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Empfehlung. Hätten die Herren auch nur ein einziges mal einen Blick in das Kassenbuch geworfen, so hätte ihnen die unglaubliche Lotterwirtschaft sofort in die Augen springen müssen. Denn der Herr Direktor hatte monatelang gar keine Ein- t r a g u n g e n gemacht. Mit der Verurteilung des Direktors Unfug zu acht Monaten Gefängnis ist die Angelegenheit für die Mitglieder des Aufsichtsrats noch nicht erledigt, denn sie haben ihre Pflicht gröblich verletzt und gegen die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches über die Führung der Handelsbücher verstoßen. Das unangenehmste ist nun aber für das Zentrum, datz der bloßgestellte Pfarrer Röckel Landtagskandidat in Achern  -Bühl  , einem für das Zentrum sicheren Kreise ist und daß nach diesen Enthüllungen eine heftige Opposition gegen die Kandidatur R ö ck e l s in den eigenen Reihen mit Sicherheit zu er- warten ist. Ohne Zweifel hat die Gerichtsverhandlung der Autorität der katholischen Geistlichkeit im Lande erheblich geschadet. Arbeiterentlassnngen in der Tabakindnstrie. Noch immer steigt die Masse der Arbeitslosen, die infolge der neuen Tabaksteuererhöhungen ihre bisherige Beschäftigung in den Tabak- und Zigarrenfabriken verloren haben und nun, in der Zeit der Krise und des herannahenden Winters, vergeblich nach anderer Arbeit ausschauen. Bald kommen aus dieser, bald aus jener Gegend Nachrichten über weitere Arbeiterentlassuugen. So berichtet die konservativeBrieger Ztg.", das Organ des im Wahlkreise Brieg  - Namslau sSchlesien) gewählten Reichstagsabgeordneten Amtsgerichts  - ratS Th. P e r n i o ck: .In der Ohlauer Tavakindustrie machen sich die Folgen der erhöhten Tabaksteuer recht unangenehm fühlbar. Nachdem bereits seit Wochen in den Zigarrenfabriken mit reduzierter Arbeits- zeit gearbeitet wird, hat sich jetzt die Entlassung zahlreicher Tabakarbeiter und Tabakarbei- terinnen notwendig gemacht. Die Nachfrage nach Zigarren ist auffallend gering. Sonnabend werden daher wieder viele Arbeiter und Arbeitermnen den seit Jahren inne- gehabten Platz in der Fabrik verlassen und sich einen anderen Broterwerb suchen müsien. Viele derselben haben Unter- stiitziingsgesuche beim Magistrat eingereicht. Ebenso ergeht eS den Kistenmachern. Eine größere Fabrik kündigt an, daß die Einstellung des gesamten Betriebes auf mehrere Wochen zu erwarten sei. Jnfolgedeffen wurde auch schon mehreren Meistern und dem Kontorpersonal gekündigt. Eine andere größere Firma hat bereits mehrere ihrer auswärtigen Filialen infolge des schlechten Geschäftsganges seit einigen Wochen geschlossen. Für die Ohlauer Geschäftswelt ist diese Arbeitseinstellung ein ichwcrer Schlag insofern, als auch auf den nahe gelegenen Dörfern Peisterwitz und Steindorf, wo sich bedeutende Filialen der Deterschen Fabriken befinden, annähernd 8500 Tabakarbeiter und-Arbeiterinnen in Mitleidenschast gezogen werden. In Wansen   sind gleichfalls gegen 800 Tabakarbelter be- schäftigt, denen eS nicht besser ergeht." Es mag schon richtig sein, daß nicht nur die Ohlauer Arbeiter, sondern auch die dortigen Geschäftsleute durch die Arbeiter« entlassungen schwer getroffen werden. Sie können sich dafür bei ihrem Abgeordneten und dessen Partei, der konservativen, bedanken. Würzburger Schwindel. Durch die bürgerliche Presse wird folgende Meldung aus Würzburg   verbreitet: In einer gestrigen Zentrumsversammlung, in der der Reichstagsabgeordnete Justizrat Dr. Thaler gesprochen hat, der- suchten die Sozialdemokraten, Skandale zu erregen. Es kam zu Tumultszenen, bei