Nr. 242.
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Vorwärts
Berliner Volksblatt.
26. Jahrg.
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Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Mr. 1983.
Sonnabend, den 16. Oktober 1909.
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.
Schnapstrinken ist Unterstützung der Junker und der Regierung! Arbeiter, Genossen! beachtet den Parteitagsbeschluß, den Brauntweinboykott!
und die Etatskrise.
Der König und die
Daily Telegraph " hält dafür, daß die Einladung des Troßdem besaß der freisinnige Abgeordnete Ghßling die Königs an Lansdowne und Balfour eine unerhörte Ent- Dreistigkeit, in der Plenarsizung am 19. Februar seine Freunde wickelung sei, die auf die unerhörte Etatskrise folge. Allein als diejenigen zu bezeichnen, die für die Entlastung der unteren In einer Zeit politischer Spannung und Ungewißheit, die Umstände dieser Audienz seien derart, daß sie den König Klassen eintreten wollen. Von den Sozialdemokraten auf den wo die Parteien fast gegen ihren Willen sich in einem heftigen von aller Verantwortlichkeit, die mit den konstitutionellen Widerspruch zwischen Freisinnsworten und Freisinnstaten aufmerkKampfe befinden, find Gerüchte und Mutmaßungen un- Funktionen der Krone nicht vereinbar ist, freisprechen. Die fam gemacht, suchte Herr Ghßling sich damit herauszureden, vermeidlich. Besonders aber sind Audienzen der Minister und Initiative kam von Mr. Asquith, der des Königs haupt- daß ein Kompromiß zwischen Regierung und bürgerlicher Mehrheit Parteiführer beim König sehr geeignet, zu unbegründeten sächlichster Berater ist. Jeder Forscher der Konstitution weiß, vorlag. Gewiß, aber wer in aller Welt hat denn die Freisinnigen Spekulationen den Anlaß zu geben. So wird jetzt viel über daß diese merkwürdige Episode nur das Ergebnis der zu diesem Kompromiß gezwungen, wer hat sie gezwungen, sich in diametralen Gegensatz zu ihren Worten vom 31. Oktober zu sehen Kompromißverhandlungen zwischen Unter- und Oberhaus in Initiative des Premierministers sein konnte." Sachen des Etats spekuliert, da Asquith , Balfour und Lans - Nach der„ Daily News" hat sich der Premierminister mit und den Mittelstand so zu belasten? Doch einzig und allein ihre downe beim König waren. Es soll hier gleich gesagt dem König in Verbindung gefeßt, um ihn zu veranlassen, frankhafte Sucht, es mit der Regierung und ihren damaligen Block werden, daß diese Spekulationen aus liberaler Quelle den Führern der Mehrheit der Lords mitzuteilen, daß, falls brüdern nicht zu verderben. Alles andere, was die freisinnigen tommen. Der konstitutionelle Stampf ist einem großen Teile sie feine Mehrheit für den Etat zusammenbringen fönnten, Redner zu ihrer Entschuldigung vorbrachten, lief auf leere Ausder Liberalen unangenehm und sie appellieren an den der König bereit sei, durch einen Pairsschub( durch Schaffung reden hinaus, an die sie selbst nicht glauben. Fürwahr, es ist ein starkes Stück, in einer Zeit des wirtschaft. Königan Eduard den Friedensstifter", die Führer der der nötigen Zahl von Lords) ihnen die nötige Mehrheit zu beiden Parteien zu einer gemeinschaftlichen Konferenz zu geben. Bekanntlich wurde ein ähnlicher Druck im Jahre 1832 lichen Niederganges, in einer Zeit, wo Angehörige des Mittelsammenzubringen. Dagegen hebt die konservative Presse die auf das Oberhaus ausgeübt, als dieses sich weigerte, die standes nicht weniger als Angehörige der Arbeiterklasse in ihrem tonstitutionelle Stellung des Königs hervor, die ihm verbietet, Reformbill( Reform des Wahlrechts zugunsten der Mittel- Einkommen geschmälert sind, zu einer Zeit, wo außerdem noch die Einführung neuer indirekter Reichssteuern unmittelbar beborstand, die Nation politisch zu beraten. klasse) passieren zu lassen.-
Da es in England keine geschriebene Konstitution gibt, sondern konstitutionelle Gebräuche, Resolutionen und Ansichten, die der Wirklichkeit folgen und sich mit ihr verschieben und entwickeln, so läßt sich die Frage über die konstitutionelle Stellung des Monarchen nicht mit einem Hinweis auf diesen oder jenen Paragraphen abmachen.
