|t. 249. 26. Zahtglmg.2. Kciltzt i>cs Jutmirts" Knlim llolblilnlt.Zomckz, 21. vdbdtt 1909.lilkolai Gawdlowilkl) CfcbernyicijewsliyEin trauriges„Jubiläum" feiern am heutigen Tage die rufst-fchen Sozialisten— TschernhfchewLkYs zwanzigsten Todestag.Physisch starb Tschernhschewsky am L4.(11.) Oktober IHSg, feinpolitischer Tod oder richtiger— seine politische Ermordung er-,mgte viel fruyer. Im Februar 1882 verhastet, wurde TschernY-schewsky nach ztveijähriger Untersuchungshaft in der Peter-Pauls,Festung zum Verlust aller bürgerlichen Rechte, zu siebenjährigerstatorga(Zuchthaus) und«ewiger", d. i. lebenslänglicher Zwangs-anstedelung m Sibirien verurteilt. Die Verbannung dauerteübrigens nicht lebenslänglich. Im Juni 1883, einen Monat nachder Krönung Alexanders III., wurde Tschernyschewsky«begnadigt"und nach dem europäischen Rußland zurückgebracht. Zur Nieder-lassung wurde ihm die entlegene Gouvernementsstadt Astrachanjan der Grenze des europäischen und asiatischen Rußlands ange-wiesen. Hier lebte Tschernyschewsky noch sechs Jahre unter offt,zieller Polizeiaufsicht und geheimer Ueberwachung einer ganzenArmee von Spitzeln.Von einer regen politischen Tätigkeit unier solchen Umständenkonnte natürlich keine Rede sein, besonders in den 80er Jahrender Zeit der schlimmsten Reaktion, die der Niederlage der«Naryd-naja Wolja" folgte. Auch innerlich war Tschernyschewsky nichtzur Fortführung de? früheren Kampfes fähig. Die in Gesänge� nisten und in den entferntesten und ödesten Gegenden verlebtenMvei Jahrzehnte haben ihre Wirkung nicht verfehlt, Tscherny�' schewsky war den Bedürfnisten und Verhältnisten der neuen Zeitfremd geworden und konnte sich daher in den neuen, eben auf-tauchenden politischen Strömungen des modernen russischenLiberalismus einerseits, der proletarischen Bewegung andererseits— nicht orientieren. Mit Ausnahme von wenigen unbedeutendenZeitschriftenartikeln arbeitete Tschernyschewsky in seinen letztenJahren nur an der Uebersetzung von Webers„Weltgeschichte", derenerste Bände er auch mit Erläuterungen und Einführungen versah.l.Die Blütezeit der literarischen und politlschen Tätigkeit TschernhschewSkYS fällt also in die seiner Verhaftung vorangegangenenJahre— in daS«Zeitalter der großen Reformen", wie sich dierussischen Liberalen noch heutzutage auszudrücken pflegen, odervielmehr in das Zeitalter der Vorbereitung dieser Reformen, amEnde der bver und zu Anfang der OOer Jahre des vorigen Jahr-Hunderts.Die wichtigste jener Reformen war die Bauernbefreiung, undeben die Stellung Tschernyschewsky» während der Vorbereitungdieser Reform hat nicht nur seine Verhaftung und Verurteilungverursacht, sondern auch gegen ihn den Haß in den weiten Kreisender„Gesellschaft" und der.Intelligenz" hervorgerufen. In dieserHinficht unterschieden sich die Liberalen nicht viel von den Reaktianären. Wenn der nationalistisch-mystische TostojewLky ihn wütendein„Scheusal" nannte, so nannte ihn der liberale Turgenjew inder ihm eigenen gutmütig scherzhaften Weise«eine Schlange". DerHaß verstummte auf beiden Seiten auch nach der VerhaftungTschernyschewsky? nicht. Mit Genugtuung und schadenfroher Ironienotierte der bureaukratisch-konservative Profestor Nikitenko inseinem Tagebuche:«Festgenommen ist der große Verkünder desSozialismus und Materialismus." Aber auch der bekannte Libe-rale und Freund vom Herzen, der Führer