»Wer erklZrt diesen Widerspruch zwischen Programm und Praxis? Das Beispiel anderer Gemeinden nicht, denn in ihnen existiert ja kein so programmfester Freisinn unter Lehrer- führnng wie in Schöneberg I Weshalb bewilligt man denn jetzt überhaupt noch Vorschulen in Schöneberg , trotzdem Liberale Fraktion und Sozialdemokratie die Mehrheit im Rathaus baben? Weshalb war bei der letzte» Abstimmung über Vorschulklassen sin diesem Frühjahr) die liberale Fraktion nicht vollzählig vertreten? Weshalb zogen sich die Stadt- verordneten Justizrat Neinbacher, der jetzige freisinnige Landtags- abgeordnete, und Direktor Wetekamp, der frühere freisinnige Landtagsabgeordnete, während der Abstimmung in einen Neben- räum zurück? Sind fie Anhänger der Standesschule? Ist das Programm ihrer Fraktion nur ein A u S h ä n g e s ch i l d für die Wähler? Ja, ja, die Einheitsschule! Mit dem Kampf des Freisinns für sie steht es g e n a u wie mit dessen Wahlkampf. In der„Theorie" ist man dafür, hat aber eine scheußliche Angst davor, daß es einmal zur Praxis kommen könnte. Wie kann auch eine plutokratische Partei ehrliche demokratische Politik treiben?!" Der.Demokrat" hat recht, wenn er annimmt, daß eS dem Freisinn um die Schaffung einer wirklichen Einheitsschule und die Beseitigung der Klassenprivilegien auf dem Gebiete des Schulivesens ebenso wenig Ernst ist, wie mit dem Kampf um die Einführung des allgemeinen gleichen Wahlrechts. Die„Prinzipien" des Frei- sinns existieren nur auf dem P a p i e r und im P h r a s e n sch w u l st freisinniger Parlamentarier und anderer frei- sinniger Demagogen. Wenn es gilt, die Redensarten in die Tat umzusetzen, versagt der Freisinn in der kläglichsten Weise!_ Graf v. Westarp vor seinen Wähler«. In seinem Wahlkreise Meseritz-Bomst versuchte am letzten Mitt- woch der, konservative Steuermacher v. Westarp seinen Wählern Rechenschaft abzulegen. Die Versammlung war von etwa 800 Personen. Arbeitern, kleinen Bauern, Landwirten und bürgerlichen Leuten besucht. Gleich zu Anfang seines Referats wurde der Graf durch lebhafte Zwischenrufe unterbrochen, die während des ganzen Vortrages anhielten und teilweise in einen Tumult ausarteten. In der Diskussion traten ihm ein Amtsrichter F e l g n e r, ein Land- richter Jena , ein Rektor H e n t s ch e l und ein Arbeiter ent- gegen. Es wurde ihm entgegengehalten, daß er das Vertranen seiner Wähler verloren habe, er würde gut tun, sich in seinem Wahlkreise nicht wieder aufstellen zu lassen, eine Mehrheit für ihn würde sich nicht mehr finden. Alle Diskussionsredner fanden lebhaften Beifall. Dem so mitgenommenen Abgeordneten blieb weiter nicht« übrig, als so schnell wie möglich die Versammlung mit einem Hoch auf das Deutschtum schlietzen zu lassen._ Wie die Zentrumspreffe ihre eigenen Leser verhöhnt. Die durch Bewilligung der neuen Verbrauchssteuern stark ins Gedränge gekommene Zentrumspartei versucht krampfhaft durch ihre Presse nachzuweisen, daß die Belastung keineswegs so hoch ist, wie behauptet werde. Besonders tut sich die „Augsburger Postzeitung" hervor. Nun ist es gerade dies bayerische Zentrumsblatt, das in einer seiner Bei- lagen„Ratgeber für Haus- und Feldwirtschaft". Nr. 16. seinen Lesern folgenden Rat erteilt: „Sparen, sparenl Das wird nunmehr infolge der außerordentlich hohen Steuer» die Losung in jedem Haus« halt sein. Noch niemals ist die Steuerschraube so angezogen worden wie jetzt. Die Preise für die Lebens- und Genutzmittel steigen derart ins Ungeheuerliche, daß den