preusten?) Auf dem Papier, jawohl! Die Bureaukratie schafft Treuverhältnisse, in denen von der Verfassung mit keinem Wort die Rede ist.(Sehr richtig I) Diese Treuverhältnisse, die gegenüber einem Bürgermeister betätigt werden, werden von der öffentlichen Bureaukratie gegenüber jedem Menschen postuliert. (Sehr richtig I) Dazu kommt ein zweites, dast der öffentliche bureaukratische Apparat in Wirklichkeit nichts weiter ist, als eine Dependence der politischen Partei st römungen, der herrschenden Gruppen und der herrschenden Klassen.(Sehr richtig! und Unruhe.) ES ist ein fundamen- taler Jrrtuin, daß die Bureaukratie die Eigentümlichkeit habe, nirgendwo sozial fundamentiert zu sein. Ihre sozialen Fundamente findet die Bureaukratie in denjenigen Machtgruppen, die die gesellschaftliche Organisation in der Hand haben. Wir haben Beweise für die Verbindung von Bureaukratie und politischen Parteien gehört, daß jedes weitere Wort überflüssig ist." Wer für die Stärkung der Selbstverwaltung der Gemeinden gegenüber den Uebergriffen der agrarischen Bureaukratie ist, der darf bei den vier Berliner Landtagsersatzwahlelt nicht freisinnig wählen!— � Ei»„Ueberwiuder dex Sozialdemokratie" war eS, der am Montag im Gebiet des LandtagswahlkrciseS Berlin V vor einem freisinnigen Bezirksverein gegen uns donnerte, einer, der sich's wenigstens zutraut, die Sozialdemokratie überwinden zu können, wenn nicht schon heute und morgen, dann doch später mal. Der Schriftsteller Schüler, den im Landtagswahlkreis Berlin V die Freisinnigen für die bevorstehende Neuwahl den Wählern als Kandidaten anbieten, sprach das große Wort gelassen aus. doch ihm dankte für diese frohe Botschaft nicht mal Beifall, wohl deshalb nicht, weil seine Zuhörer selber ihm nicht zutrauen, was er versprach. Womit empfahl er den Freisinn den Wählern aus Berlin -Südost? Er pries Absichten der Freisinnigen des Reichstages, am Zustande- kommen der Reichsfinanzrcsorm mitzuarbeiten, einer„Finanzrcform", die aus de» Taschen des deutschen Volkes K00 Millionen Mark neue Steuern herausholen sollte. Daß es größtenteils die Arbeiterklasse ist, die diese KOO Millionen hergeben muß, das verschwieg er weislich. Es sei, sagte er, unvermeidlich gewesen, die 500 Millionen zum Teil durch indirekte Steuern aufzubringen. Der Sozial- demokratie passe das nicht, aber es erkläre sich das— sagte er wörtlich— aus ihrer„ehrlichen Feindschaft gegen das Kapital". Dabei sei doch das Kapital nicht ein Feind, sondern der beste Freund der Arbeiter, da es ihm Arbeit und Verdienst gebe. Kurzsichtige Politik sei es. den Lebens- interessen des Kapitals entgegenzutreten. Eine gerechte Verteilung der direkten und indirekten Steuern herbeizuführen, das sei wahr- Haft volksfreundliche Politik. Für die Finanzreform in Preußen versprach dieser„volksfrenndliche" Politiker den Arbeitern das Blaue vom Himmel herunter. Hinterher aber gab er ihnen einen Fußtritt mit der Beinerkung, es entspreche nicht dem Geiste bürgerlicher Freiheit,„de- und wehmütig wie ein Bettler alles von der Allmacht des Staates zu erwarten." Es ist richtig: Der„Geist bürgerlicher Freiheit" verlangt, daß der Arbeiter sich einverstanden erkläre mit der schrankenlosen AuSbeutungSfreiheit. wie die bürgerliche Klasse sie sich gegen das arbeitende Volk wünscht. Daß Herr Schüler die ab- gedroschene Redensart wiederholte, die Aussichten der Wahlrechts- r e f o r m in Preußen seien durch die Haltung der Sozialdemokratie nicht gebessert worden, das verstand sich von