der«radikalen" Rich-tung, Kawelin, schrieb in einem Briefe an Herzen:«Die Ver«Haftungen wundern mich nicht und— ich gestehe es Dir offen—empören mich auch nicht. TschernhschweZkY habe ich sehr, sehr lieb,aber so einen Hä'ndelsucher, so einen taktlosen undübermütigen Menschen habe ich noch nie in meinem Lebengesehen."Groß mußten die.Sünden" des„Scheusals", der„Schlange"gewesen sein, wenn sie die Entrüstung solch gutmütiger Seelen, wiedie Turgenjews und KawelinS hervorriefen.kleines feuilleton.Theater.Berliner Theater: Der Alpenkönig und derMenschenfeind. romantisch-komischcS Märchen von Fer-dinand Raimund. Der Ruhm, zu dem Raimunds Märchen-und Possenzüge mischende Wiener Volksstücke aus den dreißigerJahren des vorigen Jahrhunderts gelangt sind, mag vom Stand-punkte einer literarisch-historischcn Betrachtung sehr wohl verdienterscheinen. Und zweifellos ragt Raimund weit über das Niveauseiner Zeit. Aber einem durch solcherlei abseitige Erwägungen nichtbeeinflußten Gcschmacke wird es heute schwer fallen, sich in eineBewunderung für diese primitive und doch absichtsvoll auf aller-hand� Effekte und Effektchen gerichtete Darstellungsmanier hinein-zuhypnotisieven. Die Tradition stellt ihn hoch über Nestroy. Indesdie Märchengcstalten des Alpenkönigs bleiben genau so wie dieGeister des Lumpazivagabundus im matt Allegorischen stecken,während irgend etwas, das sich mit dem volkstümlich-frischsn Humorder Handwerker und HerbergSszenen der Nestroyschen Posse messenkönnte, hier vollkommen fehlt. Der Menschenfeind entbehrt so sehraller psychologischen Durchführung, daß Herr Meinhardt, wiemir schien, mit Fug und Recht auf den Versuch, die Figur glaub»würdig zu'machen, von vornherein verzichtete. Wie hätte maneinen melancholischen HauStyrannen. der seinen Diener nur mitdem Gartenmesser zu erblicken braucht, um in Angst zu geraten,daß man ihn morden will, der voller Wut die Möbel zerschlägtund auf die Berge flieht, auch anders als im Tone karikierenderPersiflage spielen sollen? Ernst genommen, hätte die Figur nurnoch unmöglicher gewirkt. Die Heilung des unausstehlichen, in sichselbst verliebten PoltronS bringt der Alpenkönig zustande, indemer den Flüchtling nach Haufe zurückschickt und ihm daselbst seineigenes Bild im Spiegel sehen läßt. Der Geist nimmt die Gestaltdes Menschenfeindes an und übertrumpft das Original noch durchcholerisches Getobe, bis dieses vor sich selbst erschrickt und Besserunggelobt. Herr Heine überraschte hier in dem drastisch-parodistischenGegenspiel durch ganz brillante Berve. In der Rolle de? trottet-haften Dieners zeigte Herr Sabo behäbigen Humor. Sehrhübsch war manches in der Inszenierung. Wenn man JosephineD o r a als Kammerzofe Kuplets vortragen ließ, die aus ihrerRoll« fielen, warum hatte man da nicht wenigstens für ettvas gclst-reichere Texte gesorgt? In den Wihblättern findet man doch genugTalente, die dergleichen schreiben könnten.