denen 80 Schutzleute eingriffen und die Tumultuanten zerstreuten." Die Nachricht ist eine gröbliche Entstellung der Tatsachen. Das Zentrum hatte eine Versammlung einberufen, zu der nur Zentrums- Wähler Zutritt haben sollten. Das Zentxum wollte sich gegen die Angriffe wegen des Steuerraubzuges rechtfertigen. Die sozial- demokratische Parteileitung gab ein Zirkular heraus, in der sie die Parteigenossen zum Besuch der Versammlung aufforderte, weil sie eine Diskussion herbeiführen wollte. Daraufhin erließ die Zentrumspartei   eine Bekanntmachung, daß der Zutritt nur gegen Karten gestattet sei; diese gab sie nur an sichere Zentrumsleute heraus. Daraufhin forderte die sozialdemokratische Parteileitung zu öffentlichter Demonstration auf; eS fanden sich auch etwa L000 Arbeiter ein, die öffentlich demon- strierten. Ein Schutzmannsaufgebot von etwa 80 bis g0 Mann bekam keine Arbeit, da Ausschreitungen nicht vor- kamen. Die Demonstranten zogen dann in die Stadt und sangen während, des DurchziehenS durch die innere Stadt die Marseillaise.  _ Die liberalen Pharisäer. Der aus der nationalliberalen Partei Bayerns   ausgeschlossene jungliberale Abgeordnete Hübsch hat gegen diesen Ausschluß P r o t e st eingelegt. Er weist in seinem Protestschreiben darauf hin, daß er ausgeschlossen worden sei, ohne daß man ihn vorher von dieser Absicht unterrichtet hätte. Man habe es nicht einmal für der Mühe Wert erachtet, ihm die Gründe für den Ausschluß mitzuteilen. So sieht das Ausschlußverfahren bei den Liberalen aus, die nie genug über die Intoleranz der Sozialdemokratie schimpfen können, weil sie sich gelegentlich der Leute entledigt, die nicht zu ihr gehören. Dahei ist noch niemals jemand aus einem ähnlichen Grunde aus der Sozialdemokratie ausgeschlossen worden, wie der Abg. Hübsch aus dem bayerischen Nationalliberalismus. Er flog bekanntlich, weil er sich erlaubt hatte, den Widerspruch zwischen Theorie und Praxis des Parteiführers Casselmann in seinem Ver- halten zur Lehrerbesoldung anzunageln. Oeltermch. Der Agramer Justizmord. Agram, 6. Oktober. Im Hochverratsprozeß wurde heute das Urteil verkündigt. Adam und Valerian Pribiosevics wurden zu zwölf Jahren schweren Kerkers verurteilt. Eine Zahl weiterer Angeklagter erhielt Gefängnis st rasen zwischen vier und sieben Jahren. Achtzehn Angeklagte wurden frei- gesprochen. So hart das Urteil ist, so hat doch selbst dieser aus- gesuchte Gerichtshof nicht gewagt, die Todesurteile aus- zusprechen, die der Staatsanwalt gefordert hatte. Aber auch so bleibt dieser auf ganz vage und unzuverlässige Zeugen- aussagen politischer Gegner und Polizeispione aufgebaute Tendenzprozeß eine Schande für die kroatischen Rechts- zustände. Wenn, die Regierung gut beraten ist, so wird sie durch eine schleunige Amnestie versuchen, den Prozeß möglichst rasch vergessen zu machen. Spanien  . Gegen den Ausnahmezustand. Madrid  , 5. Oktober. Die Führer der liberalen und der republikanischen Parteien haben an den Ministerpräsidenten eine gemeinsame Note gerichtet, in der sie die sofortige Wiederher st ellung der verfassungsmäßigen Garantien in den Provinzen G e r o n a und B a r c e- lona verlangen._ Der Krieg in Marotto. Udschda, 5. Oktober. Die Stämme in der Umgebung von S e l u a n und Luluja lassen ihre Familien und ihre Viehherden I tiefer nach Süden gehen, während ihre Krieger zurück bleiben. Es liegt eine von Eingeborenen stammende Nachricht vor, wonach überall der heilige Krieg gegen die Spamer gepredigt wird. Der Kaid Mtalsi, der die Seele der ganzen Be- wegung sei, habe erklärt, daß drei