M.237. 26. Iahtgavg.l. KcilW hi ,|otiüitte" Knlim Polliolilatl.Smittfitg, 10. CHobtt 1909.Prozeß Sahiel.Nach Eröffnung der heutigen Sitzung durch den Landgerichts-direktor Jänisch beantragt Rechtsanwalt Dr. Jaffe, denKriminalkommissar v. TreSckow noch einmal zuvernehmen und ihn zu veranlassen, datz er den von Ober-leutnant Hecht erhaltenen Brief vorlegt, außerdem beantragt er.den Oberleutnant Hecht zu laden. Die Verteidigung habe eingroßes! Interesse daran, die!�> Unglaubwürdigkeit des Zeugen Bruhnnachzuweisen. Dr. Jaffe beantragt serner die Ladung des FürstenHohenlohe-Oehringen, der bekunden werde, daß Dahsel gegen ihnkeinen Erpressungsversuch gemacht. Rechtsanwalt Dr. Puppeunterstützt lebhaft diesen Antrag. Fürst Hohenlohe-Oehringen istin der ganzen Voruntersuchung noch nicht vernommen worden. Erwerde bekunden, daß Oberleutnant a. D. Beckh auf Veranlassungdes Justizrats Lobe ihm geschrieben habe, er solle für Unterdrückungweiterer Artikel 6000 M. bezahlen. Staatsanwalt L e i s e r i n gbeantragt die Ablehnung dieser Anträge. Die Sache Hechtstehe in keinerlei Zusammenhang mit der Affäre Frankenberg.Außerdem stehe schon aktenmäßig fest, daß Fürst Hohenlohe mitTahsel persönlich nicht verhandelt hat. Rechtsanwalt Dr.Werthauer tritt gleichfalls dem Antrage bei und stellt seiner-scits eine lange Reihe vonAeweisanträgen, die{ich gegen die Glaubwürdigkeit des ZeugenBruhnnchten und dartun sollen, daß Dahsel erst durch das Milieu, in dascr durch seine Tätigkeit bei der„Wahrheit" hineingeraten war, aufdie schiefe Ebene gelangt ist. Es wird beantragt, als Zeugen zuladen: 1. Den Cafetier Dreiwurst, Lindenkasino, 2. den KaufmannJulius Herrmann, Salamanderhaus, 3. den Kaufmann AlfredMerker, 4. den Kaufmann Schapira, 5. den Direktor MartinOppenheimer, 6. den Baron v. Fröhlich zu Velda, 7. den Inseraten-ches Nowarra im Hause N. Israel, 8. den Universalprofider Jacksost,Monopol-Hotel, 9. den Kaufmann Dietrich und 10. den KaufmannPaul Busse, Vorstand des Mittelstandsbundes. Diese Zeugen sollen-um Nachweis der völligen Unglaubwürdigkeit des Zeugen Bruhnmid ferner der Tatsache vernommen werden, daß dieser seineZeitung, die„Wahrheit", zum Zwecke der Jnseratenerpressung be-nutzt und Artikel je nach der Erteilung oder Verweigerung vonInseraten der angegriffenen Personen bringt oder wegläßt, unddaß in dem in Betracht kommenden Teil des Berliner Publikumsdie Existenz des von dem Zeugen Bruhn gehaltenen Zeitungsorgans.in der Art, wie er es hält, als dauernde Bedrohung erachtet wirdund wirkt.— Insbesondere sollen folgendeErprefsungeu durch den Reichstagsabgeordneten Bruhnfestgestellt werden: 1. Die Zeitung„Wahrheit" brachte vor zweibis drei Jahren fortgesetzt Schmähungpn gegen den Klub..Berolina". Der Vorsitzende des Klubs wandte sich auf An-raten der Mitglieder an den Cafetier Dreiwurst, welcher mitBruhn befreundet ist. Zwischen Bruhn und Dreiwurst wurde nunein Abkommen getroffen, daß Dreiwurst von dem Klub eineZahlung von insgesamt 1000 M. erhalten sollte, welchen Betragder Klub in vier QuartalSraten ä 250 M. zu bezahlen hatte. Der.filub zahlte und von dem Moment an unterblieben als Gegen-histung die Angriffsartikel. Demnächst weigerte sich der Klub,eine der QuartalSraten weiterzuzahlen. Der Vorstand(die ZeugenHerrmann und Merker) verhandelte daraus durch Dreiwurst mitder„Wahrheit". Nachdem die Zahlungen wieder aufgenommenwaren,' entschuldigte sich die„Wahrheit", daß inzwischen wiederein Artikel erschienen sei, damit, daß ja die Zahlung nicht erfolgtsei. Die Quittungen der„Wahrheit" befinden sich in den Mtendes„Klubs von 1908". Der Zeuge Dietrich hat in dem Brief-lasten einer anderen Zeitung dem Zeugen Bruhn mit Enthüllungenüber diese Sache gedroht. 