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GewerhfcbaftUcbe� Der Tarifvertrag und die Koalitionsrechts-Schlinge. Die galvanoplastische Anstalt von C- Behling in der Leipziger Straße zu Berlin hatte aus Anlaß von Warnungen vor ihrer Tarisuntreue, die der Vorstand des Vereins Berliner Buchdrucker und Schriftgießer pflichtgemäß vornahm, gegen diesen eine einstweilige Verfügung beantragt, durch welche dem gesamten Vorstand untersagt wird: a) an Buchdriickcreien die Aufforderung zu richten, Gal- valnos, Klischees, Platten und sonstige Stereotypieartikel nicht von der Antragstellerin zu beziehen, und zwar gleichviel, ob diese Aufforderung durch Druck oder Schrift oder direkt oder indirekt, insbesondere auch durch Vermittelung der Vertrauensmänner an die Druckcreibcsitzer gerichtet wird, b) an Buchdruckercigehilsen die Aufforderung zu richten, das Verdrucken von durch die Antragstellerin hergestellten Stereo- typieartikcln und Galvanos zu verweigern. Die Aiitragstelleriu sieht in dem Verhalten ihrer Gegner eilten Verstoß gegen§ 153 der Gewerbeordnung, infolgedessen eine unerlaubte Handlung im Sinne des§ 823 Abs. 2 Bürgerlichen Gesetzbuches, gleichzeitig aber auch einen Verstoß gegen die guten Sitten, da ihr der völlige Ruin drohe und andererseits der Arbeiterschaft Nutzen nicht gebracht wurde, welche aitgeblich besser gestellt sei als nach den Tarif- bedingungen. Das Landgericht hat diesen Antrag am 27. April 1939 zurückgelviesen, das kapitalistenfrommere Kammergericht, das ja auch die Allgewalt des preußischen Schutzmannes festgestellt hat, kam am 14. Juni zu einem anderen Beschluß. Es er- klärte, man höre und staune, der Tarifvertrag der Buch- ' drucker sei eine Vereinigung nach 8 152 der Gewerbeordnung, die den Strafbestimmungen des 8 153 unterstehe. Deshalb beschloß das Kammergericht, dem Antrage der Firma B e h- l i n g Folge zu geben. Wir erklärten damals schon: Der jüngste deutsche Gewerbegerichtsvorsitzende hätte den Herren im Kammergericht ein Privatissimum darüber lesen tonnen, daß im Tarifvertrag ein Kompromiß zwischen den Wider- streitenden Interessen der Unternehmer geschaffen ist, wie im Grunde in jedem Vertrag, und daß die Tariforganisation ledig- lich die Jnnehaltung der im Vertrag niedergelegten Rechte und Pflichten überwacht, aber keineVerabredung zur Erlangung günstigerer Lohn- und Arbeitsbedingungen" ist." Der Berliner Gauvorstand des Buchdruckerverbandes hat natürlich gegen den Beschluß des Kammergerichts sofort Widerspruch erhoben und so mußte sich die vierte Zivil- kammer des königlichen Landgerichts I am 17. September 1939 erneut mit der Sache beschäftigen. Das Urteil liegt jetzt vor und ist eine klatschende Ohrfeige für das preußische Kamniergericht. Die einstweilige Verfügung des Kammergerichts wurde aufgehoben. In der Urteilsbegründung heißt es: Die Frage, ob der Tarifvertrag unter§8 153, 152 Gewerbe­ordnung fällt, ist in der Literatur streitig, wird dort aber über- wiegend verneint. Das Reichsgericht hat sie in der Entscheidung vom 30, April 1903(Entscheidung i. Straff. Bd. 26 S. 236) ohne Begründung bejaht. Gegen diese Entscheidung haben sich ge- wichtige Stimmen erhoben(vergl. z. B. Landmann, Druckschrift fiir Jahrgang 1968 S. 273 ff.). Sie gehört zeitlich zu den Eni- scheidungen, welche nach der Erklärung des Staatssekretärs des Reichsjustizamts in der Reichstagsverhandlung vom 26. April 1967(Vcrhaudl. des R. T. XII. L.