Macht Gebrauch, und soviel Macht haben wir noch, daß wirEuch zahm machen."Vom Zirkelschacht erklärte der Obersteiger Schnupfsich außerstande, Leute anzunehmen, dazu bedürfe er der Erlaubnisund der Anweisung der Oberbergdirektion.Auf dem Hohenthalschacht wurde die Deputation ambesten empfangen. Der Bctriebsführer Lauderwald sprachsehr versöhnlich zu den Leuten. Er wollte sie alle wieder ein-stellen, aber auS dem Verbände müßten sie zunächst ausscheiden.Was dann später geschähe, das könne er jetzt nicht sagen.Vom Otto- und Chlothilden-Schacht fragten dieBctriebsführer, warum sich die Belegschaften dem Streik an-geschlossen hätten, worauf die Delegierten antworteten, daß sie sichverpflichtet gefühlt hätten, sich mit den gemaßregelten HettstcdterKameraden solidarisch zu erklären, und daß auch sie entschlossenseien, das Recht der Koalition zu fordern cvent. zu erkämpfen.Eine bestimmte Zusage, daß sie anfahren dürfen, erhielten sie nicht,und auf die Frage, was mit ihren Kameraden geschehen soll, er-hielten sie die Antwort:„Scheren Sie sich mit Ihren Kameradenins Pfesfcrland!"Auf Her mann-Sch acht wurde ihnen die Mitteilung, daßSchacht I stillgelegt und die Belegschaft soeben vermindert werde,bis die Betriebsvorrichtungen auf Schacht II fertiggestellt seien.Wer nach dem Streik draußen bleibe, entscheide die Verwaltungin jedem Einzelfalle.Aehnlich lautete auch der Bericht von der Kupferkammer-und Eckardt-Hütte.Die Delegierten erklärten, nach diesem Ergebnis unbedingt imKampfe auszuharren, möge kommen, was da wolle. Die KnappenMansfelds hätten allzulange die geistige Knechtschaft bei Hunger-löhnen ertragen, hätten allzulange die reichstreue Schmach er-duldet und zähneknirschend die Gesinnungslumperei mitgemacht—nie dürften sie wieder in die alte Sklaverei zurückkehren. Nicht umLohn, nicht um Forderungen handele es sich, durch die die Gewerk-schaft in ihren Einkünften geschmälert werde, sondern um Menschen-rechte, um die Freiheit des Staatsbürgers, um das höchste Ideal:das Recht der Knappensolidarität über ganzDeutschland! Wir haben uns im Bcrgarbeiterverbande der-bunden mit unseren Brüdern in ganz Deutschland, wir wollen mitihnen verbunden bleiben, und sollte es Kopf und Kragen kosten!Nur dann fahren wir an, wenn alle anfahren und alle im Verbändebleiben dürfen.Zehn Belegschaftsvcrsammlungen, die im ganzen Reviere statt-fanden, beschlossen einstimmig, im Kampfe auszuharren, bis Mans-feld der Organisation erobert ist.Nach diesem Ergebnis muß mit einem langen, hartnäckigenund kostspieligen Kampf gerechnet werden, weil im„Rechtsstaat"Deutschland ein Mann mehr als 20 000 Staatsbürgern die Aus-Übung ihrer Staatsbürgerrechte verbietet und in diesem Vorhabennoch von der Staatsgewalt und dem„Ordnungs"klüngel unter-stützt wird.».'Ein Gewaltstreich.� Sofort nach Eintreffen des Militärs im reichstreuen Streik-tzebict wurde im Gcbirgskreis ManSfeld die Polizeistunde für dieWirtschaften in den Städten Mansfeld und Hettstedt auf 11. in denDörfern auf 10 Uhr herabgesetzt, ohne daß auch nur die geringstenAusschreitungen vorgekommen wären, während im Seekreis Mans-fcld-Eisleben keinerlei Verkürzung der Polizeistunde eingetretenist, obschon gerade im Seekreis die größten Bergmannsdörfer(Heldra, der HuuptbergmannSort) liegen. Aber immerhin ging dieRegierung des Gebirgskreiscs zunächst einheitlich vor, bestimmtefür alle Wirtschaften ohne Ausnahme die Verkürzungder