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9. daß er ausschließlich die gemeinsamen Interessen von Gewerbe, Handel und Industrie zu vertreten, zu fördern und vor Schädigungen und Angriffen zu schützen hat; 3. daß seine Reihen jedem, ohne Unterschied der politischen oder religiösen Ueberzeugung, offenstehen, welcher seine Ziele zu den seinigen macht, und daß ihm daher jede Austragung politischer oder konfessioneller Gegensätze oder Interessen fern- liegt;. 4. daß er somit selbst keine politische Partei ist, da die ihm innerlich zugehörenden Mitglieder aller politischen Parteien in ihm Platz finden, Wohl aber eine wirtschaftliche Vereinigung mit den durch ihr wirtschaftliches Progradm bedingten, oben festgestellten politischen Zielen. Diesem grundsätzlichen Teil des Programms schließen sich allerlei einzelne Forderungen, Wünsche und Absichtsver- kündigungcn an, die aber so phrasenhaft formuliert sind, daß sie jeder auslegen kann, wie ihm beliebt. Anstatt zum Bei- spiel offen die Stellung des Hansabundes zur bisherigen Handels- und Zollpolitik des Deutschen Reiches darzulegen, zieht es die Bundesleitung vor, von einergerechtenAb- wägung der landwirtschaftlichen und der ge° werblichen Interessen" bei der Abschließung von Handelsverträgen zu sprechen, die EntWickelung der Exportpolitik zu verlangen und gleichzeitig für die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit des Kleingewerbes, des Detailhandels   und des Handwerks einzutreten. Noch verschwommener ist der auf die Sozialpolitik be- zügliche Absatz des Programms, der folgenden Wortlaut hat: In der Sozialpolitik für eine, auf die gemeinsamen Juter- essen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter Vermeidung bureaukratischer Ausgestaltung Rücksicht nehmende soziale Gesetz- gebung, deren Fortschreiten, Inhalt und Kostenlast sowohl der K o n k u r r e n z m ög l ich k ei t der deutschen ge- werblichen Tätigkeit auf dem Weltmarkt wie der inneren wirtschaftlichen Lage Rechnung trägt und mit dieser Maßgabe namentlich auf Sicher stellung derZukunftaller Arbeitnehmer und auf Erhaltung ihrer Arbeitsfreudigkeit Bedacht nimmt. Der Hansabund wird sich jedoch in Gemäß» heit seiner allgemeinen Grundsätze ss. oben II 2) auch in sozial- politischen Fragen, unter Wahrung strikter Neutralität, jeder Tähigkeit da einthalten, wo sich enitgegeni- gesetzte Interessen und Forderungen der in ihm vertretenen Erwerbsgruppen und deren Angehörigen gegenüberstehen. Dies gilt insbesondere von entgegengesetzten sozialpolitischen Forderungen und Interessen des Großhandels und der Großindustrie einerseits und des Mittel, und Kleingewerbes oder Handwerks andererseits, und von denen der Arbeitgeber auf der einen und der Arbeitnehmer auf der anderen Seite. Der Hansabund vertritt nur die ge- ineinsamen Interessen von Gewerbe, Handel und Industrie, d i e Vertretung von. sozialpolitischen Sonder- sorderungen einzelner Erwerbsgruppen, inS» besondere der Unternehmer und Ange st eilten, muß er ihren Sonderverbänden überlassen. Dagegen hält es der Hansabund auf allen Gebieten, also auch auf dem sozialpolitischen, zugleich im allgemeinen und öffentlichen Interesse, für seine Auf- gäbe, auf die Milderung und tunlichste Ausgleichung der verschiedenen wirtschaftlichen Richtungen und Interessen sowohl bei den Beratungen seiner Ver- waltung und den Versammlungen seiner Mitglieder wie in jeder sonst möglichen Weise hinzuwirken." In verständliches Deutsch übersetzt, heißt das: 1. Der Hansabund ist gegen jeden weiteren Ausbau der sozialpolitischen Gesetzgebung, der die Unkosten der Unter- nehmungen erhöht und ihre Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt irgendwie schwächt. 