-P. 1. Les. Bd. 228 S. 933) noch ernster Nachprüfung unterzogen zu werden verdienen. In der Entscheidung vom 26. Juni 1968(Entsch. i. Straff. Bd. 41 S. 365 s372j lägt das Reichsgericht die Frage ausdrücklich offen. Das erkennende Gericht hat die Frage verneint. Die Eni- stehungsgcschichte der§§ 152, 153 Gewerbeordnung, welche in der Entscheidung des Reichsgerichts vom 5. Oktober 1965(Entsch. in Straff . Bd. 38 S. 161) wiedergegeben ist, läßt erkennen, daß 8 152 Gewerbeordnung die Koalition als Mittel im Lohnkampf behandelt; der Tarifvertrag ist im Gegensatz hierzu ein Friedens- schluß. Die Koalition im Sinne§ 152 Gewerbeordnung setzt einen Gegner voraus, dem irgend ein Zugeständnis abgerungen werden soll; der Tarifvertrag ist eine friedliche Auseinander- setzung. Es ist auch keine Verabredung zum BeHufe der Erlan- gung günstiger Lohn- usw. Bedingungen, denn er setzt diese Be- dinguugen bereits selbst fest(vergl. Landmann a. a. O. Sp. 274, Lotmar Arbeitsvertrag I 771, Rundstein, Tarifverträge, Eni- scheidung des Oberlandesgerichts Kiel vom 29. August 1965 Ge- Werbegerichts Bd. 11 Sp. 1341.). i Auch die Erwägung, daß die Antragstcllerin zur Beteiligung an der Preiskonvcntion gedrängt werden sollte, rechtfertigt die Anwendung des 8 153 Gewerbeordnung nicht. In diesem Falle wäre die Antragstellerin nach der ausführlichen und über- zeugenden Entscheidung des Reichsgerichts vom 26. Juni 1963 (Entsch. in Straff . Bd. 41 S. 365 ff.) alsandere" im Sinne des § 153 Gewerbeordnung nicht anzusehen. Anderer ist danach nie- mals der Gegner, mit dessen Ueberwindung die Verabredung ihr Ziel erreicht, sondern nur derjenige, auf dessen werktätige Hilfe gerechnet und zu hoffen ist. Folgt man der Darlegung der An- tragstellerin, so hätte die Perabredung und Bildung einer Preis- konvention mit der Beteiligung ihrer Anstalt ihren Zweck er- reicht." Die Firma Behling hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Wir sind neugierig, wie das Kammergericht die Nuß knacken wird, die ihm die Herren vom Landgericht I auf die Zähne gepackt haben. Die Paragraphen 152 und 153 der Gewerbeordnung dürften dabei schwer gequetscht werden I Berlin und Umgegend. Achtung, Metallarbeiter! Die Differenzen bei Schwartzkopff- Wildau aus Anlaß des Streiks der Stemmer und Nieter sind noch nicht beendet. Wir ersuchen deshalb dringend, bis auf weiteres jeden Zuzug von der Firma Schwartzkopff fernzuhalten. Da Schwartzkopff in auswärtigen Blättern Ersatz für die Streiken- den sucht, ist es notwendig, daß alle arbeiter- freundlichen Blätter obige Sperrnotiz nach- drucken. Deutscher Metallarbeiterverband. Ortsverwaltung Berlin . Tie Werkstatt des Vereins für Unfallverletzte hat schon öfter Anlaß zu Klagen in gewerkschaftlichen Kreisen gegeben. Bekannt- lich unterhält der genannte Verein eine größere Werkstatt zur Herstellung von Bürstenwaren, in der Unfallverletzte beschäftigt werden. Ter Verein verfolgt den an sich anerkennenswerten Zweck, Arbeitern, die als beschränkt crioerbsfähig eine völlig ungenügende Unfallrente beziehen, eine leichte Beschäftigung zu gewähren, die ihnen einen Zuschuß bietet zu der Rente, die zum Leben zu wenig und zum Sterben etwas zu viel bietet. Was in gewerkschaftlichen Kreisen gegen die Leitung der Werkstatt des Vereins für Unfall- verletzte gesagt wird, das bezieht sich lediglich darauf, daß hier Arbeitslöhne gezahlt werden, die bedeutend niedriger sind als die tarifmäßigen Löhne der Bürstenmacher. Durch diese Lohndrückerci, werden natürlich die Interessen der Arbeiter in der Bürstenmachcrei ebenso schwer geschädigt, wie die Interessen der Arbeitgeber dadurch benachteiligt werden, daß die Werkstatt des Vereins für Unfall- verletzte die unter dem Tarif angefertigten Artikel billiger abgibt, als es ein Privatunternehmer kann, der seine Arbeiter tarifmäßig entlohnt. Berantw. Redakt.: Emil Unger, Grunewald . Inseratenteil verantw.: Ein Fall dieser Art, der sogar zu einem