Leeds , der Bereits im Jahre 1847 Begründet wurde und der älteste der Vereine ist. Während die Zahl seiner Verkaufsstellen 24S de« trägt, verfügte gegen Ende deS Jahres IMS der LreSlauer Konsumverein nur über 75 Verkaufsstellen. Analog der Zahl der Verkaufs- stellen ist der Warenumsatz des Vereins in Leeds der weitaus größte und repräsentierte einen Wert von rund 37,62 Millionen Mark. Wie überhaupt bei fast allen ausländischen Konsumgenossenschaften die Zahl der Verkaufs- stellen größer als in Deutschland und Oesterreich ist, so ist es auch der Wert der umgesetzten Ware. To wurden in Edinburgh 2g, 7 und in Bolton bei einer von Mrtgliederzahl 34 138 Personen 18,2 Millionen Mark an Waren umgesetzt, während in Breslau an die 87 31g Mit- glieder nur für 13,8 Millionen Mark Waren verkauft wurden. Den geringsten Umsatz der zehn Vereine hatte der Verein in Stuttgart mit 7,77 Millionen Mark aufzuweisen. Der Umsatz auf den Kopf der Mitglieder Ivar in Edinburgh mit 853 M. am größten; eS folgten Leeds mit 753. Bolton mit 532, Basel mit 505. Leipzig - Plaglvitz mit 416, Dresden mit 331, Wien mit 244, Breslau mit 215, Stuttgart mit 213 und Hamburg mit 204 M. Umsatz für de» Kopf der Mitgliederzahl. Naturgemäß ist ebenfalls infolge des höheren Alters sowie des absoluten und relativen Warenumsatzes die finanzielle Grundlage der englischen Konsumvereine schon eine günstigere als die der deutschen Konsumgenossenschaften, von denen Leipzig -Plagwitz das größte Geschäftsguthaben mit 1,27 Millionen Mark besitzt, während LeedS, Bolton und Edinburgh mit solchen von 15,99, 15,33 und 11,11 Millionen Mark aufwarten. Die Eigen- Produktion ist am größten in Leipzig -Plagwitz init 5,52 Millionen Mark und ist überhaupt in Deutschland insgesamt relativ mit der englischen auf mindestens gleicher Höhe. Hua der frauenbewcAfimg» Mugdan als WahrheitSlenchte im NcichSverband. Sensationell und fast unglaublich klingt eine Tatsache, die Frau Minna Cauer am Montag abend einer Friedevauer Versammlung der demokratischen Vereinigung mitteilte. Ein günstiger Wind hatte « ihr ein Zirkular des Neichsverbandes zur Bekämpfung der Sozial- demokratie auf den RedaklionStisch geweht, worin von einer neu ge« troffenen Einrichtung zur politischen Schulung der im„Deutschen Frauenbund" organisierten konservativen Frauen berichtet tvurde. Diese Damen sollen künftig Zutritt haben zu einem national- ökonomisch-politischen AusbildungskursuZ für Lehrer. Unter den Vortragenden, denen eZ obliegt, im Sinne des berüchtigt wahrheitS - liebenden Verbandes neue Hilfstruppen gegen die Sozialdemokratie zu drillen, befindet sich neben Herrn Dr. Arendt auch fein Glaubens- genösse Herr Dr. Mugdan, Mitglied der freisinnigen Volkspartei. Haß gegen die Sozialdemokratie läßt die Frei- finnSleuchte zum Handlauger der schwärzesten Reaktion werden. Und das geschieht kurze Zeit nach dem der Freisinn aus dem Block hinausgeworfen worden ist, noch mehr: zu einer Zeit, in der der General von Liebert als Vorsitzender des Neichsverbandes erklärt hat, der Freisinn sei so unzuverlässig, daß man mit ihm nicht mehr paktieren könne. Es empfehle' sich deshalb, bei Wahlen den Frei- sinn ganz aus dem Spiele zu lasten und lieber dem Zentrum Wahl- Hilfe zu leisten. Und jetzt? Liebert und Mugdan Arm in Arm I Genossinnen! Gedenkt besten im Hinblick auf den 26. Oktober! Der rettende Frauenbund. Die konservativen Organe überbieten sich förmlich darin, das tollste Zeug über Zweck und Ziele der Frauenbewegung ihren