Haus- frauen die Augen übergehen. Da heißt es von nun an rechnen mit Heller und Pfennig. jeden Groschen zehnmal in der Hand umdrehen, ehe er ausgegeben wird..." Eine derartige offensichtliche Selbstverhöhnung kann sich nur das Zentrum leisten._ Vom bayerischen Landtag. München , 1. Oktober. (Elg. Ber.) In der zweiten Sitzung des Parlaments ging man nach der Wahl des Präsidiums zur Beratung von Petitionen über. Eine kurze Diskussion knüpfte sich an eine Petition, die Einführung des Frauen st immrechts betreffend. Genosse v. V o I l m a r beantragte die Hinübergabe derselben zur Würdigung und begründete in wenigen Sätzen diesen An- trag, der noch von dem Redner der liberalen Partei für einen Teil seiner Freunde unterstützt wurde. Bei der Abstimmung stimmte das Zentrum mit wenigen Ausnahmen gegen den Antrag Wollmar , der somit abgelehnt wurde. Auch die Arbeitersekretäre des Zentrums, Cadau ausgenommen, wollen der Frau das Wahlrecht nicht ge- währen. Hierauf Vertagung des Hauses bis nächsten DienStag, an dem die bedeutungsvollste parlamentarische Arbeit der Session in Angriff genommen wird, die Steuerreform. Cngwnck. Die Etatskrise. London , 36. September. (Eig. Ber.) In den letzten Tagen war das öffentliche Leben etwas ruhiger. Das Land ist in nachdenklicher Stimmung: es legt sich Rechnung ab von der Bedeutung der Krise, von den möglichen Folgen eines konstitutionellen Konflikts und bereitet sich auf die Wahlen vor. Auch die Kommissionsberatung des Etats rückt lang- samer vorwärts, so daß sie erst am 7. Oktober zu Ende sein wird. Die Entscheidung der Lords dürfte erst gegen Mitte November fallen. Ueber die Form der Entscheidung liegen nur Mut- maßungen vor. Es wird angenommen, daß das Oberhaus die zweite Lesung des Etats gründlich vornehmen und schließ- kich annehmen werde, um sich sodann auf unbestimmte Zeit zu vertagen. Gleichzeitig werde es dem Unterhause mit- teilen, daß die Lords in die Kommissionsberatung des Etats nicht eintreten können, da sie dessen Grundsätze für revolu- tionär halten und erst die Ansicht des Volkes hören wollen, ob es dem Unterhause ein Mandat gegeben habe, eine Revo- lution zu unternehmen, solle die Nation entscheiden. Falle diese Entscheidung zugunsten der Liberalen aus, so werden sich die Lords dem Willen des Volkes unterwerfen und den Etat annehmen.— Diese Taktik der Lords wäre scheinbar demokratisch, aber nichtsdestoweniger gegen die Konstitution, die in Sachen des Etats dem Oberhause das Recht nimmt, eine kontrollierende und revidierende Kammer zu sein. Würden sich die Liberalen mit dieser Taktik der Lords zufrieden geben, so gäben sie dem Oberhause ein Recht, auf das es bisher keinen Anspruch machen konnte. Die gemäßigten Elemente der liberalen Partei üben gegenwärtig eine verderbliche Wirkung auf die Kampfeslust der Regierung aus. Sie bestürmen die Regierung, den Grundherren Konzessionen zu machen, um nur einem Kampf ausweichen zu können, dessen Ergebnisse der Demokratie zu- gute kommen würden. Der aste Madstone gab einmal fol- gende Definitionen des Liberalismus und des Torhismus: „Das alte Prinzip des Liberalismus ist Vertrauen zum Volke,— aber beschränkt durch Klugheit. Das Prinzip des Konservatismus ist Mißtrauen gegen das Volk,— aber beschränkt durch Furch t." Die Defini- tion des Konservatismus würde ganz gut üuch auf den rechten Flügel der liberalen Partei passen. John Vurns und der Etak. London , 30. September. (Eig. Ber.p Nur um der Pflicht eines Chroniqueurs Genüge zu