selber; auch das, daß er über Terrorismus bei Landtagswahlen und Bohkottierung anti- sozialdemokratischer Geschäftsleute zeterte. Aber warten tvir'ö ab, rief er, bis das ganze Gebäude, das nur auf TerrorismuS aufgebaut ist, zusammenbrechen wird! Die Sozialdemokratie gilt ihm als Reaktion von links, wobei er„unerörtert lassen will, welche Reaktion, ob die von rechts oder die von links, die gefährlichere ist". Angriffe von links in diesem Augenblick, Ivo B e t h m a n n H o l l w e g das Erve der Bülowschen Blockpolitik pflegen zu wollen scheine, seien ganz besonders gefährlich! Da will denn Herr Schüler die Front des Freisinns gegen links richten, und wehe dann der Sozial- demokratie I Nach diesem Tapferen sprach noch ein gleich ihm gut- freisinniger Dr. Domke. Die Sozialdemokratie habe„erst von der reaktionären Mehrheit des Abgeordnetenhauses einen Denkzettel be- kommen" und sich vier Berliner Mandate kassieren lassen müssen. Da tut er recht, daß er den Freisinn zur reaktionären Mehrheit des Junkerparlaments zählt. Er sprach auch einiges von den, Bestreben der rechtsstehenden Parteien,„die breite Masse des Volkes auszupowern". Auch das war nicht übel, nachdem Herr Schüler die Auspowerungspolitik des Freisinns gepriesen hatte. Areifiims-Terror. In den Landtagsberhandlungen. die sich mit der Kassierung der vier sozialdemokratischen Landtagsmandate beschäftigten, wurde ja so beweglich über den sozialdemokratischen Terror bei den LandtagSwahlen geklagt, und gerade freisinnige Abgeordnete waren es. die am lautesten in Entrüstung machten. Da ist es nun interessant, auch einmal etwas vom Freist nns°Terror zu hören. In der gestrigen Dienstags- nummer der„S t a a t s b ü r g e r- Z t g." finden wir eine Be- trachtung über die bevorstehenden Berliner Stadtverordneten- Wahlen. In dieser Betrachtung werden auch die Aussichten erörtert, die die Antisemiten und Konservativen diesmal haben. Es wird darauf hingewiesen, daß die sogenannte„Bürger- Partei" früher im Rathause vertreten gewesen sei durch Dr. Bachler. Pickenbach, Dr. Heutig, Rentier Ziethen, Fabrik- besitzer Prötzel und Rechtsanwalt Ulrich, heute aber über keinen einzigen Stadtverordneten verfüge. Als Grund für diese Tatsache wird der von den Freisinnigen geübte TerroriSmuS bezeichnet. Es heißt in dem Artikel wörtlich: „Man muß einmal die Stadlverordnetenwahlen in Berlin mitge- macht haben, um diesen FrcisinnStcrror zu verstehe». Da sitzen am Borstandstisch im Wahllokal der freisinnige Schiedsmann, der fteisinnige Armenvorsteher, der freisinnige BezirkSvorfteher, der liberale Pastor, ja womöglich existiert auch noch der freisinnige Polizeileutnant, wie wir es vor kurzem in Moabit erlebt haben. Der konfervativ-antifemifche Handwerksmeister. Gewerbetreibende, Beamte oder christliche Arbeiter kommt sich diesen Herren gegenüber buchstäblich vor wie daS Lamm im Liiwcnkäfig! Man hat es nicht einmal, Nein, hundertfach erlebt, daß sogar Mitglieder konservativer Bürgervereine bei den Berliner Stadtverordnetenwahlen aus Furcht um die Existenz ihrer Familie zähneknirschend liberal ge- stimmt haben.„Was sollen wir machen", ist dann gewöhnlich die Antivort des Schuhmachermeisters Schnitze, des Schneidermeisters Müller oder des Zigarrenhändlcrs Lehmann, wenn man sie des- halb zur Rede stellt.