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AehnNch Herr Pfundtner, Vertreter von BreSlau -Dest und Mt- glied der Freisinnigen Vollspartei, sowie eine Reihe anderer Frei» sinniger. Man vergleiche die Taten des Freisinns mit seinen Ver- sprechungen vor der Wahl, und man wird die Berechiigung des ftei» sinnigen Spruchs anerkennen:« .y»Heuchler nennt man Leute, die ander» rede» alssiedenken. Ein Heuchler ist, der von anderen al» Ehren » Pflicht fordert, WaS et selbst zu tun unterläßt." Diesen freisinnige» Heuchlern werden die von ihnen Betrogenen bei den bevorstehende» Landtagswahlen hoffentlich die gebührende Antwort erteilen. >» Kein Wahlkompromist im 12. Wahlkreise. Das erstrebte Wahlkompromiß in Moabit ist nicht zustande gekoinmen. Vermutlich nur deshalb, weil die Nationalliberalen auf ihre Sonderkandidatur Leidig nicht verzichten wollten. Die Verhältnisse für die Konservativen sollen sich im Wahlkreise derartig verschoben baben, daß es ihnen bis jetzt nicht einmal gelungen sei, die nötige Zahl von Wahlmännern zusammenzubringen. Viele Beamte und Handwerker, die bei t der Hauptwahl dieses Amt angenommen hatten, sollen sich geweigert haben, es bei der bevorstehenden Nachwahl aber- mals zu tun._ Zentiumsagifation. Eln freundlicher Zufall hat dem Sozialdemokratischen Pressebureau Kenntnis verschafft von einem Zirkular, durch das die Zentrumspartei eine um fassende Gegenagi- tation wider dieHetze der Sozialdemokratie gegen die neuen Reichssteuern" in die Wege leiten will. Das Zirkular ist datiert aus München-Gladbach vom 6. Oktober dieses Jahres, unterzeichnet von Dr. A. Pieper(Mitglied des Reichstages und Generaldirektor des Volksvereins für das katholische Deutschland ) und wendet sich an sämtliche Zen- trumsvertrauensleute Deutschlands . In der Einleitung wird darauf hingewiesen, daß die «Hetze der Sozialdemokratie gegen die neuen Reichssteuern" hauptsächlich zu dem Zwecke betrieben werde, um die christlich- nationale Arbeiterbewegung niederzuwerfen oder wenigstens ihre weitere Ausbreitung zu verhindern! Da nun der Liberalismus gleichfalls gegen die Parteien hetze, die für die . neuen Steuern gestimmt haben, so mache sich eine Aufklärung dringend notwendig. Wörtlich heißt es dann weiter: «Diese Aufklarung zu bieten, ist in besonderem Maße Aufgabe der Arbeiterwähler der Zentrumspartei . Der Unterzeichnete schlägt deshalb im Einvernehmen mit maß- gebenden Personen aus diesen Kreisen folgenden Aktions- plan vor, um dessen Durchführung auch Sie hierdurch gebeten werden. 1. In Kürze wird der Volksverein ein zweites Steuer- f l u g b l a t t herausgeben, das sich kräftig gegen die sozialdemo- kratische Steuerhetze richtet. Dieses Flugblatt muß, wie auch daß erste, gemeinsam von den Geschäftsführern des Volksvereins urtd den Arbeitersekretariaten systematisch in allen Bezirken verbreitet werden. Fn 14 Tagen wird eine A g i t a t i o n s- nummer derWestdeutschen Arbeiter-Zeitung" erscheinen, welche sich ausschließlich mit der Steuerhetze befaßt. Das darin gebotene Material muh dann in Versammlungen, Diskussionen, Bereinsvorträgen und Unterrichtskursen nutzbar gemacht werden. 