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Br. 250. 26. Jahrgang 2. Beilage des Vorwärts " Berliner Volksblatt. Dienstag, 26. Oktober 1909.

Die Blohmefche Wildnis vor dem Schwurgericht.

Altona , den 25. Oftober 1909. Telegraphischer Bericht.

Um was dreht sich die Anklage?

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schmeicheln.

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Angefl.: Das ist nicht wahr.

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Aus der Partei.

Von der Bildungsarbeit.

Die Reihe der Einführungen in Dramen und Opern, von denen der Bildungsausschus bereits 16 unter dem Sammelnamen " Die Volfsbühne" herausgegeben hat, wird demnächst um weitere acht Einführungen vermehrt werden.

Franz Mehring ist dabei mit einer Einführung in Schillers Räuber"( im Hinblick auf die bevorstehende Schiller­erinnerung am 10. November) und in Lessings Minna von Barnhelm" beteiligt. Franz Diederich hat Einführungen für Shakespeares König Lear", Goethes" Egmont " und Grillparzers Des Meeres und der Liebe Wellen" geschrieben, mit Gorkis Nachtashl" ist Ernst Kreowsti, und mit Hart­lebens Erziehung zur Ehe" Hermann Wendel unter den neuen Einführungen vertreten. In der 8. Einführung behandelt Leo Se stenberg eine der schönsten deutschen Opern, Beethovens Fidelio".