wichtige Stämme, nämlich die Beni BraneS, die Beni Tnsil und die Beni Uriagel mit bedeutenden Verstärkungen zur Harka stoßen werden. Ministerpräsident Maura erklärte, daß anstatt der ganzen Division deS Generals Ampudia nur eine Brigade nach Melilla   abgehen würde. Um Verstärkungen in dieser Hohe habe übrigens General Marina auch nur gebeten. Die Folgen deS Verbrechens. Paris  , 6. Oktober.Petit Parisien" erklärte in einer Be- sprechung über die marroklanische Angelegenheit, daß tatsächlich die Mitglieder der Regierung eine Besetzung T e t u a n s in Aus- ficht genommen haben. Bevor sie jedoch Tetuan besetzen lassen, müsse eine Kriegserklärung an Marokko   abgehen. Sollte es zu Feindseligkeiten kommen, so wird Spanien   noch bedeutendere Truppenverstärkungen absenden und Reserven einberufen müssen. Diese Möglichkeit gäbe Anlaß zu ernsten Befürchtungen in London   und Paris  , denn die neuen Truppensendungen stehen mit dem Zweck, den Spanien   zu verfolgen scheine, in keinerlei Zusammenhang. Auch in algerisch-politischen Kreisen beschäftigt man sich mit der Möglichkeit eines fpanifch-marokkanischen Konflikts. Es wird die Frage aufgeworfen, welche Haltung die marokkanischen Grenzstämme einnehmen werden und ob sie der Aufforderung zum heiligen Krieg Folge leisten würden. Die Möglichkeit einer Rückwirkung der kriegerischen Agitation auf die marokkanisih- algerischen Grenzstämme auf daS Schaujagebiet wird ernstlich er- wogen. Eine französische Grenzaktion ist in diesem Falle nicht ausgeschlossen. Riißlanck. Petersburg, 3. Oktober.  (Eig. Ver.) Der Wahlkampf in Petersburg  ist gegenwärtig in vollem Gange. Kadetten und Sozialdemokraten ringen um das durch Ausschließung des kadettischen Abgeordneten K o l j u b a k i n aus der Duma freigewordene Mandat. Die Kadetten haben den früheren Landwirtschaftsminister Kuttler aufgestellt; der sozialdemokratische Kandidat ist der Rechtsanwalt S s o k o l o w. bekannt durch sein unerschrockenes und energisches Auftreten als Verteidiger in den bedeutendsten politischen Pro- zessen der letzten Jahre. Seine Kandidatur wird auch von der linksstehenden bürgerlichen Demokratie, den Trudowiki und Leu Volkssozialisten, unterstützt. Dg nur noch wenige Tage die Parteien von der Wahl trennen, finden jetzt fast täglich Versammlungen statt, in denen die Kandidaten sich ihren Wählern vorstellen� Doch ist eine freie, un- gebundene Aussprache über die brennendsten Fragen des russischen Lebens insbesondere der Sozialdemokratie unmöglich dank der schikanösen Polizeizensur, die an den Worten der Redner geübt wird. So ist auch den Rednern der Sozialdemokratie fast jede Möglichkeit abgeschnitten, auf die Anwürfe der kadettischen Redner und der kadettischen Presse gebührend zu antworten, da es sie weit über den Rahmen des polizeilich Zulässigen hinausführen würde. Der grundlegende Gegensatz, der jetzt in allen Kontroversen zwischen Kadetten und Sozialdemokratie wieder- kehrt, ist jener der verschiedenen Beurteilungen der gegenwärtig in Rußland   herrschenden Staatsform. Während sich die Kadetten ängstlich an die leere Form, ans bloße Wort klammern, und in der Tatsache der Existenz einer Duma den Beweis für eine kon- stitutionelle Verfassung Rußlands   sehen, geht die Sozialdemokratie von den realen Machtverhältnissen aus. und kommt zu dem Schluß, daß in Rußland   nach wie vor die Autokratie herrsche. Daran kann auch die Duma nichts ändern, da sie nicht die Machtbefugnisse einer wahren Volksvertretung hat und weil sie sich nicht auf die breiten Massen des Volkes stützt. Dieser Gegensatz