Polizeistunde; jetzt ist den Wirtschaften, in denenStreikbureausuntergebrachtsindoderVersamm-lungenabgchaltenwerden.diePolizeistundeauf8 Uhr abends herabgesetzt worden, und zwar lautfolgender Verfügung: l�Lcimbach, den 30. Oktober 1900,Auf Grund der Vorschriften des§ 10 des Allgemeinen Land-rechts II, 17 setzen wir die Polizeistunde für Ihr Lokal auf8 Uhr abends fest. Diese Verfügung wird nach Maßgabe derWestimmungen des§ 03 des Landesverlvaltungsgcsetzes für so-fort vollstreckbar erklärt.Weitere Verkürzungen der Polizeistunde bleiben vorbehalten.Tie Polizeiverwaltung.Ziegler."Mit diesem Ukas, den nicht etwa ein russischer Gouverneurerlassen hat, sondern eine preußisch-deutsche Polizeiverwaltung, solldas bißchen Versammlungsrecht stranguliert, die Streikbureaussollen an die Luft gesetzt werden. Wie ist den wenigen Wirten,die ihre Lokale den Streikenden geöffnet haben, schon zugesetztworden von den Behörden, der Gewerkschaft, der Geistlichkeit. Manmuß sich wundern, daß in einer solchen Gegend auch nur ein einzigerWirt standhaft geblieben ist. Die bisher allen Drohungen und Ver-lockungen widerstanden haben, werden auch diesen Streich aus-halten. Vom Kriegerverein ist schon längst zum Boykott aller der-jenigen Wirtschaften aufgefordert worden, in denen Streikver-sammlungen stattfinden, und die Militärbehörde hat in Kloster-Mansfeld die Kontrollversammlung noch in letzter Stunde ausdem„Kaiser", dem Versammlungslokale, nach einem anderen Lokaleverlegt, jedoch ohne den Zweck zu erreichen. Die Wirte, die ihreLokale den Streikenden hergeben, tun das weniger aus der Neigungzum Bergarbeiterverbande, auch nicht aus reinem Geschästsinter-esse, sondern hauptsächlich aus Empörung gegen die bisherigenZustände, die sie durch den Streik zu beseitigen gedenken. Siewerden auch diesen Streich ertragen und mit den Streikendenstehen bis zum Abschluß des Kampfes.Mere Stichwchliiege in Kaden.AuS Baden wird uns geschrieben:Unsere Gegner kommen aus den peinlichen Neberraschungennicht mehr heraus. Daß wir gleich im ersten Anlauf neunMandate von unseren zwölf behaupteten und vom Zentrumein neues dazu eroberten, gab ihrem Selbstvertrauen einengewaltigen Stoß; aber daß wir in den Stichwahlen unserenSiegeszug mit unverminderter Kraft fortsetzen und nochmalszehn Mandate dazu erobern würden. hatten selbst diePessimisten in den Reihen der bürgerlichen Parteien nichtbefürchtet. Und doch ist eS— zum Teil zu unserer eigenenUeberraschung— so gekommen! Wir errangen von densechs Wahlkreisen, in welchen wir die Unterstützung desliberalen Blockes hatten, fünf und gewannen in den elfKreisen, in denen wir den Kampf mit den Nationalliberalenresp. Freisinnigen auSfochten, gleichfalls noch fünf Sitze, zumTeil nüt recht ansehnlichen Mehrheiten. Ganz besondersschmerzlich ist es für die Nationalliberalen, daß in Lörrach-Land ihr Fraktionschef O b k i r ch e r gegen unseren GenossenBreitenfeld unterlegen ist.Das Zentrum hat von seinen vier Stichwahlen, in welcheneS alte Sitze zu verteidigen hatte, drei behauptet, hat aberkeinen Sitz hinzugewonnen, so daß es einen Verlust von zweiKreisen hat, da wir seinen Renommicrarbeiter V a l z e r bereitsim ersten Wahlgang geworfen hatten. Besondere Freude hates den Liberalen gemacht, daß es gelungen ist, einem derHauptführer des Zentrums, dem langjährigen Vorsitzendender Budgetkommission, Amtsgerichtsdirektor G i e ß l e rdas Mandat zu nehnien. Ein Pendent zu dem Hinaus-wurf Obkirchers. Die Demokraten haben mit unsererHilfe zwei Sitze gewonnen. wofür wir ihnen einen(Schlvetzingen) abgenommen haben; die Konservativen habeneinen Sitz verloren.Die Kammer wird demnach zählen:Zentrum....... 