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Borf.: Es mag ja sein, daß sie nachts Schmußereien machten, weil vor dem Termin? Angekl. Kolander: Die Führung der Mädchen Sie eingeschlossen waren. Aber Sie sollen auch am Tage allerlei wurde besser, deshalb war auch die Behandlung besser. Schmußereien begangen haben, sollen die Tische und Wände be= Ueber das Ergebnis der voraussichtlich mehrere Tage in An schmiert haben. Angefl. Talkowsky: Davon weiß ich nichts. Um spruch nehmenden Verhandlung werden wir berichten. ein Mädchen zur Gradhaltung zu zwingen, wurde ihr der Zopf mit einem Draht an der Stuhllehne angebunden und ein Stück Holz wurde dem Mädchen zwischen Kinn und Brust gezwängt. Bald darauf war das Mädchen tot. Vorf.: Es beklagten sich schließlich die Mädchen und der Landrat kam in die Anstalt, um Die Jbehoer Mißhandlungsprozesse gegen den Hausvater sie zu vernehmen? Angekl.: Jawohl. Vorf.: Weshalb? Joachim Kolander von der Provinzial- Fürsorgeerziehungsanstalt Angefl.: Es waren einige Vorfälle angezeigt worden. Bei unserer bei Glückstadt , die schließlich mit der Verurteilung des Angeklagten Vernehmung horchte Kolander an der Tür und hörte alles, was zu nur acht Monaten Gefängnis endeten, erleben heute und an den wir sagten. Vorf.: Wurden Sie auch vernommen und sagten folgenden Tagen vor dem hiesigen Schwurgericht ein gerichtliches Sie die Wahrheit? Angefl.: Nein. Vorf.: Aber was Sie Nachspiel. In einem umfangreichen Prozeß haben sich wegen uns heute sagen, ist die reine Wahrheit? Angefl.: Ja. Vorf.: Meineids zu verantworten die 12 weiblichen Fürsorgezöglinge Wurden Sie gefragt, ob Sie es gut in der Blohmeschen Wildnis Marie Talkowsky, Marie Sander, Berta Runge, Margarete Streit, hätten? Angekl.: Ja. Borf: Sagten Sie die Wahrheit, als Minna Green, Anna Maria Wieb Arlt, Alma Menzel, Berta Mok- Sie dann später vor der Straffammer in Jhehoe vernommen toisch, Alwine Dettinger, Rosa Greve, Adolfine Reintjes, Anna wurden? Angefl.: Leider nein. Vorf.: Aber Sie hatten Ulrich. Ferner steht Friedrich Wilhelm Joachim Kolander unter doch geschworen? Angekt.: Ja, ich hatte die Finger hochgehalten. der Anklage der Anstiftung zum Meineid. Das meiste, was ich gesagt habe, ist wahr; ich sagte nur zum Teil die unwahrheit. Vorf.: Sie sollen nach der Verhandlung zu Nach den umfangreichen Feststellungen der Personalien und Rolander gegangen sein und versucht haben, sich bei ihm einzu­Angefl.: Bei ihm schmeichele ich mich nicht ein. Borstrafen der einzelnen Angeklagten wendet sich der Vorsitzende, Vorf.: Sie sollen ihm gesagt haben, früher sei es auf der Anstalt Landgerichtsdirektor Scharmer, mit folgenden Worten an die Pro- viel schlechter gewesen; seitdem er, Kolander, da sei, sei es besser. zeßbeteiligten: Zur Erörterung der vorliegenden Sache ist fol­gendes auszuführen: Die angeklagten Mädchen haben sich in den wie ist denn Ihre Vernehmung vor sich gegangen? Was haben Vert. Rechtsanw. Heymann: letzten Jahren als Zöglinge in dem Asyl Blohmesche Wildnis" be­funden. Der Hausvater dieses Asyls war der Angeklagte No- Sie den ganzen Tag und Abend über in Jhehoe gemacht? lander. Es wurden nun im Jahre 1908 Klagen darüber laut, daß dann in der Gastwirtschaft auf und haben getrunken und gesungen. Angekl.: Ich wurde spät abends vernommen. Wir hielten uns der Angeklagte Kolander über das erlaubte Züchtigungsrecht hinaus Dann sammelten wir dafür bei den Gästen Geld. Borf.: Hat die Mädchen mißhandelt habe. Es wurden Ermittelungen ange- das Rolander zugegeben? Angekl.: Jawohl. Vors.: Kolander stellt, die Ermittelungen verdichteten sich zur Anklage. Es kam hat wohl gar mitgesungen? Angekl.: Ja. Wir wurden abends schließlich zur Verhandlung vor der Straffammer in Jehoe. Kolander wurde damals zu neun Monaten Gefängnis verurteilt, nach 11 Uhr in die Blohmesche Wildnis geführt, und unterwegs wurde auch noch getrunken. Vors.: Es ist wohl sehr vergnügt während seine Frau freigesprochen wurde. Kolander legte Rebi­Angekl.: Jawohl. zugegangen? Vorf.: Hatte Kolander nicht fion ein, die Sache wurde zurückverwiesen und kam im Juni wieder Angefl.: Nein, er sagte, er zur Verhandlung. Der Angeklagte Kolander wurde da zu acht Mo- Angst, daß er verurteilt würde? Vors.: Nun ist sei unschuldig und würde freigesprochen werden. naten Gefängnis verurteilt, die er gegenwärtig verbüßt. Die An- es aber doch zu einer Verurteilung gekommen. Angefl.: Da war klage nimmt an, daß die angeklagten Mädchen in der ersten Haupt- ich nicht mehr da. Abends tam Kolander aber heim und weinte. berhandlung zu Kolanders Gunsten ihre Eidespflicht verlegt haben, Vorf.: Da sollen Sie auch alle geweint haben. Angekl.: Wir und zwar soll Kolander sie dazu angestiftet haben. Außerdem soll haben so getan, als ob wir weinten. Im stillen haben wir uns er sich des Unternehmens der Verleitung zum Meineid in einem gefreut, daß er verurteilt war. Kolander hat übrigens hauptsächlich Falle schuldig gemacht haben. Das übrige wird die Hauptverhand- auf Pastor Holz geschimpft, der früher sein bester Freund gewesen lung ergeben. Ich möchte die angeklagten Mädchen dringend bitten, war und der jetzt gegen ihn ausgesagt hatte. uns die Wahrheit zu sagen. Man hat mir gesagt, Sie seien mit Angst hierher gekommen. Sie haben aber gar keine Ursache, furcht­fam und ängstlich zu sein. Hier sind die Herren Geschworenen Ihre Richter und diese meinen es gut mit Ihnen. Wir verlangen aber, daß Sie die Wahrheit sagen. Den Angeklagten Kolander brauche ich wohl nicht erst zur Wahrheit zu ermahnen. Er ist intelligent genug, um sich zu sagen, daß die Wahrheit für ihn das beste ist.

Dann wurde zur

Bernehmung der einzelnen Angeklagten

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Gegenüberstellung mit Kolander.

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Da die Bildungsarbeit überall wieder fräftig eingesetzt hat, werden diese einfachen, für den proletarischen Theaterbesucher be­rechneten Führer ein Bedürfnis erfüllen. Sie sind neben den bis­herigen Einführungen in allen Parteibuchhandlungen zu haben.

Aus der schweizerischen Sozialdemokratie.

