hätte, noch viel schlechter weggelommen. Nachdem auch dieser schöne Grund die katholischen Arbeiter, die noch nicht daS Denken ganz verlernt haben, nicht von der Richtigkeit der Steuer- mogelet des Zentrums mit den Konservativen zu über- zeugen vermocht hat, sind die Zentrumsblätter auf eine dritte Entschuldigung verfallen. Sie erklären jetzt. die Zentrumspartei hätte sicherlich nicht gern für die neuen Verbrauchs- steuern gestimmt; aber sie hätte nicht anders können, nämlich aus Pflichtgefühl. Das teuere Vaterland hätte dringend neuer Geldmittel bedurft, und um diese Mittel zu be- schaffen, wäre daS Zentrum als, echt deutsche. nationale Partei in die Bresche gesprungen. Besonders die„Westd. Arbeiterztg." benutzt seit einiger Zeit mit Vorliebe diese niedliche Argumentation. Sie schreibt: „Was hat unsere Partei denn getan, was ein derart schmutziges Tun rechtfertigen könnte? Sie bat ihre Pflicht getan als nationale PaifteU Weiter nichts I Sie hat dem Vatcrlande gegeben, was sein Gedeihen gebieterisch erforderte. Sie hat mitgeholfen, dem elenden, blamablen Feilschen um die neuen Steuern ein Ende zu machen. Sie hat die Scham weg- genommen, die auf der Stirne jedes aufrichtigen Deutschen brannte angesichts des HohngelächlerS im Ausland... Nichtsdestoweniger: sie wird mit Kot beworfen und wir mit ihr. Und mit welch traurigen Mitteln känwft speziell die Sozialdemokratie gegen uns und unsere Partei. Lest ihre Presse, ihre Flugblätter und zeigt unS ein sachliches Wort I Nichts als Beschimpfungen, Roheiten, Ungezogenheiten... Katholische Arbeiter! Kollegen I Geht auf der ganzen Linie zum Angriff vor! Stellt die Sozialdemokraten! Faßt den Stier bei den Hörnern! Laht Euch nicht verblüffen! Zwingt den sozia- listischen Phraseur Rede und Antwort zu stehen und Ihr habt ih» überwunden I Man veranstalte besondere öffentliche Versammlungen für christliche Arbeiter. Für christliche, damit die sozialdemokratisch fanatisierte und verrohte Masse gezwungen werden kann, sich als Gäste zu betrachten." Wir wollen nicht untersuchen, wo die Roheit zu finden ist. Die gestern von uns berichtete bestialische Behandlung sozialdemokratischer Flugblattverteiler durch Besucher des Duisburger Parteitages der unterrheintschen Zentrumspartei beweist zur Genüge, wie es um die sittlichen Qualitäten der Gefolgschaft der Spahn, Trimborn und Erzberger bestellt ist. Um zu zeigen, wie wenig die ehrsame„Westd. Arbeiterztg." selbst glaubt, was sie ihren Lesern erzählt, wollen wir lediglich dem obigen Zitat gegenüberstellen, waS sie vor dem Steuer« koinpromifi zwischen Zenwum und Konservativen geschrieben hat. Damals forderte sie die Aufbringung der erforderlichen neuen Geldmittel durch Besitzsteuern und durch die Abschafsimg der Schnapsliebesgabe. Wörtlich schrieb sie: ,... Und da die dielumstrittene Frage der Heranziehung des Be- sttzes zurzeit noch„völligin derLuft schwebt", und da sich erfreulicherweise die Sympathien für eine Nachlast- bezw. ErschaftS« steuer in den letzten Wochen vermehrt haben, so sei hier der drin« gende Wunsch taufender Arbeiter, die au fZentruinSstandpunkt stehen, ausgesprochen, unsere Vertreter mögen für ein derartiges Steuer- Projekt eintreten. Es möge einmal mit der Auffassung aufgeräumt werden, als könne man in Zentrumskreisen von einer Nachlast« steuer nicht reden. Noch einmal: Wir wollen eine tat« sächliche Heranziehung de» Besitzes, keine Besitz« steuer auf dem Papier. Die ZentrumSpartei möge trotz der Hetzarbeit des Bundes der Landwirte und unbeeinflustt von rechts— daS kann auch einmal gesagt werden ihren Weg gehen. Wir müssen Verwahrung dagegen