„Wir sind im Herzen alle Antisemiten und Lkonfervative. Wenn wir aber heute nicht freisinnig wählen, dann hetzen uns die Herren Liberalen morgen die Kundschaft aus dem Geschäft!" Und wie viele Angehörige des Mittelstandes, die innerlich völlig rechts stehen, bleiben äuS Furcht vor der unversöhnlichen Rache des Freisinns überhaupt zu Hause! Die Geschichte des Berliner Kommunalliberalismus ist geschrieben mit dem Jammer des geknechteten, geprellten und mundtot gemachten Mittelstandes, ist durchtönt von den Seufzern der niedergehaltenen Anhänger des christlich-nationalen Gedankens und durchzogen mit Hunderten von Beweisen traurigster Unfähigkeit, die unsere städtische Schuldenlast zu nie dagewesener Höhe emporgetrieben hat!" Der Mann, der das Obige geschrieben hat, scheint Be- scheid zu wissen. Man ersieht daraus, welcher Heuchelei der Freisinn fähig ist, der sich über angeblichen sozial- demokratischen Terrorismus entrüstet! Er hält es mit dem unverfrorenen Spitzbubenkniff, bei der Verfolgung aus Leibeskräften„haltet den Dieb" zu schreien! €1» siegreicher Kampf um den sieht- (tundentag in Aarichau. Die schon oft totgesagte Arbeiterbewegung in Russisch-Polen hat einen Sieg zu verzeichnen, der unter den obwaltenden Umständen von besonderer Bedeutung ist: die Maurer in Warschau haben eine Aussperrung, durch die man sie zwingen wollte, den Achtstundentag preiszugeben, abgeschlagen. Nach dem großen politischen Demonstrationsstreik des Jahres 1903 weigerten sich die Maurer konsequent, länger als acht Stunden täglich zu arbeiten. Im Juli 1906 kam dann eine Abmachung zu- stände, bei der die Bauunternehmer sich mit dem Achtstundentag einverstanden erklärten, wobei ein Stundenlohn(unter Abschaffung der früher üblichen Tage- und Akkordlöhne) von 25 bis 35 Kopeken (50 bis 70 Pfennig) vereinbart wurde. Nicht minder wichtig ist, daß die Arbeiter mit dem bisher bestehenden— früher ja auch in Deutschland üblichen— System brachen, bei dem die Poliere die unumschränkten Gebieter waren. In Warschau hatte dieses System die schlimmsten Blüten ge- zeitigt: die Poliere stellten nur Arbeiter ein, die sich„einkauften", machten willkürliche Lohnabzüge, fälschten die Lohnlisten, der Lohn wurde in Wirtshäusern ausgezahlt, deren Wirte den Polieren tributpflichtig waren, daS infamste Trucksystem war im Schwünge; das mörderische System der„Anpeitscher", die durch Prämien und Schnaps veranlaßt wurden, ein rasendes Tempo der Arbeit einzuhalten, um die übrigen Maurer zu zwingen, unter Aufgebot aller Kräfte die Arbeitsleistung zu steigern. DaS hörte auf. indem die Arbeiter verlangten, daß sie bei der Einstellung von Kollegen mitzubestimmen haben. Allerdings ging es nicht immer ganz zart zu, und mancher Polier,- der die«guten alten Zeiten" nicht vergessen konnte, wurde per Schubkarren vom Bau gefahren.— Die Bautätigkeit blieb allerdings minimal. eS wurden nur die dringendsten Bauten ausgeführt. Grund war aber wohl nur zum geringsten Teil der Achtstundentag, sondern die wirtschaftliche Krise einerseits und die Entvölkerung der Stadt andererseits; während der Jahre 1906 und 1907 ging die Bevölkerung stark zurück, denn erstens verließ die Bourgeoifie in Scharen die Stadt und flüchtete vor der Revolution ins Ausland, zweitens wanderten die Arbeiter ab, weil große Arbeitslosigkeit herrschte, drittens sind in dieser Zeit viele Tausende in die Gesang- nisse und in die Verbannung geschickt worden. Es standen also viel Wohnungen leer, die Lust zun: Bauen war gering, überdies fehlte eS aber auch an Kapital, denn der Kredit war während der Revolutionsjahre verschwunden. Im Jahre 1903 regte sich die Bau- tätigkeit ein wenig. Die Unternehmer hofften nun leicht