— Applaudiert wurdemit viel Eifer. dt.Musik.Di« Operette„Der arme Jonathan", die am Freitagim Neuen Opperettentheater wieder aufgenommenwurde, ist auf ein sehr glückliches Textmotiv aufgebaut. Ein trüb-sinniger und trübseliger Millionär verschenkt sein Vermögen anseinen hinausgeworfenen Koch. Nur müssen beide saS Leben lassen.sobald einer, an neuem Ueberdruß leibend, das Zeichen durch denGesang eines bestimmten Liedes gibt. Wie'» nun wirklich dazukommen soll, fällt beiden statt der Melodie immer wieder ein be-Um den Haß und die Entrüstung gegen Tschernyschewsky zu be-greifen, muß man sich die Verhältnisse im damaligen Rußland ver,gegenwärtigen, um so mehr, als die damals sich bildendeil Klassen-pegenfätze noch bis auf hon heutigen Tag wirken und noch heuteausschlaggebend sind für den Kämpf zwischen Zarismus und Libera-lismus einerseits, zwischen Liberalismus und Sozialismus anderer-feits..Als wirtschaftlicher und Politischer Anachronismus wurde schonviel früher die Leibeigenschaft von allen Schichten der Bevölkerung—- mit Ausnahme der hohen Aristokratie empfunden. Die aufdem Lcibeigenfchaftsrecht basierenden Zustände hemmten die Ent-Wickelung des Handels und der Industrie, liehen kein Aufblühendes wirtschaftlichen wie des geistigen und politischen Lebens zu.Auch„das getaufte Eigentum", die leibeigene Bauernschaft, fingschon viel früher an. unzweideutige Beweis« threr Unzufriedenheitmit den bestehenden Zuständen zu verraten. Alles dies war schonin der ersten Hälft« des 19. Jahrhunderts sogar für die Regierung»,kreise klar. Schon unter Nikolaus 1. wurden— allerdings in ge»Heimen Negierungskommifstonen— Maßregeln„zur Förderungdes Handels uyd Gewerbes" einersejis,„zur Besserung der Lageder Leibeigenen" andererseits beraten. Nur der Ausbruch derRevolution in Westeuropa 1818 veranlaßt« Nikolaus, feine Re-formpläne aufzugeben, da er befürchtete, die Bauernbewegungdurch Agrar- und Bauernreformen zu verschärfen. Di« furchtbareNiederlage Rußlands im Krimkrtege war die Folge dieser Zurück.Haltung der Regierung, dieses Versuchs, unhaltbar« Zustände durchGewalt aufrecht zu erhalten. Nach dem Krimkrieg konnte mandt« Reformen nicht weiter verschieben. Alexander II. schritt zuden großen Reformen, um einmal einer Bauernrcvolution vorzubeugen:„ES ist besser, die Bauernbefreiung von oben herabdurchzuführen, als zu warten, bis sie von unten kam«," erklärteder Zar in einer Rede an den Moskauer Adel. Sodann, um durchHebung des wirtschaftlichen Lebens die Lage der Staatskasse zubessern. Die zarische Regierung war dabei ausschließlich um ihreeigenen Schicksale besorgt. Die Reformen sollten nur zur Stärkungder Selbstherrschaft innerhalb d«S Lande» und zur Wiederher-stellung des Ansehens Rußlands im Auslande dienen.Die Rcformpläne des Zaren riefen große Begeisterung imgrößeren Teile des Grund und Bauern besitzenden Adels hervor.Der Adel war zu jener Zeit in zwei ungleiche Gruppen geteilt.Die Minderheit, die höhere Aristokratie, wollte von keinen Reformen hören, die die Aufhebung der Leibeigenschaft zur Folgehaben müßten. Konstitutionell gesinnt war auch dieser Teil desAdels, allein, man träumte hier von einer feudal-aristokratifchcnVerfassung, die unter Beibehaltung der Leibeigenschaft die Machtdes Zaren durch ein aristokratisches Parlament einschränken sollte.Im Laufe dcS 18. Jahrhunderts hat die russische Aristokratie vieleVersuche gemacht, durch Militärverschwörungen und Palastrevo»lutionen eine Verfassung dieser Art zu erwirken. Aber vergeliens.Und eben die Mißerfolge der Aristokratie veranlaßten den größerenTeil des grundbesitzenden Adels, andere Wege zur Durchsetzungihrer konstitutionellen Pläne zu suchen. Was man nicht alS be-vorzugter und bevorrechteter Stand erwirken konnte, würde manvielleicht als wirtschaftliche Klasse erwirken können. Als