leisten, soll an dieser Stelle ver- zeichnet werden, daß John Burns weder im Unterhause noch in Versammlungen etwas für den Etat getan hat. Burns ist gegen- wärtig voll stand ig vergessen. Die Arbeiterfraktion hält es nicht mehr für der Mühe wert, ihn anzugreifen oder sich mit ihm irgendwie zu beschäftigen. Das beste Mittel, einen politischen Schwadroneur unschädlich zu machen, besteht wohl darin, ihm eine verantwortungsvolle Stelle zu geben und von ihm Leistungen zu erwarten. flnnlancl. Die Militärsragen. Man schreibt uns aus Helsingfors : Stolhpin ist entschlossen, von Finnland jährlich 20 Millionen Mark als Unterhaltungskosten des russischen Militärs zu ver- langen. Bisher begnügte er sich mit 10 Millionen. Die Forde- rung stößt selbst bei den russenfreundlichen Suometarianern auf Widerstand, weil sie gegen die finnische Verfassung verstößt. Auch die Suometarianer betonen jetzt, Finnlands Wohl erheische eine verfassungsmäßige Regelung in der Weise, daß das Land wieder eigene Truppenteile, gebildet aus Finnen, wie es solche bis 1890 hatte, erhalte. Der Senat betont, auch die innere Ordnung erheische eigene Truppenteile. Generalgvuvernenr Bobrikow befürwortet eine Regelung auf Grund finnischer Ge- setze. Stolypin besteht auf seinem Vorhaben, ohne Rücksicht auf die finnische Verfassung seine Forderung durchzusetzen. Er verlangt vom Senate die Auszahlung von neun Millionen aus den ordent- lichen Einkünften des Staates und für die Aufbringung der elf Millionen soll die Volksvertretung neue Steuern erheben. Nur das Recht räumt Stolhpin der Volksvertretung ein, neue Steuern zu erfinden. Der Senat hat die De» Mission in Aussicht gestellt, wenn Stolypin bei seinem Plane verharrt. Für den Fall der Nichteinlenkung Finnlands hat Stolypin ernste Ereignisse vorausgesagt. Die Parla- mentsfraktionen der bürgerlichen Parteien— mit Ausnahme der Suometarianer— haben in einer gemeinsamen Beratung beschlossen, für die verfassungsmäßige Regelung einzu- treten. Die Suometarianer sind der Meinung, die Angelegenheit könne wie 1905 und 1907, d. h. auf«gütlichem Wege" beigelegt werden.> Die sozialdemokratische Fraktion nahm an der gemeinsamen Beratung nicht teil, weil ihre Stellung ohne Be- ratung klar ist und weil sie es für unangebracht hält, mit den bürgerlichen Parteien außerparlamentarische Beratungen zu pflegen. Daß die Sozialdemokratie wie ein Mann für die Verfassung steht, ist den Bürgerlichen hinlänglich bekannt. Der Senat hat die Sozialdemokraten auch gar nicht zu der Beratung aufgefordert, sondern nur die Bürgerlichen . Aber die bürgerlichen Fraktionen haben es für gut befunden, auch die sozialdemokratische Fraktion zu der Delegiertensitzung einzuladen. Sollte der suometarianische Senat wirklich zurücktreten, so ist der Konflikt perfekt. Dann bleibt Stolypin kein anderer Ausweg, als die russische Polizei mit ihren Spitzeln mit der exekutiven Gewalt von Finnland zu betrauen. Und damit sind dann die Tage vor'der Revolution in Finnland wiedergekehrt und die Anarchie wird wieder ihre Herrschaft antreten. Serbien . Die dynastische Krise. � Belgrad , 2. Oktober. Die Frage der Regelung der Thronfolge tritt immer mehr in den Vordergrund. In der serbischen Presse ist in dieser Frage bereits eine offene Spgl» tung eingetreten. Einige Blätter bekämpfen in schärfster Weise die Kandidatur des Prinzen Georg, während andere diese als wünschenswert bezeichnen. Hierbei fehlt es auf beiden Seiten nicht an Ausfällen gegen die serbische Königsfamilie