Maurer zu finden, die zu ungünstigeren Bedingungen arbeiten würden, denn die Zahl der Arbeitslosen war groß und außerdem hatte die Polizei gründlich mit den Organisationen auf- geräumt: die Führer waren verhaftet, die geheimen Organisationen waren zerstört, die Kassen konfisziert. Aber das schier Unglaubliche geschah: trotz des furchtbaren Elends, trotz des Mangels an fest- gestigten Organisationen blieben die Maurer fest. Sie willigten schließlich in eine Reduktion des Lohnes auf 25 bis 80 Kopeken, aber sie weigerten sich standhaft, auch nur 8llt Stunden zu arbeiten. Im Sommer dieses Jahres begann eine planmäßige Kampagne der Unternehmer, eine Art Obstruktion: man stellte so wenig Maurer als möglich ein, um das Heer der Arbeitslosen noch künstlich zu vergrößern. Es half nichts: die Maurer wanderten zum Teil ab in die Provinzftädte(dort erklärten sie sich bereit, neun Stunden zu arbeiten, in Warschau nicht), zum Teil halfen sie sich damit, daß sie wechselweise arbeiteten: jeder war verpflichtet, einen oder zwei Tage in der Woche einem arbeitslosen Kollegen seine Arbeits- stelle abzutreten.— Am 16. August holten dann die Unter- nehmer zu einem großen Schlage aus: Die Maurer wurden ausgesperrt und es wurde ihnen erklärt, daß sie nur anfangen dürften, wenn sie neun Stunden arbeiten wollen. Und abermals geschah das schier Unglaubliche: die Arbeit ruhte und unter den vielen hundert hungriger und verelendeter Leute fanden sich nicht ein Dutzend, die die Solidarität gebrochen hätten! Ein kleiner legaler Verband war bestehen geblieben, ein sogenannter „nationaler", auf ihn setzten die Unternehmer ihre Hoffnung, aber— siehe da— auch er versagte und erklärte, unter keinen Umständen würden seine Mitglieder länger als acht Stunden arbeiten. Wie üblich, wurde der Vorstand des„legalen" Vereins verhaftet, trotzdem gar kein Streik vorlag und nicht der Schatten eines Grundes zur Verhaftung da war. Auch daö half nichts: ohne jegliche faßbare Organisation blieben die Maurer fest.— Ihre Argumentation ist einfach und klar: weil große Arbeitslosigkeit herrscht, halten wir am Achtstundentag fest, damit möglichst viele Maurer Arbeit finden; würden wir aber in diesem Punkte nach- geben, so wären alle schwer erkämpften Zugeständnisse der- loren; deshalb läßt sich über alles reden, über die Preis- gäbe des Achtstundentages — nicht.— Alle jene, die in den Revolutionsjahren unter tausenderlei Gefahren nicht müde waren, den polnischen Arbeitern die Grundsätze, sozial- demokratischer Taktik im wirtschaftlichen Kampfe einzuprägen, dürfen stolz sein und wenn die Kunde in die Gefängnisse und in die Ein- öden Sibiriens dringt, werden sie in gerechtem Stolz sich ihrer Schüler freuen. An dem Solidaritätsgefühl der Arveiter zerschellte der Uevermut der Unternehmer. Schon nach einer Woche gab ein Teil von ihnen nach, weil sie die Konventionalstrafen nicht verwirken wollten; die Arbeit wurde aufgenommen. Heute ist die Aussperrung auf der ganzen Linie gebrochen, der Sieg der Arbeiter ist voll- ständig. politifcbe Oeberflcbt. Berlin , den 28. September 1909. Besteuerung des Reichsfiskus durch die Kommunen. Die bisherige Steuerfreiheit des Fiskus für Besitzungen in den Gemeinden soll endlich beseitigt werden. Wie ver- lautet, wird ein Gesetzentwurf über die Besteuerung des Reichsfiskus ausgearbeitet. Der Entwurf soll dem Reichstage in der kommenden Session vorgelegt werden. Es handelt sich hier um einen der zahlreichen Gegenstände, deren allgemeine reichsrechtliche Regelung nach der Gründung des Reiches zweckmäßig gewesen wäre, der aber mit Rücksicht auf andere gesetzgeberische Aufgaben zurückgestellt wurde. Infolge dessen sind bei der Frage der Besteuerung des Reichsfiskus häufig wiederkehrend Ziveifcl in Theorie und Praxis aufgetaucht. wiederholt auch Petitionen eingereicht worden, ohne daß es jedoch zu einer endgültigen Regelung gekommen ist.