26 früher 28Sozialdemokraten.... 20„ 12Naüonalliberale.... 17„ 23Demokraten...... 6„ SKonservative..... 3„ 4Freisinnige...... 1 173 73Unsere Sitze verteilen sich über das langgestreckte Landwie folgt: Im Oberland gehören uns die Sitze Schopshciin,Lörrach-Stadt, Lörrach-Land, Freiburg II. Lahr-Stadt. InMittelbaden Karlsruhe I, III und IV. Karlsrnhc-Land,Durlach-Stadt, Durlach-Land, Pforzheini II und Pforzheim-Land. Jni Unterland Heidelberg, Wiesloch, Heidelberg-Eberbach. Schlvetzingen. Mannheim-Land und Mannheim I,II und V.Gewählt sind die Genossen:B e ch to l d, Landwirt, M a n n h ei m- Land; Breiten-feld, Gemcinderat, Lörrach: Dr. Frank, Rechtsanwalt;Adolf Geck, Buchdruckereibefitzer; Anton Geiß, Stadt-verordneter in Mannheim; Kahn, Expedient,Schwetzingen; Kolb, Redakteur; Kräuter, Sägen-feiler, Freiburg; Kram er, Kassenbeamter, Mann-heim; Kurz, Gemeinderat, Grätzingen; Maier,Parteisekretär, Heidelberg; Mansch, Stadtrat, Offen-bürg; Müller, Sattlermcister, S ch o p f h e i m;P f e i f f l e, Expedient; Rösch, Schriftsetzer; Schwall,Eisenbahnverbandsbeamter; Stockinger, Kasscnbcamter;Sützkind, Kaufmann; Weber, Metallarbeiter; Willi,Arbeitersekretär.Die Sozialdemokratie kann mit Stolz auf ihre Erfolgezurückblicken. Wir haben unsere Mandate von 12 auf 20 undunsere Stimmenziffer von 50431 auf 86 078 gesteigert. Wirhatten einen Gewinn von 35300, die liberalen Parteieneinen Verlust von 9200, Zentrum und Konservative sogareinen Verlust von 18600 Stimmen, und das, trotzdem dieNegierung in den Wahlkampf eingegriffen und vor der Wahlvon Sozialdemokraten gelvarnt hatte.Sie Konlcrvalive» und das Dreildafien-Wahlrecht.Die Konservativen fühlen sich in einer höchst unbequemen Lage.Die Taktik, die die konservative Reichstagsfraktion bei der Beratungder Reichsfinanzreform verfolgt hat, besonders ihre brüske Ab-lchnung der Erbschaftssteuer, hat nicht nur ihre Anhängerschaft inder Bureaukratie, sondern auch einen Teil des Offizierkorps und derhinter den Konservativen einhertrottenden städtischen Mittelstands-schichten verstimmt; und zu dieser Opposition in den eigenen Reihengesellt sich der für die Konservativen niederschmetternde Ausfall derLandtagswahlen in Baden und Sachsen, ganz besonders in Sachsen,in dem trotz seiner industriellen Entwickelung das konservativeAgrariertum bisher den Landtag beherrschte. Das ist jetzt vorbei!Der Entrüstungssturm der proletarischen Massen über die egoistischePrivilegien- und Cliquenwirtschaft der sächsischem Agrarkonser-vativen hat, ungeachtet des Schutzwalls, den sich diese durch daSWahlrecht der vier Infamien errichtet hatte, ihre Herrlichkeit hin-weggefegt. Anstatt aber daraus die Lehre zu ziehen, beizeiten ein-zulenken und sich nicht in der heutigen Entwickelung begründetenReformen, die sich doch nicht aufhalten lassen, entgegenzustemmen,ziehen vielmehr, wie für jeden Kenner der Psyche des ostelbischenAgrarkonservatismus von vornherein feststand, die preußischen Kon-srvativen aus dem sächsischen Wahlergebnis den Schluß, daß nunin Preußener st recht an den« widerlichen Wechsel-balg der nach dem tollen Jahr einsetzenden Re-aktionSperiode, an dem Dreiklasfenwahlsystem,festgehalten