Konflikt zwischen der Leitung der Werkstatt und den dort Beschäftigten geführt hat, wurde am Mittwoch in einer Versammlung der im Holzarbeiter- verbände organisierten Bürsteninacher besprochen. Danach hat die Werkstatt des Vereins für Unfallverletzte für eine Firma Holz- müller die Herstellung von Piassavabefen übernommen. An diesen Besen wird eine bestimmte Arbeit, für die im Bürstenmachertarif ein Lohn von 2 M. vorgesehen ist, mit 80 Pf. bezahlt. Natürlich konnten selbst die anspruchslosen Arbeiter der Werkstatt für Unfall- verletzte bei einem solchen Lohn keine tadellose Arbeit liesern. Die Firma Holzniüller wollte deshalb die Arbeit einer ganzen Woche nicht bezahlen. Das brachte die Arbeiter begreiflicherweise in Er- regung. Sie legten die Arbeit nieder und wandten sich an Herrn v. Schulz, den Vorsitzenden des Vereins für Unfallverletzte. Dieser wies sie an den Leiter der Werkstatt, Herrn Regicrungsbaumeistcr Eisner. Dieser aber enipfing die Vertreter der Arbeiter gar nicht, sondern ließ ihnen durch eine Angestellte sagen, wer die Arbeit nicht zu dem bisherigen Lohne macken wolle, der könne gehen, an- dere Arbeit sei nicht vorhanden. Eine Woche hielten die Arbeiter im Streik aus. Der zuständigen Organisation, die ihnen einen Rückhalt hätte bieten können, gehören sie nickt an. Zugeständnisse wurden ihnen von der Leitung der Werkstatt nicht gemacht. Die Arbeiter haben also unter den alten Verhältnissen die Arbeit wieder aufgenommen, doch stellten sie die Bedingung, daß über die Diffe- renzen verhandelt werden solle. Ob hierbei etwas heraus- gekommen ist, oder ob Verhandlungen überhaupt stattgefunden haben, ließ sick nicht feststellen, denn es war der Organisation nicht möglich, Fühlung mit den betreffenden Arbeitern zu erhalten. Es soll aber versucht werden, Verbindungen mit ihnen anzuknüpfen. damit der das ganze Gewerbe schädigenden Lohudrückcrei entgegen- getreten werden kann. Veutkcbes Reich. Fachabteilnngsfiihrer als Arbeiterverräter. In Leobfchütz O.-Schl. brachen bei der Textilfirma Winfler u. Co. Lohndifferenzen aus, die von den Arbeitern mit der Arbeits- niederlegung beantwortet wurden. Die katholischen Fachabteiler machten mit den Zentralverbändlern gemeinsame Sache und be- schlössen, die Arbeit nicht wieder aufzunehmen, ehe die Firma Zu- geständnisse macht. Unter Umgehung der Mitglieder verhandelte der Vorsitzende der Fachabteiler und ein Kaplan mit der Firma, ohne etwas zu erreichen. Trotzdem versuchten sie, die Mitglieder der Fachabteilung zur Aufnahme der Arbeit unter Androhung des Ausschlusses aus der Organisation zu zwingen. Dieser Verrat war selbst den Fachabteilungsmitgliedern zu stark. Sie traten des- halb geschlossen zum Textilarbeiterverband über, dem es auch ge- lang, der Firma wesentliche Zugeständnisse abzuringen. Die Ar- beit wurde wieder aufgenommen. Der Verrat an Arbeiterinter- essen ist diesmal den Fachabtcilern teuer zu stehen gekommen. Differenzen im Dresdener GlaSgewerbe. In Dresden hat die Firma Bruno V o n h o f vorm. August Meier u. Sohn ihren Glasschleifern und Glasern Lohnreduzierungen von 7 bis 16 Pf. per Stunde gemacht. Drei Glasschleifer, die sick dem nicht fügen wollten, haben ihre Kündigung erhalten. Darauf haben die übrigen Glasschleifer und Glaser ebenfalls die Kündigung ein- gereicht. Da die Firma voraussichtlich versuchen wird, aus anderen Städten Arbeitskräfte heranzuziehen, wird ersucht, Arbeitsangebote von dort streng zurückzuweisen. Wir Arbeitswilligen.... Wie sich jetzt herausstellt, liegt die aus Nürnberg gemeldete Haftentlassung eines arbeitswilligen Messerstechers viel schlimmer, als es ursprünglich schien. Der freigelassene Streikbrecher Gaßner