2. Als einer der Inhaber der FirmaN. Israel in eine unangenehme Angelegenheit verwickelt war,fürchtete die Firma Israel, daß Bruhn in seiner Zeitung, mchtwie andere Zeitungen, eine kurze Notiz brächte, sondern die Sachezu Angriffen ausschlachten würde. Infolgedessen traf der Jnse-ratenchef Nowarra der Firma Israel mit dem Reichstagsabgrord-neten Bruhn ein Abkommen, um demselben Geld zuzuwenden, da-mit die Artikel unterbleiben. Damit aber die Oeffentlichkeit nichtsvon den Inseraten erfahre, damit diese selbst nicht sofort den wirk-kleines Feuilleton.Die Frage transatlantischer Luftschifflinien. Trotz allerschuldigen Bewunderung für den großartigen Aufschwung der Luft-schiffahrt während der letzten Jahre wird es doch erlaubt sein,einige Zweifel darein zu setzen, daß schon innerhalb kurzer Zeit auchder Atlantische Ozean in seiner ganzen Breite von einem Luftschiffüberflogen werden könnte. Aber selbst wenn dies Wagnis bald ge-lingen sollte, wäre damit noch nicht der Beweis geliefert, daß einpraktischer Nutzen daraus gezogen werden könnte. Dennoch ist esjedenfalls nicht uninteressant, wenn die Möglichkeit einer zukünf-tigen Einrichtung eines transatlantischen Luftschiffverkchrs nachMaßgabe der gegenwärtigen Verhältnisse geprüft wird, wie essNüller-Berncck in der„Marine-Rundschau" unternimmt. Wennes sich darum handelt, das Luftschiff nicht als ein Beförderungs-mittel für Sportsleute und Liebhaber, sondern als eigentliches Ver-kehrsmittel zu betrachten, so muß feine Fähigkeit, mit anderenVerkehrsmitteln in Wettbewerb zu treten, ohne Voreingenommen-heit ins Auge gefaßt werden. Einen Sieg auf dieser Bahn wirddas Luftschiff nur erkämpfen, wenn es neben völliger Betriebs-sicherheit und Bequemlichkeit eine erheblich größere und sichere Ver-mehrung der Geschwindigkeit gewährleistet. Wahrscheinlich wirddiese Bedingung nur in solchen Erdgegenden erfüllt werden, wostetige Winde zugunsten der Luftschiffahrt benutzt werden können,und in dieser Beziehung ist das Gebiet des Nordostpassats, der miteiner durchschnittlichen Geschwindigkeit von 6 bis 8 Metern in derSekunde von Südeuropa und Nordafrika über den AtlantischenOzean hinüber streicht, zunächst am meisten zu beachten. Müllerrechnet aus, daß bei einer Eigengeschwindigkeit eines Luftschiffsvon 14 Metern ein solches Fahrzeug von Madeira nach dem Pa-i ama-Kanal in 114 Stunden gelangen könnte, während ein Schnell-dampfer 164 Stunden gebraucht, also eine Ersparnis von mehr alszwei Tagen. Wie die Luftschiffe den Rückweg bewirken sollten,kann freilich vorläufig nicht gesagt werden.Gas ohne Gasanstalt. Dank einer neuen Erfindung von Her-mann Blau, so schreiben die„Dokumente des Fortschritts"(Berlin,Georg Reimer), wird es nunmehr möglich, auch solche