und die Regierung. Letztere steht der Cnmpagne ziemlich machtlos gegen- über. In. Regierungskreisen greift man deshalb auf die Idee zu- rück, dieser Erscheinung durch Verschärfung des Preß- g e s c tz e S entgegenzutreten. ZVlaroKKo. Eine spanische Niederlage- Madrid , 2. Oktober. Ueber das gestrige verlustreiche Gefecht der Spamer auf dem Erkundungsmarsch von Seluan nach Suk cl Djennis werden folgende Einzelheiten gemeldet: Nach- dem die Brigade des Generals V i c a r i o ihren Erkundungsmarsch ausgeführt hatte, erhielt sie den Befehl, sich dem Gros wieder an- zuschließen. Die Kompagnien an der Spitze hatten bereit» trotz des überaus heftigen Feuers der Mauren begonnen, sich in vollkommener Ordnung zurückzuziehen, da fiel Generat Bicario, von einer Kugel in den Kopf getroffen. General Towar übernahm sofort die Führung der Brigade . Die Mauren , durch diesen Erfolg ermutigt, verschärften das Feuer noch weiter, bis sie durch das Feuer der spanischen Infanterie und durch Maschinengewehrfeuer dezimiert den spanischen Truppen den Kampfplatz überließen und sich endgültig zur Flucht wandten. Die Spanier kehrten darauf in ihre Stellung in Seluan zurück, da sie den Zweck des Marsches, die annähernde Stärke und die Stellungen der feindlichen Truppen zu erkunden, erreicht hatten. Im Verlauf des Kampfes hatten die Spanier 233 Tote und Verwundete. Trotz der schönfarberischen amtlichen Darstellung ist eS unverkennbar, daß die Spanier, die sich auf ihre frühere Stellung zu- rückziehen mußten, eine Schlappe erlitten haben. Der verbrecherische Krieg wird also doch nicht so bald beendet sein. Die Hinrichtung dcs Roghi. Französische Blätter veröffentlichen nach Konsularberichten Einzelheiten über die Hinrichtung des gefangenen Präten- denten Buhamera. Mulah Hafid ließ den an Händen und Füßen Gefesselten in den L ö w e n k ä f i g werfen. Die Bestien fielen über den Unglücklichen her, der sich in Verwünschungen gegen seine Peiniger erging, und zerrissen ihm Brust und Arme. Infolge des Blutverlustes wurde er bewußtlos. Die Tiere ließen darauf von ihm ab, nicht aber Mulah Hafid. Er ließ den Sterbenden aus dem Käfig ziehen, mit Petroleum begießen und anzünden. Be- friedigt schaute der Sultan dem qualvollen Ende seines Feindes zu. Und dieses Scheusal ist der Protege unserer Kolonialfexen und Marokkojchwärmer!________ Hiiö der Partei» Die Organisationen zum Parteitag. Die Breslauer Genossen nahmen am Dienstagabend den Bericht vom Parteitage entgegen. Der Delegierte, Genosse Lobe, ist mit dem Verlaufe des Parteitages zufrieden. Er halt die De- willigung der Erbschaftssteuer in allen drei Lesungen für nötig. Er sei aber gegen jegliche Ausgaben für Rüstungszwecke. Wenn aber die Ablehnung erfolglos sei und wenn es sich nur weiter um die Frage handele, wer die Kosten zu bezahlen habe, ob die Bemittelten oder die Unbemittelten, dann müsse ganz selbstverständlich die Steuer abgelehnt werden, die den Armen belastet. Jede Steuer, die den Reichen belastet, müsse dann angenommen werden. Nicht so zufrieden ist Löbe mit dem Beschlutz über die Maifeier, er ist vielmehr der Ansicht, daß in Abendversammlungen viel wirk- samer für unsere Maiforderungen demonstriert werden könne, als wie es durch die kaum nennenswerte Arbeitsruhe geschehe. Der Beschluß des S ch n a p s b o y k o t t s. der auf Breslaus Antrag er- folgte, habe in der gesamten Partei- und Gewerkschaftspresse Zu- stimmung gefunden. Die Gastwirte müssen sich auf andere Getränke einrichten. Jeder