2. Wichtiger jedoch als Flugblatt und sonstige Schriften- Verteilung sind aufklärende Versammlungen, in welchen eine gut vorbereitete Diskusston stattfindet." Die Versammlungen, die möglichst reine Arbeiter- öersammtungen sein und in denen Zentrumsabgeord- nete sprechen werden, sollen die Zcntrumslertungen am Orte oder im Bezirk oder der Volksverein einberufen. Die Vor- bereitung soll wie folgt vor sich gehen: Zunächst nehmen die Empfänger dieses Rundschreibens in den einzelnen Bezirken Rücksprache mit dem Vorsitzenden der Zentrumspartei des Kreises und mit dem Kreis- bezw. Bezirks- f>eschäftSsührer des VolkSvereinS, damit diese Herren informiert ind und keine Kollision zwischen den Arbeiterversammlungen einerseits und den Versammlungen der Zentrumspartei und des Volksvereins andererseits stattfindet. Diesen Herren muß die besondere Bedeutung und Unentbehrlich- keit von A rb e i t« r v e r s a m m I u n g e n im gegen- wältigen Augenblick klargelegt werden. Sodann ist alsbald eine große Vertrauensmännerversammlung ein- zuberufen, zu der solche Arbeiter einzuladen sind, die auf dem Boden der Zentrumspartei stehen und in den Arbeitervereinen. in den christlichen Gewerkschaften, im Volksverein und in der Zentrumspartei in hervorragendem Maße tätig sind. Diese Vertrauensmännervcrsammlung hat die nachfolgende große Ar- beiterversammlung in allen Teilen gut vorzu- bereiten. Vorbedingung des Gelingens der Versammlung ist z a h l r e i ch e r Besuch; für diesen Besuch muß per- sönlich nachdrücklichst geworben werden. Dazu dienen Handzettel. Hier und da hat eS sich auch bewährt, Eintrittskarten zu 10 Pf. während einer Woche vor der Ver- sammlung eifrig verkaufen zu lassen, da erfahrungsgemäß die Käufer dann auch zur Versammlung kommen. Ferner muh die Diskussion gut vorbereitet werden. Geeignete Dis- kussionsredner sind vorher zu gewinnen, ebenso ist festzusetzen, welche Punkte in der Diskussion hervorgehoben werden sollen, g. B. der Zweck, den die Sozialdemokratie im Bezirke mit ihrer Steuerhetze verfolgt, die unehrlichen Mittel. deren sie sich bedient; diejenigen Einzelheiten der Finanzreform, welche im Orte besonder» er- örtert werden, sind in der Diskussion besonders zu be- leuchten. Melden sich Sozialdemokraten zum Worte, f- soll man dieselben sprechen lasten. Man stelle der Sozialdemokratie frei, einen Diskussionsredner längere Zeit nach dem Re- ferenten sprechen zu lassen, ebenso später auch andere Partei- genossen, wenn auch in kurzen Zeitsristen, an der Diskussion abwechselnd beteiligen zu lassen. Jedenfalls würde es unan- gebracht sein, Gesuche der Sozialdemokratie um Beteiligung an der Diskussion einfach abzulehnen. Selbswerständlich wird man nirgendwo speziell die Sozialdemokraten zur Beteiligung an der Versammlung und Diskussion förmlich einladen." Dem Zentrum, das mit dieser Agitation noch im Oktober beginnen will, scheint zu bangen vor den Folgen seiner Hal- lung bei ber Reichsfinanzreform. Und mit Recht: denn wenn es den Sozialdemokraten wirklich Redefreiheit gewähren sollte, dann wird die Musterung, die unsere Genossen ohnedies in der letzten Zeit schon mit allem Nachdruck abgehalten haben. noch fürchterlicher für die Zentrumspartei werden. Iloch eine geitürrte antisemitische Säuie. Der Prozeß Dahsel ist am Sonnabend noch nicht zu Ende gegangen. Aber eine Verurteilung ist bereits erfolgt. Den Dritten hat sie getrosten, der nicht mit auf der Anklage- dank saß. der aber in diesem Prozeß wenn auch nicht . wegen derselben Fälle wie die Dahsel und Schuwardt- von der öffentlichen Meinung mit angeklagt wird, den antl- semitischen Reichstagsabgeordneten für Friedeberg-Arnswalde und Verleger derWahrheit", den Herrn Wilhelm Bruhn . Gestern saß er noch auf stolzem Roß. Die neueste Nummer derWahrheit" brachte einen kleinen Ausschnitt aus den Verhandlungen des