Lesern und Leserinnen vorzusetzen. Niemals findet man da eine Wür- digung oder sachliche Betrachtung der Frauenbewegung nach tief- innerstem Grunde, niemals eine Erörterung über die Notwendig- keit des Eintretens der Frau für die Frau und somit für alle sie eng berührenden Fragen, wie Ehe, Familie, uneheliche Mutter- schast, Fürsorgeerziehung und dergleichen mehr. Es gibt ja kein Gebiet im ganzen StaotSgetriebe, woran die Frau nicht ebenso interessiert ist, wie der Mann. Für den Grafen Reventlow aller- dings nicht. Forderte er doch kürzlich in der„Deutschen Tages- zeitung",„die Frau sollte von allen politischen Sonderbestrebungen und Schwankungen unberührt daS nationale Herdfeuer im Hause pflegen." Schön gesagt! Gilt das auch für die fronenden Fabrik- arbeiterinnen und Landsilavinnen? Mit den technischen EntWicke- lungen und Vervollkommnungen, die den Haushalt nach und nach umgestalteten, und der Revolutionierung und Ausbreitung der In- dustrie haben auch Wandlungen und Umgestaltungen im Frauen- leben stattgefunden. Für die dabei frei werdenden Frauenkräfte fand sich BctätigungSmöglichkeit in Werkstatt und Kontor. Der Flügelschlag des kapitalistischen Zeitalters rührte die Schwingen. Immer neue Berufe entstanden für die Frauen, man begehrte ihrer und der Ltapitalismus verstand es, die ungeschützte und billige weibliche Arbeitskraft für seine Zwecke auszunützen. Pflichten wurden den erwerbenden Frauen auserlegt— außerhalb des Herd- feuerscheineS. Die überall Unterdrückten und Entrechteten erwachten zum Bewußtsein. Was die Nur-Dienerin des Mannes geduldig ertrug, war natürlich unvereinbar mit den neuen Anforderungen. Daß einer Frau Pflichten auferlegt wurden, galt als selbstver- ständlich, aber als unerhört gilt den Repräsentanten der Klassen- Herrschaft, daß eine Frau es überhaupt wagt, von Rechten zu sprechen. Graf Reventlow entrüstet sich: „Es liegt ein überaus komischer Widerspruch darin, daß nach der„reinen Lehre" der Bewegungsweiber das von ihnen tief verachtete„Weibchen" früherer Generationen bis in die heutige hinein so ziemlich das törichtste und minderwertigste Wesen ist, das die Natur überhaupt hervorgebracht hat, während das„er. wachte" moderne Weib sich auf einmal(?I) im Besitz aller Weisheiten sieht und mühelos imstande ist, auf allen den Ge- bieten daS Gleiche wie der Mann zu leisten, welches dieser sich nach langer, mühsamer, entwickelnder Arbeit zu eigen gemacht, die er geschaffen hat." Daß die Geschichte der Frauenbewegung einen langen kämpf. «eichen, arbeits- und mühevollen Weg bis zu dem heutigen Stadium zurückgelegt hat, davon ist anscheinend dem Nationalpionier nichts bekannt. Der Nationalpofauner Reventlow entrüstet sich über den der Frauenbewegung und der Sozialdemokratie gemeinsamen inter - nationalen Charakter. Warum über diesen? International ist doch auch der Bauernbund, international das Kapital, international der Ultramontanismus, international der Liberalismus, inter - national die Wissenschaft, ja, international sind auch die Friedens- bestrebungenl— Einen Trost in allem Wirrsal erblickt der „Weibchen" Ehrenretter in dem vor kurzem begründeten„Ratio- nalen Frauenbund", der ihm als ein„erfreuliches Zeichen dünkt des erwachenden politischen(1) Sinnes in Kreisen, die sich bis dahin auf untätige Zurückhaltung beschränkten." Merkwürdiger Mderspruchl Auf einmal ist der erwachende politische Sinn der Frauen ein„erfreuliches Zeichen". Was nun aber, wenn auch die „Nationalen Frauenbunde" dazu