einlegen, dah daS steuerpolitische Schiff der Zentrumspartei unter der Gunst oder Mitzgunst einer momentanen politischen Situation derart nach recht« gedreht wird, d a st wir unsere Partei nur schwer mehr zu verstehen vermögen." Damals warnte also da« Blatt vor dem Einfluß„von rechts" und erklärte, die katholischen Ardeiter vermöchten die Steuerpolitik der ZentrumSpartei nicht mehr zu verstehen; heute preist es diese selbe Steuerpolitik als eine vaterländische Grosttat, als eine heilige nationale Pflicht. Wer solcher Ausrede glaubt, verdient wegen polizeiwidriger Einfalt zum Ehrenmitglied der M.-Gladbacher Zentrale für Volksaufklärung ernannt zu werden. Etwas von der Beamtenbesoldung f Man schreibt uns: Beim Hauptpostamt C. 1 in Berlin sind zirka 40 sogenannte Bahnhofsbcgleitcr und zirka 20 sogenannte Stadtgeldbegleiter tätig, welche für ihre Auslagen an zu machenden Fahrgeldern seit einer Reihe von Jahren sogenannte Dienstaufwandsgelder be« ziehen, und zwar die Bahnhofsbegleitcr IS M. und die Stadt- geldbegleiter S M. pro Monat. Diese Gelder werden von diesen Postunterbeamten auch tatsächlich im Dien st e aufgewendet, da sie gezwungen sind, des öfteren am Tage Fahrten mit der Elektrischen usw. zu machen, um zur bestimmten Zeit bei den Postämtern einzutreffen, weil sie von dort au» wieder einen anderen Postwagen begleiten müssen. Die jetzige Organisation de» PostbetriebeS bringt eS mit sich, dah z.©. ein Bahnhofsbegleiter einen Postwagen begleiten muh, der um 8 Uhr auf dem Anhalter Bahnhofe Postsachen abzuliefem hat. Von dort auS muh sich nun der Begleiter ohne Postwagen zu einem Postamt begeben, das er zu Fust erst in einer Stunde erreichen kann. Er soll daselbst aber bereits um 8/44 Uhr wieder mit einem anderen Postwagen ab- fahren. ES ist ihm dies nur möglich, wenn er irgend«ine Fahr- gelegenheit benutzt, zumal seine Dienstvorschrist besagt, dost er immer zwei sogenannte Kurssäcke bei sich führen soll, deren Gewicht un- gefähr zwischen 10 und IS Pftmd schwantt. Führt er diese Säcke nicht bei sich, so hat er Strafen zu erwarten. Dast aber diese Dienstaufwandsgelder in der Tat nur im Interesse des Dienstes gemachte Auslagen barstellen, beweist ferner der Um- stand, dah sie bisher von der Steuerbehörde als Dienst- einkommen nicht betrachtet wurden, also steuerfrei waren. Bei der nun kürzlich stattgefundenen Auszahlung der auch diesen Uuterbeamten nach der neuen Besoldungsreform seit 1. April 1808 zustehenden Gehaltsausbesserungen wurden diesen nicht nur die einmalige Teuerung S zu läge im Betrage von 100 M. und die laufende Teuerungszulage im Betrage von jährlich 20 M. abgezogen, sondern auch die Dienstaufwandsgelder, welche seit dem 1. April ISvö den Beamten gezahlt worden waren. Von der ihnen zugute gekommenen Aufbesserung deS Grundgehalts von zirka 200 Mark pro Jahr für jede Klaffe sind den Bahnhofsbegleitern 180 M. und den Stadlgeldbegleitern SS M. pro Jahr erhaltene Dienstaufwandsgelder in Abzug gebracht Worden, insgesamt also 270 und 144 M. Eine nette GrhaltSaufbcsieruug{ In dem militSrischen„Aiifnihr"prozefc, der sich vor dem Lübecker Kriegsgericht abspielte, ist am Freitag das Urteil gefällt worden. Der Landivchrmann Strinfatt, gegen den der Kriegsgerichisrat SJahre 1 Monat Zuchthaus beantragt hatte, wurde freigeiprochen. Der Landwehrmann Matern erhielt wegen Beleidigung eines Vorgesetzten vier Monate Gefängnis und der Reservist Schümann wegen Achtungsvcrletzung und Beleidigung eines Vor- gesetzten sechs Monate Gefängnis. Ueber den Tatbestand, welcher der Anklage zugrunde lag, ist bereits in der Freitagnummer berichtet