der Auffassungen bildet auch den eigentlichen Inhalt des Petersburger Wahlkampfes, denn alle Vorwürfe der Kadetten über unfruchtbare sozialdemokratische Taktik und über das Reden zum Parlament hinaus lassen sich aus ihm erklären. So- weit es die Polizeischikanen irgend erlauben, nehmen auch unsere Genossen kein Blatt bor   den Mund und schenken den Wählern reinen Wein über das Wesen der Kadetten ein, ohne sich durch daS Geschrei beirren zu lassen, sie machten in ihrerKadettenhetze" gemeinsame Sache mit der Regierung. Ob aber die Sozialdemokratie damit Erfolg im Sinne eines Wahlerfolges haben wird, ist allerdings sehr zu bezweifeln. Dank dem famosen Wahlgesetz, verbunden mit den nicht minder famosen Ausführungsbestimmungen sind es nur wenige Arbeiter, die daS Wahlrecht haben. Die Hauptmasse der Wahlberechtigten bildet daS mittlere und kleinere Bürgertum, das der Sozialdemo- kratie fernsteht und dem die zage Halbheit der Kadetten viel besser behagt. Es hat somit dieser Wahlkampf für die Sozialdemokratie weit weniger die Bedeutung eines Kampfes um positiven Wahl- erfolg, als die einer Gelegenheit zur Agitation und zur Verbreitung ihrer Ideen. Petersburg, 5. Oktober. Bei der Ersatzwahl zur Reichsduma in Petersburg   ist der ehemalige Ackerbauminister Kuttler (Kadettenpartei) gewählt worden. Kuttler war auch Mitglied der zweiten Reichsduma. Ausnahmsweise keine Hinrichtung. Petersburg  » b. Oktober. Durch ein aus Livadia   eingegangenes Telegramm des Kaisers werden die am 23. Juli von dem Militärgericht in Kursk wegen der revolutionären Bewegung in Schtschigrh zum Tode verurteilten neun Angeklagten begnadigt; unter ihnen befindet sich auch das Mitglied der zweiten Duma Pjanych.__ Die Stellung der Juden. Petersburg, 5. Oktober. Der Kaiser hat den Beschluß des Ministerrats sanktioniert, wonach bei der Aufnahme von Juden in die staatlichen Mittelschulen ein erhöhter Prozentsatz zuzulassen ist. In den Residenzen sollen fünf, in den übrigen Reichsreilen zehn und in den Ansässtgleitsaebieten der Juden IS Proz. der Gesamtzahl der Schüler Israeliten   sein dürfen. Hus der parteis Beklemmungen hat Genosse Dr. L. O u e s s e l- Darmstadt ob des UmstandeS. daß Genosse Singer ans dem Leipziger   Parteitag bei der Frage der württembergischen Hosgängerei an die Parteigenossen dieAuf- forderung richtete, unsere republikanischen Auffassungen aufs entschiedenste zum Ausdruck zu bringen". Um diese Beklemmungen loszuwerden, hat Genosse Dr. L. Ouessel in der neuesten Nummer derSozialistischen Monatshefte" Sl/9 Seiten Papier   volldrucken lassen über die Frage:Sind wir Republikaner?' Er kommt zu dem Schluß, daß wir uns mit der demokratischen Monarchie die auch in Deutschland   schon in der EntWickelung begriffen sei. genügen I lassen können, daßfür uns jede Veranlassung fehlt, republikanische ' Propaganda zu treiben". Und dann schließt Genosse Dr. Ludwig Ouessel:Solange wir uns noch nicht Sozialrepublikaner, sondern Sozialdemokraten nennen, wird auch Genosse Singer das Bekennlnis jedes Parteigenossen zur Demokratie als ausreichend ansehen müssen." Womit wieder einmal eine sozialdemokratische Anschauung rück- wärts revidiert worden ist. Heil! Die Gefahren der BereinskasinoS. Die kürzlich zugunsten des Vorstandes des Sozialdemokratischen Vereins für den 13'. sächsischen Wahlkreis gefallene Entscheidung des Leipziger Landgerichts in Sachen des Vereinslokals in Beucha- Brandis   kann irrig so aufgefaßt loerden, als wenn es nunmehr gar keine Gefahr für die Vereine hätte, wenn sie überall Vereins- lokale mit Schankbetrieb