ist nämlich der Haupttäter bei der verhängnisvollen Messerstecherei, der dem streikenden Drechsler Wendler die tödlichen Messerstiche versetzte. Er ist auch der einzige Verhaftete in dieser Sache, sein Bruder, dessen angebliche Haftentlassung gemeldet wurde, ist gar nicht verhaftet gewesen. Das Gericht begründete die Entlassung damit, daß offenbar Notwehr vorliege. Der Staatsanwalt ist an- derer Ansicht und hat gegen die Entlassung Beschwerde ergriffen. Es scheint also wirklich, daß auch dieser Streikmord ungesühnt blei- ben soll. Die Aussperrung der Mühlenarbeiter in Mittelfranken zieht weitere Kreise. Eine Anzahl Mühlen haben den AuSsperrungs- b-efchl der Scharfmacher vom Mtühlcnbesitzcrverband nicht befolgt, weil sie keine Lust haben, für diese Herrschaften die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Um sie kirre zu machen, wurde die Nürnberger Bäckerinnung, in der die schlimmsten Arbeiterfeinde des Bäcker- gewerbes vereinigt sind, als Hilfstruppe gewonnen. Die Innung hat beschlossen, alle Mühlen, die die Aussperrung nicht verfügten, zu boykottieren. Die Herren vom Backtrog haben dabei aber nicht bedacht, daß ihre Existenz von der Arbeiterschaft abhängt und daß sie schließlich selbst unter die Räder kommen werden. Soziales. AuSfllhrungsanweifung zur Berggesetznovelle. Der gestern abend erschieneneReichs-Anzeiger" veröffentlicht die vom preußischen Handelsminister erlassenen umfangreichen Ausführungsbestimmungen zur letzten Berggesetznovelle. Schikanöses Verhalten gegenüber dem zur Disposition gestellten Handlungsgehilfen. Manche Prinzipale glauben, sich den aus einer Zurdispositions- stellung ergebenden Pflichten am leichtesten dadurch zu entziehen, indem sie sich schikanös dem Angestellten gegenüber verhalten. So stellte eine Elektrizitätsfirma einen ihrer Beamten zur Dis- Position und verlangte, ersolle sich auf einen Schemel setzen und den ganzen Tag zusehen, wie die anderen arbeiten". In einem anderen Falle verlangte ein Fuhrhalter, daß ein zur Verfügung gestellter Expedient sechsmal täglich nach dem Geschäft komme,Guten Tag!" sage und wieder fortgehe. Außer- dem sollte er dann und wann die Arbeiten eines Laufburschen ausführen. In beiden Fällen erklärte das Berliner Kaufmanns- gericht die Weigerung der Angestellten, dem Ansinnen nach- zukommen, dem Gesetz entsprechend für berechtigt. Ein zur Dis- Position gestellter Gehilfe müsse sich allerdings zur Verfügung halten, er brauche aber weder sechsmal am Tage vorzusprechen noch Botengänge zu erledigen, noch auf demJsolierschemel" sitzen zu bleiben. Es läge in diesen Füllen schikanöse Inanspruchnahme der Dienste vor. Der Handlungsgehilfe und ebenso der gewerbliche Arbeiter ist lediglich zur Ausführung der von ihm vertraglich übernommenen Arbeiten verpflichtet. Zu diesen gehört die Erfüllung solcher Zu- mutungen nicht. UebeÄies wende sich auch das Bürgerliche Ge- setzbuch in§ 226 ausdrücklich gegen die Schikane, indem es be- stimmt:Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen." Besteuerung von Konsumvereinen. Die Versuche der Drangsalierung von Konsumvereinen durch Steuern kam dieser Tage in einem Prozeß vor dem Ober- Verwaltungsgericht zur Sprache. In Zeitz wird nach 8 2 der dortigen Gewerbesteuerordnung eine besondere Gemeindegewerbesteuer in Form einer hohen Umsatzsteuer von denjenigen gewerbesteuerpflichtigen Be- trieben erhoben, die in Anwendung auf den Einzelverkauf als Großbetriebe zu bezeichnen sind und Waren verschiedener Gattungen, die herkömmlich nicht zugleich feilgehalten zu werden pflegen, im Kleinhandel entweder in offenen Verkaufsstellen feilgehalten l». Block«. Berlin . Druck u. Verlag.'Vorwärts Buchdr. u. VerlagSanftals' i oder im Wege des Versandes an Konsumenten zum Verkauf bringen.