ländlicheWohnstätten, die keine Gasometer besitzen, niit Gasbeleuchtung zuversorgen. Dieses Gas wird durch Destillation von Oelen beitieferen Temperaturen als die sonst für die Gewinnung von Gasaus Steinkohlen üblichen, gewonnen. Das Gas wird dann zu-ji!»im engepreßt und in Zylinder verschlossen, die in den betreffendenHäusern abgegeben werden. DaS Licht, das dieses Gas liefert, istsehr strahlend und rein und birgt auch hygienisch keine Nach-teile. Die Zylinder selbst sind von verschiedener Größe;es gibt solche, die nur ein halbes Kilogramm Gas ent-halten, was für eine kurze Ueberfahrt im Boote oder ei» Zeltlagergenügen mag; andere sind so groß, daß sie für ein ganzes Hausausreichen. Der gewöhnliche Inhalt reicht für kleine Häuschen hinund kann Licht für acht Wochen liefern. Die einzige Vorsicht, diezu gebrauchen ist, besteht darin, den Zylinder außerhalb des Hausesaufzustellen und von dort aus an die Röhren anzulegen. Die Nach-lichen Zusammenhang des plötzlichen Erscheinens der JsraelschenInserate in der Zeitung des Bruhn bemerke, wurde das Ab-kommen getroffen, daß Annoncen, betreffend angebliche Personal-gesuche und eine Veröffentlichung des Winterkatalogs, in chiffrier-ter Weise erscheinen sollten. Die Inserate wurden weit über diemittelmäßige Gebühr honoriert, weil sie nur derDeckmantel für das dem Bruhn gezahlte Schweigegeldwaren. Nachdem jedoch Israel sich selbst getötet hatte, wurdenweitere Ansprüche des Bruhn abgelehnt, sobald dieser solche erhob.Darauf setzte der Zeuge Bruhn sofort mit Artikeln des empörend-sten Inhaltes gegen den Verstorbenen ein. Die Originalquittnngendes Bruhn über die ihm gegebenen Schweigegelder befinden sich inden Händen des Zeugen Nowarra. 3. Der Zeuge Busse soll ins-besondere bekunden, daß Bruhn den Dietrich angestellt hat, die In-haber von Nachtlokale», die in der„Staatsbürger Zeitung" inse-rierten, anzugreifen. Als diese Inhaber Annoncen in der„Wahr-heit" aufgaben, wurden jene Angriffe sofort eingestellt.Charakteristik der„Wahrheit".Staatsanwalt Leisering tritt diesen Anträgen alszur Sache unerheblich entgegen. Hier komme es nicht darauf an,ein Verfahren gegen Herrn Bruhn einzuleiten; das würde Sacheder Staatsanwaltschaft sein, wenn Tatsachen vorliegen würden,die ein solches Verfahren rechtfertigen. Was Herr Bruhn eventuellgetan haben soll, könne aber nicht für die eigenen Vergehen desAngeklagten Dahsel verwertet werden. Es sei nicht zu verstehen,wie Dahselmmmer behaupte, daß er erst durch den Eintritt in die„Wahrheit" auf schlechte Wege gedrängt worden sei. Er habe dochnachgewiesenermaßen schon vor dieser Zeit zwei Artikel geschrieben,die hier unter Anklage stehen. Eine Charakteristik der„Wahrheit"sei nach seiner Meinung nicht nötig. Auch er halte das Blatt fürsehr verwerflich und die Tendenzen, die es verfolgt, für heillos.Rechtsanwalt Dr. Werthauer: Die Anträge sind zunächsterheblich, weil, wenn Dahsel schuldig ist in dem einen oder anderenFall, die Bewertung des Strafmaßes von dem Milieuabhängig ist, aus dem die Staftat erwächst. Wenn in einem Ge-schüft der Portokassenlehrling stiehlt, so ist es anders zu beurteilen,wenn von oben her der Chef untreu handelt und der Lehrling diessieht. Viel wichtiger aber ist noch der