Jm Kanton Waadt hat das sozialdemokratische Parteifomitee eine Operation vorgenommen, von der nur das eine zu bedauern ist, daß sie nicht drei Jahre früher erfolgte. Es wurden nämlich die Herren Advokaten Dr. Nasim und Dr. Bergeler sowie der Arbeiter. sekretär" und Redakteur Gaville aus prinzipiellen Gründen, da sie feine sozialdemokratische Politik treiben und die Arbeiterbewegung schwer schädigen, aus der sozialdemokratischen Partei ausgeschlossen. als bürgerliche Streber haben die Herren die Arbeiterbewegung für ihre politische Karriere mißbraucht, aber die Arbeiterinteressen mit Füßen getreten. Die Folge davon war ein bedeutender Rückgang der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung im Kanton Waadt und die Züchtung der Anarchisten und Syndikalisten, die seit Jahren mit aller Rücksichtslosigkeit und Perftdie zum Vorteil der bürgerlichen Interessen die Sozialdemokratie bekämpfen. Die ausgeschlossenen Herren haben nun in der bürgerlichen Bresse erklärt, daß ihnen der Ausschluß aus der sozialdemokratischen Partei gleichgültig sei, womit sie nicht nur die Berechtigung und Notwendigkeit ihres Ausschlusses bestätigen, sondern gleichzeitig auch den Anschluß an die Bürgerlichen gefunden haben.