Genosse müsse den Beschluß ausführen helfen. �Lebhafter Beifall.) In der Diskussion bemängelt Genosse Schiller die Nüchtern- heit des Parteitages. Der Frage der Jugenderziehung müsse mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht werden. Bei der Frage der Erb- schaflssteucr haben sich prinzipielle Gegensätze gezeigt und gerade deshalb wäre eine ernste Disknsston sehr am Platze gewesen. Wenn man nur auf die Wahlen schaue, dann habe man mit der Annahme der Erbschaftssteuer das Richtige getroffen. Aber hinter jeder praktischen Arbeit müsse unter ollen Uiiytanden das Prinzip als Prüsstein stehen. Das sei keine Prinzipienreiierei, sondern ehrliche, ernste Auffassung. Im Programm stehe kein Wort über die Verwendung der Steuern. Stodthogens Vorsatz, sich der Stimme zu enthalten, falls die Froklion iu dritter Lesung zugestimmt hätte, finde seinen Beifall. Nicht um Recht« haberei handele eS sich dabei, sondern um klare Auffassung im Kampfe. Darüber müsse endlich einmal Klarheit geschaffen werden. (Beifall.)..... Genosse Darf ist ebenfalls erfreut über die Einmütigkeit des Parteitages und begrüßt es, daß die praktischen Aufgaben, die in Leipzig gelöst worden sind,' den Wünschen der Arbeiter mehr ent- sprechen als die theoretischen Silbenstechereien. Nichts wäre den Junkern willkommener gewesen als die Ablehnung der Erbschafts- stener. Die ganze Last der neuen Steuern müßte dann von den Schultern der Unbemittelten getragen werden. Genosse K o h n: Wir haben früher gegen die unzureichenden Arbeiterversicherungsgesetze gestimmt und die Arbeiter haben es ver- standen. Warum sollten wir diesmal nicht auch gegen die Erb- schnftssteuer stimmen. Solche Sachen müssen prinzipiell entschieden werden. An der weiteren Diskussion beteiligten sich noch eine ganze An- zahl Genossen mehr oder weniger im Sinne des Delegierten. Im S ch l n ß iv o r t betonte Löbe, daß beim Schnapsboykott die Belehrung einsetzen muß, jeder Zwang aber unterbleiben soll. Unverständlich sei ihm, daß einige Genossen sich so verrennen können, wie dies die Diskussion gezeigt habe. Ein Armutszeugnis für die Genossen vom sogenannten linken Flügel sei es, wenn sie annehmen, daß ein Teil des linken Flügels nur deshalb für die Erbschaftssteuer gestimmt habe, weil Bebel dafür gewesen sei. In vielen Orten sei man ein- fach infolge eigenen Nachdenkens zu dieser Ueberzeugung gekommen. Man mutz sich die Konsequenzen überlegen, um sich davon zu über- zeugen, wie haltlos eine Ablehnung der Erbschaftssteuer gewesen wäre. Ein unmöglicher Standpunkt sei es, die Erbschaftssteuer ab- zulehnen, weil ihr Ertrag für Militärzwecke bestimmt ist, und wenn die Agrarier dann beschlossen, diese Steuern auf die Schultern der Armen abzuwälzen. Eine von allen persönlichen Gegensätzen freie Diskussion müsse zeigen, daß die Mehrheit der Genossen im Lande den gleichen Standpunkt einnehme. Der ganze Klassenkampf sei einmal dazu da, die Reichen zugunsten der Armen zu belasten. (Beifall.) Ein Beschluß wurde nicht gefaßt. Ein Antrag, den S ch n a p S- auSschank im Gewerkschaftshause einzu st eklen, wurde den beteiligten Kommissionen überwiesen. Der„Korrespondent für Deutschlands Buchdrucker" hat der bürger- lichen Presse wieder einmal einiges Material gegen die Sozialdemo- kratie und gegen die freie Jugendbewegung geliefert. ES wird ihm daher heute die Ehre zuteil, selbst von der offiziösen„ A o r d d. A l l g. Ztg." voller Wärme zitiert zu werden. Das Organ der Regierung gibt sehr