Dahsel-Prozesses, die Erklärung des Vorsitzenden, daß sich in den Ätten nichts finde, was darauf hindeute, daß Bruhn der Teilnahme an den Erpressungs - versuchen der Dahse und Schuivardt verdächtig sei. Mit diesem lediglich negativem Zeugnis des Gerichts an der Hand glaubte sich Herr Bruhn mächtig in die Brust werfen zu dürfen. Mit aufgeblasenen Backen gab er zu ver- stehen, daß die braveWahrheit" von gewissenlosen Ver- leumdern schändlich ungerechterwcise verdächtigt worden sei, daß kein Ständchen auf seiner Ehre sitze und daß die Ver- teidiger der Angeklagten, die eine andere Ansicht über diesen Punkt laut werden ließen, niederträchtige und gewissenlose Gesellen seien. Herr Bruhn verschob mit dieser Ausschlachtung der Worte des Strafkammervorsitzenden das Gefechtsfeld. Die öffentliche Meinung, die ihn und sein Blatt anklagt, kapriziert sich nicht gerade darauf, ihm Beteiligung au den Dahselschen Taten nachzuweisen. Aber sie klagt dieWahrheit" an. ein Revolverblatt zu sein, das das Treiben Dahsels erst möglich machte und dessen ganze Praxis von der des Dahsel nur in Nuancen, nicht im Wesen abweicht. Und diese Anklage hat nun am Sonnabend das Gericht als gerechtfertigt anerkannt. Auf einen Vorstoß der Verteidigung, die eine ganze Reihe detaillierter Beweis- antrüge stellte, um die Erpressungspraxis derWahrheit" festzustellen, erklärte das Gericht diese Beweiserhebung für unnötig, weil es das als wahr unter st elle. was die Verteidigung aus dem vou ihr vorgebrachten Material folgern wollte. Vorher hatte der Staatsanwalt erklärt, daß es Sach- verständiger über den Charakter derWahrheit" nicht be- dürfe, dieser Charakter sei gerichtsnotorisch. Damit hat eine Säule des Antiseniitismus. eine Stütze von Thron und Altar denn Herr Bruhn ist gerade so patriotisch und monarchisch gesinnt wie sein langjähriger Mit- arbeiter Dahsel eine Charakterisierung durch preußische Richter erfahren, die ihn für die Oeffentlichkeit zum toten Mann machen muß!(Allerdings müssen wir gestehen, daß uns die Art, wie der Gerichtshof seine Fest- stellung getroffen hat, nicht gefällt. Für die Rechtspflege ist diese Uebung etwas als wahr zu unterstellen, gefährlich. Entweder hat das Gericht die Beweisanträge als unerheblich oder nicht zur Sache gehörig abzulehnen, oder es muß die Beweise erheben! Sonst ist der Willkür Tür und Tor geöffnet und die seltsamsten Anschauungen der Richter können als objektive Wahrheit präsentiert werden. Freilich, im vorliegenden Falle ist davon keine Rede diesmal haben die Richter in der Tat lediglich das allgemeine Urteil der Oeffentlichkeit ratifiziert!) Der Antisemitismus hat Pech mit seinen Helden. Nach S ch a ck bricht Bruhn zusammen. Auch ein RcichZtagsabge- ordneter, der künftig im Reichstag unmöglich ist! Und im Hintergrunde erscheint die Figur des einstigen Heros aller Judenfresser der Retter aller Deutschen , A h l w a r d t, dessenFreiheit", wie die Sonabendverhandlung enthüllte, eine Vorläuferin derWahrheit" war. Aber nicht nur der Antisemitismus ist es. der bei diesem Prozeß der Leidtragende ist. Neben ihm hat die deutsche Reaktion mit dem Trauerflor an Aermel und Zylinder zu erscheinen. Die Bruhn und Dahsel gehörten zu ihrenwert- vollsten Elementen", sie leisteten den Junkern und der Re- aierung Arbeitswilligendienste. In den Ministerbureaus findet man ihre Spuren. Sie waren wohlgelitten bei Junkern und Bureaukraten. denn sie haben allezeit das schmutzige Geschäft der Sozialistenverleumdung mit einer