kämen, sich„international" zu- sammenzuschließen? Und dürfen die Frauen des„Nationalen Bundes"(zur Bekämpfung der Sozialdemokratie) es wagen, für sich selber politische Ziele anzustreben? Sicher nicht, denn Graf Reventlow hält auf alle Fälle die„brutale Faust" des Mannes für nicht entbehrlich. Im Statistischen Jahrbuch für das Deutsche Reich findet man die Zahl der erwerbsfähigen Frauen wie folgt angegeben: Deutsch - land 9,4 Millionen, Frankreich 6,8 Millionen, Oesterreich 5,6 Mil- lionen, Großbritannien sowie Vereinigte Staaten je 5$ Millionen, Rußland 5,2 Millionen. Italien 5,2 Millionen. Das hat die„bru. tale Faust" des Mannes nicht verhindert. Die Lohnarbeiterin hat sich in mühevollem Ringen einen Platz in der Gütererzcugung erobert; von der rauhen, harten Wirk- lichkeit, von des Lebens hartem Muß war sie dazu gezwungen. Sie ist, wie der männliche Klassengenosse, das Opfer der inter - nationalen Ausbeutung durch das Kapital, sie ist, wie der schaffende Mann, Trägerin der Gütererzeugung, und daher leitet sie ihr Recht auf Forderung der ungeschmälten Gleichberechtigung. Verband der Hausangestellten. In einer am Sonntag, den 17. d. M.. in Feuersteins Festsälen abgehaltenen gutbesuchten Versanunlung referierte Genosse Diesing, der es verstand, die Dienstboten auf das lsnlvürdige ihrer Lage bili- zuweisen. Er schilderte, wie die Organisation den stärksten Einfluß aus Verbesserung der Arbeitsbedingungen haben kann, wenn sie stark an Zahl ist und die Mitglieder treu zu ihr halten. Nur auf diesem Wege kann auch der von der Organisation der Hausangestellten auf- gestellte„freie Arbeitsvertrag" zur Durchführung gelangen. Die gut gewählten Beispiele, die der Referent gab, verfehlten ihre Wirkung nicht. In der sehr lebhaften Diskussion wurden auch verschiedene empörende Fälle von sittlichen Verfehlungen der .Hausherren" geschildert. Leider liegen diese Fälle zu weil zurück, um dagegen einschreiten zu können. Sie beweisen aber die Not- wendigkeit, den Dienstboten eine Rat- und Auskunftstelle zu bieten, die gleichzeitig eine Anklagestclle für alle Ungehörigkeiten, denen die Dienstboten ausgesetzt sind. sein soll. Die Stimmung der Ver- sammlung verriet, daß alle Anwesenden die Notwendigkeit des Anschlusses an den Verband erkannt hatten. 22 Neuaufnahmen war der Erfolg. Weitere Anmeldungen sind z» richten an das Bureau des Verbandes, Michaelkirchplatz 1, vorn II. Dort wird auch AgitationSmaterial verabfolgt._ Ter Vnnd für Mutterschutz hielt am letzten Donnerstag im Archilekteuhause eine öffentliche Versammlung ab, in der Frau Grete Meisel-Heß über Prostitution, Mutterschutz und Rassenhhgieue rese- rierte. Sie besprach in kurzen Umrisse» die Geschichte der Prostitution aus der Antike bis in unsere heutigen Tage, geißelte die bestehende Heuchelei im Geschlechtsleben, sprach über die Schmach und Schrecken des schaurigen Dienstes der Dirne und schilderte die dreifache Korruption der Prostitution, die des ManneS, des Weibes mid deS sozialen VewußtseinS. Sie ging dann über auf die bürgerliche Frailen« bewegung und konnte sich bei dieser Gelegenheit nicht eines Seiten- Hiebes auf die sozialistische Fraucnbeiveglmg enthalten. Erst die bürgerliche Frauenbeivegung hat ihrer Meinung nach die be- zahlte Beschäftigung der Frau außerhalb des Hauses ge- stattet. Sie dachte hierbei wohl nur an die Zulassung der Frau zu den höheren Berufen und vergaß ganz, daß die Frau in den prole- tarischcn Bevölkerungsschichten schon lange vor dieser Zeit