2. Sind Großunternehmer, Kleingeiverbetreibende, An- gestellte und Arbeiter über sozialpolitische Fragen verschiede- ner Ansicht, so verhält sich der Hansabund neutral, das heißt, er tut gar nichts, denn er würde ja sonst die Jnter- essengegcnsätze schüren. 3. Sozialpolitische Forderungen der zu ihm gehörenden kaufmännischen und industriellen Angestellten kann der Hansa- bund nicht berücksichtigen. Die Vertretung solcher Interessen bleibt den Sondcrvereinen der Angestellten überlassen. Im Hansabund gelten nur die Interessen der kapitalkräftigen Unternehmerschaft. Von dem Scharfmachertum, der Notwendigkeit der Wahl- reform in Preußen, der imperialistischen Weltpolitik usw. schweigt das Programm. Die Herren im Präsidium und Direktorium fühlten nicht das Bedürfnis, sich darüber zu änßtzrn. Zur bayerischen Steuerreform. Mit dem ß. Oktober nehmen die Plenarverhandlungen des bayerischen Landtages über die Steuerreform ihren Anfang. Zur Vorbereitung dieses wichtigen Gegenstandes wurde noch in der vorigen Session ein SteuerauSschuß eingesetzt, der in monatelangen Sitzungen die Steuervorlagen in erster und zweiter Lesung erledigte. Die Beratungen der dritten Lesung im Plenum sollen möglichst be- schleunigt werden, weil die neuen Steuern mit 1. Januar 1V11 in Kraft treten sollen.> Bayern   hat, von der Wandergewerbesteuer abgesehen, zurzeit fünf direkte Steuern: eine besondere Steuer für das Berufs- und Arbeitseinkommen, eine Grund-, Haus-, Gewerbe- und Kapital- rentensteuer. Das ganze System der direkten Steuern genauer genommen ist es kein.System", sondern ein Konglomerat von Steuern-- ist sehr alten Kalibers. Die Steuern sind nicht ein- heitlich nach einem großen, leitenden Gesichtspunkte ausgestaltet worden, sondern zu verschiedenen Zeiten, also auch unter verschiedenen wirtschaftspolitischen Zuständen zur Einführung gelangt. Eine jede WirtschaftSepoche aber schafft gleichsam aus sich heraus neue, charakteristische Steuergattungen, weshalb auch die Steuersysteme der industriell-kapitalistischen und der agrarisch-feudalistischen Wirtschafts- ordnung von Grund aus verschieden sind. Die UebergangSzeit zwischen einer vergebenden und werdenden Wirtschaftsperiode schafft teils durch Konservierung, teils durch Neuansetzung die Steuer- konglomerate, wie Bayern   eins besitzt. Grund- und Haussteuer könnten bald ihren hundert- jährigen Geburtstag feiern, ein Beweis für die Zählebigkeit kgl. bayrischer StaatSeinrichtungen. Sie sind die echten Kinder der Kgrarzeit aus dem Beginn des IS. Jahrhunderts, wo das moderne Wunderkind.Jndustria" in Bayern   kaum geboren war. Die beiden Steuern, Ertragssteuern rohester Form, haben sich durch das späte Aufkommen der Industrie, den agrarischen Charakter des Parla- ments und durch die echt bayerische Gemütlichkeit eines .langjährigen' Finanzministers unverändert in unser industrielles Zeitalter hinübergerettet. Ein wunderschöner Beleg für die Richtigkeit des Lehrsatzes, daß RechtSformen alter Wirt- fchaftS- oder Gesellschaftssysteme noch fortbestehen, wenn diese selbst schon stark in Zersetzung und Auflösung begriffen sind. DaS Trägheitsgesetz ist hier gleichsam aus der Natur auf menschliche Dinge übertragen. Die ganze EntWickelung vom Agrar- zum Industriestaat, die mittels Wissenschast und Technik herbeigeführte Umwälzung der landwirtschaftlichen Betriebsmethode» und Organi- sationsformen, alles ist an diesen Steuern spurlos