Ar. 245.
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Berliner Volksblatt.
26. Jahrg.
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Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.
Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.
Wählt Wahlrechtskämpfer!
Heute ist genau ein Jahr verstrichen, daß die Thron rede das feierliche Versprechen einer Wahlreform gab. Freilich einer Wahlreform, wie sie für die Masse des Volkes unannehmbar ist. Hieß es doch in der Thronrede wörtlich:
Mittwoch, den 20. Oftober 1909.
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.
Mit dem Erlaß der Verfassung ist die Nation in die MitDie Regierung will diesen Wechselbalg von einem neuen arbeit auch an den Geschäften des Staates eingetreten. Es ist Privilegienwahlrecht- frühestens Anno 1911! erst dann mein Wille, daß die auf ihrer Grundlage erlassenen Vorschriften dem Landtage vorlegen, wenn sie sich durch eine Aussprache über das Wahlrecht zum Hause der Abgeordneten eine mit den Führern der Parteien vergewissert hat, daß er von organische Fortentwickelung erfahren, welche der wirtschaft den ausschlaggebenden Parteien auch adoptiert wird! Selbst lichen Entwidelung, der Ausbreitung der Bildung wenn wir dabei von dem Hause der preußischen Lords, dem und des politischen Berständnisses sowie der Erstarkung Herrenhause , absehen, bleibt zu bedenken, daß im Abgeordneten- 24 Milliarden! des staatlichen Verantwortlichkeitsgefühls entspricht. Hause neben 104 ultramontanen und 65 national- 8377 Millionäre aber haben 221 Milliarden Vermögen, also Ich erblicke darin eine der wichtigsten Aufgaben der Gegenwart. liberalen Abgeordneten allein 212 Konservative sitzen, daß fast eben so viel, wie die 1 200 000 zusammengenommen! Ihre Bedeutung für das gesamte Staatsleben erfordert um- also eine Mehrheit der Wahlrechtsfeinde anser allem Zweifel Hat die Sozialdemokratie nicht recht, wenn sie diese schmachfaffende Vorarbeiten, die von meiner Regierung mit allem Nachdruck steht! Wenn es der Regierung gelingt, die Wahlreform auf volle Anhäufung des Reichtums in wenigen Händen beseitigen und die Bedürfnisse der konservativen Krautjunker, der national- das Eigentum an Produktionsmitteln in den Besitz der Gesamte
mißgeburt die proletarische Mehrheit des Volkes der Ver- Aber die Konfistation des Eigentums! Nun, die gewaltigung durch die mit Mehrstimmenrecht ausgestattete Sozialdemokratie will gerade der Konfiskation des Eigentums durch Minderheit der Besitzenden preisgibt! Die Form des die kapitalistische Konzentration ein Ende machen. Sie will durch Wahlrechts wäre damit geändert, der Zustand der Recht- Vergesellschaftung der Produktionsmittel die Nutzlosigkeit für die große Masse des Volkes aber der nießung der enteigneten, ausgeplünderten Massen am Nationalvermögen gleiche geblieben! Denn ein Wahlrecht, das es der wiederherstellen! Neunzig Prozent des Volkes können dabei Mehrheit der Wähler für alle Zeit unmöglich macht, nur gewinnen! auch die Mehrheit der Mandate zu erobern, ist nur ein Denn dafür, wie heute das Eigentum verteilt ist, ein paar wertloses Schein- Wahlrecht! Zahlen aus der amtlichen preußischen Vermögensstatistik für das Jahr 1908. Danach besaßen von den 38 Millionen Preußen nur 1 Millionen ein Vermögen von mehr als 6000 M. Diese 1 Millionen besaßen zusammen 91 Milliarden Vermögen. Von diesen 91 Milliarden Vermögen entfielen aber 67 Millionen auf nur 300 000 Berfonen, die pro Ropf mehr als 52 000 M. Ber mögen besaßen; auf die übrigen 1 200 000 Personen kamen nur
betrieben werden."
