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Die Milchpreise, die von Milchhändlem, Molkereibesitzern und einigen Grotzfirmen im Herbst 1307 beschlossen wurden, und zwar auf 22 Pf. pro Liter ab Laden, Stall oder Wagen, und 24 Pf. pro Liter frei Haus, sollen nach wie vor bestehen bleiben. Eine Ver- sammlung von Interessenten erklärte eine Herabsetzung für nicht möglich infolge gestiegener Unkosten. Trotzdem gibt es unseres Wissens viele Händler, insbesondere solche, die von auswärts mit Milch nach Berlin kommen, die für 22 Pf. das Liter ins Haus bringen. Zur Bluttat in der Weberstraße wird mitgeteilt, daß der ver- haftete Friseur Hans Jünemann voraussichtlich bald wieder- hergestellt sein wird. Sein Ueberzieher und sein Hut wurden in der Lesehalle in der Kurstratze noch gefunden und beschlagnahmt. Man hatte die Sachen dort einstweilen aufgehoben, weil man an- nahm, dast jemand sie vergessen habe. Die Behauptung Jüne- manns, daß er seine Geliebte mit deren Einverständnis getötet habe, klingt nicht ganz unglaubwürdig. Sie stimmt auch, wie wir schon mitteilten, mit dem Befund der Leichenöffnung überein. Deren Ergebnis hatte bereits den Gedanken nahegelegt. Auch beschlag- nahmte Briefschaften deuten darauf hin. Der Entschluß zur Aus- führung des Vorsatzes scheint dann allerdings doch plötzlich ge- kommen zu sein. Ohne Zweifel hat Jünemann vorher noch andere Pläne gehabt. Er hatte seiner Geliebten auch versprochen, daß er Mitte November mit ihr nach London fahren wolle, um sich mit ihr trauen zu lassen. Er hatte wohl immer noch gehofft, irgendwie zu Geld zu kommen, vielleicht durch einen größeren Wettgewinn auf der Nennbahn. Bei einern Schneidermeister in der Alexander- straße hatte er für 1000 M. Kleidungsstücke bestellt, einen Frack- anzug, einen Ueberzieher, einen Pelz usw. Wahrscheinlich hat er die Absicht gehabt, den Meister um diese Sachen zu betrügen. Die Nervosität der Berliner Polizei so schreibt man uns scheint sich von Tag zu Tag zu steigern. Nachdem sie am Mittwoch- abend in der Köpenicker Straße harmlose Versammlungsbesucher attackierte und arretierte, und nachdem sie am Donnerstag nach dem Vortrag Karl Schneidts ebenfalls scharf zugegriffen, ver- haftete sie am Nachmittag desselben Tages in der Revaler Straße vor den Eisenbahnwerkstätten zwei bürgerlich-demokratische Frauen, die dort Flugblätter zur Landtagswahl verteilten. Ein Schutzmann fragte die zwei Frauen, ob sie mit Erlaubnisscheinen versehen seien, um dort Flugblätter verteilen zu können. Nachdem die eine Frau den Polizisten darüber belehrt, daß es während der Wahl- Periode keines Erlaubnisscheines bedürfte, zog er sich zurück, um bald darauf mit einem uniformierten Kollegen wiederzukehren, um die Frauen kraft seines Amtes auf die Wache zu befördern. Nach- dem dort die Personalien der beiden Frauen festgestellt, mußten die Frauen das Eintreffen des Polizeileutnants erwarten. Frau K. hatte ihren dreijährigen Knaben bei sich, der ein Bedürfnis zu verrichten hatte. Der Kleine wurde mit seiner Mutter auf das Klosett beurlaubt, zur Sicherheit, damit die Frau mit dem Kleinen nicht durch die Brille verschwand, wurde ein Behelmter während dieses Notaktes vor die Klosettür postiert. Nach zirka drei Viertelstunden erschien der Herr Leutnant, der übrigens auch nicht über die Verteilung von Flugblättern während der Wahl- Perioden orientiert zu sein schien, und nahm ein Flugblatt, um es dem