Ge- wissenlosigkeit und Skrupcllosigkeit besorgt, die der des Reichsverbandes nicht nachsteht. Auf den vom preußischen Eisenbahnminister behüteten sittsamen Auslagen der Bahn- Hofsbuchhändler, allwo kein sozialdemokratisches Blatt und keinSimplicissimuS" stecken darf, prangt dieW a h r h e i t" de» Herrn Bruhn! DaS Blatt, dessen Revolvercharakter nach Herrn Staatsanwalt Leisering gerichtsnotorisch ist! Aber freilich es ist auch ein patriotisches, ein monarchisches Blatt! Und das ist ausschlaggebend im sittsamen Lande Preußen!. polftilcbe Gcberlicbt. Berlin , den 9. Oktober 1909. Antisozialpolitische Strömungen im Hansabnnd. Das vor kurzem veröffentlichte Aktionsprogramm des Hansabundes findet in den liberalen Handels- und Börsen- blättern, je mehr diese erkennen, daß die leere Phraseologie des schönen Programms die Bundesleitung zu nichts ver- pflichtet, sondern ihr für die Vertretung der großkapitalisti- sehen Interessen völlig freie Hand läßt, desto reichlicheren Beifall. AlleRichtlinien" werden als Ausgeburten höchster politischer Weisheit gepriesen nur der Absatz über die Sozialpolitik wird mehrfach als minderwertig, unbestimmt und unrichtig befunden. Warum? Der schönen Phrasen ent- kleidet, besagt dieser Teil des Programms lediglich, daß die Leitung des Hansabundes sich auf die Verfechtung der wirt- schaftlichen Interessen der Unternehmerschaft zu beschränken und die sozialpolitischen Forderungen der in Industrie- und Handelsbetrieben Angestellten als eine Angelegenheit zu be- trachten gedenkt, die den Bund nichts angeht und die daher von den Sondervereinen der Angestellten betrieben werden möge. Doch diese Ablehnung aller sozialpolitischen Wünsche der durch teilweise recht zweifelhafte Mittel zum Eintritt in den Hansabund bewogenen kaufmännischen und industriellen Angestellten genügt jenen Blättern und den hinter ihnen stehenden Unternehmerschichten noch nicht. Die Bundes- leitung muß nach ihrer Ansicht offen erklären, daß sie jeden weiteren Ausbau der Sozialpolitik verwirft und allen darauf gerichteten Bestrebungen energisch entgegentreten will. Als Beispiel für dieses Verlangen haben wir bereits in der letzten Freitagsnummer eine Stimme aus dem Lager der Großindustriellen, der KronsbeinschenPost", zitiert. Aber nicht nur die Presse der scharfmacherischen Jndustriebarone, auch die Herren Exporteure und SchisfSreeder verlangen, daß der Hansabund gegen die sozialpolitischen Bestrebungen offen Front macht. So heißt eS beispielsweise in einemDie Richtlinien des Hansabundes" überschrichenen Artikel derHamb. Nachrichten": In den Richtlinien sagt der Hansabund, er werde Fühlung mit allen Parteien unterhalten, die sich zu seinen Grundgedanken und Zielen bekennen, und werde auch bei den Wahlen die poli. tischen Parteien bei Ausstellung und Durchsetzung solcher Kandi» dgtev Ulltexstützern, die bis Gewähr dgfür bieten, dgß sie ist ihrer parlamentarischen Tätigkeit öon den Grundgedanken des Bundes nicht abweichen werden. Zu den Parteien, mit denen der Hansa- bund Fühlung unterhalten, die er unterstützen kann, gehört die Sozialdemokratie nicht. Das Verhältnis des Hansabundes zu ihr kann immer nur daSderunbe dingten Gegnerschaft sein. Das hätte in den Richtlinien direkt, offen und deutlich ausgesprochen werden sollen. Der Hansabund will eine wirtschaftliche Vereinigung sein. Daher muß das Schwergewicht seines Wirkens auf Wirtschaft- lichem Gebiete liegen. Die Richtlinien, die er soeben formuliert hat, sollen dienächste