rechtlicheZusammen-hang. Wie in Paris zuzeiten die Guillotine auf dem PlaceÄastille gestanden, so ist seit Jahren in einer Straße eine Vor-richtung aufgerichtet, welche die Schande der anderen lOpfennigweifegeschäftlich ftuktifiziert und zu Jnsvratenerpressungen benutzt.Jeder kann, aus niedrigen Motiven veranlaßt, gegen geringe Mühediese Einrichtung benutzen. Ganz Berlin und Deutschland kenneseit Jahren die Aufrichtung und Unterhaltung dieses verwerflichenInstruments, wie es der Staatsanwalt als verwerflich gerichts-notorisch auch anerkannt habe. Jeder anständige Mensch sei dauerndvon dieser rechtswidrigen Einrichtung bodroht. Die gerichtlichenSachverständigen Vollrath und Schweitzer werden bestätigen, daßdie„Wahrheit" kein Preßorgan. sondern eine Privatveranstaltungzur Ausbeutung des Unglücks und der Schande Groß-Berlins,zum Umsatz in Zehnpfennigstücke und Inserate ist. Wenn sichjemand einem anderen naht und sagt:„Geben Sie 100 M. odersonst......", so brauchte er nichts hinzuzusetzen. Jeder ausden beteiligten Kreisen weiß, sonst kommt ein Arikcl in die„Wahrheit". Diese vom Verlage der„Wahrheit" als dauernde Be-drohung Berlins errichtete Anstalt wirkt deshalb auch ursächlich aufdie Handlungen, die jeder vornimmt, dem sich jener naht. In allenFällen sagt die Anklage. Dahsel habe sich nie bestimmt ausgedrückt,nur angedeutet, indirekt habe er aber mit dem Erscheinen vonArtikeln gedroht. Das ist, wenn es richtig ist, klar darauf hin-weisend, daß der ursächliche Zusammenhang zwischen Wille undHandlung des Bedrohten ausgelöst sei durch die in Berlin ständigdrohende von Bruhn unterhaltene Veranstaltung. Es liegt mirfern, Herrn Bruhn anzugreifen. Im Gegenteil, ich weiß gutes ausder Anfangslaufbahn desselben, aber ich habe als Verteidiger nichtsGutes für, nichts Schlechtes gegen Herrn Bruhn zu sagen. Hiermuß nur über, nicht gegen Herrn Bruhns Organ die volle Wahrheitverbreitet werden, um den Angeklagten und sein Handeln, um dieZeitung und ihr Empfinden klar übersehen zu können. Ich alsVerteidiger erachte mich nicht legitimiert, Denunziationen zu er-statten, bin auch überzeugt, daß dies wegen des Legitimitätsprinzips(Anklagezwang der Staatsanwaltschaft) nicht nötig ist. Die Anzeigeist ja überreicht, wir wollen auch nicht gegen Herrn Bruhn ver-handeln, sondern Aufklärung der ganzen Bevölkerung verschaffen,füllung bereitet keine Schwierigkeiten und eine Explosionsgefahr be-steht nicht. Die neue Einrichtung ermöglicht es ganzen Dörfern,die keine Gasanstalten und-Verbindungen besitzen, die Vorteiledieses modemen und billigen Beleuchtungsmittels mitzugenießen.Theater.Kammerspiele:„Die Zuflucht". Schauspiel in dreiAkten von Dario Nicodemi. Der italienische Verfasser lebtin Paris und auch sein Stück zeigt in jedem Zug französischeSchule. Die Herrschaften, für deren Streiche uns ein Interesse,für deren Leiden uns ein Mitleid zugemutet wird, gehören da nachalterprobtcr Regel jener exquisiten Menschensorte an, die im Be-sitz von Millionen sich des Vorzugs erfreut, ausschließlich ihren&nmen und Liebschaften zu leben und sich obendrein mit wunder-lichem Parasitenstolz noch„die Gesellschaft" nennt. Einander inder Ehe wechselweis zu betrügen, ist ihre beliebteste Sensation,die dem