Die Krone hat sich also durch die Bewegung des Volkes liberalen Schlotbarone und der ultramontanen Pfaffen zu- heit überführen will?! bor gerade Jahresfrist endlich das feste Versprechen zuschneiden und in aller Gemütlichkeit durchzuberaten, so ist So viel für heute. Morgen mehr! einer Wahlreform abringen lassen, während noch im Januar die Wahlreform für nuabsehbare Zeit verpfuscht und die desselben Jahres 1908 der preußische Ministerpräsident Fürst Masse der Rechtlosen abermals schändlich um ihre Rechte Bülow die Wahlrechtsinterpellanten damit vertröstete, daß geprellt!
von der Regierung, geprüft" werde, welche Formen eine Nur ein Volkssturm kann die Dreiklassenschmach restlos gesunde Reform" des preußischen Wahlrechts annehmen hinwegfegen!
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der
Der Plan, in Landtagswahlbezirk Berlin XII die bürgerlichen Parteien mit einem gemeinsamen Kandidaten in den Kampf gegen die Sozialdemokratie zu führen, hat den müsse. Sobald die Staatsregierung für ihre Entschließungen Und nur der meint es ehrlich mit der Wahlreform, der Beifall auch einer Versammlung von Beamten gefunden, eine feste Unterlage gewonnen" habe, werde sie dem Landtage alle Kräfte einfegt, einen solchen Boltssturm zu entfachen! die am Montag in Moabit vom Beamten- Wahlverein Großeine entsprechende Vorlage unterbreiten. Nur der beweist den ernstlichen Willen, Preußen und Berlin " veranstaltet worden war. Die Versammlung, in der Es liegt nunmehr also das Versprechen vor, dem jetzigen damit ganz Deutschland von dem Alb der junkerlichen diese Kundgebung zustande kam, wurde geleitet von dem Landtage zu gegebener Zeit eine Wahlrechtsvorlage vorlegen Reaktion zu befreien, der von Stund an alle Kraft Gemeindeschullehrer Rosin, dem Freisinnsmann, zu wollen wie halboffiziös gemeldet worden ist, nicht gegen die Reaktion und für die Vertreter der Voltsrechte fürzlich in Berlin VII sich von Beamten und Lehrern vor dem Jahre 1911! aber weiter auch nichts! Denn einfegt! als Kandidat für den Freisinn hatte vorschlagen wenn auch die Andeutungen in der Thronrede über das, was Der Freifinn hat sich mit unsäglicher Schmach beladen lassen, aber dann hinter dem von den Hausbefizern unter der organischen Fortentwickelung" zu verstehen sei, und seine eigene Wahlrechtsforderung verhöhnt dadurch, daß er protegierten Stadtverordneten Goldschmidt zurückstehen mußte. überaus verschwommen sind, so ist daraus doch soviel nicht nur bei den Reichstagswahlen 1907, sondern auch bei den Jede der drei bürgerlichen Parteien, die in Berlin XII um mit aller Bestimmtheit zu entnehmen, daß man von Landtagswahlen 1908 den konservativen Wahlrechtsfeinden die Palme ringen, gibt bei dem Handel um die Mischmascheiner Uebertragung des Reichstagswahlrechts auf Preußen nichts Handlangerdienste geleistet hat! kandidatur sich der süßen Hoffnung hin, schließlich den eigenen wissen will! Nach wie vor gilt Bülows Erklärung Und auch jetzt wieder hat die freifinnige Parteileitung Standidaten auf den gemeinsamen Schild erhoben zu sehen. vom 10. Januar 1908: die Parole ausgegeben, den nationalliberalen Agrarier Zu der Versammlung waren die drei bürgerlichen Kandidaten
wie indes schon jetzt erklärt werden muß. Quard in Koburg gegen die Sozialdemokratie zu unter eingeladen worden, damit die Beamten prüfen könnten, wer steht es für die Staatsregierung nach wie vor stützen! Durch solche Stärkung der Gegner des allgemeinen, von den dreien sich wohl am besten zum Mischfest, daß die Uebertragung des Reichstagswahlrechts auf Breußen gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts beweist der Frei- maschmann eigne. Dem Freisinnskandidaten Prediger dem Staatswohl nicht entsprechen würde und deshalb abzu- finn, wie„ ehrlich" und„ mannhaft" er für die Volksrechte Runze hatte ein gütiges Geschick eine Verhinderung beschert, lehnen ist."
eintritt!