worden. Die Vorkommnisse, um die es sich handelt, waren ziemlich harmloser Natur. AIS einziger Belastungszeuge, dessen Glaubwürdigkeit im Lause der Verhandlung stark erschüttert wurde, trat der angeblich beleidigte und angegriffene Unteroffizier auf, während die anderen Zeugen entweder nichts von der Sache wußten I oder direkt zugunsten der Angeklagten aussagten. Und dennoch dieses harte Urteil gegen zwei Fainilienväter l Unterstützung arbeitsloser Tabakarbeiter. Die in Aussicht gestellte Konferenz der Gewerkschaftsvertreter mit dem Reichsschatzamt hat stattgefunden. Die erste Sitzung am Freitagmorgen, den 22. Oktober, leitete der Schatzsekretär persönlich. Die beiden weiteren Sitzungen am Freitagnachmittag und Sonn« abendmorgen fanden unter Vorsitz des Direktors im Reichs- schatzamt Kühn statt. In diesen Sitzungen wurde die allgemeine Situation und der mutmaßliche Verlauf der jetzigen Geschäfts- lrisis im Tabakgewcrbe besprochen, des weiteren die dem Bundesrat zu unterbreitenden AuSführungsbcstimmungen zur Unterstützung der arbeitslosen Tabakarbeiter. Die Gewerkschaftsvertreter trugen die Beschwerden und Wünsche der Arbeiter vor und formulierten sie zu bestimmten Abänderungsvorschlägen bei den einzelnen Paragraphen. Die Verhandlungen waren vertraulich, doch sagten die Bertreter des Reichsschatzamtes Befürwortung der Wünsche der Arbeitervertreter bei endgültiger Fassung der AusführungSbestimmungen im Bundes- rat zu._ Arbeitslose Zigarrenkistenmacher erhalten keine Unter- stützung aus dem Viermillionenfonds. Nach vielen Laufereien und Scherereien war einigen durch das Tabaksteuergesetz arbeitslos gewordenen Arbeitern der Zigarrenkisten« fabriken in Bünde die Unterstützung aus dem Viermillionenfonds des Reiches gewährt worden. Jetzt sind allen, die um die Unterstützung einkamen, die Unterstützungsanträge mit dem Bemerken zurückgegeben worden, daß die Arbeiter der Zigarrenkistenfabriken keinen Anipruch auf Unterstützung haben, da nur Tabakarbeiter nach dem Tabak- steuergesetz vom IS. August 1009 als untersttttzungsberechtigt in Frage kommen. Bei den Firmen, bei denen die Arbeitslosen bisher be- schäftigt wurden, erschien ein Zollbeamter, um die Arbeiter darauf aufmerksam zu machen, daß sie die zu Unrecht erhobene Unterstützung zurückzuzahlen hätten._ Berichtigung. Bezüglich deS durch die„Königsberger DolkSzeitung" und den „Vorwärts" bekannt gegebenen Briefes an den Präsidenten deS Hansabundes ersucht uns Herr George Marx um Aufnahme folgender Erklärung: „Der Veröffentlichung deS Briefes liegt weder Untreue noch Indiskretion zugrunde. Es handelt sich vielmehr um eine Mystifikation— um eine Erfindung vom ersten bis letzten Wort. der absolut jede Unterlage fehlt. Die Ausführungen entsprechen überdies in keiner Weise den Anschauungen und Tendenzen des angeblichen Briefschreibers."— Spanien . NegieruugSerklärunge«. Madrid . 23. Oktober. Im gestrigen Ministerrat berichtete M o r e t über die Lage im Innern und betonte die Not wendigkeit einer Politik des Friedens und der Freiheit. Unter Hinweis auf seine unlängst in Saragossa und Valladolid gehaltenen Reden führte der Ministerpräsident aus, die liberale Partei sei durch diese beiden Reden per pflichtet, die religiösen Genossenschaften, die sich mit Handel und Industrie beschäftigen, den allgemeinen Gesetzen zu unter st ellen und den Gemeinden eine gewisse Autonomie zu geben. Der Ministerrat beschäftigte sich ferner mit der Marokko - expedition. Die Armee in Melilla werde diejenige materielle und moralische Unterstützung erhalten, die zur Erfüllung ihrer Aufgabe nötig sei. Bedrängnis auf dem Kriegsschauplatz. Madrid , 23. Oktober. Da» Lußenfort von Melilla Sidi Mariguori ist von den Rifteuten heftig angegriffen worden. Die spanischen Verluste sind noch nicht bekannt.