vorübergegangen. Heute noch wird die Grundsteuer für einen Acker nach dem Körnerertrag bestimmt, den er unter der Dreifelderwirtschaft vor achtzig Jahren gehabt hat. Heute noch ist es für die Besteuerung ganz gleich, ob der Acker unterdessen zum minderwertigen Brachland oder kostbaren Bauplatz geworden ist, ob er verschuldet oder nicht verschuldet ist. Ganz ähnlich liegen die Dinge bei der HauS- oder MietertragSsteuer. Weder Unterhaltungskosten, noch Mietsverluste, noch Schuldenzinsen dürfen an dem Mietsertrag in Abzug gebracht werden. Dieser Ertrag ist in vielen Städten zum letzten Male bor  rund 30 Jahren ermittelt worden. Neueinschätzungen sind also gerade in der Periode des gewaltigen Wachstums und der ungeahnten Entwickelung der Städte nicht mehr vorgenommen worden. Nicht den kleinsten sozialen Zug zeigen die beiden Steuern. Für ihre Bemessung ist die Wirt- schaftliche Gesamtlage des Steuerpflichtigen ganz bedeutungslos. ES gibt weder Steuer- befrei ungen für die Kleinen noch eine Progression der Steuersätze für die Großen. Die drei anderen direkten Steuern sind in dem letzten Jahr- zehnt auf Drängen der Sozialdemokratie durch Hineinarbeiten sozialer Gedanken etwas modernisiert worden. Die von ihr ver- langte gründliche Reform aber wurde erst mit dem Einzug des neuen Mannes ins Finanzministerium in Angriff genommen. Er wurde zum schleunigen Neubau deS Systems schon gezwungen durch den Mehrbedarf an Einnahmen in der Höhe von zehn bis zwölf Millionen Mark. Die direkten Steuern müssen nach sozialen Grundsätzen und den veränderten Wirtschafts- Verhältnissen entsprechend umgestaltet werden. Das neue Steuersystem muß den Pflichtigen nach seiner Wirtschaft- lichen Gesamtlage erfassen, den Schwachen schonen und sich dem Auf und Ab der oft rasch wechselnden Konjunkturen des Wirtschafts  - lebens anschmiegen können. Diese an ein gerechtes Steuersystem zu stellenden Anforderungen sind im großen und ganzen erfüllt in der allgemeinen progressiven Einkommen- st euer in Verbindung mit einer progressiven Ver- mögenS st euer. Mit diesen von der Sozialdemokratie seit langem vertretenen Reformgedanken befindet sich der Finanzminister zwar in grund- sätzlicher Uebereinstimmung. Er will aber die Reform nicht auf einen Wurf, sondern in zwei Etappen zur Durchführung bringen. Sein von der Mehrheit akzeptierter Gesetzesvorschlag geht dahin, zunächst nur die allgemeine Ein- kommensteuer ohne Vermögenssteuer einzuführen. Um nun aber das sogenannte fundierte oder Besitzeinkommen stärker als das unfundierte oder Berufseinkommen zur Steuer heran- zuziehen, sollen neben der allgemeinen Einkommensteuer die alten Steuern in ungefähr der halben Höhe vorläufig fortbestehen. Bayern   geht also an eine grundsätzliche Umänderung und Anpassung seines Steuersystems nicht nur viel später als die anderen deutschen Bundesstaaten heran, es schafft auch dann noch nur halbe Arbeit. Die Sozialdemokratie und die Liberalen wollten das Ganze. DaS Zentrum mag nicht und so wird eS auch im Plenum bei der halben Reform bleiben. Parallel mit der Reformierung der Staatssteuern läuft eine solche der Gemeindesteuern. Bisher wurde der Gemeinde- bedarf gedeckt durch Umlagen, das sind prozentuale Zuschläge zu den direkten StaatSsteuern. Besondere direkte Gemeindesteuern gab eS bisher nicht. Jetzt sind für die Gemeinden die folgenden bestimmt: Hundesteuer, Warenhaussteuer, Wertzuwachssteuer, Jmmobilienumsatzsteuer und eine Bauplatzsteuer in der Form einer erhöhten Grundsteuer. Daneben soll das Umlageverfahren bis zum Abschluß der Reform