durch schwere, oft den Frauen gar nicht znkoiinneiide Arbeiten zum Unter- halt ihrer Familien beitragen mußten. Alle Hilfe sieht sie in einer llnabhängigmachung der Frau durch Erschließung aller Berufe für die Frau und in einer damit zusammengehenden Einrichtung des Mutterschutzes auf versicherungstechnischer Grundlage. ohne den Schluß zu ziehen, daß eine wirkliche Hilfe nur in einer gänzlichen Abänderung der Gesellschaftsordnung gesunden werden kann. Leseabeude. Friedenau . Heute Mittwoch, 8l4 Uhr, erster Frauen-Lese- abend im Lokal von Schönefeld , Rheinstr. 31. Wir erwarten eine zahlreiche Beteiligung, damit diese Neueinrichtung auch bei uns lebensfähig wird. Der Vorstand. Sericbts- Leitung. Prozeß gegen den Journalisten Dr. Pleißner. Leipzig , den 19. Oktober 1909. Vor der zweiten Strafkammer des hiesigen Landgerichts hat sich heute der Herausgeber der Leipziger Halbmonatsschrift „Deutscher Kampf", Dr. Artur Pleißner, wegen Freiheitsberaubung, Hausfriedensbruch und Diebstahl zu der- antworten..Dieser Prozeß steht im engsten Zusammenhang mit dem mysteriösen Doppelselbstmord an dem Ehepaar Friedrich in der Windmühlenstraße in Leipzig , der seit Oktober vorigen Jahres die Leipziger Behörden in Aufregung bringt. Man nimmt aus gewissen Einzelheiten bei der Tat an, daß die Beraubung der Friedrichschen Eheleute von demselben Mörder ausgeführt worden ist, der vorher bereits den Geldbriefträger Rübner überfallen hatte. Die Aufregung über die Tat wurde noch gesteigert durch eine ganze Reihe von Erpresserbriefen, die ihrem In- halte nach von einem Mitwisser der Tat herrühren mußten und die an den bekannten Leipziger Verlagsbuchhändler Weber, dem Herausgeber der„Illustrierten Zeitung", das Verlangen stellten, große Geldsummen an einem bestimmten Orte niederzulegen, widrigenfalls auch er getötet werden würde. Trotzdem die Polizei auf das Verlangen des Verbrechers einging, gelang es nicht, diesen zu fassen; dieser verhöhnte vielmehr die Polizei wegen ihrer Er- folglojigkeit in einer Reihe Briefe. In einem Schreiben hielt er der Polizei auch vor, daß ein im Oktober 1907 auf eine Fabrik- besitzersfrau Wagner aus Naunhof in der Gottsch�dstraße ver- suchter Ueberfall noch immer nicht aufgeklärt sei. Der Brief- schreiber machte über diese Tat detaillierte, und wie sich später herausstellte, zutreffende Angaben. Unter dem Verdacht, den Ueberfall auf seine Frau begangen zu haben, wtzr der Ehemann, der angesehene Fabrikbesitzer Wagner, in Haft genommen worden. Diese Verhaftung hält der Briefschreiber für unberechtigt und teilt mit, daß ein anderer in Frage komme. Er beschrieb genau einen Mann, der von dem Attentat wissen müsse, und die Personal- beschreibung war so genau, daß der I o u r n a l i st Dr. Artur Pleißner selb st erklärte, nur er könne damit gemeint sein. Die Polizei folgte dieser Spur des großen Unbekannten und stellte über Dr. Pleißner eingehende Ermitte- lungen an. Sie vernahm ihn mehrfach, zumal Dr. Pleißner im „Deutschen Kampf" wiederholt für die Unschuld des Fabrikbesitzers Wagner eingetreten war. Ja, er war sogar schon in dieser Sache nach Hamburg gefahren, wo Frau Wagner nach der Trennung von ihrem Manne Wohnung genommen hatte. Frau Wagner ist von ihrem Manne aus einem Bordell heraus geheiratet worden und Pleißner vermutete nun in diesem früheren Milieu den Täter. Er ist bei einem seiner Hamburger Besuche auch in die Wohnung der Frau Wagner eingedrungen und soll ihr dabei Briefe entwendet haben. Ferner soll er