Polizeipräsidium einzusenden. Mit den zarten Worten: Sie sind aufgeschrieben, Sie können gehen," wurden die unschuldig verhafteten Frauen von dem Herrn Leutnant entlassen. So lernen auch einmal die bürgerlichen Frauen die Liebenswürdig- leiten der Berliner Polizcibeamten kennen, die bisher nur Sozial- demokratinnen zu kosten bekommen haben. Die gefoppten Caruso-Enthusiasten. Einen etwas eigenartigen Scherz hat sich ein Unbekannter erlaubt. Er ließ in einer hiesigen Tageszeitung eine Annonce erscheinen, in der er ankündigte, daß noch einige gute Billetts für das Caruso-Gastspiel im Kgl. Opern- Haus zu haben seien. Als Abholestelle war in dem Inserat die Adresse eines Professors in Charlottenburg angegeben. Natürlich strömten zahllose Personen nach der betreffenden Wohnung. Der Professor, der von gar nichts wußte, war nicht wenijj erstaunt, als es fortwährend an der Korridortür klingelte und immer wieder neue Personen erschienen, um sich die in der Annonce angekündigten Billetts zu ergattern, die gar nicht existierten. Abgestürzter Malermeister. Von einem bedauerlichen Unglücks- fall wurde vorgestern nachmittag der Wjährige Malermeister Artur Krache aus der Jasmunder Straße 72 betroffen. K. hatte seine auf einem Neubau in der Brunnenstraße tätigen Gesellen aufsuchen wollen. Als er die Treppe zum zweiten Stockwerk hinaufstieg, wurde er plötzlich von einem Schwindelanfall heimgesucht. Er stürzte rück- lings die Treppe hinunter und wurde von seinen Leuten in be- sinnungslosem Zustand nach der Rettungswache gebracht, wo schwere Kopfverletzungen und Erschütterungen bei ihm festgestellt wurden. Geldschrankeinbrecher haben in der vergangenen Nacht den Deutschen Metallarbeiterverband in der CharUöstr. 3 heimgesucht. Anscheinend kamen sie vom Nachbargrundstück über die Mauer her« über und vom Dach aus aus eine» Balkon am dritten Stock des OuergebäudeS, in dem sich der Hauptkassenraum des Verbandes befindet. Durch ein Fenster eingedrungen, erbrachen sie den in dem Haupt- räume stehenden Geldschrank und erbeuteten daraus 77ö6 M. in Papier . Gold und Silber. Ein Mädchen. daS um 3Vz Uhr seine Herrschaft weckte, sah einen der Kerle auf dem Balkon, und beobachtete bald darauf weiter, wie vier Männer den Seitenflügel und über den Hof hinweg das Grundstück verließen. Um aus dem Kassenraum heraus zu kommen, hatten die Einbrecher eine Tür ausbrechen müssen, die Haustür öffneten sie mit einem Nachschlüssel. Der gestohlene Betrag ist durch die Versicherungssumme voll gedeckt. Der Verband erleidet keinen Schaden. Vortragszyklus über die Rlkoholfrage. Immer mehr wächst innerhalb der klassenbewußten Arbeiterschaft das Interesse für die Bestrebungen der modernen Antialkoholbewegung. Namentlich durch die neuen Steuern auf Bier und Branntwein ist der proletarischen Abstincnzbewegnng ein gewaltiger Förderer entstanden. Zur Auf- klärung über die Alkoholvorurteile und über die Trinksilten bei- zutragen, soll auch die Aufgabe eines Vortragszyklus sein, der unter Mitwirkung bekannter Parteigenossen und Mediziner vom 29. Oktober ab jeden Freitagabend 8'/3 Uhr im Gewerkschaflshause abgehalten wird und zu dem Karten, gültig für alle sieben Vorträge, zum Preise von 30 Pf. beim Genossen Ernst Geisler, 17. b3, Kugler­straße 41 und in der Geschäftsstelle deS Deutschen Arbeiter» Abstinentenbnndes, SO. 16, Engelufer 19, zu haben sind. Vortrags- folge siehe im heutigen Inserat I Der Jugendkursus in