(Warenhäuser, Bazare usw.) Auf Grund dieser Ordnung war der Konsumverein zu Zeitz für das Steuerjahr 1967/1968 zur Umsatisteucr herangezogen worden. Der Bezirksausschuß, bei dem der Verein auf Freistellung klagte, billigte die Heran- zichung in Höhe von 11387 M. Er ging unter anderem davon aus, daß der Verein in Zeitz in offenen Verlaufsstellen Waren, die herkömmlich nicht gleichzeitig feilgeboten zu werden pflegten» feilbiete, indem er neben Kolonialwaren auch Backwaren dort ver- kauft. Das Oberverwaltungsgericht hob auf die Revision de? 5ionsumvcrcins dies Urteil auf und stellte den Berein von der Gcmeindr-Gewcrbeumsabstcuer gänzlich frei. Begründend wurde ausgeführt: Die Heranziehung des klagenden Vereins zu der Umsatzsteuer sei zu Unrecht erfolgt, denn die Begriffsbestimmung von Warenhäusern usw., die die Stcuerordnung gebe, treffe auf den Kläger nicht zu. Wenn der 8 2 der Umsatzsteuer nur solche Geschäfte unterwerfe, die Waren verschiedener Gattungen feil- hielten, die herkömmlich nicht zugleich feilgeboten zu werden pflegen, dann seien damit nur heterogene Waren gemeint, nicht aber Waren, die an und für sich untereinander eine gewisse Ver- Wandtschaft haben. Harum scheide der Verkauf von Brot aus, denn es könne nicht als erwiesen angesehen werden, daß es nicht ncit Kolonialwaren zusammen feilgehalten zu werden pflege. Wo etwas sowenig Verschiedenes zusammen feilgehalten werde, treffe die Bezeichnung Warenhaus nicht zu. Heterogene Waren seien nun allerdings Kleidungsstücke. Aber im fraglichen Steuerjahr seien solche in den Verkaufsräumen des Klägers in Zeitz über- Haupt nicht feilgehalten worden. Es sei im Mai ein besonderer Konsumverein in Zeitz entstanden, der solche Waren, die früher dem Kläger gehörten, übernommen und feilgehalten habe. Nach der Steuerordnung(Nachtrag) würde es den Kläger nicht von der Umsatzsteuer befreien, wenn hier ein Betrieb im Sinne des 8 2 nur zum Schein in mehrere selbständige Betriebe zerlegt wäre. Das sei nicht anzunehmen. Für eine solche Annahme genüge es nicht, daß die Mitglieder zum Teil identisch seien und daß der erste Vorstand des neuen Vereins aus denselben Personen; be- stand, wie der des älteren Vereins(des Klägers). Allerdings sei der neue Verein für den Verschleiß von Bekleidungsstücken nur gegründet worden, damit man der Umsatzsteuer entgehe. Aber daraus folge nicht, daß die Gründung nicht ernsthaft gemeint ge- Wesen sei. Eine Scheingründung sei nicht dargetan. Unter diesen Umständen müsse die Freistellung von der Gemeindeumsatzsteuer (Gemeinde-Warenhaussteuer) erfolgen. Freisinnige Arbeiterfreundlichkcit bekundete der Nürnberger Stadtmagistrat gegenüber einem An- trage der vereinigten Gewerkschaften, den ortsüblichen Tagelohn hinaufzusetzen. Er befürwortete bei der Regierung die Ab- lehnung des Antrages. Die freisinnigen Herren begründeten diesen Standpunkt damit, daß durch Annahme des Antrages die Unternehmer geschädigt würden, weil die Arbeiter mehr Lohn verlangen würden. Es wurde auf norddeutsche Städte verwiesen, wo der ortsübliche Tagelohn niedriger oder nicht höher als in Nürnberg ist, aber zu erwähnen vergessen, daß in Norddeutschland überall Ortskrankenkassen bestehen und die Arbeiter nicht das Interesse an der Höhe des ortsüblichen Tagelohnes haben wie in Nürnberg , wo man die Errichtung einer Ortskrankenkasse hart» näckig verweigert. Es ist die Höhe des ortsüblichen TagelohneS auf die Wirkungen der sozialpolitischen Gesetzgebung von großem Einfluß. Für die Freisinnigen ist aber die Hauptsache: daß die Unternehmer nichtgeschädigt" werden. Letzte JNfacbncbten und