solches Steißen wehten kann. Die ganze öffentliche Meinung Berlins und Deutschlands erwartet, daff dieser Punkt ein- mal gründlichst aufgellärt wird. Herr Dahsel wird sich an dieser Aufklärung beteiligen, damit die Verhandlung vielleicht den segens - reichen Erfolg habe, daß die Oeffentlichkeit liinftig verschont wird von solchen Preßverfolgungen und die eigentlich Schuldigen erbarmungS- los festgenagelt werden. Es ist nicht abzusehen, warum die A n- klage nicht ausgedehnt worden ist auf den Mann, der durch ein st weilige Verfügungen sich bestrebte, den An geklagten Dahsel von sich abzuschütteln. (Hiermit ist auf den Reichstagsabgeordneten Bruhn angespielt.) In den Alten finden sich zahlreiche Hindeutungen darauf, daß dort die eigentliche Quelle des Uebels liegt. Die Oeffentlichleit würde, wenn hier hinter verschlossenen Türen ver- handelt würde, sagen: das ist nur im Interesse dieses Mannes geschehenl Das Ansehen der Rechtspflege steht auf dem Spiel. Der Justiz muß es ganz gleichgültig sein, ob irgend ein Müller oder Schulze, oder ob ein Fürst oder Freiherr als Zeuge zu vernehmen ist. Wenn es sich nicht um Zeugen der letzt- genannten Art handelte, wüjbe der Staatsanwalt schwerlich seinen Antrag gestellt haben. Wir verpflichten uns, daß hier nichts vor- gebracht werden soll, was unsittliche Dinge streift. Eventuell aber bitten wir, die Presse Zuzulassen. Die Berliner Presse ist über jeden Zweifel erhaben und bietet wohl genügende Gewähr, daß sie es versteht, Anstößigkeiten in den Berichten zu vermeiden. Die Verteidiger Rechtsanw. Dr. Puppe und Dr. JaffS schließen sich den rechte lichen und tatsächlichen Ausführungen des Vorredners an. Angekl. Dahsel erklärt hierzu: Er sei kein Erpresser and habe keine Erpreffungen begangen. Er habe ein großes Interesse an öffent- sicher Verhandlung, denn die Oeffentlichkeit sei Nicht genügend in- formiert und planmäßig zu seinen Ungunsten bearbeitet worden. Gerichtsbeschluß. Räch kurzer Beratung beschließt das Gericht, die Oeffent« lichkeit während der Dauer der Verhandlung aus- zuschließen, aber dem Gerichtsberichterstatter Oskar Thiele die Anwesenheit im Saale zuge- statten. Vernehmung der Angeklagten. Auf Befragen des Vorsitzenden Landgerichtsdirektor Dr. Jaentsch läßt sich Angeklagter Dahsel ausführlich über die Anklage und seine journalistische Tätigkeit aus. Er sei 1890 in den journa- listischen Dienst getreten. 1891—92 sei er Mitglied eines steno- graphischen Bureaus im Reichstage gewesen und habe als solcher Stimmungsbilder für die.Staatsbürger Zeitung" ge- schrieben. Seit 1896 sei er Redakteur der»Staats- bürget Zeitung" gewesen, bis zum Verkauf des Blattes im Jahre 1906. Er habe die innere Politik be- arbeitet und Leitartikel geschrieben. In dieser Tätigkeit habe er natürlich auch diplomatische Beziehungen anknüpfen müssen. Ganz fälschlich werde behauptet, er sei ein politischer Jnttigant gewesen, die ganze antisemitische Bewegung habe in seiner Hand gelegen, er habe den Grafen Caprivi gestürzt, mit Herrn v. Miguel zusammen den Fürsten Hohenlohe gestürzt, beim Tausch- Prozeß seine Hand im Spiele gehabt und was dergleichen mehr ist. Was man seinerzeit dem Kriminalkommissar v. Tausch nachsagte. werde ihm jetzt nachgesagt, und dies sei wohl der Grund der furcht- bar schwierigen Position, in welcher er sich befinde. Das alles sei nicht wahr. Natürlich habe er als Vertreter