theoretischer Nationalökonomie(Fortschritts- kursus) wird von heute ab doch wieder im Gewerkschafts- Hause, Saal 11, abgehalten. Beginn pünktlich 11 Uhr. Im Wissenschaftlichen Theater der Urania gelangt in dieser Woche der neue VortragIn den Dolomiten", der an der Hand zahlreicher Naturaufnahmen und Wandelpanoramen die außer- gewöhnlich schönen Dolomitlandschaften, durch welche die großartigste Kunststraße der Neuzeit, die neue Dolomitenstraße, die erst Aus- gang dieses Sommers eröffnet wurde, führt, mit Ausnahme von Mittwoch allabendlich zur Darstellung. Am Mittwoch findet der 13. Vortragsabend des Wissenschaftlichen Vereins statt, und zwar wird Herr Professor de Vries aus Amsterdam sprechen über:Die Entstehung neuer Formen in der Pflanzenwelt". Außerdem finden am Mittwoch und Sonnabend, nachmittags 4 Uhr, Wiederholungen des VortragsRom und die Campagna" zu kleinen Preisen statt. Im Hörsaal werden nachstehende Vorträge gehalten: Montag, Pro- fessor Dr. Leß,Das Wetter und seine Vorausbcstimmung", Mitt- woch, Professor Dr. Rathgen,Das Chlor und seine Gefährten", Donnerstag, Dr. W. Berndt,Die Zeugen früheren und frühsten Lebens auf Erden(Deszendenztheorie 1. Teil)", Sonnabend, Pro­fessor Dr. B. Donath,Von der Ausbreitung der Lichtwcllen". Im großen Hörsaal auf der Urania-Sternwarte in der Jnvalidenstraße spricht am Dienstag, abends 8 Uhr, Herr Dr. Schwahn über:Die Bewegungen der Himmelskörper". Wer ist der Tote? Vorgestern nachmittag gegen 6 Uhr betrat ein etwa 45 Jabre alter Mann, anscheinend ein Arbeiter, in gebückter Haltung, die Hände gegen den Unterleib pressend, die Schankwirt- fchaft von Scholz am Görlitzer Ufer Nr, lt. Gleich darauf brach er zusammen und war tot. Die Leiche wurde nach dem Schauhause gebracht. Der Verstorbene ist blond und mittelgroß, seine Wäsche ist A. B. gezeichnet. DaS Schleswiger Ufer von der alten Holzbrücke bis zur Altonaer Straße wird wegen des Neubaues der Hausabrücke sofort bis auf weiteres für Fuhrwerke und Reiter gesperrt. Arbeiter-Samariterkolonne. Montagabend 9 Uhr, 1. Abteilung, Dresdener Straße 45, Vortrag über:Verletzungen, Wundbehand- lung und Blutstillung". 1. Teil. Da mit diesem Vortrage der praktische Teil des Kursus beginnt, können neue Mitglieder noch eintreten. Zeugen gesucht. Die Personen, die am 25. September, abends zwischen 10 uitd 11 Uhr, Zeuge des Reukontres zwischen dem In- Haber der Destillation von Fröhlich, Reinickendorfer Str. 162(Nettel- beckplatz), und einem älteren kleinen Manne, der eine Brille trug, waren, werden um Abgabe ihrer Adresse gebeten an Kern, Prinzen- allee 25. Vorderhaus; insbesondere die beiden jungen Leute, die sich zur Verfügung stellen wollten. Fenerwehrnachrichten. In der Nacht zum Sonnabend kam auf dem Platz der AktiengesellschaftPanzer" in der Badstr. 59 in einer Bude Feuer aus. Es gelang durch schnelles Wastergeben, den Brand aus die Bude zu beschränken. Die Entstehung konnte noch nicht ermittelt werden. Früh um 4 Uhr brannte am Sonnabend ein Waggon mit Preßkohlen auf dem Moabiter Güterbahnhof. Ein ge- fährliches Feuer beschäftigte den 11. Zug in der Gilschinerstr. 62, Dort brannten in einer Pianofortefaorik Hölzer, Pianinos, Schal- decken u. a. Brandmeister v, Lorch ließ kräftig Wasser geben, wo- durch es gelang, eine weitere Ausdehnung der Flammen zu ver- hüten. Auf dem Dache des Hauses Gartenstr. 46 brannte ein Schneebrett u. a. und in der Mendelssohnstr. 