Grund-besitzerklasse würde man nach Aufhebung der Leibeigenschaft nocheine größere wirtschaftliche Rolle im Lande spielen als vorher.und auf Grund dieser wirtschaftlichen Rolle auch politische An»spräche erheben können. In diesen Kreisen träumte man, in Vor-bindung mit den Handelz, und Jndustrieständen eine bürgerliche..allständische" Verfassung zu erzielen, in der aber der Grund-besitzerklasse als der wichtigsten im wirtschaftlichen Leben dieführende, wenn nicht alleinherrschcnde Rolle zuteil werden sollte.Bei der Vorbereitung der Bauernbefreiung kamen also—da die reformgegnerische Aristokratie zu schwach war— zweiInteressengruppen in Betracht. Di« Regierung— d. h. der Zarund die in seinem Namen tatsächlich regierende höhere Bureau-kratie— und der bürgerlich-konstitutionell« Teil der Grund-karnites musikalisches Zitat ein. Schließlich dauerts noch einen?tkt, und alles ist kreuzfidel.Dem gerade musikalisch außerordentlich fruchtbaren Grund-gedanken konnten weit reichere Tonwcllen gewidmet werden, als sieder Komponist C. M i l l ö ck e r besaß. Vor 19 Jahren starb er,und vor 20 Jahren brachte er den„Jonathan" als eines seinerletzten Werke. Die Textautoren sind zwei in Schriftstellerei undMtz gewandte Leute, W i t t m a n n und I. Bauer! doch auchsie haben ihren glücklichen Gedanken kaum besser durchgeführt alssonstige Autorenpaare. Ilm so lebhafter freut auch den an sovieles gewöhnten Hörer die anspruchslose, gerade Musik die sichkeine dramatischen Ziele steckt und nicht einmal charakteristisch seinwill, aber schlecht und recht ihre Blumen der Melodien und der-arten Stimmungen ausstreut.Zwei Tenore waren fast die einzigen Teilnehmer an der Auf-führung, die gut sangen: O. Braun und C. Bach mann. DerRest war ein allermeist gutes Spiel und Szenenwerk und quälte sichmit keinem weitergehenden Versuch. sz.Die Konzerte des ,.B l ü t h n e r. O r ch e st e r L". Di«Reichshauptstadt ist das Sammelbecken nicht bloß für die Theater-kunst, sondern auch für die Musik. Trotzdem herrschen gerade aufdiesem Gebiet beklagenswerte Zustände. Es wird zu viel ge-boten. Wenn sich die Konzertflut gleich einer Sturzsee über dasPublikum ergießt— wie soll es sich da zurechtfinden? Eine musika-lisch? Veranstaltung jagt die andere; es ist, als wenn man durchsKaleidoskop schaut. Alle» flieht: nichts hat Bestand. Die paarVeranstaltungen der Akademie und des Hoforchesters sind teils zukostspielig, teils unzureichend. Private Unternehmungen größerenStils haben sich bisher aber doch nicht halten können. Erst imvergangenen Jahre ist daS Rkozart-Orchester in die Brüche ge»gange». Nun ist das„B l üt h ne r- O r ch e ste r" in die Breschegetreten. Vielleicht gelingt'S ihm, sich zu behaupten. Hoffen wires. Eine große Philharmonie von Bestand ist für Berlin absolutnotwendig. Eine stattliche Schar tüchtiger Musiker hat sich hier zubeachtenswerten, wenn auch steigerungsfähigen Leistungen vereinigt.Insonderheit verdienen die ausgesprochenen Symphonie»konzerte an jedem Donnerstag, sowie die sonstigen sympho-nischen Musikabende und auch die allsonntäglich statt-findenden Populären Konzerte im Blüthner-Saal Auf-nierksamkeit. Die letztere Gattung kommt auch gerade den wenigerbemittelten Volkskrcisen entgegen. Namhafte und«niSgezeickmeteDirigenten wie Joseph Stränsky. Professor Joseph Frischenund Ferdinand Reißer vermögen wohl das ihnen