werden muß. Für die preußischen Führergelten die Lehren der Geschichte nicht. Sie stehen noch heute aufdem Standpunkt der französischen Aristokraten des Jahres 1780und haben noch immer nicht begriffen, daß notwendige Reformensich vielleicht eine kurze Zeit verschieben, aber nicht dauernd auf-halten lassen, und daß sie, je mehr sie hinausgeschoben werden, sichmit desto explosiverer Gewalt durchsetzen. Manches, was früher, alszuerst die die Notwendigkeit einer Aenderung hervortrat, noch imInteresse der privilegierten Schichten zu retten gewesen wäre, wirddann vom Strudel mit weggerissen.Indes, in den Hirnen der preußischen Konservativen malt dieWelt und ihre Entwickelung sich anders als in normalen Köpfen.Sie folgern aus dem sächsischen Wahlergebnis, daß es ihre heiligePflicht ist, im Interesse des preußischen Staates jede Wahlreforms-versuche der Regierung verhindern zu müssen. Zwar hat Wilhelm II.in seiner vor einem Jahr verlesenen Thronrede eine Aenderungdes Dreiklassenwahlsystems verheißen; aber was gelten preußischenKonservativen, trotz ihres ostentativ zur Schau getragenen altfränki-schen Royalismus, Königsworte. Sie waren seit jeher der Ansicht,daß im preußischen Staate nur dann Königsversprechungen einenWert haben und zur Erfüllung des Versprochen!» verpflichten, wenndie Konservativen diese Versprechungen sanktionieren. Wie sieseinerzeit, als der Bau des Mittellandkanals in Frage stand, demköniglichen Ausspruch:„Gebaut wird er doch!" ihre kühleVersicherung:„Und wenn es uns nicht paßt, wird ernicht gebaut!" entgegensetzten, so drohen sie jetzt kurz undbündig der Regierung:„Gib Deine Reformpläne auf,sonstbringenwirsiezuFall!" So schreibt die„Kreuz-zeitung" in ihrer gestrigen Wochenübersicht:„Der Kampf um das preußische Wahlrecht wird jetzt ein-setzen. Die Erfahrungen in Sachsen haben uns gelehrt, daßwir den Fehler der sächsischen Konservativen vermeiden müssen,die sich durch Konzessionen an liberale Forderungen populäripache» zu können glaubten. Alles, was sich in Preußenzu den Parteien der Rechten zählt, hat ein-gesehen, daß diese Nachgiebigkeit falsch ist."Und dann wendet sich das Blatt der Hammerstein-Epigoncnan die preußischen Nationalliberalen und fordert sie auf, ebenfallsihre Wahlreformpläne fallen zu lassee, da auch sie keinen Vorteilvon einer Aenderung des Dreiklasscnwahlrcchts haben würden:„Das preußische Wahlrecht hindert erfahrungsgemäß nichtden Liberalismus aller Grade, die Mehrheit im Abgeordneten-Hause zu gewinnen, es macht nicht einmal der Sozialdemokratieden Zutritt zum Abgeordnetenhause unmöglich. Eine Demo»kratisierung dieses Wahlrechts liegt tat-lächlich nicht im Interesse bei Liberalismus,und es ist eine Torheit der Liberalen, wenn sie sich dafür ein»setzen. Ein wirkliches Interesse an der Aenderung hat nur dieSozialdemokratie. Nun stellen sich zwar auch viele National-liberale so, als hielten sie die„rote Welle" für eine schnell vor-übergehende Erscheinung, unter die man sich nur einen Augen-blick zu ducken brauche, um dann wieder oben schwimmen zukönnen. Aber dann iväre es eine Forderung der Klugheit, diesesozialdemokratische Episode erst vorübergehen zu lassen, ehe maudas preußische Wahlrecht ändert. Wir sind nicht ganz so opti-mistisch. Gewiß standen die Wahlen in Sachsen und die letztenReichStagsersatztvahlcn unter dem Zeichen einer Massensuggestion:sie sind ein Protest nicht nur gegen die