4 Kleider u. a. Ferner hatte die Feuerwehr noch in der Mariannenstr. 33, Markusltr. 31 und verschiedenen anderen Stellen zu tun. Ueberall konnte schnelle Hilfe geleistet werden. Vorort- J�achrichtem Tchöneberg. Die Veranstaltung von BolkSuntcrhaltungsaienden soll im kommenden Winter von der Stadt Schöneberg selbst in die Hand genommen werden. Der Magistrat bat in Uebereinstimniung mit der Deputation für das höhere Schulwesen der Stadtverordneten- Versammlung eine entsprechende Vorlage zugehen lassen. Bisher waren diese Veranstaltungen demVerein zur Förderung der Kunst" übertragen. Die Stadt hatte regelmäßig die Deckung des Defizits übernommen, wofür sich der Verein verpflichten mußte, ein einheit- liches Eintrittsgeld von 30 Pf. zu erheben. Die Höhe des Defizit? ist von Jahr zu Jabr gestiegen. Im letzten Winter wurde bei sechs Abenden ein Zuschuß von 646,80 M, gezahlt, während das Defizit im vorhergehenden Winter bei zehn'Abenden 595,33 M. betrug. Der Durchschnittszuschuß für den Abend betrug also im Winter 1907/08 60 M., im Winter 1908/09 110 M. DerVerein zur Förderung der Kunst" begründete diese ungünstige Entwickelung teils mit einer Steigerung der Unkosten und teils mit einem Rückgange der Besucher. Der Magistrat ist aber der Meinung, daß das Bedürfnis nach gediegenen Unterhaltungen in weiten Kreiseu der Bevölkerung eher größer als geringer geworden ist und hält es nicht für aus- geschlossen, daß der Rückgang des Besuches weniger auf die un- günstigen wirtschaftliche» Verhältnisse, als auf ein Nachlassen des Interesses an den Darbietungen desVereins zur Förderung der Kunst" zurückzuführen ist. Da außerdem der Verein zur Weiter- führung seiner Veranstaltungen in diesem Winter nur bereit ist, wenn die Garantiesumme der Stadt aus 800 M. bei einem Eintritts- preise von 30 Pf. erhöht wird, so hat der Magistrat beschlossen, ver- suchsweise in diesem Winter die Veranstaltungen selbst in die Hand zu nehmen. Er glaubt mit einem Zuschuß von 500 M. aus städti- schen Mitteln auszukommen. Die Stadtverordnetenversamintung wird sich in nächster Sitzung damit beschäftigen. Sein Mandat niedergelegt hat nun endlich der Stadtverordnete, frühere Mittelschullehrer Kunze. Trotzdem er schon seit langem seinen Wohnsitz in Dresden aufgeschlagen hatte und höchstens einmal im Jahre eineGastrolle" in der Schöneberger Stadtverordneten- Versammlung gab, hielt der Herr es nicht für seine Pflicht, daS Mandat abzutreten. In den letzten Jahren spielte der Herr eine mehrlächerliche Rolle". Als er zum ersten Male in die Oeffent- lichkeit trat, gcberdete er fich als einer der Radikalsten, und seitdem er die Würde eines Stadtverordneten erhalten halte, war er stets dort zu finden, wo es etwas Reaktionäres zu vertreten gab. Jetzt scheint er auf der höchsten Stufe seiner Eni- Wickelung angekommen zu sein. Im sächsischen LandtagSwahlkampfe gab er alskonservativer Generalsekretär" jüngsthin folgende Thesen zum besten:Kenntnisse sind nur Mörtelwerk, sie vergehen wie Spreu vor dem Winde. Mittelpunkt des Volks- schulunterrichtS mutz die Religion bleiben? alle anderen Fächer, auch die Naturwissenschaften müssen unter dem Gesichtspunkte der Religion betrieben werden usw." Und dieser Mann war Mitglied der Schul- deputation in Schöneberg . Hoffentlich finden seine Fraktionskollegen einen ebenbürtigen Ersatz für ihn. In der zweiten Wählerabteilung muß das ja leicht möglich sein. Um der Arbeitslosigknt im bevorstehenden