der„Staats- bürger-Ztg." Verbindungen mit leitenden Per fön- Ii ch ketten. Zu Herrn v. Miguel habe er Beziehungen gehabt. Er sei zu dem Minister in besonders wichttgen Fragen ge- gangen, um Informationen zu erhalten. Ebenso habe er von Herrn v. Miguel Informationen erhalten, wenn so ein Preßskandal los- zugehen drohte, wie man ihn mehrfach erlebt habe. Alle solche Dinge habe er diskret, mit Verstand und Rücksicht behandelt. Er habe Preßskandale unterdrückt, Intrigen entlarvt und deshalb der Oeffentlichkeit genutzt. Wie sehr er in solchen Fällen den An- schauungen des Mnisterö v. Miguel entsprochen, beweise er durch einen Brief, den der Sohn des Herrn v. Miguel an ihn gerichtet habe, als es sich um eine etwaige Veröffentlichung des Nachlasses des Herrn v. Miguel handelte. Der Reichstagsabgeordnet« und Eigentümer der.Wahrheit" Herr Bruhn habe jetzt seinen Charatter zu verdächtigen gesucht und gesagt, er habe ihm. als Redakteur der„Staatsbürger-Zeiwng" kündigen müssen. Diese Kündigung habe ganz persönliche Gründe gehabt. Herr Wilhelm Bruhn habe damals einen Stellenschacher bei seiner Zeitung getrieben. Er habe die Zeitung ruiniert gehabt und suchte nach Leuten, die Geldmittel hatten. So habe Kr einen gewissen Leu in die Zeitung ge- bracht, nachdem dieser 10 000 Mark gegeben hatte; ein Oberleutnant Freitag gab 60000 Mark und daftir bekam er eine Stelle in der Zeitung, die gar nicht existierte; ein anderer Herr, der 6000 M. gegeben hatte, sei Briefkastenredakteur geworden. Unter diesen Umständen habe er seine Entlaffung er« halten, ebenso der langjährige Theaterrezensent Llwhll Raeder und der Dr. Böttcher, der für Bruhns Ritualmordarttkel ein Jahr ins Ge- fängnis habe wagdern müssen. Jetzt scheine Herr Bruhn ihm den Dolch in den Rücken stoßen zu wollen. Er be- dauere, daß er durch die Verhältnisse gezwungen worden sei. schließlich zn Herrn Bruhn zurückzukehren. Nach seinem Scheiden von der„Staatsbürger- Zeitung" habe er mit gutem Erfolge eine Korrespondenz für Provinz- b l ä t t e r herausgegeben, bis er die Torheit begangen, die R e- dakteur stelle bei der von Ahlwardt begründeten„Frei- heit' zu übernehmen. Dieses Blatt sollte ein sozialpolitisches Blatt sein. Ahlwardt hatte gesagt, daß er durch Studium und Erfahrung dahin gekommen ser. den Antisemitismus fallen zu lassen und sich niehr den rein wirtschaftlichen Fragen zuzuwenden. Er(Lhlwardt) hahe gesagt, er erblicke nicht mehr in den Juden den größten Schade», sondern mehr in den Jesuiten . Die„Freiheit" sollte dem Staatssozialismus nach Dühnngschem Muster dienen. Die„Freiheit" ging bald ein und so habe er sich, da er eine Frau und sechs Kinder zu ernähren habe, auf Bruhns Einladung dazu verstanden, Mitarbeiter der„Wahrheit" zu werden. Nach den gettoffenen Vereinbarungen habe er zu festem Honorar die Seit- artikel, die Wochenschau und zum Zeilsnpreise von 16 Pf. Sachen schreiben sollen,„so viel er wolle". Er habe denn auch auf Grund der Erkundigungen, die er angestellt, Artikel geschrieben, die Herr Bruhn zurecht st utzte und zu Auskunstsartikeln machte. Er habe mit seiner Familie leben müssen, er habe das ihm von Bruhn auferlegte Joch wagen müssen; denn je mehr er schrieb, desto mehr habe er verdient. Er habe sich immer bemüht, Herrn Bruhns„Wahrheit" zu einem nationalen Blatt umzugestalten,_ welches sich von allen pornographischen und sensationellen Dingen freihalten