Bülow ist zwar als Politiker von der Bildfläche ver- Entrechtete! Gedenkt deshalb auch bei der vierfachen schwunden, aber sein Nachfolger Bethmann Hollweg ist um fein Haar besser als der agrarische Kanzler. Und ge- der Wahlrechtsverrätereien des Freisinns! rade zur Frage der preußischen Wahlreform hat sich ja der neue Reichskanzler und preußische Ministerpräsident schon ein mal in höchst bezeichnender Weise geäußert, als er noch preußischer Minister des Innern war. Bethmann Hollweg hatte im Frühjahr 1906 jene Gefeßentwürfe zu den Landtagswahlen einzubringen, die durch Aenderungen der Landtagswahlbezirke und Wahlorte sowie durch Vermehrung der Abgeordneten von 433 auf 443 an dem elendesten aller Wahlsysteme eine elende Flickerei vornahmen. Der jezige preußische Ministerpräsident benutzte diese Gelegenheit dazu, sich durch ein reaktionäres Glaubensbekenntnis den Beifall der Junker und Wahlrechtsfeinde zu erwerben. Diese Rede 1906 war bom 23. März 1906
Landtagsurwahl am 26. Oktober
bis zum letzten Tage mit den Wahlrechtsfeinden paktiert Schicht statt der hohlen Wahlrechts schwäter, die noch haben, wiederum die erprobten Wahlrechtskämpfer in das Junkerparlament!
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Der Sieg der vier Sozialdemokraten sei der Beginn der neuen Wahlrechtsaktion!
Zum Wahlkampf.
Freifinniger Flugblatt- Schwindel.
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so daß er davor bewahrt blieb, persönlich Rede und Antwort stehen zu müssen. Gekommen waren die beiden anderen, der Professor Leidig, der für die paar Nationalliberalen kandidiert, und der Eisenbahnsekretär Liebig, den die Kon fervativen den Wählern anbieten.
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Beide gaben etliches aus ihrem Programm zum besten und beide wurden danach als ungeeignet abgelehnt. Professor Leidig empfahl sich als Mann der„ mittleren Linie", gleich annehmbar für Konservative wie für Freifinnige. Ein all. gemeines gleiches Landtagswahlrecht tann feiner Meinung nach nicht im Interesse der Beamten liegen. Das Koalitionsrecht will cr ihnen geben, aber mit gewissen Schranken". Vor Leidig sprach Herr Liebig, der durch den Titel Eisenbahnsekretär besonders auf die Beamten zu wirken hoffte. Er mußte sich verteidigen gegen einen scharfen Angriff, Ein im 6. Berliner Landtagswahlbezirk verbreitetes Flugblatt, den in der Versammlung ein Führer der Beamtenbewegung, in einem geradezu komischen Kauderwelsch gehalten, das Herr das für den Freisinnskandidaten Mag Schulz Reflame macht, der Redakteur Coboeken, gegen ihn gerichtet hatte. Coboeken v. Bethmann Hollweg vermutlich als philosophische Tiefe be- bringt eine Reihe hanebüchene Entstellungen und Unwahrheiten, die erklärte, gerade Liebig scheine der allernngeeignetste, Beamte trachtet wissen wollte; allein soviel war aus dent ebenso ver- hiermit niedriger gehängt seien. im Landtage zu vertreten. Dieser Herr sei einer von den worrenen vie prätentiösen Gerede doch zu entnehmen, daß Da wird zunächst behauptet, die vier sozialdemokratischen Wahlen Beamten, die nicht Rückgrat genug haben. Liebig sei es eine glatte Absage an die Befürworter einer demo feien deshalb und mit Recht kratischen Wahlreform bedeutete. Ja, der berüchtigte Sozialdemokratie Terror geübt habe. kassiert worden, weil die übrigens nicht lediglich Beamter, sondern auch Hausbejizer. Er gehöre zu den Führern eines jener Hansbesikervereine, freikonservative Scharfmacher v. 8edlig fonnte Bethmann Das Flugblatt unterschlägt dabei die für den Freifinn von denen alles cher als eine Förderung der Interessen der Hollwegs Rede folgendermaßen auslegen: allerdings unsäglich blamable Tatsache, daß der Freifinn Beamten zu erwarten sei. Diese Tatsache ist richtig; sie Aus den Ausführungen des Ministers habe ich entnommen, auch deshalb für die Ungültigkeit der vier sozialdemokratischen Wahlen wurde schon vor zwei Jahren im Vorwärts" festgenagelt, daß die Regierung die Einführung des Reichsstimmte, weil