Der König von England könnte, wenn die Freiheitsliebe und die Wachsanikeit der Nation nachließen, ebenso die Regierung beherrschen, wie der deutsche Kaiser die deutsche Regierung oder gar wie der russische Zar das russische Reich. Es würden sich schon Staatsrechtslehrer finden, die einen derartigen Staatsstreich gesetzlich begründen könnten.
Aus allen diesen Stimmen ergibt sich die herrschende An- einer solchen Maßnahme zuzustimmen. Und wenn die Freisinnigen sicht über die konstitutionelle Stellung der Krone, die nur wenigstens ehrlich gewesen wären und von vornherein Farbe be auf Veranlassung des Premierministers, das heißt des fannt hätten! Aber das liegt nun einmal im Wesen der Führer Führers der parlamentarischen Mehrheit, in die Politik als des heutigen Freisinns, daß sie das Bolt durch Nedensarten zu beVermittlerin eingreifen fann. Im übrigen ist die Nachricht, tören und zu belügen suchen. Der Mittelstand aber, der jetzt vor daß der König persönlich für die Annahme des Etats ist, seit den Wahlen von den bürgerlichen Parteien umworben wird, mag Wochen bekannt. Der Pariser Temps" fügte sogar hinzu, sich bei der konservativ- national- freifinnig- klerikalen Mehrheit des daß der König die Folgen eines eventuellen fonftitutionellen Abgeordnetenhauses bedanken, daß neben der indirekten Steuerlast im Reich auch die direkte Belastung in Preußen immer unerträg Kampfes für sehr ernst halte. licher geworden ist.
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Zum Wahlkampf.
Der Mann mit der eifernen Stirn.
In England ist in der Regel das Gesch reaktionär, die Freifinn und Staatssteuern. Wirklichkeit freiheitlich. Das Gesetz hinkt der Wirklichkeit nach. Die offiziellen Organe des Freisinns, die. Moniteure der Fisch- In der neuesten Nummer seines Standalblattes proZuerst kommt die Wirklichkeit, dann kommen Gewohnheit und bed, Wiemer und Genossen, die in der Irreführung der Massen duziert sich Herr Wilhelm Bruhn , Mitglied des Reichstags, Gebrauch als Anpassungen an die Wirklichkeit, und erst langsam schier Unmögliches leisten, suchen es, entgegen den von uns des Nachfolger Ahlwardts im Mandat des Wahlkreises Friede erneuert sich dementsprechend das Gesetz, teils durch richter- öfteren geschilderten tatsächlichen Vorgängen immer wieder so hin- berg - Arnswalde und in der geschäftlichen Ausbeutung von liche Interpretationen, teils durch parlamentarische Atte. zustellen, als seien die den freisinnigen Parteien angehörigen Mit Schandtaten, wie sein Vorgänger der Erpressung in zahlDie Stellung der Richter in England ist deshalb eine glieder des Abgeordnetenhauses unschuldig daran, daß die Bevölke reichen Fällen dringend verdächtig, als Mann mit sehr hohe. rung, vor allem die Beamten, Lehrer und Gewerbetreibende, gleich- der eisernen Stirn. In einem schwülstigen Artikel, man Dorfschmierenpathos Die zwei hervorragendsten Staatsrechtslehrer Englands zeitig mit der Steuerschröpfung durch das Reich auch eine solche dessen hohlem 100 auf anhört, daß es mit dem Brustton edler find gegenwärtig Dicey und Anson. Ueber die Stellung der durch den Staat über sich ergehen lassen müssen. Wir fühlen dem Meter anhört, töniglichen Macht in England sagt Dicey:" In ihrem Stampfe Freifinn nach, wie unangenehm es ihm ist, an seine Sünden er- Entrüstung nicht näher verwandt ist, als der Regenmit der königlichen Macht haben die Führer des englischen innert zu werden, zumal in einem Moment, wo sein Liebesgirren wurm mit dem Menschen, schildert er sich als den reinen und Volfes nie versucht, die Autorität der Strone als Staatsober um die Stimmen des Mittelstandes den Höhepunkt erreicht hat; unerschrockenen