sollte. Herr Bruhn habe zuerst sich diesem Gedanken zugeneigt. aber mit Rücksicht auf den Straßenverkauf habe er von der a l t e n M e t h o d e. bei welcher die Veröffentlichungen auf der dritten Spalte eine Hauptsache seien, nicht abgehen wollen. Bruhn hatte immer Personen, die er immer wieder an das Messer nahm, namentlich Wolff Wertheim. Der Angeklagte erklärt mit En, Phase, daß er sich niemals aus uulautsren Motive» habe bestimmen lassen, einen Artikel zu schreiben oder nicht zu schreiben. Zu Geldzwecken sei er zu keinem Menschen gegangen, um Erkundigungen über bestimmte Fälle einzuziehen. Letztere habe er wegen körperlichen Leidens nicht immer selbst ausführen können, sondern sich dazu auch anderer Personen bedient. So habe er einen gewissen Werner und auch die Frau Schuwardt in wenigen Fällen zu Recherchen benutzt. Letztere sei keine Rechercheurin, sondern eine Art GeschäftSagentin. Er habe sie 1904 kennen gelernt. Sie sei infolge einiger Artikel der„Staatsb. Ztg." über den Fall des Landgerichts- rats Ehmke. die sie für irrig hielt, zur Richtigstellung auf der Re- daktion erschienen und habe sich als„alte Journalistenmutter" ein- gefiihrt, die, wie sich auch bewahrheitet habe, auch andere Zeitungen schon mehrfach bedient habe. Frau Schuwardt habe sich dann auch über Vorkommnisse in Hofkreisen sehr unter- richtet gezeigt. In dem sattsam bekannten Fall Milewska habe er auch Frau Schuwardt gebeten, sich zu informieren, und sie habe sich großartig bewährt. Auf Befragen des Vorsitzenden erklärte der Angeklagte, daß Bruhn den Artikeln die sensationellen Ueberschriften gegeben und sehr stolz darüber war. welche zugkräftigen Ueberschriften er zu geben verstand. Der Vorsitzende fragt den Angeklagten nach seinen Bermögensverhältniffen, die dieser als geordnete schildert. Wenn in den Akten darauf hin- gewiesen worden sei, daß er schon einmal vor dem Offenbarungseid gestanden, so müsse er sagen, daß es sich hier um ein Stückchen des Herrn Bruhn, der sich als seinen Wohltäter aufspiele, gehandelt habe. Dieser habe ihn vor längerer Zeit einmal zum Offen- barungSeid laden lassen. Die Verteidigung ergänzt einige weitere Bemerkungen über die Geschäftspraxis der„Wahrheit" dahin: Zuerst erschienen angreifende Artikel, dann seien Bemühungen zur Erlangung von Inseraten unternommen worden, und wenn In- serate zugestanden wurden, seien Ehrenerklärungen für die be- treffenden Personen erfolgt.— Präs.: Das würde ja geradezu auf ein Erpressungsblatt hindeuten.— RechtSau iv. Dr. Werthauer: Das ist es auch. Wir find der Meinung, daß hier der Falsche angeklagt ist. Angekl. Frau Schuwardt bestätigt kurz das, was Dahsel über sie gesagt hat. Sie habe für ihre Dienstleistungen keinerlei Bezahlung erhalten, sondern nur hin und wieder Theaterbilletts bekommen. Sie werde von ihrem Ehemann unterhalten. Sie ver- kehre in der Familie des Herrn Dahsel freundschaftlich. Zur Erörterung gelangt zunächst der Fall der Baronin Liebenlerg, geb. Marie Sulzer. Der Angeklagte Dahsel wird beschuldigt, in diesem Falle, in dem es sich um das Verhältnis der Baronin Liebenberg zu einem königlichen Prinzen und ihre Ehescheidung von dem Baron Liebenberg handelt, zu dem Rechtsanwalt Klemperer, dem Sachwalter der Baronin Liebenberg, gegangen zu sein und diesen bewogen zu haben, zur Unterdrückung' eines diesen Fall be- handelnden Artikels Geld herzugeben.