Angekl. Kolander: Ich muß die Behauptungen der Angeklagten Talkowsky aufs entschiedenste zurückweisen. Vor allem ist nicht richtig, was sie über die Unterhaltung am Abend im Gasthof gesagt hat. Was sie meint, geschah am Abend des zweiten Verhandlungs­tages. Die Mädchen baten mich, ob sie singen dürfen, und das habe ich erlaubt. Borf.: Es war doch aber gar keine Ursache, Der sozialdemokratische Bürgermeister und die Rathausflagge. vergnügt zu sein; die Sache war doch sehr ernst. Angefl. Kolander: Ich war auch ernst. Bors: Warum haben Sie den As am 26. Juni dieses Jahres der gar nach Stockholm fam, geschritten. Zuerst wird das Dienstmädchen Talkowsky vernommen. Mädchen das Singen nicht verboten? Angekl.: Sie haben so hielt es der zur Sozialdemokratie übergetretene Bürgermeister Bors.: In welcher Weise wurden Sie im Asyl beschäftigt? sehr darum gebeten. Bors.: Sie sollen nun versucht haben, die Lindhagen nicht für angebracht, deswegen die Nathansfahne Angekl. Talkowsky: Zuerst mit Nähen, und das fiel mir schwer. Mädchen zu einer falschen Aussage zu verleiten. Angeft. hiffen zu lassen. Aber es geschah gleichwohl und zwar auf selbst­Vors.: Wie war das Essen? Angekl. Talkowsky: Schlecht und Kolander: Das ist nicht wahr, so wahr ich hier stehe. Es ist auch herrliche Anordnung eines einzelnen Ratsherrn. Lindhagen ließ verdorben. Vors: Wieso? Angekl.: Wenn etwas übrig blieb, nicht wahr, daß die Mädchen saures Essen bekommen haben. Im dann die Fahne wieder einziehen, um erst den Beschluß des dann bekamen wir es immer wieder vorgesetzt, bis es schließlich Asyl sind die Mädchen aufs sorgfältigste verpflegt worden. Šie Magistrats abzutvarten. Dieser sorgte dann dafür, daß die berzehrt wurde, und wenn es auch noch so verdorben war. Bori.: haben an Gewicht zugenommen; ein Beweis dafür, daß sie gut Fahne wieder auf dem Rathaus prangte, und die Angelegenheit Saben Sie sich über das Essen beklagt? Angekl.: Beklagen gepflegt wurden. Ich bin immer bestrebt gewesen, die Mädchen schien damit erledigt zu sein. Aber man wollte dem Bürger­durften wir uns nicht, denn wir bekamen dann Schelte und Prügel. fatt zu machen. Sie haben reichlich bekommen und immer gut. meister feines offenkundigen Mangels an Barenbegeisterung wegen Es wurde uns nicht geglaubt, denn wir waren ja schlechte Mädchen. Jeden Morgen, jeden Mittag und Abend haben die Mädchen neues noch einen besonderen Denkzettel geben. Am Sonnabend hat nun Wir bekamen Prügel, bis wir besinnungslos waren. Bors.: Wo- Essen bekommen; ich habe mir jedesmal das Essen zeigen lassen. der Magistrat dem Bürgermeister das Bestimmungsrecht über die mit denn? Angekl.: Mit einem Peitschenstock. Wir wurden auch alle anderen Behauptungen sind falsch, das kann ich mit gutem Fahne entzogen und beschlossen, daß die Beflaggung des Rathauses wegen geringfügiger Ursachen in die Arrestzelle gesetzt. Borf.: Gewissen sagen. Angekl. Talkowsky: Das ist nicht wahr, die stattfinden soll, wenn bestimmte königliche Personen Geburts - oder Was bekamen Sie dann zu essen?- Angekl.: Wasser und Brot. Schweine bekamen besseres Essen als wir. Angekl. Kolander: Namenstage haben, wenn der König von einer Reise zurückkehrt, Vorf.: Weiter nichts? Angekl.( weinend): Wenn wir auch ver- Schmußereien habe ich allerdings bestraft. Die Mädchen hatten wenn die Kommunalbehörden es anordnen oder der Magistrat es dorbene Mädchen waren, eine solche Behandlung haben wir nicht ihr Nachtgeschirr; ich sagte ihnen, sie sollten die Kammer sauber beschließt. Der Magistratssekretär soll darauf achten, daß diese Be­verdient. Wir sind zu viel geschlagen worden. Manche Mädchen halten, es war eine neue Kammer. Die Mädchen brauchten vor ſtimmungen befolgt werden. Der Magistrat hätte jedenfalls schon wurden sogar an eine Rette gelegt. Vors.: Wir haben diese mir wirklich keine Angst zu haben. früher für diese ihm so notwendig erscheinende Regelung der Flaggen­Kette hier.( Der Vorsitzende zeigt die Kette den Geschworenen.) Vert. Rechtsanw. Jonas: Aus welchem Grunde soll denn jekt frage gesorgt, wenn nicht der Massenstreit der schwedischen Arbeiter­Die Angeklagte Talfowsky befundet weiter, daß die Mädchen die Angeklagte Talkowsky gegen Sie aussagen? Angekt. schaft dazwischen gekommen wäre. Sadwäsche tragen mußten, die furchtbar scheuerte. Die Wäsche Kolander: Ich habe gehört, daß zwei Jnfassen ein Komplott gegen wurde getragen acht bis neun Wochen, bis sie zerrissen war. In mich geschmiedet haben, um mich ins Zuchthaus zu bringen. einem Falle wurde einem Mädchen das Nachtgeschirr über den Staatsanwaltschaftsrat Richardi: Wie können die Mädchen über­Kopf gestülpt. Der Inhalt des Geschirrs lief ihr über das Gesicht. Haupt auf ein solches Komplott fommen; wie können sie unter Sie durfte sich das Gesicht aber nicht abwischen, sondern mußte hinaus in die Kälte, so daß ihr der Inhalt des Nachtgeschirrs am Kopfe anfror. In einem anderen Falle mußten sie den schmutzigen Boden ableden. Wir armen Mädchen konnten nicht anders.

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Meine Unterredung mit Lopuchin

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stüßung finden bei den anderen Mädchen? Sie werden doch nicht gegen ihren Wohltäter vorgehen! Bert. Rechtsanw. Jonas: Gibt der Angeklagte Kolander zu, daß die Behandlung der Mädchen kurz vor dem Termin in Ibehoe besser war als längere Zeit

Bevor ich die Frage Azeff" anschnitt, richtete ich meine Unter­haltung mit Lopuchin so ein, daß ich auf jeden Fall und welches auch Lopuchins Ansichten in bezug auf diesen Gegenstand sein mochten, auf die Fragen, die ich an ihn wegen des Provokateurs

zwifchen Köln und Berlin . tete, biejenige Antwort erhalten mußte, die ich haben wollte.

( Weshalb Lopuchin nach Sibirien verbannt wurde.) Von W. Burzeff. 1.

Lopuchin ist verbannt worden, so hört man behaupten, weil er in der Unterhaltung, die er zwischen Köln und Berlin mit Burßeff hatte, dieſem bedeutsame Staatsgeheimnisse verraten und ihn über die Rolle informiert hat, die Azeff als Agent provokateur spielte. Darauf erwidere ich: Lopuchin ist nach Sibirien verbannt worden, weil er in der Unterhaltung, die er zwischen Köln und Berlin mit mir hatte, mir fein Staatsgeheimnis anvertraut und mir mit Bezug auf Azeff nicht die mindeste Information hat zuteil

werden lassen!