vepelcben. Flugversuche auf dem Bornstedter Felde. Berlin , 28. Oktober. Korvcttenkapitäst Engelhardt hat trotz des ungünstigen Wetters und des starken WindeS auf dem Bornstedter Felde mehrere Flüge selbständig ausgeführt, unte« denen sich solche von zirka 36 Minuten Dauer befanden. Die er» reichten Höhen waren zwar noch keine beträchtlichen, immerhin wurden solche von 3646 Meter erreicht. Bier Gehöfte niedergebrannt. Glogau , 28. Oktober. (W. T. B.) Im Dorfe Groß-Vorwerk wütete heute ein Großfeuer, das infolge des starken Windes daS ganze Dorf zu vernichten drohte. Nur durch �das Eingreifen einer Glogauer Pionierabteilung gelang es, das Feuer auf seinen Herd zu beschränken. ES hat vier Gehöfte in Asche gelegt. Briand gegen daS Proportionalwahlrecht. Paris , 28. Oktober. (W. T. B.) Bei den Verhandlungen der Deputiertenkammer über die Reform deS Wahl- rechts wies Charles B e n o i st auf die Vorteile der Pro» portionalwahl hin, die vom ganzen Land verlangt werde. Minist erPräsident Briand erklärte, die Regierung glaube aus praktischen Gründen gegenwärtig die Art der Befra-, gung des Landes nicht ändern zu sollen und meinte, die Wähler könnten das neu vorgeschlagene System nicht verstehen, das allerdings gerechter sei als das bisherige. Gegenwärtig hätten alle politischen Nuancen die Möglichkeit, in der Kammer vertreten zu sein, nehme man aber morgen die ProPortio- -nalwahl an, so könnten infolge des unvollständigen Mechanisinus der verfrühten Reform verschiedene Schattierungen der Majori- tätsparteien, namentlich die unabhängigen Sozialisten. aus der Kammer verschwinden. Im weiteren Verlaufe seiner Ausführungen wies Minister» Präsident Briand auf eine Reihe bereits angenommener oder in Vorbereitung befindlicher Gesetze hin, um zu zeigen, daß die Wahl nach Bezirken es sei, die das heutige Ergebnis der republika- nischen Staatsform hervorgebracht habe; indessen erkenne er an, daß dieses Wahlsystem die V e r w a I t u n g s r e f o r m nicht begünstige. Ter Minister bat die Republikaner der äußersten Linken, sich nicht zu gefährlichen Koali. tionen verleiten zu lassen. Das Haus nahm die Rede Briands mit Beifall auf und beschloß, sie anschlagen zu lassen._ Schüsse auf eine Polizeipatrouille. Tiflis , 28. Oktober. (W. T. B.) Als heute abend eine Polizei» Patrouille auf der Straße drei verdächtige Personen verhaften wollte, schössen diese und töteten einen Schutzmann. Auf der Flucht verwundeten sie einen zweiten Schutzmann, töteten einen Soldaten und verwundeten zwei Straßenpasjanten. Die Täter entkamen. Eine Wasserhose. Genua , 28. Oktober. (W. T. B.) Heute nachmittag brach eine Wasserhose über die Vorstadt Fece herein, warf alles nieder, waS ihr begegnete, und trug allerhand Gegenstände große Strecken weit mit sich fort. Drei große Bäume wurden entwurzelt, mehrere Dächer abgedeckt und weit weggetragen. Ein Wagen, der 3666 Kilogramm Sand geladen hatte, wurde wie eine Feder in die Höhe gehoben und weit fortgetragen. Die Kamine einer Fabrik wurden niedergeworfen, die Dächer der Fabrikgebäude und sie selbst stürzten ein und verschütteten zwei Pferde. Glücklicherweise ist kein Nienschenleben zu beklagen. Es sind nur einige Personen verletzt worden. Infolge eines nachfolgenden starken Regengusses, der viele Häuser unter Wasser setzte, mußten einige Fabriken den Betrieb einstellen. Die Behörden, Karabiniere und Feuerwehr eilten zur Hilfeleistung herbei._ Bomben. Petersburg, 28. Oktober. (W. T. B.) Heute abend explo- dierte in der Stadt eine von einem Unbekannten auf eine Schutt- grübe gelegte Bombe. Ein Mann wurde schwer verletzt. Ein Hau» wurde beschädigt.__ ßauISingcr& Eou Berlin S W. Hierzu 3 Beilagen». Unterhaltungsbl,