einen Hamburger Kriminalschutzmann zu bestimmen ge- wüßt haben, Frau Wagner als verdächtig in ihrem Hause zu be- wachen. Den Leipziger Polizei- und Gerichtsbehörden machte Pleißner in Extraausgaben seiner Zeitschrift schwere Vorwürfe, die dahin gingen, sie verfolgten mit Absicht falsche Spuren, um den richtigen Täter und Erpresser, der unter hochstehenden Homo- sexuellen zu suchen sei, zu schonen. Ilm der Gefahr einer Kollusion vorzubeugen, wurde Pleißner schließlich in Haft genommen, aus der er nach kurzer Zeit jedoch wieder entlassen wurde. Ueber den Ausgang der Verhandlung werden wir berichten. ZeitungSverleger und Urheberrecht. Wegen Vergehens gegen das Urheberrecht ist am 21. April vom Landgerichte Stettin der Redakteur und Schriftsteller Ludwig Hamann zu � einer Geldstrafe von 50 M. verurteilt worden, nachdem ein früheres gleichlautendes Urteil vom Reichsgericht aufgehoben worden war. Außerdem ist auf eine Buße von 100 M. erkannt worden. Als Redakteur und Bevollmächtigter des Verlegers der„S t a r g a r d e r Zeitung" hatte er von' dem Schriftsteller B. zwei Artikel zum Abdruck in der Ze i t u n g erworben, welche die Obst- und Beerenwcinbcreitung sowie die Bienenzucht betrafen. Im Jahre 1306 ließ er beide Artikel ohne Angabe des Verfassers in der Wochcnbeilage der„Star- garder Zeitung" erscheinen. Unter Benutzung des bis dahin auf- bewahrten Satzes veranstaltete er im Herbst von jedem Artikel eine Heftausgabe, welche den Titel bekam: Hamanns praktische Bibliothek Nr. 1 und 2. Die 1000 hergestellten Exemplare über- ließ er der Strengeschen Verlagsbuchhandlung gegen Ersatz der Papier » und Druckkosten. Der Angeklagte will sich für berechtigt gehalten haben, eine Heftmisgabe der beiden Arbeiten zu ver- anstalten, weil seinerzeit der Verfasser ein höheres als das sonst für Zeitungsartikel übliche Honorar erhalten habe. B. habe das Honorar„für Abtretung der Artikel" erhalten. Das Gericht hat aber angenommen, daß B. die Artikel nur zum Abdruck in der Zeitung dem Verlage der„Stargarder Zeitung" überlassen hat, nicht aber dem Angeklagten zur privaten Verwertung in einem anderen Verlage. Daß der Angeklagte dokoS gehandelt habe, gikje auch daraus hervor, daß er dem Verfasser vor Erscheinen der Hefte keine Korrekturbogen gesandt habe.— Die Revision des Angeklagten gegen das neue Urteil wurde am Montag vom Reichsgericht verworfen, da nunmehr die Schuld des Ange- klagten ausreichend festgestellt ist. Unter den Dienstmädchen des Westen? suchte und fand der„Diener und Tafeldccker" Bcrthold Roggenbach, der gestern unter der Anklage des Betruges vor der dritten Straf- kammer des Landgerichts III stand, seine Kundinnen. Er suchte niit_ Vorliebe die herrschaftlichen Häuser im Westen auf und schlängelte sich auf den Hintertreppen an die Dienstmädchen heran. Sie gingen auch mit Freuden auf den Vorschlag RoggcnbachS ein. sich von ihm die Karten legen zu lassen, und dann weissagte er ihnen alle möglichen schönen Dinge, wobei Liebe und Heirat natür- lich in erster Reihe standen. Und um das Maß der Begeisterung voll zu machen, prophezeite er den Mädchen auch noch, daß sie nicht nur Glück in der Liebe, sondern auch Glück im Spiel haben würden, was bekanntlich im allgemeinen nicht zusammentrifft. Wenn er dann abends wieder auf der Hintertreppe erschien, wurde es ihm nicht schwer, die Mädchen zu überreden, doch einmal ihr Glück zu versuchen. Gegen Zahlung von 1,25 M. überreichte er einen schön gedruckten Zettel, der eine bestimmte