— Die Nachrichten über die Unwetter, welche auf dem Kriegsschauplatz wüten, laute» trostlos. Eine große Anzahl Soldaten sind bei den Ueoerschwemmungen ertrunken.— Bngland. Die Etatberatung. London , 22. Oktober. Aus Anlaß der Verhandlungen über die ffiiianzbtll im Unterhaus unterbreitete Schatzkanzler Lloyd George heut« den Boranschlag des Ertrags der Stenern. Er führte au», daß die Zugeständnisse, die in bezug auf die Wert- zuwachs st euer und die Steuer für unbebautes Land gemacht worden seien, mehr als ausgeglichen würden durch die veranschlagten Ecträginfie aus den neuen Abgaben von den Bergbauregalen. Mit Ausnahme der Branntwein- abgäbe entwickelten sich alle Einkünfte gut, und die Postanstalten machten infolge der Besserung im Handel gute Geschäfte.(Beifall bei den Ministeriellen.) Die Stempelsteuer bringe erhebliche Mehr- einlünste. Seit Einbringung des Budget» habe eS einen„Boom" auf der Börse gegeben.(Lachen bei der Opposition, Beifall bei den Ministeriellen.) Er schätze den Mehrertrag auS der Braimlweinsteuer auf 800 000 Pfund Sterling und sehe einen Mehrertrag von 1 300 000 Pfund über die ursprüngliche Schätzung des Erwäge» au» den Erbschaft« st euer ii voraus. Die revidierten von ihm jetzt unterbreiteten Voranschläge zeigten einerseits eine Zunahme von 1820000 Pfund über den ursprünglichen Budgetvoranschlag und andererseits eine Abnahme von 2100000 Pfund, so daß eine Differenz von 250 000 Psund Sterling verbleibe. Er habe urspriing- sich für eine AuSgleichSsumme von 483 000 Pfund Vorsorge getroffen, aber im Hinblick auf die RachtragLetattS von 200 000 Pfund zur Unterstützung der Arbeitslosen und für andere klcme Bedürfnisse schlage er jetzt vor. noch 500000 Pfund altS dem SchuldentilguugSfondS zu entuchmen. Oeinemark. Der Sturz des Ministeriums Holstein-Ledreborg. Kopenhagen , 22. Oktober. (Eig.©er.) Nachdem erst Anfang dieser Woche der Verteidigungsminister Christensen ab- gedankt hat, hat mm da« Ministerium Holstein- Ledreborg selbst sein Abschiedsgesuch eingereicht, nachdem eS wenig mehr als zwei Monate im Amte war. ES hatte die Aufgabe, die Landes- Verteidigungsfrage zu lösen, daS heißt, dem Volke neue unerhörte Militärlastcn aufzulegen. Zu diesem Zweck nahm man auch den wegen seiner Mitschuld an AlbcrtiS Millionenschwindeleien mit Reichs gerichlSaiiklage bedrohten Ehristensen in das Ministerium auf. Zum Sturze Holstein- Ledreborg haben merkwürdigerweise die Konservativen den Anstoß gegeben, obwohl er in der Landes- Verteidigungsfrage ihre militaristischen Anschauungen zur Geltung gebracht hat. Aber die Konservativen fühlten sich"von ihm zurück- gesetzt»»d in der FolkethingSsitzung am Mittwoch kam es zwischen ihrem Wortführer Madsen-Halstad und dem Ministerprästdeuten zum Wortwechsel darüber, ob er vor Bildung de« Ministeriums uni ihre Unterstützung nachgesucht habe. Graf Holstein leugnete das, offenbar mit Recht, und teilte sogar mit, daß seinerzeit ein Mitglied der Rechten zu ihm gekommen sei, um ihm dieser Partei Unterstützung. selbst unter der Voraussetzung der Niederlegung von Kopenhagens Landbefestigung, anzubieten, er aber habe geantwortet, er wünsche keinerlei solche Mliteisimgen von jener Partei zu empfangen. Tatsächlich lag die Sache so, daß damals zwei Abgeordnete von der gemäßigte» Gruppe die Konservativen um ihre Unterstützung für daS zu bildende Ministerium ersucht hatten, aber jedenfalls nicht im Auftrage HolsteiiiS. Die