Pariser Drama als das Vehikel eines theatralisch-spannen-den, mit ausgetüftelten Erschütterungscffekten geschickt hantieren-den Vexirspiels dient. Henri Bernstein hat es in dieser Kunstunter den Lebenden am weitesten gebracht, und Nicodemi eifertihm mit fleißiger Bemühung nach. Wie bei Bernstein, so ist auchhier das ganze Stück auf eine große, nach allen Rezepten derdramatischen Steigerung sorgsam aufgebauten Szene eingestelltund kalkuliert. Sie zeigt bemerkenswertes psychologisches Fein-gefühl, nicht durch Charakteristik der Personen, wohl aber durchdie Art, wie hier der Autor sein Publikum recht con amore inder Spannung festzuhalten und dann mit einem klug zum Schlußaufgesparten Knalleffekte zu entlassen weiß.Nicodemis Held soll uns durch seinen Reichtum an Gemüt,der seinem sonstigen Reichtum nichts nachgibt, in Bewunderungsetzen! Seine Seelentiefen sind unberechenbarer Natur. Als erzum Beispiel erfuhr, seine Frau betrüge ihn mit seinem Freunde,fordert er trotz glühender Rachsucht den Nebenbuhler nicht,strengte auch keine Scheidungsklage an. Er begnügte sich mit einemschweigend durchgeführten Boykott. Alles, um seiner Mutter denKummer eines Skandals zu ersparen! Aber dieser zarte Seelen-mensch empfand es später als Genugtuung, daß die gleichfallsseelenadlige Braut des Ehebrechers sich in ihn verliebte und erdem Feinde Gleiches mit Gleichem vergelten konnte. Doch ange-borene Größe kann sich nicht verleugnen. Aus dieser Verführungerblüht ihm eine nur vollkommenere Läuterung seines Wesensdurch die— Liebe. In der Aussprache, zu der ihn seine Frau bringt,verkündet er voll Enthusiasmus.das neue Heil. Zum Schluß Um-armung und Verschwinden der'heimlich Liebenden.So sind die Trümpfe vorbereitet für den zweiten Akt. Doraverspätet sich bei ihrem Verehrer, man sucht sie überall, der Bräuti-gam, ein mit allen Hunden gehetzter Lebemann, der sich mit dererhofften Mitgift wieder flott machen will, erscheint bei Vol-mieres und sagt ihm auf dem Kops zu, er halte die Vermißtenebenan versteckt. Wie Stoß und Gegenstoß in dem leidenschaft-erfüllten, doch mit der Miene größter Ruhe geführten Wortgefechtder zwiefachen Rivalen aneinander klirren, der Kontrast vonVolmieres verzückter Schwärmerei und dem schamlos massivenCyrnMus WMrijterst tu(ich an seine Bxgts ksMWpt. istweil dies im engsten Rahmen der Verteidigung liegt und meinemKlienten dient. Man macht oft der Rechtspflege den Vorwurf, zueng am Buchstaben zu kleben, hier ist aber Gelegenheit gegeben, infreier Beweiswürdigung volle Aufklärung zu schaffen. �Dies ist auchnicht sehr auffallend, zwei klarliegende Crpressungsfälle vorläufigaus der Reihe kurz zusammengestellter Fälle herauszugreifen, fernerzwei Sachverständige über die ganze Art der Zeitung zu vernehmen,und das Thema ist bewiesen und vielleicht Berlin befreit, ohne daßes auf Herrn Bruhn selbst ankommt.Rechtsanwalt Dr. Puppe: Ich schließe mich den Anträgen desDr. Werthauer durchaus an. Der Fall Koeppen ist ein charakteristi»scher Beweis dafür, welche unheilvolle Wirkung schon die bloßeExistenz eines solchen Erpresserorgans ausübt. In der gestrigen„Wahrheit" werde ich in einem heftigen Artikel u. a. deshalb an-gegriffen, weil ich beantragt habe, die Akten zu verlesen. HerrBruhn