Tätigkeit" bestimmen. Als nächste Tätigkeit wirtschaftlicher Natur kommt hauptsächlich die Sozialpolitik in Betracht. Denn diese wird im Reichstage im Mittelpunkt der Beratungen und Entschließungen stehen. Als Hauptfrage drängt sich daher auf, wie die sozialpolitische Tätigkeit des Hansabundes beschaffen sein wird. Hier ergeben sich aber sofort die bereits angedeuteten Schwierigkeiten aus der Verschiedenartigkeit der Interessen>der im Hansabund vereinigten Erwerbsklassen. Sie sind so groß, daß sie zunächst in den Richtlinien einen Ausgleich nicht gefunden haben. Also nicht einmal auf dem Papier. Wie soll es dann aber in der Praxis werden? Den Grundsatz der strikten Neutralität für die Sozialpolitik zu proklamieren widerspricht nach unserer Auf- fassungdemindenRichtlinien ausgesprocheneu Grundgedanken, daßderHansabunddiege mein- samen Interessen von Gewerbe, Handel und In- dustrie zu vertreten, zu fördern und vor Schädi- gung und Angriffen zu schützen hat... Aber die herrschende Sozialpolitik der Regierungen und des Reichstages, w eil sie nach wie vor ausschließlich auf die Be- friedigung der Sonderbedürfnisse und der un- gemessenen politischen Machtansprüche der Arbeitnehmer auf Kosten der Unternehmerschaft gerichtet ist, verstößt gegen die voltswirtschaftlichen Gesamtintcressen; sie hemmt und lähmt das Wirtschaftsleben, indem sie die Produk» tionskosten verteuert, unsere Erwerbsstände mit sozialpolitischen Leistungen überlastet und so schließlich unsere wirtschaftliche Machtstellung schwächen muß. Beinahe das gesamte Unternehmer- tum, vom größten bis zum kleinsten herab, hat gegen den Entwurf der Reichsversicherungsordnung, der die gefährliche Einseitigkeit des sozialpolitischen Kurses aufs neue bekundet, entschiedene Ver- Wahrung eingelegt. Hieraus, meinen wir, müßte sich gerade für den Hansabund als die erste, weitaus wichtig sie Auf- gabeergeben, dieherrschendeSozialpolitikmit dem Aufgebot aller Kräfte zu bekämpfen und danach zu streben, für diesen Kampf die natio- nalen Parteien zu interessiexen. zu mobil i- siexen, zuengagiexen..." Naffenpolitik. Lange haben die Finanziers und die Exporteure gefordert, daß die deutschen Kolonien nach kaufmännischen Grundsätzen verwaltet werden. Jetzt steht an der Spitze des Kolonialamtes ein aus der Bankfinanz hervorgegangener Geschäftsmann; doch jene Herren sind ebenso wenig zufrieden wie stüher; denn im Grunde genommen läuft ihre Forderung darauf hinaus, daß ihnen die Kolonien und deren Eingeborene zu schrankenloser Ausbeutung ausgeliefert werden, und die Kolonialverwaltung sich lediglich darauf beschränkt, die Auflehnung der Eingeborenen niederzuhalten. Zu solcher Art der Kolonial- Verwaltung vermag sich aber die Regierung, so sehr sie auch bereit ist, dem Profitverlangen der deutschen Kolonialinteressenten entgegen- zukommen und die Eingeborenen durch strenge Polizeimaßregeln und Strafexpeditionen zur Gefügigkeit zu zwingen, aus Rücksicht auf die öffentliche Kritik und den Reichstag nicht zu verstehen. So bleibt denn auch das Nörgelir der sogen..Kolonialsteunde' über die allzu humane. von falschen Gerechtigkeitsbegriffen diktierte Kolonialpolitik des Kolonial- amtes nicht aus. Jede Gelegenheit wird benutzt, um dem Staats- sekretär zu Gemüte zu führen, daß, wenn er sich den Dank der im- und exportierenden Großhändler und der Plantagenbesitzer erwerben wolle, er seine Auffassung, daß auch der Neger, Melanester und Polynefier sozusagen ein Mensch sei, aufgeben und sich zur