indirekten Steuern undgegen die Ablehnung der Nachlaßsteuer, sondern tatsächlich auchein Protest gegen die Blockpolitik des Fürsten Bülow, unter dersich die bürgerliche Linke prinzipiell bereit erklärt hatte, dieVerbrauchsabgaben um mehrere hundert Millionen Mark zu er-höhen:sie haben der Linken ebenso viel Nieder-lagen gebracht wie der Rechten. Ein solcher Steuer»Protest kann sich leicht wiederholen und wird sich wiederholen.wenn der Mittelstand wieder einmal zu erhöhten Steuerlcistungenherangezogen werden soll, und die Liberalen können nicht ver-sprechen, künftig nur die Reichen und Wohlhabenden„bluten"zu lassen, weil dabei keine großen Summen Herausschanen.Die stetig wachsenden Ausgaben des Reiches müssen bewilligtwerden und ebenso die Einnahmen. Da wird die Partei, dienichts zu bewilligen verspricht, immer neuen Zulauf haben, magsie demokratisch und sozialistisch sein oder nicht. Mit Parka-mentsreden und Parteitaktik ist dagegen nichts auszurichten."Und diese Vorhaltungen fallen bei den Nationalliberalen aufgut vorbereiteten Boden. Bereits zeigt sich in ihrer Presse einekatzenjämmerlichc Verstimmung über ihre Niederlage in Badenund Sachsen, und in einigen ihrer Blätter taucht auch schon dieMahnung auf, es doch lieber weiter gegenüber der„roten Flut»welle" mit dem Anschluß nach rechts zu versuchen. Der Kampfgegen und für das Dreiklasscnwahlrccht wird also in dem politischenRingen der nächsten Jahre eine noch weit größere Rolle spielenals bisher. Um so mehr gilt es, alle Kräfte anzuspannen.vor der Entscheidung.New Jork, 21. Oktober.(Eig. Ber,)Von den Wahlen, die am 2. November in den verschiedenstenStaaten der Union entschieden werden, steht jene in der Stadt NewUork im Mittelpunkt des Interesses. Mit Spannung werden imganzen Lande die einzelnen Phasen des Wahlkampfes verfolgt unddas Resultat erwartet. Bedeutet doch eine Wahlschlacht, bei derder Mayor-(Bürgermeister)-Poften, der Compiroller(oberster Finanz-beamtcr der Etadtj-Posten und die verschiedenen Borough- und County»Aemter auf dem Spiele stehen, für die sogenannten alten politischenParteien viel mehr als beispielsweise die Besetzung des Gouverneur-sesselS des Staates New Jork.„Wlmt is in itu, wieviel springtdabei heraus, oder noch richtiger: Wieviel kann gestohlen werden,wie viele fette Aemter sind zu vergeben, ist immer nochin der New Dorker Kommunalpolitik höchster Glaubenssatz,und da das Budget der Stadt New Dork biermal größer alsdas des Staates New Dort ist, die„Möglichkeiten" demgemäß vier-mal größer und die zu vergebenden fetten Posten Legion sind, istder Kraftaufwand der Parteien um den Sieg ein entsprechender.Heuer stehen sich 20 Parteien gegenüber, so daß der amtlicheStimmzettel, der jedem Bürger bei der Stimmabgabe eingehändigtwird, die respektable Breite von über 4 Fuß aufweist. Bei derMehrzahl der Parteien handelt es sich um Gründungen verärgerterPolitiker, deren besondere Wünsche bei der Aufstellung der Kandidatenvon den demokratischen oder republikanischen Führern nicht berück-sichtigt worden sind oder die man über Bord geworfen bat.„EinBrocken für mich" lautet ihr Programm. Ihr Feld beschränkt sichauf Stadlbezirke, bei der Erörterung der allgemeinen Situationkommen sie deshalb nicht i» Frage. Nur vier Parteienkönnen hierbei in Betracht kommen: die demokratische,republikanische, Hearst- Partei und die sozialistische. Prin-zipielle Unterschiede zwischen Demokraten, Republikanern oderHearstianern bestehen nicht. Ihr Mnnizipalprogramm ist fastgleichlautend. Es enthält eine Reihe Versprechungen, auf deren Er»füllung die Wähler nicht rechnen.