die Wählerlisten angeblich falsche seien. Daß der als bei den damaligen Stadtverordnetenwahlen die Haustagswahlrechts für Preußen ablehnt, daß sie weiter Freifinn vier sozialdemokratische Wahlen für ungültig agrarier Moabits ihren Liebig im 45. Wahlbezirk dritter eine Neueinteilung der Wahlkreise ablehnt und die erklärte, die auf Grund derselben Listenaufstellung zustande gekommen Abteilung den kleinen Gewerbe- und Handeltreibenden, den historischen Rechte der bisherigen Einteilung wahren will, und waren, die auch den freifinnigen Wahlen zu Grunde lag, ist aller- Beamten und den Arbeitern als geeignetsten" Vertreter andaß sie endlich an ein Reichstagswahlrecht der Zukunft denkt, das dings ein so standalöser Att niedrigster politischer Gehässigkeit, daß zubieten sich erkühnten. Mit Recht sagte Coboeken über nicht nach unten, sondern nach oben führt, und daß dieses Wahl- es nur zu begreiflich ist, wenn ihn der Freifinn mit Schweigen diesen Herrn Liebig, von ihm sei auch nicht zu erwarten, recht der Zukunft ein gleiches für Preußen und Deutschland werden übergeht! daß er im Landtage sich gegen jene einseitig agrarische foll." Was aber den sozialdemokratischen Terror anlangt, Interessenpolitik wehren werde, die es den Beamten geradezu So also ficht der Mann aus, der dafür verantwortlich so ist es ja gut genug bekannt, in welch perfider Weise der Freifinn unmöglich mache, für die Konservativen einzutreten. Auf diese ist, daß die Verheißung der Thronrede in die Tat umgesetzt die Beamten ihren Behörden denunzierte, die sich nicht zum frei- Ausführungen, die mit Beifall aufgenommen wurden, gab sinnigen Stimmvieh erniedrigt haiten; wie ferner der heurige Herr Liebig eine Antwort, die mehrfach durch ihre ungewollte Wer also angesichts dieser Tatsachen eine Erfüllung der Landtagskandidat Schöler im„ Moabiter Bezirksanzeiger" Stomit laute Heiterkeit weďte. Er versicherte, daß es in Berlin Wahlrechtsforderungen der Massen von der Regierung 40 Wahlmänner der Nechtung preisgab, darunter sogar Staats- nicht viele Hausbesiger geben werde, die so beliebt seien wie erwartet, obgleich er vorgibt, ein Anhänger des allgemeinen, beamte! er, dessen Haus sogar von Beamten schon sehr lange bewohnt gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts zu sein, der begeht werde. Sodann fagte er sein abgeleiertes Sprüchlein vom den schimpflichsten Verrat am Bolte! Das Flugblatt will dann den Refern damit graulich machen, Mittelstandsschutz auf, er, der in seinem HausbesitzerNicht von der Regierung, nicht von dem preußi- daß die Sozialdemokratie für das Proletariat die Allein- verein die Pflicht hat, gegen den Mittelstand die Interessen schen Landtage in seiner jebigen Zusammensetzung ist eine herrschaft im Staate erobern und das Privateigentum beseitigen des Haus agrariertums zu fördern und auch im Landwahrhafte Reform des verrotteten preußischen Wahlrechts zu wolle. tage jederzeit dieser Pflicht eingedent bleiben müßte. Für den erwarten, sondern einzig und allein vom rücksichtslosesten Auch freisinnige Flugblattverfaffer wissen natürlich, daß die Landtag will er höchstens das geheime und direkte Drängen von unten her, von einer unwiderstehlichen Volks- Sozialdemokratie jede Klaffenherrschaft beseitigen will. Sie wissen Wahlrecht geben, aber nicht das allgemeine. Es bewegung! nicht minder, daß die Sozialdemokratie ihre Bestrebungen vermittelst sei recht und billig, daß den stärkeren Steuerzahlern auch der Wie die Regierung über die Wahlreform denkt, haben wir der Demokratie durchsetzen will. Die Absichten der Sozialdemokratie größere Einfluß bleibe. Solchermaßen entwickelte Herr Liebig ja oben gezeigt. Die Regierung wird bestenfalls ein Plural- verdächtigen heißt also nichts anderes, als die Demokratie selbst ver- fein Programm" unter dem Widerspruch der Mehrheit seiner wahlrecht vorschlagen, das ähnlich wie die sächsische Wahlrechts- dächtigen! Zuhörer.
wird!
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