hat diesen Antrag offenbar gar nicht verstanden. Es liegtmir ganz fern, gegen ihn vorzugehen; ich wollte lediglich prozessualetwas gut machen, was prozessual verfehlt war. Darüber, ob HerrBruhn den Antrag richtig verstanden und über seine Schlußfolge-rungen will ich die Richter hier nicht weiter langweilen, ich werdemich mit Herrn Bruhn vielleicht an anderer Stelle darüber zuunterhalten haben.Rechtsanwalt Dr. Jaffe: Auch ich trete den Anträgen durch-aus bei. Es wird doch zweifellos ins Gewicht fallen, ob der An-geklagte unter der Macht eines Systems gehandelt oder ob er auseigener Initiative eine Privattätigkeit entwickelt hat. Herr Bruhnist doch nun einmal als Zeuge geladen, und es muß seine Glaub-Würdigkeit geprüft werden. Die Verteidigung steht nach wie vorauf dem Standpunkt, daß hier ein Falscher auf die Anklagebankgebracht ist, und es herrscht doch wohl ein allgemeines Einverständnisdarüber, daß mit diesem Verfahren ein System im ganzen getroffenwerden soll und nicht die Verfehlung eines einzelnen.Staatsanwalt Leisering widerspricht noch einmal der Be-hauptung, daß hier ein Falscher auf der Anklagebank sitze. Imübrigen brauche man über den Charakter der„Wahrheit" keinenSachverständigen; dieser Charakter sei gerichtsnotorisch.Nach längerer Beratung verkündet Landgerichtsdirektor JänischdenBeschluß des Gerichtsdahin: Die Beweisanträge des Rechtsanwalts Werthauerwerden abgelehnt, weil als wahr unterstellt wird, daß Angriffeseitens der„Wahrheit" auf bestimmte Personen unterbleiben, wennseitens der Betreffenden Jnseratenaufträge an die Zeitung erteiltwerden, weil ferner als wahr unterstellt wird, daß so wie die„Wahrheit" geführt wird, sie in weiten Kreisen des Publikums alsBedrohung erachtet wird.Was die Ladung des Fürsten Hohenlohe-Oehringen betrifft,so modifiziert Dr. Jaffe seinen Antrag dahin, an Stelle des inSteiermark weilenden Fürsten Hohenlohe eventuell dessen Bruder,den Grafen v. Hermersberg, zu laden. Der Gerichtshof beschließt,den Grafen Hermersberg zu laden.Fall Hohenlohe.Es folgt hierauf die Verhandlung über den letzten Punkt derAnklage, in welchem beide Angeklagte der Erpressung be-schuldigt werden. Im Frühjahr 1907 wurde von Ahlwardtdie Wochenschrift„Freiheit" begründet, die nur ein kurzesLeben fristete. Als Eigentümerinnen figurierten Frau Ahlwardtund.die Frau eines ehemaligen österreichischen OberleutnantsErwin Beckh, von denen die erstere 20 000 M., Frau Beckh5000 M. Einlage geleistet haben soll. Die Einlage der Frau Ahl-Wardt wurde in Gestalt von Manuskripten ihres Ehemannes ge-leistet, während Frau Beckh 5000 M. bar einzahlte. Als Redakteurwurde Dahsel engagiert. Im Feuilleton dieses Blattes wurde einRoman des Ahlwardt:„Der fürstliche KaufmannChristian Kraftzu Hohenlohe-Oehringen Herzogvon Ujest" veröffentlicht, der sich in tendenziöser Weise namcnt-lich mit den finanziellen Gründungen des Fürsten beschäftigte undgegen dessen Person gerichtet war. Gegen den Fürsten schwebtedamals in Wien ein von Frau Beckh angestrengter Prozeß, beiwelchem es sich um die Herausgabe eines aus bestimmter Veran-lassung von Frau Beckh deponierten Sparkassenbuches handelte.Eines Tages erschien Dahsel bei dem Sachwalter des FürstenHohenlohe, I u st i z