«Wahlprogramme der Parteiensind Schwindel," sagte dieser Tage der derzeitige Comptroller derStadt, ein Deulsch-Amerikaner namens Metz. In ihren öffentlichenReden erklären denn auch die Kandidaten nicht, die Forderungenmeiner Partei lauten so oder so, sondern ich verspreche im Fallemeiner Erwählung dies oder jenes. Und im Versprechen sind sieunübertrefflich.Um die Person des Kandidaten dreht sich alles. Demgemäß istder Charakter der AgitationSmethode ein stark persönlicher. DaSVerunglimpfe» des Gegners ist das hauptsächliche Agitationsrezeptder„großen" Parteien. Wer die Verunglimpfung des Gegners ambesten versteht und dabei den Anschein zu erwecken weiß, daß erselbst nicht ganz so schlecht wie sein Gegenkandidat ist. bleibtSieger. Auf dieser Grundlage werden seit Jahren die städtischenWahlen in New Jork ausgcfochten, und Heuer spielt das Herabsetzender Person des Gegners eine wenn möglich noch größere Ziolle dennsonst. Man watet förmlich im Schmutz.Die Republikaner beschränken sich nicht auf den sachlich bc-rechtigten Vorwurf, daß unter den letzten demokratischen Stadt«Verwaltungen oder unter Tamany Hall, wie der Name der in derganzen Welt berüchtigten demokratischen Parteimaschine lautet, diestädtische Schuld ins Unermeßliche gesteigert worden ist, ohne daßetwas Entsprechendes geschaffen worden wäre, daß das Budget desGemeinwesens von rund 106 Millionen Dollar im Jahre 1904 aufrund 156 Millionen Dollar im Jahre 1909 in die Höhe geschnelltist, trotzdem au Aufwendungen für Kulturaufgaben fortwährend geknausert wird, oder daß mindestens 40 Millionen Dollar im Jahredirekt gestohlen werden und in die Taschen der Beamten undPolitiker fließen— nein, sie graben kleinliche Familiengeschichtendes demokratischen Kandidaten Nichter G a y n o r aus und erschöpfensich in Argumenten der Gosse. Und die Demokraten lassen es ihrer-seits nicht an der erweislichen Erklärung geniigen, daß unter demrepublikanischen Regime die Stadtverivaltnng eine nicht minderverlotterte war und die Korruption keine geringere als unterTammanh Hall, ganz zu schweigen von der republikanischen Miß-Wirtschaft in anderen Städten, sondern sie werfen ihrerseits eben-falls Schmutzbomben. Und der Dritte im Bunde, der unvermeid-liche Hearst, Besitzer verschiedener Sensationsblätter, der vor vierJahren Tammany aufs bitterste bekämpfte, im darauffolgendenJahre mit der gleichen Gesellschaft sich liierte, um das Gouverneur-amt zu ergattern, und dieses Jahr unabhängig kandidiert; diesespolitische Chamäleon sucht Demokraten und Republikaner imSchinipfen zu übertrumpfen. Und da er ein vielfacher Millionär ist.sich's also leisten kann, stellte er Skribenten und Advokaten an, dieihn in seinem Schmutzfeldzug unterstützen.Fürwahr ein widerwärtiger Wahlkampf, der durch daS Verhaltensogenannter Gewerkschaftsführer nicht anziehender wird.Wer sie bezahlt, hat sie in dem Wahlkampf zur Verfügung. Mag derrepublikanische Kandidat B a n n a r d auch der Leiter eines Streik-breiüervermittelungS-Bnreaus fein, mag er im Direktorium derPressed Steel Car Works in Mc KeeS Rocks sitzen, deren Arbeiter imAugust und September einen Todeskampf um ihre Existenz aus»zukämpfen hatten, er fand und findet täglich Gewerkjchaftssührer, die