unterstellteOrchester zu hoher Leistungsfähigkeit hinanzuführen.Am letzten Mitttvoch gab's einen Beethoven-Abenb.Konrad A n s o r g e, gegenwärtig wohl sein hervorragendsterInterpret, saß am Flügel, vom..Blüthner-Orchester" begleitet. An-sorge spielte u. a. das L-äur-Konzcrt mit den von ihm kompo-nierten Kadenzen zum ersten und dritten Satz. Es ist köstlich,diesen Klaviermeister zu hören, unter dessen scheinbar mühelos diegrößten spieltechnischen Schwierigkeiten bewältigenden Händen da»Instrument Gesang wird.Das S. Eymphonie-Konzert tag» darauf wurde vonTfchaikowSkyS H-mo'.I-Symphsni« beherrscht, einem Werke von groß-besitzer. Die Regierung war bestrebt, die Selbstherrschaft in vollemUmfange aufrecht zu erhalten, die Grundbesitzer, ein« bürgerlicheVerfassung zu erlangen. Die reformierenden Regierungsbeamtenwie die konstitutionalistjschen Grundbesitzer sprachen mit großerVorliebe im Namen der Bauern, ober die Bauernschaft selbst überihre Wünsche zu befragen, oder auf irgendeine Weise zu Wortekommen zu lassen, davon waren die Konstitutionalisten ebenso weitentfernt wi« die Tschinowniks.Außer der eben geschilderten Richtung der Tschinowniks undder Grundbesitzer gab c8 noch eine kleine Gruppe, die eifrig ander Durchführung der Reform mitarbeitete, nämlich die liberaleIntelligenz, Professoren, Schriftsteller usw. Acußerlich traten dieIntellektuelle» nicht als Interessengruppe, sondern als Volks-freunde und politische Liberale auf. in der Tat aber schlössen siesich völlig den Grundbesitzern an und unterstützten alle ihre Forde-rungen. Di« Leibeigenschaft war der eigentliche Feind der In»telligenz! gegen diesen verhaßten Feind hatten sie bereits in denvierziger Jahren den„HannibalSeid" geschworen, nach dem AuS-drucke Turgenjews. Wie es nach der Vernichtung dieses Feindes,nach der Aufhebung der Leibeigenschaft aussehen müßte, darüberwaren ste sich nicht im klaren. Auch ihnen fiel eS nicht ein, andie Mitwirkung der Bauernschaft selbst zu denken. Auch sie be-trachteten di« Volksmasse als Material, als einen Gegenstand fürgesetzgeberische Experimente. Allein, sie wollten, daß die gesetz-geberische Macht nicht in den Händen der selbstherrschenden Re»gierung blieb, sondern daß diese zum Teil wenigstens den„aufge-klärten Schichten der Gesellschaft" übertragen würde.Den Bestrebungen der Regierung trat Tschernyschewsky schroffentgegen, ebenso wie den Bestrebungen der liberalen Grund-besitzer und der Intelligenz.II.Tschernyschewsky war der erste, der in Rußland offen undklar den Satz aufstellte, daß die Befreiung der arbeitenden Volks-massen nur Sache dieser Volksmassen selber sein kann. Dennweder Regierungsbeamte, und seien sie noch so„freiheitsliebend".noch irgendeine höhere Gesellschaftsschicht, und sei sie auch nochso„volksliebend", könne die Bauernbefreiung im Interesse derBauernschaft selber durchführen oder sich aufrichtig um das Wohlder Bauernschaft kümmern. Denn das Wohl der arbeitendenKlassen widerspräche den Interessen der regierenden und grund-besitzenden Klassen.Zu Beginn seiner liierarischen Tätigkeit glaubte wohl auchTschernyschewsky noch an den guten Willen des Zaren; aber dasBenehmen des„Befreierzaren" enttäuschte ihn bald— gerade zuder Zeit, als die meisten Liberalen aller Schattierungen sich deyRegierung anschlössen, um die Bestrebungen der Aristokratie zubekämpfen. Dieses Bündnis