Nummer anzeigte, die Unterschrift„Noggcnbach, Vorsitzender" trug und verkündete. daß die Besitzerin ein Zweiunddreihigstel Anteil an einem Lose der bezeichneten Nummer der Preußischen Klassenlottcrie erworben habe. Dabei machte der Angeklagte sich bei den Mädchen noch dadurch beliebt, daß er ihnen Bons für das Palast-Theater, die Brauerei Fricdrichshain und dergleichen als Aufmerksamkeit zu» gab. Die an ihn zu richtenden Briefe dirigierte er vorsichtigcrweise unter einer bestimmten Chiffre nach einer Postanstalt. Tos Ge» schäft wäre für ihn wahrscheinlich noch recht lange ganz einträglich geblieben, wenn nicht der Zufall gewollt hätte, daß die Nr. 36 824, zu welcher der Angeklagte angebliche Anteilscheine verkauft hatte, mit einem Gcioinn von 3000 M. herauskam. Freudestrahlend liefen die Mädchen zu'dem nächsten Lotteriekollekteur und wollten Geld haben, konnten aber nur die Versicherung entgegennehmen, daß sie einem Schwindler zum Opfer gefallen wären. Letzterer war bald ermittelt. Er war gestern geständig und bat nur um eine gelinde Strafe, da er aus Not gehandelt habe.— Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu vier Monaten Gefängnis. Der Staats» anwalt hatte ein Jahr Gefängnis beantragt. Die Geschäftspraktiken eines Heiratskontors, welches angeblich Heiraten nach den Deutschen Kolonien zu vce- mittel» hatte, beschäftigten gestern die 1. Strafkammer des Land- gerichts I. Wegen gemeinschaftlichen Betruges waren der Kauf» mann Karl 51asclowski und der Architekt Arno Grein angeklagt. Die Angeklagten etablierten in dem Hause Charlottenstr. 70 ein Hciratskontor. Es wanderten nun in alle Welt Prospekte hinaus, in tvelchcn sich das Bureau zur Vcrmittelung von Heiraten mit reichen Farmbesitzern aus Südwcstafrika anbot. Die heiratslustigen Damen, welche nicht abgeneigt wären, die Reis« nach Afrika anzu» treten, sollten sich unter der Chiffre„Glück" bei einem hiesigen Postamt melden. Auf das verlockende Angebot hin meldeten sich eine große Anzahl heiratslustiger Frauen und Mädchen, die ihre Geneigtheit kundgaben, in Südwestafrika als deutsche Hausfrauen zu malten. Einige Tage nach ihrer Meldung erhielten die Heirats- lustigen von den Angeklagten einen Brief, in welchem mitgeteilt wurde, daß verschiedene deutsche Frauenvercinigungen dagegen an- kämpfen, daß die deutschen Kolonisten in SüÄvestaftika mangels weißer Frauen Mischehen eingehen. Aus diesem Grunde habe sich der„Verein deutscher Frauen" mit Farmern in Südwcstafrika in Verbindung gesetzt und nicht weniger als 400 deutsche Farmer seien bereite«uf einem Woermann-Tampfer nach Deutschland unter- wegS, um sich hier eine Lebensgefährtin zu suchen. Als Ort der Zusammenkunft der Mädchen und ihrer afrikanischen Freier sollte das neue Opernhaus(Kroll) dienen, welches von dem Verein auf 12 Abende gemietet worden sei. Hier sollte ein gemütliches Zu» sammensein nach voraufgegangener Opernaufführung stattfinden, bei welchem die Farmer ihre Zukünftigen näher kennen lernen und ihre Auswahl treffen sollten. Am Schlüsse dieses Briefes wurde dann den Empfängerinnen in der„zartfühlendsten" Weise klar- gemacht, daß man von den Farmern doch nicht verlangen könne. daß sie auch noch ihr Licbeswerben bezahlen sollten. Die Dance« hätten deshalb je 60 M. zu entrichten, wofür sie natürlich zu allen Festlichkeiten und Veranstaltungen freien Eintritt haben sollten.