— Der Angekl. Dahsel b e- st r e i t e t entschieden, in diesem Fall auf eine Erpressung es abgesehen zu haben. Er habe seinerzeit einen gewissen Robert Bauer, der früher Annonceu-Akquistteur für die Wiener„Zeit" war, kennen ge- lernt, und dieser habe ihm ein Manuskript über den Fall Liebenberg angeboten, welches die Ueberschrist ttug:„Ein bezahlter Freiherr und eine Ehescheidung unter Mit- Wirkung von Rechtsanwälten". Er habe sich den Artikel angesehen und dem Bauer gesagt, das sei nichts Neues, damit sei nichts anzufangen, die Sache sei ganz wertlos. Bauer habe aber immer mehr gedrängelt und wiederholt gesagt: Die Sache sei sehr pikant und wertvoll und die„Wahr- heit" wurde damit ein großes Geschäft machen. Alles, was Bauer über die Entwickelung dieser Angelegenheit ausgesagt habe, sei falsch. Er(Angeklagter) habe ge>ehen, oaß es sich um einen Skandalartikel handelte, der sich im wesentlichen gegen einen Prinzen und den Hof handelte und da habe er es als seine Aufgabe betrachtet, ihm das Material zu entziehen, denn er habe sich gesagt: Komme Bauer damit zu einem Revolverjournalisten oder zu Herrn Bruhn, dann gehe der Skandal los; deshalb habe er den Artikel zunächst an- gehalten und sei damit zum Rechtsanwalt Klemperer gegangen, da ein solcher Skandal gegen einen Prinzen gegen seine monarchische Gesinnung gehe und deshalb alles versucht werden müsse, eine Veröffentlichung zu verhindern. Der Angeklagte schildert dann aus- führlich, wie er mit dem Rechtsanwalt Klemperer erwogen habe, was zu tun sei; schließlich sei es zu einem festen Abkommen, einem Bertrage gekommen, nach welchem der Rechtsanwalt ihm 300 Mark zur Verfügung stellte, um dem Bauer das Manuskript abzukaufen und dafür zu sorgen, daß es nicht ander« weisig verwertet werde. Der Gesichtspunkt des Geldgebens sei nicht vor, ihm, sondern von dem Rechtsanwalt angeregt worden. Tatsächlich sei es ihm nur darauf angekommen, einen Skandal zu verhindern. Von den ihm zur Verfügung gestellten 300 M. habe er einen Teil dem Bauer bezahlt, das übrige zu seiner Verfügung gehalten, da es dazu dienen sollte, ihm auch etwaige weitere Manu- skripte abzukaufen. Zu diesem Fall wird nach Verlesung des von Bauer dem Dahsel angebotenen Artikels Rechtsanwalt Klemperer vernommen. Er hat in der Ehescheidungssache die Baronin Liebenberg vertreten. Er bekundet: Eines Tages sei Dahsel bei ihm erschienen und habe ihm gesagt, daß ihm der qu. Artikel zur Veröffentlichung von einem Dritten angeboten sei und seine konservattve und monarchische Gesinnung ihn anstachele, das Erscheinen dieses Artikels zu verhindern. Er stehe mit der Presse in Verbindung und es sei ihm möglich, seinen Einfluß daffin geltend zu machen, daß der Artikel nicht veröffentlicht würde. Er(Zeuge) habe sofort den Gedanken gehabt, daß es auf die Erlangung von Geld abgesehen sei. und hielt es für das klügste im Interesse seiner Klienttn, daraus einzugehen, um einen öffentlichen ZeitungSskandal zu vermeiden und den An- geklagten gleichzeitig in die Hand zu bekommen. Er habe sich gesagt: Der Artikel sei so skandalös und so elend geschrieben. daß ihn selbst das ärgste Revolverblatt nicht aufnehmen würde. Wenn dies doch geschehs» könnte, so würde er sofort zum Staatsanwalt gehen und die Beschlagnahme durchsetzen. Auf der anderen Seite habe er auch deswegen nicht geglaubt, daß er eine Veröffentlichung fürchten brauche, weil jeder, der den