in Geltung bleiben. In diesem Zeitpunkte, in dem der Staat die Vermögenssteuer eingeführt hat, sollen die noch zu reformierenden Grund-, HauS-, Kapitalrenten» und Gewerbesteuern den Gemeinden überwiesen werden und an die Stelle der Umlagen treten. Nicht nur über die Grundftage, ob halbe oder ganze Reform, sondern auch über die Detail-AuSgestaltung der neuen Steuern bestehen zwischen den bürgerlichen Parteien und der Sozialdemo« kratie bedeutende Differenzen. Die Zentrumspartei   besonders ist bemüht, der Reform zum Nachteil der Jndustriebevölkerung einen stark agrarischen Charakter zu geben. Die Sozialdemo- kratie wird wie bei der Ftnanzreform tmReiche so auch bei der S teuerreform in Bayern   auf der Seite der wirtschaftlich Schwachen stehen. politische Cleberlicdt. Berlin  , den 5. Oktober 1909. Der sozialdemokratische Wahlsieg in Sachsen-Meiningen  . Ueber den prächtigen Ausfall der LandtagSwahlen in Sachsen- Meiningen  , den wir gestern noch telegraphisch melden konnten, wird des näheren noch gemeldet: In S a a l f e l d ist Genosse Hoffmann mit 1600 Stimmen wiedergewählt worden; der bürgerliche Kandidat erhielt 300 Stimmen. i In Pößneck   siegte wieder der.Genosse«Seige mit 300 Stimmen Mehrheit. In Gräfenthal  -Lehesten   gewann Genosse Fischer mit über 300 Stimmen Mehrheit das Mandat wieder. Im Wahlkreise S t e i n a ch wurde Genosse W e i g e l t mit über 000 Stimmen Mehrheit wiedergewählt. In Witten  -Steinach behauptete Genosse Knaver mit 1400 Stimmen Mehrheit das Mandat. Der Wahlkreis Sonneberg   schickt wieder den Genossen W e h d e r mit 1000 Stimmen Mehrheit in den Landtag. In Salzungen   wurde Genosse Eckard t jen. mit 1000 Stimmen Mehrheit wiedergewählt. Der Wahlkreis Wasungen   wurde vom Genossen Heinrich E ck a r d t jun. mit 300 Stimmen Mehrheit neu erobert. Im Wahlkreise Eisfeld   siegte Genosse Schühlein mit 300 Stimmen Mehrheit.. In Hildburghausen   findet Stichwahl zwischen Michaelis(bürgerl.) und F r i t s ch e(Soz.) statt. Die anderen Wahlkreise sind bürgerlich besetzt. Stichwahlen zwischen Bürgerlichen finden in Camburg   und in M e i n i n g e n Land statt. Bisher wurden gewählt 9 Sozialdemdkraten und 4 Bürgerliche. Drei Stichwahlen müssen stattfinden, an denen ein Sozialdemokrat beteiligt ist. Im letzten Landtage saßen 7 Sozialdemokraten. Der Meiningische Landtag zählt 94 Abgeordnete, von denen 16 durch allgemeine Wahlen, 4 durch die Großgrundbesitzer und 4 durch die Höchstbesteuerten zu wählen sind. Von den 16 Sitzen, die durch allgemeine Wahlen besetzt werden, wurden also von den Sozialdemokraten im ersten Anhieb 0 gewonnen. Beständen die Mandate der Privilegierten nicht, so hätte die Sozialdemokratie die Mehrheit im Landtage- Preußische Fürsorgeerziehung. Auf der heutigen Versammlung des Verbandes fortschrittlicher srauenvereine wurde die vbsendung untenstehender Petition em- timmig beschlossen: Petition deS V. f. F. Enquete in preuß. Erziehungsanstalten betreffend. An Se. Exzellenz den Herrn Staatsmmister und Minister des Innern v. Mottle. Eurer Exzellenz unterbreitet der Verband fortschrittlicher Frauen- vereine das Gesuch: Ew. Exzellenz wolle alsbald eine Enquete über die Zustände in sämtliche» preußischen Fllrsorgeerziehungsanstalten durch eine neutrale Kommission von Sachverständigen unter Zuziehung von Pädagogen, Aerztcn und Frauen nach Anhörung der deutschen Zentrale für Jugendsiirsorge veranlassen. Die beigefügte Begründung lautet: Wiederholt in die Oeffentlichkeit getragene Nachrichten haben es in hohem Maße wahrscheinlich gemacht, daß das