— Diese Heiratsvcrmittelung„EngroL" erregte jedoch das begreifliche Interesse der Kriminalpolizei, welche sich die ganze Sache genauer ansah und entdeckte, daß alles Schwindel war. KasclowSki wurde verhaftet, während Grein auf freiem Fuße blieb.— In der gestrigen Verhandlung beantragte der Staatsanwalt eine Gefängnisstrafe von 6 bezw. 3 Monaten. Das Gericht nahm mit Rücksicht darauf, daß irgendeine materielle Schädigung der Zeuginnen nicht einge- treten ist, da diese nachträglich schadlos gehalten worden sind, von einer Freiheitsstrafe Abstand und erkannte gegxn Kaselowski nur auf 560 M. Geldstrafe, von denen 300 M. durch die erlittene Unter- suchungShast als verbüßt erachtet wurden, und gegrn Grein auf 260 M. Geldstrafe._ Versammlungen. Eine imposante Volksversammlung deS sechsten Wahlkreise? tagte Dienstag in Franks Festsälen, Badstr. 19. Genosse Molken. b u h r sprach daselbst vor zirka 1000 Personen, darunter zahlreichen Frauen, über das Thema:„Was wir wollen". Von der Tatsache ausgehend, daß sich noch gar viele Arbeiter vorfinden, die sich zwar der Partei anschließen und für sie wählen, ohne jedoch mit deren Forderungen und Zielen vollständig vertraut zu sein, erläuterte Redner in trefflichen Darlegungen das sozialdemokratische Pro- gramm. In wirksamen Darlegungen verbreitete sich der Referent über die Stellung der Partei zur Wahlrechtsfrage, der politischen Gleichberechtigung der Frau, zur Religion, Schule. Sozialpolitik und so weiter. Werfe man der Sozialdemokratie vor, sie vollbringe zu wenig an positiven Leistungen, so sei dies falsch. Sie habe manches er- zielt, aber man dürfe bei der Beurteilung ihrer Wirksamkeit auch nicht übersehen, daß alle unsere Forderungen Klassenforderungen sind, die im Parlament auf den Widerstand derjenigen stoßen, die ein Interesse haben, an den gegenwärtigen Verhältnissen und der heutigen Gesellschaftsordnung festzuhalten. In den vier Jahr- zehnten ihres Bestehens habe die Partei zwar große Fortschritte gemacht, aber es stehe ihr immer noch ein AgitationSgcbiet offen, das erwarten läßt, daß einstens die Mehrheit des Volkes inner- halb der Sozialdemokratie stehen wird. Tann wird sie jene Macht geworden sein, mit der wir die sozialistische Gesellschaft errichten können. ES genügt nicht, nur Recht zu haben, wir müssen zur Macht werden, um das, was wir wollen, auch in die Tat um. setzen zu können.(Lebhafter, andauernder Beifall.) In der Diskussion versuchte ein Herr August Kuhlmey in recht krausen Ausführungen den guten Eindruck des Referats ab. zuschwächen. Der Gipfel seiner Ausführungen schien zu sein, die Partei und insbesondere die freien Gewerkschaften für das Bestehen deS Systems der Akkordarbeit verantwortlich zu machen. Nachdem es die Versammlung abgelehnt hatte, sich mit der» artigen Weisheiten traktieren zu lassen, sprach Nicolai im Sinne des Referenten und forderte in begeisterten Worten auf, einig zu sein und das rote Banner der Menschenliebe hochzuhalten. Genosse M o l k e n b u h r ging kurz auf die Ausführungen Kuhlmeh'S ein. die gezeigt hätten, wie es bei Leuten aussehe, die sich durch die Schriften des ReichsverbatcdeS den Kopf verdrehen lassen. Redner erinnert noch daran, wie Lassalle den Organisations, gedanken wachgerufen, und wie durch das Festhalten desselben die Partei nun zur größten politischen Partei geworden ist. Nach einer Aufforderung, für die Partei und deren Presse zu agitieren, den Schnapsbohkott hochzuhalten, wurde die Bersamm. lung mit einem dreifachen Hoch aus die völkerbesreiende Sozial» demokratie geschlossen,
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