Artikel veröffentlichen würde, sich bewußt sein müßte, daß ihm ein paar Monate Gefängnis drohen würden. Der Artikel habe ihn daher an sich sehr kalt gelassen. Aber er habe doch ge- glaubt, daß es im Interesse seiner Klientin liegen würde, jedes Aufsehen zu vermeiden und so habe er den Gedanken an- geregt, daß sich die Sache vielleicht durch ein Geld- opfer beseitigen ließe und habe sich bereit erklärt, den Artikel dem Verfasser abzukaufen. Dabei habe er immer den Verdacht gehabt, daß der„Dritte" gar nicht existierte, sondern es sich nur um dre Person des Dahsel handelte. Letzterer sei sofort auf seine Anregu n-g eingegangen und habe an- gedeutet, daß für den Verfasser der Artikel wohl einen Wert von 300 Mark haben würde. Bei dem Hin und Her hierüber soll Dahsel»räch der Erinnerung des Zeugen gesagt haben: unter 300 M. würde es der Dritte nicht machen. Schließlich sei es zu dem schriftlich fixierten Abkommen gekommen und der Angeklagte habe seine Erwartung ausgesprochen, daß man sich nach Erledigung der ganzen Affäre dank- bar erweisen werde. Außerdem habe er betont, daß er erwarte, unter- richtet zu werden, sobald die Ehescheidung ausgesprochen sein würde. Nachdem Dahsel daS Abkommen unterschrieben hatte, habe der Zeuge ihm ausdrücklich gesagt: Er solle sich nicht in ihm täuschen, er habe dies nur getan, um ihn, den Angeklagten, in der Hand zn haben; er habe nun den Beweis in Händen, daß der Angellagt» von ihm Geld genommen habe. Wenn er noch einmal etwas in der Sache publizieren würde, würde er ihn wegen Er- Pressung anzeigen, denn er glaube nicht an den„Dritten". D» Angeklagte habe dazu gelächelt, die Achseln gezogen und etwas von seiner konservativen Gesinnung gesagt.— Der An- geklagte Dahsel protestiert mit großer Lebhafttgkert gegen Einzelheiten »n der Darstellung des Zeugen über die Art der Verhandlungen, die zwischen diesem und ihm gepflogen worden. Die ganze Schlußszene sei erfunden und es scheine viel Phantasie mitzuspielen. Er habe »liemals in dieser Affäre eine Drohung ausgesprochen oder Geld gefordert. Der Zeuge bestätigt dies auf Befragen der Ver- teidigung, ebenso, daß der Gedanke der Geldzahlung zuerst von ihm angeregt worden sei. Die Verteidiger vermiffen jedes Moment, welches die Anklage der Erpreffung stützen könnte. Der Zeuge bleibt dabei, daß sein subjektiver Eindruck der gewesen sei, daß es sich um Erlangung von Geld handelte. Sodann wird der Fall Wolff Wertheim behandelt. In der„W a h r h e i t" waren wiederholt Artikel gegen die Finna A. Wertheim erschienen, die ihre Spitze deutlich gegen Herrn Wolff Wertheim richteten. Es war dann ein Artikel er- schienen, welcher sich mit dem am Silvesterabend in einem hiesigen Hotel stattgefundenen Unglücksfall beschäftigte. An jenem Abend hatte sich die Tochter der Frau Wertheim , Frau Jollh Lcrnds- berger geb. Pincus, in einem Anfall der Verzweiflung aus dem Fenster gestürzt. Etwa am 6. Januar»st dann die Angeklagte Schuwardt in der Wohnung des Herrn Wolfs Wertheim erschienen und hat Frau Wertheim zu sprechen gewünscht, ihn aber zu sprechen bekommen. Wie der Zeuge Wertheim bekundet, habe die Angeklagte ihm gegenüber angedeutet, daß in einer Wpcheri- schrift ein Artikel gegen ihn erscheinen würde und sie imstande sei, das Erscheinen zu verhindern. Sie habe hinzugefügt: sie habe schon mehrere Male in Berliner Zei- tungen Artikel gegen ihn unterdrückt und