errichteten. So rosig liegen die Dinge nun aber nicht. Wie Rechtsanwalt Dr. Martin Drucker in Leipzig   in einer Abhandlung Über die Schanklonzessionspflicht der Vereine in der Universitäts  -Jnbilnnins- Festnummer deSSächsischen Archivs für Rechtspflege" auseinander- setzt, bedürfen Vereine irgendwelcher Art, wenn sie g e w e r b S- mäßig die Schankwirtschaft außerhalb des Mitgliederlreises ans- üben wollen, dazu der Erlaubnis. Konsumvereine bedürfen der Erlaubnis zum gewerbsmäßigen Schanlbetricbe auch dann, wenn sie ihn im Kreise der Mitglieder ausüben. Der Beucha- Brandiser Verein hatte seinen Ausschank nicht gewerbsmäßig(ohne Profit) und auch nicht außerhalb seines Mit- gliederkrcises ausgeübt. Daher seine Freisprechung, die aber nicht erfolgt wäre, wenn dem Verein nachgewiesen worden wäre, daß er, wenn auch nur geringen Nutzen aus dein Ausschank gezogen hätte. Dies ist die gefährliche Klippe. Die LandeSregicrungen haben nach Z 33 Abs. 6 der Gewerbeordnung das Recht, solchen Vereinen, die den Ausschank gewerbsmäßig betreiben, die Konzessionspflicht aufzuerlegen. Die Konzession wird aber, das ist vorauszusehen, den Arbeitervereinen regelniüßig versagt werden. Rechtlich liegt die Sache so, daß Vereine, wenn sie den Ans- schank nicht gewerbsmäßig betreiben und ihn nur auf den Kreis der Mitglieder beschränken, nach Reichsrecht keiner Konzession bedürfen, daß sie auch nicht durch Anordnung der Landesregierung der Konzessionspflicht unterworfen werden können. Aber es fehlt nicht an Stimmen, die diese Auslegung bestreiten und die der Landesregierung in jedem Falle das Recht geben wollen, den Vereinen die Konzessionspflicht aufzuerlegen. Dazu kommt, daß die Vereine sich gar zu leicht in den Maschen der gesetzlichen Be- stiminungcn dadurch verfangen können, daß ihr Schankbetrieb einen auch nur ganz geringen Gewinn abwirft, und daß er auch nur zeit- weise<z. B. gelegentlich eines Festes) als hinter den eigentlichen Vereinszwecken zurücktretend angesehen werden kann. Hieraus ist zu ersehen, daß, abgesehen von den sonstigen Gründen gegen die Errichtung von Vereinslasinos, mir in Fällen zwingenden Bedarfs davon Gebrauch zu machen rätlich ist. Uebrigens steht es noch dahin, ob das Urteil des Leipziger Landgerichts in Sachen des Beucha- Brandiser Kasinos Geltung behält. Es ist nämlich von der Staatsanwaltschaft Revision gegen das freisprechende Urteil beim Oberlandesgericht eingelegt worden. Turati und die Zarendcmonstration. Rom  , 22. September.  (Eig. Bcr.) Mehrere bürgerliche Blätter, darunter auch die radikaleVita". hatten den Genossen Turati wegen seiner Haltung in Sachen der Zarcndemonstration der Inkonsequenz geziehen. Diesmal hat Turati das Manifest gegen den Zarenbesuch unterschrieben» während er im Jahre 1903 sehr heftig gegen den Vorschlag Mar- garis aufgetreten war, den Zaren auszupfeifen. In der letzten Nummer derCrtticq Sociale" verteidigt sich nun Turati gegen den Vorwurf, der, weil von radikaler Seide kommend, ihn besonders ge- schmerzt hat. Im Jahre 1303 sei die Partei genötigt gewesen, die anarchistischen und Putschtendenzen ihrer eigenen Mitglieder zu bekämpfen. Der Vorschlag, einen fremden Souverän auszu» pfeifen und zu verhöhnen, sei damals für Turati unannehmbar gewesen, weil seine Durchführung unfehlbar zu Straßenkrawallcn geführt haben würde und die Untergründe von Gewalttätigkeit und Anarchismus in den undisziplinierten Volksinassen wieder aufgewühlt hätte. Seitdem sei die innere Parteilage ganz ver- ändert und der Streit in den eigenen Reihen beigelegt. Trotzdem sei Turati auch