Winter entgegentreten zu können, werden jetzt bereits die Arbeiten festgelegt, die als Not- standsarbeiten zur Ausführung gelangen sollen. Als solche sollen in Betracht kommen: Die Plaiiierung des StodtparkgeländeS sowie An- schüttung deS für gärtnerische Zwecke erforderlichen Mutterbodens, Anschüttung der Erfurter Straße, Anschüttung des Platzes B, Ab- schachtung deS alten Stadtgärtnereigrundstücks. Diese Arbeiten werden durch die Tiefbauverwaltung in Vor­schlag gebracht und sollen ungefähr 200 Arbeitslosen annähernd 100 Tage Beschäftigung gewähren. Die Hochbau- und Kanalisations« Verwaltung ist nicht i» der Lage, irgendwelche Nolstandsarbeiten zu überweise», da deren Arbeiten sich nicht dazu eignen, auch während der Winterszeit nicht ausgeführt werden können. Um eine plötzliche Ueberflutung von auswärts wohnenden Arbeitern zu verhindern, sollen folgende Bestimmungen beachtet werden: 1. Die Einstellung der Notstandsarbeiter soll durch Ber- Mittelung des Arbeitsnachweises erfolgen. 2. ES sollen nur solche Arbeitslosen als NotstandSarbeiter ein- gestellt werden, welche bei ihrer Meldung glaubhaft nachweisen. daß sie mindestens 3 Monate hier wohnen. 3. Bei den Einstellungen sind die verheirateten Arbeiter in erster Linie zu berücksichtigen. 4. Es soll ein Stundenlohn von 40 Pf. gezahlt werden. Für einen Teil der Arbeiter ist damit für den bevorstehenden Winter etwas gesorgt, dagegen gehen die Industriearbeiter sowie die im Handelsfach tätigen Angestellten, sofern sie arbeitslos werden, leer aus. Hieristes notwendig, daß dieArbeitslosenver» s i ch e r u n g einsetzt, die wohl zur Einführung gelangen kann, wenn mit den Gewerkschaften in Verbindung getreten wird, um gemeinsam diese Frage zu regeln. Der Jugendausschuß veranstaltet heute abend im Lokal von Krasser, Meiningerstraße 8. einen Familienabend. Die Genossen werden ersucht für regen Besuch zu agitieren. Lichtenberg . Ein grelles Licht ans die miserablen Schulverhältnisse vor den Toren Berlins wirft folgendes uns zur Veröffentlichung übersandtes Schreiben:Gehen Sie doch nach dem Rathaus und beschweren Sie sich oder nehmen Sie die Oeffentlichkeit in Anspruch", diesen Rat hat der Rektor der Gemeindeschule in der Kronprinzenstraße den erbitterten Müttern, die ihre Kleinen zur Schule brachten, aber keine Unterkunft fanden, gegeben. Szenen der unglanbltchsten Art spielen sich alle Tage ab, wenn die kleinsten der Schüler mit ihren Müttern, nicht wissend wohin, auf den Korridoren der Schule herumirren; denn jeden Tag wechseln die Klassen. Um 10 Uhr werde» die Kleinen hinbestellt, nun geht das Gesuche nach dem Schulzimmer, in dem sie für heute Unterkunft finden sollen, los. Sie werden in Räume, die eben größere Kinder verlassen, gebracht, ohne daß genügend Zeit zum Lüften der Schule vorhanden ist. Wenn sich gar lein Platz finden läßt, um die Kleinen unterzubringen, müssen die Größeren ihren Unterricht abbrechen. Für vier Klassen ist in dieser Schule kein Platz, sie müssen aber untergebracht werden. Lehrer, die an dieser Schule tätig sind, bezeichnelen die Zustände als skandalös für einen Vorort Beriins. Für den Winter dürfte sich der Mißstand noch schlimmer fühlbar machen. Eine noch nicht einmal besetzte Volksschule befindet sich zwar ganz in der Nähe, Scharnwcberstraße, dieselbe wird aber von der höheren Töchterschule in Anspruch ge« nommen, weil deren Unterkunftsräume sich nocki im Vau befinden. Trotzdem sich