in den preußischen Fürsorgeanstalten herrschende System un- geeignet ist. eine erziehliche Wirkung von der erforderlichen Dauer und Tiefe auf die Zöglinge auszuüben. Insbesondere haben neuerdings die Vorgänge in Mielczyn die sittliche Entrüstung weiter Vevölkerungskreise hervorgerufen. Die Mitteilungen der Presse über die in Mielczyn angewandten Strafnnttel haben von maßgebender Stelle keinen Wiederspruch erfahren. Es ist unbestritten geblieben, daß die dortigen Zöglinge Züchtigungen unterworfen wurden, die eines Kulturvolkes unwürdig sind und den beabsichtigten Zweck völlig verfehlen. Derartige grausame Strafen vermögen nicht, jugendliche Delinquenten zu brauchbaren Mitgliedern der menschlichen Gesell- schaft zu machen; sie müssen viettnehr naturnotwendig aufreizend und verbitternd auf die Betreffenden wirken. Leider liegt die Vermutung nahe, daß ähnliche Zustände auch in anderen Fürsorgeerziehungsanstalten herrschen. Eine genaue Untersuchung, welche sich vor allem aui die angewandte Erziehungsmethode, auf die zur Verfügung stehenden Aufsichts- und Lehrkräfte, sowie auf den Gesundheitszustand der Zöglinge zu erstrecken hätte, erscheint deshalb dringend geboten. Ans Grund einer derartigen Enquete könnte alsdann eine Reform des ErziehungSversahrens in den öffentlichen Fürsorgeanstalten und dabei die Nutzbarmachung der in englischen Fürsorgeanstalten ge- machten Erfahrungen erfolgen. Die dort angewandte Methode, welche den Zöglingen unter Leitung von pädagogisch geschulten Kräften ein hohes Maß von Freiheit gewährt, hat den Beweis er- bracht, daß nicht Gewaltmaßregeln, sondern Menschenliebe bei den Jugendlichen Lust und Freude zur Arbeit wecken und sie zu einem geordneten Lebenswandel zurückzuführen geeignet ist. Gegen die Arbeiterturnvereine hegt der sächsisch-altenburgische Staatsminister v. Borrieß eine un- überwindliche Abneigung und er gibt diese bei jeder Gelegenheit kund. So auch dieser Tage wieder in einer Antwort auf eine Be- schwerde der Freien Turnerschaft in Gößnitz  , die sich bei ihm als obersten Hüter der Schulen über de» Schulvorstand in Gößnitz   be- schwert hatte. Mit dem H�lweis auf daßgleiche Recht für alle" hatten die fteien Turner in Gößnitz   um Ueberlassung des Schul- Platzes als Spielplatz nachgesucht. Der Schulvorstand, der dendeutschen" Turnern den Platz zu sdem gleichen Zwecke anstandslos gewährt hat, versagte ihn den freien Turnern ohne jede Begründung. Das war Ende Juni. Anfang Juli richteten die Abgewiesenen eine Beschwerde an den Staats- minister v. Borries, auf die jetzt nach einem Vierteljahr des Ueber- legenS endlich eine ablehnende Antwort eingetroffen ist. Der Herr Staatsminister, der einmal im Landtage von seiner Regierung sagte, daß sie leine Nadelstichpolitik gegen die Arbeiterklasse treibe, begründet seine ablehnende Entscheidung mit der sozialdemokratischen Tendenz der freien Turnerschaft. Diese Tendenz.beweist" er in folgender Weise: Wenn der Berein jetzt in Abrede stellt, sozialdemokratische Tendenzen zu verfolgen, so steht dem außer der Auffassung der den Verhältnissen nahestehenden örtlichen Behörde auch der Ge- brauch des LiederbuchesDer freie Turner" entgegen, in welche»? dem in§ 1 de« Volksschulgesetzes gesetzten Ziel der Volksschule, der Jugend die Grundlagen sittlich-religiöser Bildung zu ge- währen, offenbar entgegengearbeitet wird." Deutsche   Polizisten in West und Ost. In Dortmund   wurde zwei Tage lang ein Beleidigungsprozeß gegen einen Polizeiwachtmeister verhandelt, der gegen seinen vor- gesetzten Kommissar und mehrere Beamte