— Tie Konservativen und ihr Parteisekretär. Bekanntlich hat Herr Ludwig Brehm, bisher Sekretär der Konservativen, seinen Austritt aus der Partei erklärt, weil er durch deren skandalöse Politik sein Gewissen beschwert fühlte. Die früheren Parteigenoffen Brehms, allen voran die brave „Kreuzzeitung ", hatten nichts Eiligeres zu tun, als die Beweggründe des Mannes zu verdächtigen. Nunmehr verabreicht Brehm den Konservativen eine Abfertigung, aus der sich ergibt, daß jene Herr- schaften gm daran täten, recht oft und recht gründlich vor ihrer eigenen Tür zu kehren, statt mit pharisäischem Hochmut un- aufhörlich die Angelegenheiten der Sozialdemokratie oder anderer Parteien durchzuhecheln. Herr Brehm schreibt u. a.: „... So ungern ich jenen vorpommerschen Konservativen, die mit mir in Stralsund und Anklam für die Erbanfallsteuer eingetreten sind, Abbruch tun möchte: wenn nochmals ein so niederträchtiger und dummer Artikel gegen mich veröffentlicht wird wie jetzt in der„Kreuz- Zeitung ", so werde ich ganze Arbeit machen, das heißt, ich iverde dann den Verlauf des Kampfes zwischen Anhängern und Gegner» der Erbanfallsteucr und insbesondere die eigentümliche Haltung der dabei in Betracht kommenden konservativen Abgeordneten Vorpommers in allen Einzelheiten dokumentarisch darstellen." Das wäre eine sehr verdienstliche Leistung, die allerdings nicht zustande kommen dürfte, da die Konservativen Brehms Enthüllungen offenbar dermaßen fürchten, daß sie sich alle Mühe geben, den Mann beileibe nicht zum äußersten zu reizen. Das Verbrechen des Schnapsblocks an den Tabak- arbeitern. Ueberaus heftig hat sich nach Eintritt der neuen Tabaksteuer die Reaktion am Arbeits markt im Tabakgewerbe vollzogen, meldet die„Arbeitsmarkt-Korrespondenz". Der Andrang Arbeit- suchender auf je 100 offene Stellen an den öffentlichen Arbeits- nachweisen im Tabakgewerbe schnellte von 100 im Juli unvermittelt auf 457 im August hinauf; er hat sich also im Monat des Eintritts der neuen Steuer in e h r als vervierfacht. Am empfind- lichsten äußerte sich die Reaktion in Hamburg , und zwar besonders bei den männlichen Tabakarbeitern; bei diesen erreichte der Andrang im August eine Höhe von 567. Auch Westfalen . daS Königreich Sachsen und Baden find hart betroffen worden. Die öffentlichen Arbeits- nachweise dürften dabei in diesem Falle den Andrang eher noch zu niedrig erscheinen lassen, da ein großer Teil der entlassenen Tabakarbeiter in der Annahme, gegenwärtig doch keine Arbeit im Tabakgewerbe zu finden, sich in anderen Berufen nach Beschäftigung umsieht, ein anderer Teil auf die staatliche Unterstützung wartet. Es kommt noch hinzu, daß die wichtige Tabakindusirie Braun- s ch w e i g s und Bremens von der amtlichen Statistik gar nicht erfaßt wird und in diesen Bezirken die Eni- lassungen mindestens so zahlreich waren wie in den anderen. Der Andrang am ArbeitSmarkt läßt nun wohl auf die umfangreichen Entlassungen schließen, die vorgekommen sind, nicht aber zeigt er an, um wieviel der Beschäftigungsgrad in der Tabak- industrie gesunken ist. Die meisten Fabriken haben nämlich ihre