nnn geradezu gesundheitsschädliche Zustände herausgebildet haben, tut die Siadt nichts, um die Gefahren für die Gesundheit der Kinder durch Erbauung einer Volksschule abzuwehren. Denn selbst wenn die Schule in der Scharnweberstraße ihrer eigentlichen Be- stimmung übergeben wird, fehlt es in diesem Teile der Stadt an Schulräumen. Heute schon müssen Hunderte von Kindern von der Niederbarnim -, Mainzer , Kreutzigerstraße usw. nach der Pfarrstraße und weiter gehen. Es muß jedoch noch ouf einen weiteren Uebcl- stand aufmerksam gemacht werden: Kinder, die die dritte Klosse besuchen, haben an zwei Tagen in der Woche von 3 Uhr früh bis 2 Uhr nachmittags Unterricht; ob die Gesundheit, die Auf- merksainkeit der Kinder, die diese Tortur über sich ergehen lassen müssen, nicht darunter leidet? Das Mittagessen, das in den Arbeiterfamilien um 12 Uhr fertig sein muß, wird kalt oder durch langes Stehen unschinackhaft, aber was kümmert das die Herren in der Schillverwaltung, sind'« doch nur Arbeiterkinder. Solche Zifftände können aber nur einreißen, weil die eigentlich für die Volksschule Berufenen, die Vertreter der dritten Wählerklasse systematisch von der Deputation für die Volksschule ferngehalten werden. Die im November stattfindenden Stadt- verordnetenwahlen geben den Lichtenberger Einwohnern Gelegen» heit, durch Abgabe sozialdemokratischer Stimmzettel ihren Protest gegen diese Zustände zu bekunden. Rixdorf. AuS der Magistratssitzung. Zugunsten der Berliner städtischen Straßenbahn soll daS Verlangen an die große Berliner Straßen» bahn gestellt werden, jener unter gewissen Bedingungen das Mit» benntzungsrecht auf eine Gleisstrecke von nicht mehr als 400 Meter in der Wesir- und Friedelslraße einzuräumen. Der vorgelegte Entwurf des Etats für die städtische Sparkasse wurde mit einigen Abweichungen genehmigt. Der Sparkasse werden vom 1. Januar 1910 ab die Räum­lichkeiten der jetzigen Sieuerkasie überwiesen. Dem Borstand der Sparkasse wird zur Erwägung gegeben', ob zur Bewältigung besonders»mfangreicher, außerordentlicher Geschäste weibliche Kräfte heranzuziehen sind. Den vorgelegten Entwurf eines OrtssiatutS gegen die Verunstaltung des Stadtbildes wurde grundsätzlich zu» gestimmt. Die bestehende Kommission wurde beaustragt, mit der kgl. Baupolizeibehörde über die Durchführung des Schutzes in Ver­bindung zu treten. Groh-Lichterfelde . Die Arbeiterschaft wird nochmals darauf hingewiesen, die Sperre über die Lokale Winkelmann, Berliner Str. 123 und Aus« mann, Berliner Str. 133 aufs strengste durchzuführen. Den Herren, die lediglich unserer Partei ihre Säle verweigern, muß klar gemacht werden, daß sich die Sozialdemokratie auch unter ein Privat-Ausnahmegesetz nicht stellen läßt. Der Kampf gilt der Durchführung der Gleichberechtigung mit allen anderen Parteien. Meidet daher diese Lokale bis dies Ziel erreicht ist. O der-Schönetveide. Zu einer überaus wuchtigen Demonstration gegen die Schanb- taten spanischer Pfaffenherrschaft gestaltete sich die zu Freitagabend nach demWilhelminenhof" einberufene Volksversammlung. Nach Entfernung sämtlicher Tische aus dem Saale war derselbe dennoch vollständig überfüllt. Der Referent, Rechtsanwalt Dr. Cohn, ver- stand es in wirklich eindrucksvoller Weise mit kräftigen Wsrten die Scheusäligkeiten einer Vereinigung von Kutte und Staatsgewalt Spaniens , Rußlands , sowie aller übrigen sogenannten Kulturländer zu brandmarken. Treffend waren auch