nun liege neues Ma- terial vor. Der Zeuge ließ sich aber auf nichts ein. Er hatte, wie er aussagt, sofort die Empfindung, daß es sich um Geld handle und verhielt sich ablehnend. Die Angeklagte machte dann darauf aufmerksam, daß das Material aus sehr zuverlässiger Quelle stamme und der Zeuge doch wohl ein Interesse daran habe, da sich der Artikel auf das Unglück seiner Tochter beziehe. Eine be st i m m t e Forderung habe die Angeklagte nicht gestellt, er -sei aber der festen Ueberzeugung, daß es auf Er- langung von Geld geinünzt war. Die„Wahrheit" habe die Firma A. Wertheim wiederholt angegriffen. Auf Befragen des Rechtsanwalt Dr. Werthauer erklärt der Zeuge, daß er in der „Wahrheit" inserieren lasse, aber keineswegs aus Angst vor kom- promittierenden Artikeln. Er sei zwar wiederholt angegriffen. aber nicht kompromittiert worden.— Rechtsanwalt Ja ff 6: Kann der Zeuge irgendein Moment angeben, daß eine Erpressung beab- sichtigt gewesen war?— Zeuge: Ich habe die Ueberzeugung, denn die Angeklagte sprach davon, daß sie den Artikel verhindern könnte, wenn ich ihr entgegen käme.— Die Angeklagte Schu- Wardt bestreitet ganz entschieden, daß sie erpressen wollte. Sie sei zu Wertheim gegangen, weil Dahsel ihr gesagt hatte, er möchte eigentlich wissen, wie die Sache Landsberger ausgegangen sei und sie möchte sich doch einmal darum bemühen, Fühlung mit Wolff Wertheim zu gewinnen, da dieser ein neues Warenhaus begründe. Mit dem„Entgegenkommen" habe sie nur im Auge ge- habt, daß Herr Wertheim einen Herrn, mit dem sie em intimeres Verhältnis unterhielt, bei sich anstellen könnte. Der dritte Fall der Anklage betrifft den Freiherrn v. C o b u r g. Er spielte sich im Jahre 1907 ab, als der Angeklagte noch Redakteur der„Freiheit" war. Eines Tages erhielt die jetzt geschiedene Frau v. Coburg geb. Maria Heysel eine Rohrpostkarte, in welcher der Angeklagte sie um eine Unterredung in wichtiger Angelegenheit ersuchte. Auf Aufforde. rung»st der Angeklagte Dahsel in der Coburgschen Wohnung er- schienen und hat dort angegeben: er habe einen anonymen Brief erhalten, in welchem behauptet werde, daß in der Wohnung der Frau v. Coburg in der Hohenstaufenstraße eine Spielhölle existiere. Frau v. Coburg soll auf ihre Wohnung hingewiesen haben, die doch nicht wie eine Spielhölle aussehe. Es wird be- hauptet, daß Dahsel auf das Unangenehme hingewiesen habe, wenn solche Gerüchte in die Zeitung kätnen, er sei aber i n d e r Lage, diese Artikel zu verhinder»». Er soll dann nach der Behauptung der Anklage eine auf Schweigegeld bezügliche Andeutung gemacht haben. Herr v. Coburg und seine damalige Ehefrau verwiesen ihn an den Rechtsanwalt Morris. Dahsel setzte sich auch, so wird behauptet, mit Rechtsan- walt Morris in Verbindung und soll diesem versprochen haben, Erkundigungen einzuziehen und alle Publikationen einstweilen zu unterlassen. Im Anschluß an diese Besprechungen folgte dann ein Brief vom 6. Mai 1907, in welchem Dahsel dem Rechtsanwalt Morris mitteilte, daß es ihm mit großer Mühe gelungen sei, einen Sensationsartikel zu verhindern. Er soll dann den Vorschlag gemacht haben, die Tätigkeit sowohl nach der Richtung der Anstellung von Ermittelungen nach den» Briefschreiber als auch der Verhinderung eines Sensationsartikels zu über- nehmen, falls die materielle G�r undlage ge« schaffen werde. Es folgten dann noch weitere Verhandlungen mit dem Rechtsanwalt