Das behaupte ich, und so parador sich diese Behauptung auf den ersten Blick auch ausnehmen mag: ich bleibe dabei! Hätten die Stolypin und Cie wirklich die Absicht gehabt, Licht über die Affäre Azeff zu verbreiten und wären sie nicht zu feige ge­wesen, mich meinem Ersuchen gemäß zum Lopuchinprozeß vor­zuladen, dann hätte ich dem Gerichtshof bewiesen, daß Lopuchin niemals die Enthüllungen gemacht hat, um die er verurteilt und

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nach Sibirien geschickt worden ist.

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Im folgenden teile ich mit, was sich in Wirklichkeit zwischen Köln und Berlin zugetragen hat.

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Dolizeiliches, Gerichtliches ufw.

Eine prinzipiell wichtige Entscheidung. Wegen angeblich gewerbsmäßiger Verbreitung von Druckschriften war Genosse Christ aus Neustadt i. S.- Schl. mit einem Strafmandat bedacht worden, das vom Schöffengericht bestätigt wurde. Die Straffammer in Neustadt i. D.- Schl. als Berufungsinstanz die er spielt, zu erbringen. Ich werde seine Spitznamen als Polis zist, seine falschen Namen als" Revolutionär" und seinen rich­tigen Namen nennen. Ich habe Tange und hartnädig an seiner Entlarvung gearbeitet, und ich kann jetzt mit Bestimmtheit sagen: Er ist fertig! ich habe ihn demastiert! Es bleibt mir nur noch übrig, die eigensinnige Voreingenommenheit, die seine Genossen für ihn haben, zu zertrümmern; doch das ist jetzt nur noch eine Frage der 3eit, und zwar einer sehr kurzen Beit!"

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Indem ich ihn also nach und nach meiner Hauptfrage näherbrachte, unterrichtete ich ihn zunächst und zwar Schritt für Schritt und in aller Ausführlichkeit über die Umstände, unter denen sich die Affäre " Azeff" abzurollen im Zuge war. Ich teilte ihm mit, daß meine Beitschrift le Passé"( Die Bergangenheit") im Ausland wieder­erscheinen solle, ich erzählte ihm von einigen meiner Arbeiten über die Geschichte der sozialen Bewegungen, ich machte ihn mit meinem fonnte Plan bekannt: demnächst völlig legal und unter meinem Namen teidiger( Bassower) gesagt hat nach Rußland zurückzukehren, um dort eine neue historische Zeit schrift herauszugeben. Ich charakterisierte ihm andererseits alle die­jenigen russischen Flüchtlinge, die in der Angelegenheit Azeff" eine wichtige Rolle spielten und deren Namen ich im Verlaufe unserer weiteren Besprechung bald darauf doch nennen mußte. Es war scheinbar eine ganz gewöhnliche, halb politische, halb literarische Unterhaltung, eine jener Unterhaltungen, wie sie in Petersburg zwischen Literaten und Politikern täglich geführt werden. Im vorliegenden Falle war Lopuchin der Politiker und ich: der Literat. Wieviel derartige Unterhaltungen hatte ich früher sowohl mit Lopuchin selber, als mit anderen Personen aus poli­tischen Streifen geführt!

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Aber ich bitte Sie darum, Wladimir Lwowitsch," erwiderte Lopuchin. Ich höre Ihnen zu. Wie sollte Lopuchin sich in diesem Augenblid verhalten? Er wie's denn auch in der Prozeßverhandlung sein Ver­nur: entweder unserem Gespräch ein Ende machen, indem er mich höflich ersuchte, fein Coupé gu berlassen, oder das Recht in Anspruch nehmen, das jeder Russe im Ausland hat: ruhig anhören, was man mit ihm spricht. Lopuchin tat das lettere, und das war sein ganzes Verbrechen! Alles, was er hinterher getan hat, rollte sich unaufhaltsam von selber ab und ist unabhängig von seinem Willen darauf zurückzuführen, daß er, als die Rolle, die Azeff spielte, bereits von mir enthüllt war, mir zuhörte, da ich von dieser Berräterrolle sprach. Lopuchin brauchte den Namen" Azeff" gar nicht mal auszu­sprechen: an seinem Schweigen hätte ich erkannt, daß er dieses Individuum als Polizeiagenten fannte. Und erst wieder in Paris , hätte ich Lopuchins Schweigen ganz sicher als ein Beugnis wider Azeff ausgelegt.