konsc- quentenRassenpolitik" bekehren müsse. So schreibt zum Beispiel die«Deutsche Ztg." unter dem TitelRaffenvewußtsein und Rassenpolitik". Staatssekretär Dernburg ist augenblicklich in den Vereinigten Staaten Nordamerikas eingetroffen, um die Baumwollstage im Staate Louisiana zu studieren. Wir würden dem Hern, Staats» sekretär empfehlen, sich drüben au Ort und Stelle neben der Baumwolle auch noch einmal die Negerfrage genauer an- zusehen. Um die Befreiung der Neger von der Sklaverei führten die Nordamcrikaner vor rund Jahren ihren Bürgerkrieg. Die Reger erhielten alsbald auch das Wahlrecht. Und doch sehen wir es bis auf den heutigen Tag: Je drohender die zahlenmäßige Ueber- legenheit in den Südstaaten wurde, um so schroffer trieben die Weißen R ä s s e n u n t e r s ch i e d S p o l i t i k Ii, Südkarolina und Mississippi gab eS nach der letzten Volkszählung b8 Proz. Farbige, in Louisiana und Georgia 47 Proz., in Nordkarolina 33. in Arkansas 28. in Tenesiee 24, in Texas und Maryland 20, in Delaware 17 und in Kentucky immerhin»och 13 Proz. Nun wohl nicht nur Mischehen sind hier überall gesetzlich verboten, sondern auchinKircheund Schule sind die Farben streng geschieden. Ja in Mississippi , Südkarolina, Louisiana , Nordkarolina, Virginia und Alabama hat man neuerdings das Wahlrecht so eingeengt durch Bedingungen, die an Bildung. Besitz und Steuern geknüpft sind, daß ein großer Teil der Negerwähler seitdem ausscheidet. Bei den Borbereitungen der«südasrikanischen Union" sehen wir etwas Aehnlichcs. Trotz der kapländischen Bcr- gangenheit und trotz Natals Teilnehnierschaft am Bunde ein Negerwahlrecht wird der Bund nicht haben. Diese aus Erfahrungen erwachsenen Maßnahmen studiert auf ihre Gründe hin hoffentlich mal recht eifrig auch unsere Kolonialvcrwaltung, die nicht nur auf einzelnen Bureausesseln der Zentrale. sondern auch imGouvernementSbereich der Herren Frhr. v. Rechenberg und Dr. Seitz falschen Senti» Mentalitäten mit christlicher oder humanitärer Ver- brämung innerlich hingegeben zu sein scheint. Wir wünschen, daß Staatssekretär Dernburg. der auf seiner süd- astikanischen Reise durch eine britisch-koloniale Gerichtsverhandlung in Port Elisabeth einst zu dem plötzlichen Wunsch auf Einführuug des Negereides gelommen fein soll, in Louisiana die ewigen Gesetze des Rasseideals mit seiner außerordentlichen Auf- fassungsgabe zu studieren Zeit und Lust findet." Ein Teil der Handelsblätter druckt diese Ausführungen mit Wohlgefallen ab._ Staatsbürgerliche Rechte«nd wirtschaftlicher Zwang. Daß auch die technisch-industriellen Beamten durch die bitteren Erfahrungen darüber belehrt werden, daß in de», großen sozialen Kampfe unserer Zeit nur ein Hüben, ein Drüben gilt, bewies die Aufnahme eines Vortrages. den Dr. B r e» t s ch e i d über das ThemaStaatsbürgerliche Rechte und wirtschaftlicher Zwang" in einer öffentlichen Versammlung des Bundes technisch-industrieller Beamter in Berlin hielt. Breitscheid legte in einer historisch- ökonomischen Betrachtung dar, daß die Zeit endgültig vorüber sei, wo die technischen Angestellten sich einbilden konnten. daß ihre kümmerliche Stellung als Angestellter nur das U e b e r g a n g s st a d i u m zur Selbständigkeit und eigener Unter- »ehmerherrlichkeit darstelle. Der Redner räumte mit diesen wirt- schaftlichen Wahnvorstellungen ebenso gründlich auf. wie mit dem unmotivierten Bildungsdünkel. daß ein Ingenieur oder Techniker etwas so Besonderes fei. daß er nicht genau so wie der Handarbeiter