zwischen Regierung und Liberalis-muS, das anfänglich gegen den Feind von der„rechten Seite" ge-richtet sein sollte, richtete sich bald gegen den„Feind von der linkenSeite", gegen Tschernyschewsky und seine Anhänger. Während derBeratungen der Bauernbefreiungsfrage wurde viel darüber ge-stritten, ob der Bauer„mit Land oder ohne Land" befreit werdensollte. Regierung und Liberalismus waren schließlich geneigt, diebefreiten Bauern mit Land zu versehen. Tschernyschewsky abersah von Anfang an, daß diese neue Wohltat nur ein neues Jochden Bauern auferlegen würde, daß dies« angebliche Wohltat nurbestimmt sei, der Regierung die Steuern und den Grundbesitzernbillige Arbeitskräfte zu sichern. Den kläglichen Plänen der Re-gierung und der Liberalen, die Bauern mit ein„bißchen Land"zu versehen, stellte er die kühne Forderung entgegen, das ganze,nicht nur von den Leibeigenen, sondern von sämtlichen Bauern be-arbeitet« Land den Bauerngemeinden zu übergeben. In Privat-eigentum befand sich damals nämlich nur ungefähr der zwanzigsteTeil sämtlichen Grund und Bodens in Rußland, und nur die Bc-völkerung des Privatgrundbesitzes befand sich in leibeigener Ab-hängigkeit von Privatpersonen. DaS übrige Land gehörte teil-weise dem Staat, teilweise den Mitgliedern der Zarenfamilie;zügigem, wenu auch ungleichem Charakter, dem das Orchester nichtimmer vollkommen gerecht wurde. Zum erstenmal hörten wir einLcKerro-cspriccioso von Dvorak, eine reizvolle Tonschöpfungmit unverkennbar böhmischem Kolorit, klar in der thematischenDurchführung und volkstümlich. Mit Orchester spielte AugusteC o t t l o w LiSztS schwieriges Klavierkonzert in �-äur. DieKünstlerin erwieS sich als brillante Fingervirtuosin.Der Symphonische Abend am Freitag galt S ch u-mann und Schubert. Namentlich gelangte hierbei Schubertsköstliche C-ckur-Symphouie zu einer motivisch und im ganzen feinherausgearbeiteten Wiedergabe. Ottilie Metzger fang Lieder.zumeist von Sckmbert. Das wundervolle Organ der Sängerinsowie ihre edle JnterpretationSkunst ernteten berechtigten Beifall.Schade nur. daß dieses Konzert so spärlich besucht war, e, k.Humor und Satire.SchutzmannSklage.Wenn man's an unserm tranigenBetriebe mißt:wie gut hat'S doch in Spanienein Polizist!Wie muß der span'sche Trubel garso lustig sein lWir hauen alle Jubeljahr'—nur einmal d'rein.Kaum, daß man auf dem Bürgersteig(der Reim ist neu)zerprügeln kaun zu Mürbeteigzwei oder drei.So viel' man auch in seiner Wutzur Wache zerrt,es wird die ganze Sündenbrutnur eingesperrt.Auch schickt man keinen auf die Reisevermittelst Blei.aber in Spanien(schätzungsweise)tausendunddrei.Franz.Notizen.— B ü h n e n ch r o n i k. Hedwig Mangel, ble kürzlich ib«Tätigkeit am Deutschen Theater aufgab, um sich per Heilsarme»zuzuwenden(sie scheint aber auf halbem Wege stehen gebliebenzu sein), will zur Bühne zurückkehren, sobald sie die Heilanstaltverlassen kann.— Im Deutschen Theater spielt man demnächstgerade zur rechten.Zeit Shaws HeilSarmcedrama„MajorBarbara.DaS Risiko der Bühnenprobe. In Wien et»eignete sich am Sonnabendvormittag in der Hofoper während einerKostümprob» der„Meistersinger" ein Unfall. Ein Kulissenpfeilerlöste sich log und begrub unter sich den Direktor Felix Wein«gärtner und den Kammersänger Erich SchmosdeS, während Wein»gärtner einen Bruch des Schienbeins erlitt, kam d«r Sänger mitdem bloßen Schreck davon, l