Kämpen gegen stinkende Korruption. Herr haupt zu vernichten oder zu zerstreuen, ausgenommen in Zeiten aber das Interesse an der Wahrheit verbietet es uns, irgendwelche Bruhn hat den Geschmack, an die Spike folgende Stelle aus revolutionärer Stürme. In der Regel ging ihre Politik da- Rücksichten auf ihn zu nehmen. dem Artikel abzudrucken, mit dem sich die erste Nummer des hin, die Macht des Königs unberührt zu lassen, aber die Als die Regierung zu Beginn der verflossenen Landtagssession Unternehmens zur Ausbeutung der Schande und des UnHandlanger der Krone an ein gewisses Verfahren zu binden, neben der sogenannten Gesellschaftssteuer u. a. eine Erhöhung der glücks einführte. Die Worte find wert, wiedergegeben zu das vorerst die Herrschaft des Gesetzes und dann die Steuern für alle Einkommen über 7000 m. verlangte, da war es werden, sie sind ein schlagendes Beispiel dafür, was Leute Souveränität des Volkes sichert." der Redner der freisinnigen Volkspartei, Abg. Dr. Wiemer, vom Schlage Bruhns, was Blätter wie die Wahrheit" ihren der am 31. Oktober mit dem ihn auszeichnenden Brustton der Lesern bieten dürfen. Also sprach die Wahrheit" am Tage Ueberzeugung mit Rücksicht auf den Mittelstand vor einem solchen ihrer Geburt: Experiment warnte. Wörtlich erklärte er nach dem amtlichen Stenogramm:
Und Anson erklärt:„ Die Rolle der Krone dem Parlamente gegenüber ist, den Rat ihres Voltes anzunehmen und Gesetze zu machen, aber nicht irgend eine Politik zu formulieren, zu unterbreiten oder zu verteidigen."
Die englische Krone ist jetzt machtlos, aber da sie existiert, ist sie einflußreich. Die Parteien fönnen sich ihrer bedienen und ihr in Streitfällen die Rolle des Vermittlers zuweisen. Die eine oder die andere Partei ruft in solchen Fällen nicht die Macht der Krone an, sondern ihren Einfluß.
Wir glauben, daß auch bei einer Grenze von 7000 M. folche Kreise des Mittelstandes in Betracht kommen, denen eine Steuererhöhung in diesem Augenblick außerordentlich schwer fallen würde, und für uns ist die Frage wohl erwägenswert, ob man nicht die Grenze heraufsetzen soll. Gegen eine Herabsehung würden wir uns entschieden aussprechen müssen."
Am 31. Oktober also wollen die Freisinnigen von einer BeWas das Verhältnis des Königs zur Etatskrise ist, lastung des Mittelstandes mit neuen direkten Steuern nichts wissen; dürfte aus folgenden Stimmen der heute erschienenen da sprechen sie sich noch entschieden" gegen eine Herabsetzung der Londoner Zeitungen hervorgehen. Die Bedeutung, die den Einkommensgrenze, von der ab die Steuern erhöht werden sollen, Audienzen der Oppositionsführer beim König zugeschoben aus. Und wenige Monate später schließen sie hinter den Kulissen wird, wird nach Ansicht der Times" von vielen übertrieben. in der Kommission mit den Konservativen, den Nationalliberalen Die Audienzen mußten auf Anraten des Premierministers und dem Zentrum ein Kompromiß, dem zufolge sogar die Einerteilt worden sein. Allein mehr als Informationen ent- tommen von mehr als 1200 m. stärker bluten sollen. Dies schofle gegennehmen, fonnte der König nicht. Der König bemühte Verhalten ging selbst waschechten Blodfreisinnigen über die Hutfich, genaue Informationen aus erster Hand zu erhalten schnur. Der Reichstagsabgeordnete Dr. Mommsen veröffentüber die Ansichten der beiden Parteien betreffend die unge lichte einen Artikel, worin es u. a. heißt: wöhnlich heifle und schwierige Lage, die jetzt das politische Leben Englands beherrscht. Alle Spekulationen, die darüber hinausgehen, haben keinen Sinn. Irgendwelche Unterhandlungen konnten nicht stattfinden und haben tatsächlich nicht stattgefunden."