r a t Lobe, und bat diesen um Informationen,da er beabsichtige, den Prozeß Beckh kontra Fürst Hohenlohe publi-zistisch zu behandeln. Justizrat Lobe soll sich zunächst sehr ge-wundert haben, wieso dieser Prozeß die Oeffentlichkeit interessiereneindrucksvoll mit Verve pointiert. Von Dora zurückgewiesen, ruftihr der Ehrenmann, schon zum Gehen gewendet, die vergiftetenAbschiedsworte zu, ihre Liebe habe dem vergötterten Volmieresnur als Werkzeug der Rache gegen den Verführer seiner Fraugedient. Eine Wendung, die das zur Füllung des dritten Aktesnotwendige retardierende Moment ergibt. Schließlich ist es Frauvon Volmiöres selbst, die resignierend die im Innersten verletzteDora mit ihrem Gatten zum Lebensbund zusammenführt.Die Rollen des Mitgiftjägers und der beiden Volmieres warenglänzend durch Wegner, Bassermgnn und TillsDurieux vertreten. Dennoch blieb der Beifall matt.' Lt.Notizen.— Theaterchronik. Im Friedrich-Wilhelm»städtischen Schauspielhause wurde am Freitag ein älteresLustspielSchönthans und Koppel-Ell feldS:„DiegoldeneEva" aufgeführt. Das Theater hat bekanntlich seinen Direktorwechseln müssen, da gegen ihn ein Verfahren auf KonzessionS-entziehung eingeleitet ist. Die Bühne, die künstlerisch gute Anläufegenommen hatte, steht jetzt unter Leitung von W. Söndermann, derfrüher als Dramaturg in Leipzig und dann als Direktor des ElbingerStadttheaters tätig war.— Gerhart Hauptmann wird feine Vorlesung vom17. Oktober am 13. wiederholen. Karten bei Bote u. Bock undWertheim.— Die Berliner Nationalaalerie wurde durch eineStiftung bereichert, die ihr besonders Landschaften von EduardHildebrandt zuführte(darunter zahlreiche Aquarelle und Studien).Auch ein Porträt von dem neuerdings wieder sehr geschätzten Ber-liner Maler Franz Krüger ist dabei. Es stellt su Schadow dar.— Heinrich von Treitschke, der leidenschaftliche Partei-gänger der Hohenzollern, der Fanatiker des Preußentums, hat auf-fällig spät— 13 Jahre nach seinem Tode— sein Denkmal bekommen.Es steht im Vorgarten der Berliner Universität und stellt denHistoriker, der ein ganzer Mann und feuriger Redner war, so lang-Iveilig wie möglich im Professorenkittcl dar. Der Schöpfer desDenkmals, der inzwischen gestorbene Bildhauer Rudolf Siemering,hat ans dieser ausdrucksvollen Kraftnatur eine Puppe mit den Gesteneines Schönredners gemacht. Das Ganze sieht aus wie ein Dankvom Hause Hohenzollern.— Ein altgerinanisches HauS wurde neuerdings vonProfessor Schuchardt bei seinen Ausgrabungen auf der sogen.Römerschanze bei Nedlitz in seinen Grundrissen aufgedeckt. Diefrüheren Funde, über die wir eingehend berichteten, hatten bereitsdargetan, daß es sich unr eine befestigte Ansiedelung von Gennane»handelt, die später von Slawen in Besitz genommen wurde. In derSüdwestecke des Walles fand man jetzt die Pfahllöcher eines neunMeter langen und sechs Meter breiten Hauses. Im Feuerloch desgut erhaltenen Steinherdes lagen noch Knochenreste vom Wildschwein,aber auch vom Rind und Schaf und von Fischen. Das Haus wirdin der Zeit 300—200 v. Chr. angesetzt. Wenn die Datierung halt-bar ist, würde sie die deutsche Vorgeschichte um ein wichtiges Er-gebnis bereichern und eine Verwandtschaft des altgermanischen mitdem griechischen Hause erweisen.