Morris, Dahsel soll 1000 M. verlangt, M. aber schließlich alle Verhandlungen abgebrochen und mit dem Oberstaatsanwalt Fsenbiel gedroht haben. Dahsel schrieb dann an Rechtsanwalt Morris, daß Hen: v. Coburg die Pflichten, die er übernommen habe, nicht zu kennen scheine. Wjenn er die Sache aufgebe und seine besänftigende Hand zurückzöge, würde die Katzenmusik gründlich losbrechen. Er erwarte die Erledigung des Versprechens des Herrn v. Coburg in den nächsten vier Tagen. Auf eine aberinalige ablehnende Antwort des Rechtsanwalts Morris schrieb Dahsel: er habe nichts angeregt und nichts ge- fordert. Angekl. Dahsel bestreitet auch in diesem Punkte seine Schuld. Den anonymen Brief habe er nicht in den Papierkorb werfen können und in seiner weiteren Folge nur journalistische Zwecks im Auge gehabt. Er behauptet, daß er in keiner Weise den Geld- pl�nkt berührt habe, dies bielmehr von Herrn v. Coburg geschehen sei. Dieser habe ihm Schweigegeld angeboten, er habe dies aber abgelehnt und nachher habe Herr v. C. sich bereit erklärt 2999 M. für die Ermittelung des anonymen Briefschreibers herzugeben. Darauf habe er sich bereit erklärt zu versuchen, den Verfasser zu ermitteln und seinen Artikel über die Spielhölle möglichst zu unter- drücken. Am nächsten Tage habe ihn eine Dame besucht, die sich als die Schreiberin des anonymen Briefes vorstellte und fragte, warum denn noch nichts in der„Freiheit" veröffentlicht sei. Auf die Erwiderung, daß die Mitteilung falsch sei, habe die Dame pro- testiert und vier oder fünf Zeitungen genannt, die denselben anonymen Brief erhalten hätten. Nunmehr habe er sich mit Rechtsanwalt Morris in Verbindung gesetzt. Wenn er denselben ersucht habe, eine»natcrielle Grundlage zu schaffen, so habe er damit gemeint, daß ein Depot von 699 M. für seine eventuellen Bemühungen hinterlegt werden sollte. Die Coburgs hätten gegen ihn hinterhältig gehandelt und ihn auf eine Leimrute gelockt. Zwei Jahre lang sei von einer Anzeige gegen ihn keine Rede gewesen und erst jetzt, als er verhaftet worden war, habe Herr v. Coburg an ihn einen überaus höhnischen Brief geschrieben, in welchem er sagte: Wenn er noch einmal einen Artikel über Herrn V. 6. veröffentlichen sollte, so würde er diesen zur Verfügung der Staats- anwaltschaft stellen. Diesen Brief habe er' selbst der Staats. anwaltschast übergeben. Er fühle, daß er nicht ganz fair ge- handelt habe, als er sich mit diesen Leuten einließ, die Leute hätten ihn hereingelegt, er sei völlig frei von Schuld. Die zu diesem Punkt vernommene Zeugin Frau v. Coburg hat bei der Unterredung den Eindruck gehabt, als ob der Auge- klagte sagen wollte, er könne die Sache inhibieren, wen» er etwas für die Zeitung zahlte. Sie entsinnt sich auch, daß Dahsel gesagt habe: ES sei doch sehr unangenehm, wenn derartige Gerüchte über sie in die Zeitung kämen und hinzugefügt:„Kominerzienrat Israel wäre heute noch am Leben, wenn die Gerüchte nicht in die Zei- tungen gekominen wären!" Dahsel bestreitet diese Aeußerung in dieser Form und in diesem Zusammenhange; die Zeugin bleibt aber nach ihrer besten Erinnerung dabei. Sie will Dahsel an den Rechtsanwalt Morris verwiesen haben mit dem Hintergedanken. daß sie ihn dann in der Hand habe, wenn er Geldfordcrungcn stellen sollte. Die weitere Beweisaufnahme über diesen Punkt wird auf heute S Uhr vertagt.
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