heute Gegner des Auspfeisens, weil er in dieser Form des Protestes eine unintelligente und wenig menschenwürdige Aeußerung sähe. Andere Formen des Protestes würden von ihm. nicht nur nicht abgelehnt, sondern hätten wiederholt seine Mit- Wirkung gehabt. Etwaige Rückwirkungen auf die äußere Politik vermöge er nicht nach der Goldwage zu bewerten. Es möge sein, daß ein wohl- wallenderes Verhalten des italienischen Volkes gegen den Vertreter des Galgens und der Pogrome ein paar Heller mehr in die Taschen der italienischen Händler bringen und jene schlechteren Bezichungen zu Oesterreich anbahnen könnte, die einigen von Turatis Krittlern wünschenswert zu sein schienen, ob im Interesse der Demokratie oder in dem der Mlitärlieferungen, wolle er nicht entscheiden. Er glaube aber zu wissen, daß es nicht gleichgültig sei, wenn die Na- tioncn, die dem Despotismus am feindlichsten sind, in der inter  - nationalen Politik an Gewicht gewönnen. i Für die Interessen der Demokratte und des Friedens sei es nicht gleichgültig, wenn neben Feudalmächten, wie Oesterreich   und Deutschland   oder gegen sie, wenn gegen das despotische und blutbefleckte Rußland  , gegen daS verpfaffte Spanien   Nationen träten, die in ihren oberen und unteren Schichten die neue Zivilisation und die Ideale der mo° dcrnen Demokratie darstellen, Nationen wie Englands Frankreich  . die Vereinigten Staaten  . Es sei wohl nicht gleichgültig, wenn Italien   dieser Gruppe von Nationen zur Seite träte und nicht der anderen. Wrc übrigens die Folgen auch sein möchten, erklärt Turati, er würde erröten, einer Partei anzugehören, die bei der Ankündi» gung eines Zarenbosuches nicht in sich den Widerhall fühlte für die Seufzer der Schlüsselburg  , die Tragödien Sibiriens  , die Aufleh- nung der verratenen und ungerächten ersten Duma. Wenn die Radikalen hierin nur hohlen Wortschwall sehen, so könnten sie ihm, Turati, leid tun._ Jugendbewegung. Die Fortbildungsschule im Dienste der Agrarier. Die heutige Volksschule ist' eine Klassenichule. Das Wissen, das sie der Jugend vermittelt, ist den Bedürfnissen der besitzenden Klasse angepaßt. Zu- friedenheit, Demut, unbedingter Gehorsam gegen die Organe der öffentlichen Gewalt, gegen die Fürsten   und Mächtigen der. Erde-7- das sind ihre Erziehungsziele. Die Pflichtfortbildungsschnle will ihren Unterricht mehr dem Erwerbsleben anpassen, Beriifsbildnng vermitteln. Aber auch der Unterricht in der Forthildungsschule wird den Juteresseii der Besitzenden nutzbargemacht. So lange, wie es zwei Klassen gibtund wie die Lehrer mit ihremFühleii iindDenleu nicht zur Arbeitcrklaiie neigen, wird das. auch lainn anders werden.>.Ein Beispiel, wie der Unterricht in der. Fortbildungsschule zum Besteq einer Unternehmer- gruppe, der Herren Agrarier, angewandt wird, liefer» dieLehr- Pläne für ländliche Fortbildungsschulen"(Verlag Hahn, Leipzig  ). Es heißt da:Im Rechnen könnten dabei die Aufgaben vorkoinmen: Ausgaben eines Landwirtes für seinen Knecht. Einnahmen und Ausgaben einer Arbeiterfamilie in der-Stadt und auf dem Lande. An der Hand einer solchen Aufgabe könnte man dem jungen Arbeiter zeigen, daß in der Stadt nicht allesGoldist.wasglänzt." Hier wird also in ganz unverhllllter Form ausgesprochen, daß der Unterricht benutzt werden soll, um der Landflucht entgegenzu­arbeiten. um den Arbeiter an dieländliche Scholle" zu fesseln, daS heißt, ihn der Ausbeutung durch den Großgrundbesitzer zu erhalten I Sozialdemokratischer Lese- und DiskutierklubKarl Marx  ". Heute abend ö'/, Uhr Sitzung bei Hummel, Sophicnstraße 5. Gäste will­kommen.-