der politischen und der Sittenpolizei in näheren Eingaben den Vorwurf der B e st e ch- l i ch k e i t erhoben hatte. Der Kommissar soll sich von Kirmes- schaustellern seit Jahren haben schmieren lassen usw. Die Regie- rung hat die Disziplinierung des Wachtmeisters zweimal abgelehnt. Deshalb haben die Beleidigten Strafantrag gestellt. Inder Verhandlung sagten Dutzende von Schaustellern aus. eS stehe seit Jahren fest, daß man in Dort- mund bei der Kirmes nur dann gute Standplätze erhält, wenn man gut schmiert! Eine Anzahl Leute, die früher bestimmte Aussagen gemacht hatten, verhielten sich im Termin zurückhaltend, was sich wohl daraus erllärt, daß die Leute auf das Entgegenkommen der Behörde angewiesen sind. Verschic- dene Zeugen bekundeten, daß uniformierte Schutzleute in den Bordellen Schnaps getrunken hätten und daß sich Sittenschutzleute von Prostituierten bezw. Bordellinhabern traktieren ließenl Der Prozeh endete damit, daß der Angeklagte auf Grund des 8 61 des Reichsstrafgesetzbuches freigesprochen wurde, denn drei ärztliche Gutachter, von denen zwei angestellte Stadtärztc waren, bekundeten, daß der Angeklagte kür seine Handlungen nicht verantwortlich sei. « In einem Prozeß in Tilsit   kamen auch recht erbauliche Dinge zur Sprache. Im Dorfe Kaukehmen   wirkte als rechte Hand des Gemeindevorstehers ein Polizeisergeant Hoffmann. Dieser erhob gegen den Gemeindevorsteher allerlei Beschuldigungen. u. a. bezichtigte er ihn der V e r l e i t u n g z u m Me i n c i v. weil der Gemeindevorsteher den Polizisten veranlassen wollte, in einer Strafsache eine falsche Aussage zu machen! Der Gemeindevoc- steher revanchierte silh, indem er wieder dem Polizeisergeanten verschiedene Unregelmäßigkeiten nachsagte. Der Landrat schenkte den Angaben des Gemeindevorstehers Glauben und sus- pentierte den Polizisten vom Dienst, worauf dieser öffentlich er- klärte, wenn der Gemeindevorsteher für alles be- straft würde, käme er aus dem Gefängnis nicht heraus..... Es folgte ein Strafverfahren gegen den Polizeisergeanten. Für die gegen den Gemeindevorsteher erhobenen schweren Anschul- digungen wollte Hoffmann nun den Beweis erbringen. Dazu kam es aber nicht, da der Gemeindevorsteher den Strafantrag wegen Beleidigung zurückzog! Der Herr Gemeindevorsteher, ein stramm konservativer Wann, ist noch im Amte. Ein Zentrumsskandal in Baden. Das badische Zentrum, das zurzeit im LandtagSwahlkampf ohnehin einen schweren Stand hat, empfindet sehr unangenehm das Ergebnis eines Prozesses, der in der verflossenen Woche vor der Strafkamn,er in Ofsenbnrg tagte. Er deckte nämlich eine arge Lotterwirtschaft in einem hauptsächlich von katholischen Geist- lichen geleiteten Betriebe auf. Es handelt sich um dieDruckerei- Gesellschaft Unitas" in Bühl  , welche eine Tageszeitung D e r A ch e r- und B ü h l e r b o t e". ein nichtiges Kaplansblättchen. und andere katholische Blätter herausgibt. Unter den Anteilbesitzern der Gesellschaft befinden sich rund 200 Geistliche; dem aus fünf Personen bestehenden AussichtSrat gehören drei Pfarrer an; auch der Vorsitzende ist natürlich ein Pfarrer. Die Gesellschaft UnitaS hatte auf eine bischöfliche Empfehlung hin in dem Kaufmann Beruh. Unfug sich einen Direktor zugelegt, der, wie der vereidete Bücherrevisor eidlich bekundete, gleich am ersten Tage, als er die Kasse übernahm, 200 M. unterschlug und innerhalb 14 Monate die Kasse der frommen Gesellschaft um über 8000 M. erleichterte. Die Herren Pfarrer vom Aufsichtsrat haben sich um ihren Direktor nicht gekümmert: es genügte ihnen die bischöflich