Arbeiter nicht entlassen, sondern sie reduzieren die Beschäftigung, so daß den Arbeitern ein empfindlicher Lohnverlust entsteht. Aus zahlreichen süddeutschen Orten wird über durchgreifende Betriebs- einschränkungen berichtet, die sich zum Teil sogar auf drei und vier Tage in der Woche erstrecken. Den Heimarbeitern wird vielfach nur die Hälfte des früheren Quantums aufgegeben, vereinzelt auch noch ivemger. Die BetriebSverkürzungcu dehnen sich über das ganze Reich aus: Hannover , Sachsen , Rhein- land-Westfalen, Baden. Braunschweig sind alle davon betroffen worden. Infolge der Verschiebungen durch die Steuer in der Lage des TabakgewerbeS hat auch die Streik- und Aus- sperrungsbewegung in der Tabnkindustrie zugenommen. Entweder es wurde aus Solidarität mit den entlassenen Arbeitern gestreikt oder gegen Lohnreduktionen Front gemacht. Einen besonders großen Umfang nahm der ArbeNskampf in der Zigarettenfabrik Manoli an, der entstand, weil die Firma Arbeiter entließ, nachdem die Arbeitsgelegenheit infolge Produktionsrückgang abgenommen hat. Ein für die gegenwärtige Lage in der Tabakindustrie außerdem noch ungünstig wirkendes Moment ist eS, daß der Import von Zigarren und Zigaretten im laufenden Jahre äußerst stark forciert worden ist. Es wurden in den ersten acht Monaten dieses Jahres an Zigarren 488 400 Kilogramm eingeführt gegen 319 300 Kilogramm in der entsprechenden Zeit 1908. Die Einfuhr von Zigaretten stellte sich in den ersten acht Monaten auf 525 400 Kilo- gramm, während sie 1908 nur 391 300 Kilogramm betragen hatte. Die Einfuhr von Zigarren ist demnach um 53 Pcoz., die von Zigaretten um 34 Proz. größer gewesen als 1903. Besonders im Monat August ist sowohl die Zigarren- als die Zigaretteneinfuhr überaus stark gestiegen; es wurden im August d. I. 113 600 Kilo- gramm Zigarren importiert gegen nur 33 400 Kilogramm im Ver- gleichSmonat 1903. Die Zrgarettcneinfuhr stellte sich in diesem Jahre aus 101 800 Kilogramm, während sie im August deS Vor- jahreS 53 700 Kilogramm betragen hatte. Die Augnststeigerung belauft sich demnach bei Zigarren auf 255 Proz., bei Zigaretten auf 90 Proz. Es braucht keines besonderen Nachweises, daß auch�diese Steige- rrmg deS Imports auf daS Konto der Steuer- und Zollerhöhung und also auf das Schuldkonto des Schnapsblocks, der Junker und deS Zentrums zu setzen ist._ Der Evangelische Bund. Im Mannheimer „Städtischen Rosengarten", in denselben Räumlichkeiten, in denen vor drei Jahren unser Parteitag stattfand, hat von Freitag bis einschließlich Sonntag die 22. General- Versammlung des Evangelischen Bundes getagt. Die Teil- nehmcrliste wies gegen 700 Personen auf. darunter eine sehr erheb- liche Anzabl Frauen. DaS hängt damit zusammen, daß— genau wie bei den Katholikentagen— viele Leute ibre Sommerreise mit dem Besuch dieser Veranstaltung verbinden! Auf den Katholiken- tagen hat man sich ja infolge der immer zahlreicher in Begleitung ihrer Männer erscheinenden Frauen genötigt gesehen, für diese b e- sondere Tagungen, fast ausschließlich charitattver Art, ein- zurichten. So hat denn der Evangelische Bund, der in seinen Generalversammlungen die Kaibolikcntage äußerlich nach Möglichkeit zu kopieren pflegt, für seine Mannheimer Tagung zum erstenmal gleichfalls eine besondere Frauenbersamnllung cingericiitet, und ein Fräulein Schallmeier aus Halle a. S. hielt einen Vortrag über die Frage:„Wie die evangelische Ge- sinnung unter den erwerbenden Frauen und
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