" Die Tatsache, daß sich an dem in der Steuerkommission des Abgeordnetenhauses zustande gekommenen kompromiß auch die freisinnigen Mitglieder beteiligt haben, wird in freisinnigen Kreisen zur Zeit lebhaft und, wir dürfen sagen, keineswegs zustimmend besprochen. Die Steuerzuschläge sollen, wie bekannt, entgegen dem ersten Vorschlag der Regierung bereits bei einem Einkommen von 1200 m. beginnen. Man darf mit Recht fragen, ob eine solche Maßnahme dem bisherigen Standpunkt der Freisinnigen entspricht, der eine Mehrleistung der niedrigen Einkommen schon mit Rücksicht auf die drohende Erhöhung der indirekten Steuern im Reich vermieden wissen wollte."
Der" Standard" ist ähnlicher Ansicht. Die Audienzen der Parteiführer konnten nur auf Veranlassung des Premier. ministers gewährt worden sein. Was die Haltung des Königs betrifft," sagt das konservativ- schutzöllnerische Blatt, so ist keine Mutmaßung statthaft. Indem der König die offiziellen Führer der Opposition zu sich berief, konnte er nur dem Rate des Premierministers folgen.... Die Frage Erst als dieser Artikel erschienen war, stedten die Freisinnigen ist also: Was bezweckt Asquith ?" Das Blatt ant- ein Loch zurück, indem sie im Plenum wenigstens die Freilassung wortet, er wünsche einen Ausgleich, da er den konstitutionellen der Einkommen von 1200 bis 3000 M. beantragten; allerdings verRampf nicht wünsche und nur von Lloyd George und Winston geblich: das Abgeordnetenhaus beschloß mit überwältigender MehrChurchill zum Kampf gedrängt werde. heit, auch diese Steuerklassen zu schröpfen. :
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" Wer die Wahrheit als Evangelium fünden will, weiß von bornherein, wo seine bittersten Gegner sißen. Und er weiß auch, daß die herrschenden Gewalten wider ihn sein werden, weil sie ihr Dasein bedroht fühlen; weiß, daß sie kein Mittel scheuen, ihn zu vernichten. Wer also für die Wahrheit ficht, muß sich panzern vom Kopf zum Fuß und gewappnet sein jede Stunde des Tages für alle Fälle. So treten wir denn die Reise an, der in nebliger Ferne ein lockendes Ziel winkt. Mit jedem Tage wollen wir weiterdringen, bis die nächtigen Schleier fallen und helles Licht uns den Tag erhellt. Der Wahrspruch aber, unter dem wir fiegen wollen, soll heißen wie jener in des werdenden Reiches Jugendtagen:
Wer die Wahrheit kennet und sie nicht spricht, Der bleibt fürwahr ein erbärmlicher Wicht." Und heute schließt Herr Bruhn:
Der Tag der, Abrechnung aber wird kommen, und ein reinigendes Gewitter wird den Horizont erhellen. Unser Schild ist rein und unser Schwert ist blant. Wir werden uns, bauend auf eigene Kraft, gegen eine Meute ins Feld stellen, die zahllos ist wie der Sand am Meere. Und die Wahrheit" soll unsere Parole sein und unser Schlachtruf soll heißen: Dieu et mon droit! Und wir werden siegen, weil unsere Sache gut und unser Kampf ehrlich ist."
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Frecher ist wohl selten die deutsche Sprache zu unsauberen Zwecken gemißbraucht worden.
Wir begnügen uns damit, hierher zu sehen, was das einstige Organ des Bruhn, die antisemitische Staatsbürger- Zeitung", heute über das Organ des Gesinnungsgenossen von der anderen Fraktion schreibt. Da heißt es: Ale Standalblatt schlimmster Sorte muß jedoch die von dem Reichstagsabgeordneten Wilhelm Bruhn herausgegebene Wahrheit" bezeichnet werden. In diesem Blatt wurde ziemlich planmäßig das Privatleben reicher und hochgestellter Personen dem öffentlichen Standal preisgegeben. Davor bes hüten konnte man sich nur dadurch, daß man der Wahrheit" durch Inseratenaufträge etwas zu verdienen gab.
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