selbstbewußte und etwa? bissig« Antwort, die derMinister- Präsident im Folkething gab, verletzte die Rechte dermaßen, daß sie andern TageS ein Mißtrauensvotum einreichte, das sich zunächst nur gegen Holstein richtete. Die Verhandlungen wurden unterbrochen, im, den Fraltionen es zu ermöglichen, Stellung zu nehmen. Nach Wiedereröffnung der Sitzung dehnten dieKoiiservativen ihren Antrag auf das ganze Ministerium aus. AuS ganz anderen_ Gründen brachten dann unsere Parteigenossen folgenden Vorschlag ein:„In- dem das Folkething dem Ministerium Holsteiii-Ledreborg für die Durchführung der Militärgesetze sein Mißtrauen ausspricht, fordert es, daß baldig st eine gerechte Wahl- kreiSordnung durchgeführt wird und geht zur Tagesordnung über." Genosse Klausen führte zur Begründung aus, daß die sozialdemokratische Fraktion nicht für den wie ein Racheakt aus- sehenden Vorschlag der Rechten stimmen könne, dagegen alle Ursache habe, dein ganzen Ministerium, das durch die Militärgesetze das Land in eine höchst verzweifelte Situation gebracht, ihr Mißtrauen auszusprechen. Da die Grundlage für die Zusammen- sctziiiig des FolkethingS so ungerecht wie möglich sei, müsse gleich- zeitig eine gerechte WahlkreiSordiiung gefordert werden. Sodann brachten auch die Radikalen ein Mißtrauensvotum ein, das jedoch in sich selbst keine Begründung enthielt und gerade deshalb die Mehr- heit der Stimmen auf sich vereinen konnte. RulUa««!. Eine StaatSstütze. Der berüchtigte Lockspitzel Richard Frehmel, der lange Zeit in Lodz sein Wesen getrieben und wegen der Ermordung des Setzers Owßjanka zur gerichtlichen Verantivortung gezogen, frei- willig die Rolle einers Henkers übernommen hat. hat sich nun in den.Rilhestand' zurückgezogen und nach Deutschland be- geben, wo sein Vater eine Gastwirtschaft in einem Berliner Vorort betreibt. Die Lodzer Bevölkerung mag ausgeatmet haben, daß dieses Scheusal, das selbst seinen eigenen Schwager kalten Blutes an den Galgen knüpfte, die Stadt verließ. Für die Berliner Be- völkerimg aber dürfte es nicht sehr angenehm sein, einen solchen AiiSwürfliiig in ihrer Mitie zu dulden. ES ist charakteristisch, daß nicht nur die Harting und Jutschenko, sondern auch die Henker a. D. sich vertrauensvoll unter die Fittichs der preußischen Polizei be- geben. finntand. i Die politische Lage. Helsingfors , 20. Oktober. (Eig. Ber.) Die erste Bresche in der konstitutionellen Verfassung Finnlands ist schon gelegt. Zu finnischen Senatoren sind jetzt definitiv fünf echt- russische Männer(Wirenius, Sillmann, Kraatz, Graf Berg und Hedlund) ernannt und dadurch ist der finnländische Senat, dem bis jetzt gewissermaßen die Aufgaben eines ver- antwortlichen konstitutionellen Ministeriums zufielen, zu einem russsisch-bureaukratischen Departement herabgedrückt worden. Die neuen Männer kommen, wie schon gemeldet, größtenteils aus der russischen Marine— Konteradmiral Wirenius ist seinerzeit wegen IMauglichkeit vom Dienste verabschiedet worden—, kennen trotz der schwedisch klingenden Namen nicht hinreichend schwedisch noch finnisch und haben wohl nur eine schwache Ahnung von den rechtlichen und ökonomischen Verhältnissen Finnlands . Deshalb haben die jetzigen altfinni- schen Senatoren den Auftrag bekommen, vorläufig noch im Amte zu bleiben und die ncuernannten Tschinowniks mit der Leitung der finnländischen Angelegenheiten vertraut zu machen. Doch diese wenig ehrenvolle Aufgabe sagt sogar den allzeit unterwürfigen altfinnisckien Parteiführern nicht zu und diese bestehen aus ihre Demission.