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spräch ein ganz gewöhnliches sei und sich in nichts von denjenigen Ohne Zweifel mußte Lopuchin zuerst glauben, daß unser Ge­Ich gehe noch weiter: Hätte Lopuchin in dem Augenblick, wo Gesprächen unterscheide, die wir früher miteinander gehabt hatten. er merkte, daß die scheinbar so simple Unterhaltung, die ganz ge­Als mir's nun schien, daß ich Lopuchin zur Genüge vorbereitet wöhnliche Unterhaltung, die ich da mit ihm begonnen hatte, fich hätte und daß er jetzt die Tatsachen kennen müsse, von denen ich auf die delikate Frage Azeff" zuspiste, hätte Lopuchin in diesem in meinem Bericht über die eigentliche Affäre Azeff" Ge- Augenblick unter irgendeinem Vorwand dem Gespräch ein Ende brauch machen mußte, da sagte ich zu Lopuchin: meiner Meinung machen wollen: ich würde ihn nicht losgelassen haben, ohne daß Ich traf Lopuchin zu einer Zeit, da bereits ein ganzes Jahr nach wären die furchtbaren Schläge, von denen die Partei der ich von ihm freiwillig oder unfreiwillig ein Zeugnis über voll unablässiger, mühseliger Forschungen nach neuen Beweisen für Sozialisten- Revolutionäre im Verlaufe der letzten Jahre bei allen den Spikel erhielt! Ich war davon überzeugt, daß er die Wahrheit Azeffs Schuld hinter mir lag. Zu dieser Zeit hatte ich bereits die ihren Unternehmungen und Plänen betroffen worden wäre, gar über Azeff wußte. Als ich ihn in Köln traf, da war ich mir sicher, feste Ueberzeugung, daß Azeff ein Provokateur war, und ich führte nicht anders zu erklären als so: daß sich an der Spiße dieser daß ich vor unserer Ankunft in Berlin für meinen letzten Stampf daher, des Ausganges sicher, innerhalb der sozialistisch- revolutionären Stampforganisation selber ein agent provocateur befinden müssel gegen Azeff eine neue Tatsache" in Händen haben würde: Lo­Partei einen hartnäckigen Kampf mit Ajeffs mächtigsten Ver- Lopuchin schien meinen Ausführungen teine besondere Auf- puchins Zeugnis! Und in der Tat: Lopuchin sprach endlich und teidigern. merksamkeit geschenkt zu haben, und er gab teine Antwort. Doch er konnte gar nicht anders den Namen Azeff" aus. Als wir uns begegneten, tannte ich Lopuchin schon lange Beit. ich merkte, daß er sich in acht nahm, ja daß er sich gewissermaßen Alles was nun folgte( die Mitteilung, die ich vor meinen Ich wußte, daß dieser Mann, einstmals Leiter des Polizei autnöpfte, als wenn er jetzt darauf gefaßt wäre, daß ich Richtern in Paris über meine Unterredung mit Lopuchin machte, departements, mit der russischen Regierung nichts mehr gemein hatte. ihm indiskrete Fragen vorlegen würde. der Besuch Azeffs bei Lopuchin, die Zusammenkünfte, die dieser in Ich konnte also mit Lopuchin über die kizligsten politischen Dinge London und in Petersburg mit Sozialisten- Revolutionären hatte, plaudern, wie man für gewöhnlich mit unabhängigen, anständigen fein Brief an Stolypin und schließlich seine Verhaftung, sein Pro­Leuten plaudert, ohne daß ich zu fürchten brauchte, unser durchaus zeß, seine Verbannung) alles das war die unausbleibliche Folge privates Gespräch tönnte zu den Ohren der Stolypin , Goremykin usw. des Umstandes, daß Lopuchin auf dem Wege zwischen Köln und gelangen. Berlin das Wörtchen Aaeff" aussprach und daß er das doch nicht

" Lassen Sie, Alexei Alexandrowitsch," so sprach ich zu ihm, lassen Sie mich Ihnen alles erzählen, was ich über diesen agent provocateur weiß: sowohl über seine Tätigkeit unter den Revolu­tionären, als über seine Tätigkeit bei der Polizei. Ich werde nichts borbringen, ohne unwiderlegliche Beweise für die Doppelrolle,

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