seine Ausführungen über das Verhalten der Liberalen, welche aus Anlaß des Falles Ferrer sich nicht genug entrüsten können, aber vollständig versagten und noch versagen, wenn es sich darum handelt, Protest gegen die russische Blutherrschaft zu erheben, im Gegenteil dem gekrönten russischen Mörder beim Besuch im eigenen Lande zujubelt. Mit einem Appell an die Versammlung, als besten Protest den Anschluß an die poli. tische Organisation zu vollziehen, schloß der Referent seine Aus. führungen und erntete stürmischen Beifall. In der Diskussion wurde vom Genossen Grunow kritisiert, daß sowohl Parteivorstand als auch das Zentralorgan in dieser Angelegenheit nicht das richtige Verständnis gezeigt hätten; der allerseits von den Parteigenossen erwartete Appell zum wuchtigsten Protest sei vollständig aus- geblieben. Es erwecke beinahe den Anschein, als wenn die so viel gerühmte Zentralisation der Groß-Berliner Partei es glücklich stz. weit gebracht hätte, daß sich eine Jnsianz hinter die andere verstecken muß. um nicht anzustoßen, und daß sich die Parteigenossen nur noch mit Statutenberatungen in zahllosen Versammlungen beschäf- tigen müßten, darüber alles Agitationsmögliche übersehend. Redner forderte zum einmütigen Austritt aus der Kirche auf. Nach an- feuernden Worten des Vorsitzenden Muth erfolgte Schluß der impo- santen Versammlung. Als recht gute Einrichtung hat sich der Beschluß der Gemeinde» Vertretung erwiesen, Kindern, welchen es zu Haus an Aufsicht und Anleitung mangelt, zur Fertigstellung der Schularbeiten zweckent- sprechende Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. In der neu. erbauten 4. Gemeindeschule wird täglich in der Zeit von 4 7 Uhr nachmittags unter Aussicht von Lehrern den Kindern dazu Gelegen. heit gegeben; die Einrichtung erfreut sich eines guten Zuspruches. Zu wünschen wäre allerdings, daß überall solcke häuslichen Verhält» nisse obwalteten, daß derartige Einrichtungen nicht nötig wären. Leider muß in vielen Familien die Frau und gar selbst die Kinder zum Unterhalt der Familie mit tätig sein. Fangschlense. Der unter dem Verdacht deS Ranimordvrrsiiches verhaftete Schmiedegesclle Wietstock bestreitet zwar entschieden seine Schuld und will in der Nacht des Uebcrfalles par nicht in Fangschlense gewesen sein, vermag jedoch sein Alibi nicht nachzuweisen. Den an der Ueberfallstelle oufgefnudenen Stock erkennt er als sein Eigentum an, behauptet jedoch, daß ihm derselbe am Tage vorher gestohlen worden sei. Der Verhaftete scheint eine ganze Menge Straftaten auf dem Kerbholz zu haben. ES ist ferner ermittelt, daß der Schmiedegeselle bei einem Diebstahl in Kalkberge beteiligt war und daß er vor acht Tagen an der Löcknitz zwischen Erkner und Woltersdorfer Schleuse einen Uebcrfall auf ein junges Mädchen verübt hat. Er wurde zedoch durch das Hinzukommen von Ausflüglern an der Ausführung des beabsichtigten Verbrechens verhindert. Weifiensee. Die Delegiertenwahl zur hiesigen Ortskrankenkasse findet am Montag, den 26. Oktober, imPrälaten", Lehderstr. 122, statt. Die Arbeitnehmer wählen in der Zeit von S 7% Uhr abends. Sämtliche hier am Orte beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen werden ersucht, pünktlich zur Wahl zu erscheinen. Für die Arbeitgeber ist vom Gewerkschaftskartell ebenfalls eine Liste aufgestellt. Pflicht der Parteigenossen ist es, auch dieser Liste zum Siege zu verhelfen. Die Wahlzeit ist von 8�9� Uhr fest» gesetzt.