— Unterdessen arbeitet man in Petersburg auf einei, offenen Konflikt mit Finnland los: das Land wird jetzt mit russischen Truppen überschwemmt, ein ganzes Armeekorps soll nach Finnland entsandt werden! Die Provinz Biborg soll in kürzester Zeit zum russischen Gouvernement proklamiert und zum Generalgouverneur und Diktator von Finnland soll der berüchtigte Baron Möller'Sako» m e l s k i ernannt werden. Klus der Partei. Ein deutsches Parteiblatt in London . London , 2t. Oktober. Die Deutsch sprechenden Mitglieder des Kommunistischen Arbeiter-BildungSverelnS haben nach laiigei, Beratungen beschloffen, ein sozialistisches Wochenblatt unter dem Titel.Londoner VolkSzeitung" herauszugeben. Die erste Siummer erscheint am 23. d. M. und enthält Beiträge von KantSky, Bernstein, Andreas Scheu, KeirHardie, Ouelch, Weingartz»sw. Die Existenzbedingungen des Blattes sind keine leichten, aber die Opferircudigkeit der ausländischen Sozialisten Londons ist groß, imd die Ausgaben, die ein derartiges Blatt hier erfüllen könnte, sind wohl des Versuches wert. Es gibt in London viele Tausende von Deutsch sprechenden Arbeitern, die nur durch eine regelmäßig erscheinende proleiarische Zeitschrift für die gewerkschaftliche»md politische Organisation zu gewinnen sind.— Wir wünschen dem Blatte den besten Erfolg._ Der verdiente Arbeitswillige! Der verantwortliche Redakteur der„Arbeiterzeitung" in Dortmund , Genosse Beyer, wurde vom Schöffengericht in einer Privatklagesache zu einer Woche Gefängnis ver- urteilt. Der Privatkläger ist ein früherer Genosse namens Oberhaus, gegen den wegen parteischädigenden Verhaltens ein Ausschlußverfahren schwebt. Diesem Oberhaus wurde in einem Artikel zu seiner Kennzeichnung vorgehalten, daß er beim Vergarbciterstreik Streikbrecher gewesen sei und daß er einen Verein der Polizei denunziert habe. Das Gericht erklärte in der Urteilsbegründung: wenn der Kläger arbeitswillig gewesen sei, so habe er sich über- aus verdient gemacht und ihm gebühre nur Aner- k e n n u n g! Ebenso sei es sein gutes Recht als Staatsbürger, der Polizei„Mitteilungen zu machen". Auf Gefängnis- st r a f e wurde deshalb erkannt, weil Geldstrafen„erfahrungs- gemäß von den sozialdemokratischen Redakteuren nicht selbst getragen werden". Gegen das Urteil ist selbstverständlich Berufung eingelegt. Parteiliteratur. Arbriter-Notizkalcnder. Jahr für Jahr erwirbt sich der Arbeiter- Notizkalender neue Freunde und es ist daher wohl auch diesmal mit einer guten Aufnahme in den Kreisen der Parteigenossen zu rechnen. Aus dem Inhalt Heven wir hervor: Die ReichStagSivahleii 1907 und die Nachwahlen.— Stimmeiizahl der einzelnen Parteien bei der letzten Wahl und Stärke der Fraktionen. — Biographische Notizen unserer RcichötagSabgeordnetcn.— Die bürgerlichen Parteien Deutsch » landS.— AuS den sozialdemokratischen Oraanisalioiien.— Preissteigerung und Arbeitslohn.— Was die BerufSzählung lehrt.— Sozial» demokratische und GelverkschaflSpresse.— Die Gewerkschaften Deutschlands.— Internationale Streik- u, Gewerlschaflöbewcgung im Jahre 1908.— Adressen der Arbeiter-Sekretariate und der Vorstände der Zentralverbände.— Adressen der deutschen sozialdemokratischen Bereine im Auslaiide. Die deutschen Gewerbeinspektoren.— Kalendarinm und Geschichtskalender.— Portotaxe.— Vielseitiges Adressen- material.— Außerdem enthält der Kalender ein Bebelporträl sowie die Porträts der in den Nachwahlen gewählte» Genoffc» Binder. Huber und Schöpflin.— Der Preis des Kalenders ist auf 50 Pf. qcrabgesctzt, womit der Verlag der Buchhandlung Vorwärts, Berlin 3W. 68, einem oft geäußerten Wunsch der Genossen entspricht. Zu beziehen durch alle Kolporteure, Zeitungsspediteure und Parteibuch- Handlungen.