befriedigt einen Auszug aus der Zuschrift eines I. K., die in der Nr. 112 deS„Korrespondent" veröffentlicht wird, worin der Beschlutz deS Leipziger Parteitages über die Maifeier als der Verzicht auf die ArbeitSruhe ausgelegt wird und der mit den Worten schließt:„Alles in allem kann man zufrieden sein mit der Entwickelung, die die Maifeier jetzt genommen. Wir weinen ihr keine Träne nach. Was sie uns brachte, waren Enttäuschungen." Die„Korrespondent"- Redaktion hat diesem Artikel folgende Nachschrift gegeben:„Wir geben dieser Stimme aus Mitglieder- kreisen Raum, weil wir es für uns als überflüssig betrachten, wegen der Maifeier noch ein Wort zu verlieren. Ho mortuis uil nisi bene!"(Von den Toten nichts als Gutes.) Besondere Wertschätzung hat ferner in der bürgerlichen Presse ein an der Spitze der Nummer stehender heftiger Ausfall gegen die freie Jugendbewegung gefunden. Er nimmt die Tatsache, daß unser Brandenburger Parteiblatt, die„Brandenburger Zeitung", zur Jugendbewegungsdebatte deS Parteitages bemerkte:„Die prole- tarische Jugend mutz durchglüht werden vom Klassenbewußtsein und Haß gegen ihre Unterdrücker; die proletarische Jugend der Sozial- demolratie zuzuführen, muß das ernste Bestreben jedes Genossen, jeder Genossin sein", zum Anlaß, folgendes zu schreiben: „Laut Abmachungen zwischen dem Vorstande der fozialdemo- kratischen Partei und der Generalkommission der Gewerkschaften ist die proletarische Jugenderziehung eine gemeinsame Aufgabe beider Teile. Es haben daher namens der Neutralität und Im« abhängigkeit der deutschen Gewerkschaften diese die Jugend der Sozialdemokratie zuzuführen l Einer Jugend, für die als hervor- ragendsteS Erziehungsprinzip der Haß und die parteipolilische Phrase in Frage konimt, soll die Zukunft deS deutschen Volkes ge- hören?! Und ein solches Programm sollen die Gewerkschaften mit propagieren? Welcher denkende und verantwortlich gesinnte Vater aus unseren Kreisen möchte sein Kind derart inS Leben ein- geführt und„erzogen" wissen?" Endlich enthält die fruchtbare Nummer 112 deS„Korrespondent" noch einen langen Bericht über eine Gaumitgliederversammlung in Dresden , in der der„Korrespondent"-Nedakteur K r a h l einen Bor- trag hielt, in dem u. a. die folgende Stelle vorkommt: „Die freien Gewerkschaften sähen jetzt bei den christlichen die traurigen Folgen einer von deren Führern sklavisch befolgten Parteipolitlk.. An einer anderen Stelle seines Vortrages behauptete Herr Krahl, daß es notwendig sei, die Koalitionsfreiheit der Buchdrucker in sozialdemokratischen Druckereien zu schützen. Er bestand gegenüber dem Protest eines Debattcredners darauf, daß die bekannten Reso- lutionen zweier Berliner Partciversammlungen, die sich mit der Tatsache befassen, daß im Berliner Parteigeschäft politisch nicht or- ganistcrte Buchdrucker beschäftigt seien, eine Aufforderung zur Maß- regcluiig dieser Leute seien, daß sie die Proklamierung des Grund- satzes bedeuteten:„Wetz Brot ich esse, des Lied ich singe". Mit diesen Ausführnngen hat Herr Krahl bewiesen, daß er ein würdiger Schüler jenes Rexhäuscrs ist, dessen Qualitäten der klaffen- bewußten Arbeiterschaft genügend bekannt sind und mit dem man deshalb nicht diskutiert. Vom Fortschritt der Presse. Unserem Partciblatt in Bayreuth. der„Fränkischen Volkstribüne", brachte der Quartals- Wechsel über 400 neue Abonnenten. Seit zwei Monaten hat das Blatt durch rege Agitation nahezu 700 Abonnenten gelvonnen.
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