Jen Landtagswahlen den Liberalismus im Stich ließen und bei den bevorstehenden Stadtverordnetenwahlen ein gleiches tun wollen. Aber die Freisinnsführer haben sich beizeiten nach Ersatz umgeschaut. Die unteren Beamten der Staats- und dcr Reichsbehörden sind dazu ausersehen, ihnen die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Das muß man sagen: Die Idee ist gar nicht mal übel. Die Berliner Lehrer lassen sich nicht so zur Wahl treiben, wie die Kommandierenden des Stadtfreisinns das möchten. Und in einer Zeit, wo es zum gut freisinnigen Ton gehört, über angeblichen Terrorismus der Sozialdemokratie zu schreien, erscheint es den Freisinns- größcn doch zu riskant, selber einen allzu unsanften Druck auf die Lehrer auszuüben. Aber bei den Staats- und Reichs- beamten macht sich die Sache sehr viel einfacher, da braucht nicht der Freisinn selber zu terrorisieren, was er hier ja auch gar nicht könnte: da wird diesen Beamten von den eigenen Behörden deutlichgenug gewinkt- Wie sagte doch ein Flugblatt, mit dem schon vor einigen Jahren der freisinnige Stadtverordnete Rosenow die in seinem Bezirk zahlreich wohnenden Postillione bearbeiten ließ?„Als Träger des kaiserlichen Rockes könnt Ihr selbstredend keinen Sozial- demokraten wählen, der gegen die Monarchie, gegen Kaiser und König ist. Ihr dürft aber auch nichtvonderWahl fernbleiben, da Ihr dadurch indirekt dem Sozial- demokraten helfe t." So drohte der Freisinn mit der Hungerpeitsche, die der Beamte von seiner Behörde zu er- warten habe. Auf die Beamten der Post und womöglich auch der Eisen- bahn und anderer Vcrwaltungszweige des Staates und Reiches rechnet der Freisinn jetzt mehr als je. Im 39. Wahl- bezirk dritter Abteilung, wo den Wählern eine zum eng- herzigsten Kommunalliberalismus schwörende Bezirks- Vereinsgröße zugemutet wird, hat kürzlich ein Vertreter der P o st b e a m t e n in eigener Person vor einer Versammlung liberaler Kommunalwähler referiert, der Generalsekretär Hubrich vom„Verband der mittleren, Postbeamten". Ein für dieselbe Versammlung angekündigtes Referat eines Ver- treters der unteren Beamten, des Vorsitzenden Grzyb vom „Verband der Postunterbeamten", fiel aus, ohne daß in der Versammlung ein Grund hierfür angegeben wurde. Herr Hubrich empfahl den Beamten, liberal zu wählen. Was s i e vom Berliner Stadtfreisinn zu er- warten haben, das sagte er nicht— wohl deshalb nicht, weil er selber es nicht wußte. Er meinte aber, daß das Bei- spiel, das die Stadt Berlin mit den von ihr ge- zahlten Beamten geh ältern gebe, auch auf Staat und Reich wirken müsse. Da.hat er Recht, aber er hätte nur hinzufügen sollen, daß Berlin hierin dem Staat und dem Reich nicht voranzugehen, sondern hinterher zu- hinken liebt. Nur zu oft hat Berlin bei Gehalts- und auch Lohnerhöhungen ein schlechtes Beispiel gegeben, das auf andere Verwaltungsbehörden und Gewerbebetriebe nicht auf- munternd, sondern nur hemmend wirken konnte. Welches Beispiel Berlin durch die neueste Regelung der Lehrergehälter gegeben hat, das ist ja noch in frischer Erinne- rung. Lehrer und andere Beanite unserer Stadt Berlin haben im Rathaus auf ihre Wünsche nach aus- reichender Erhöhung ihrer Gehälter sich die Antwort geben lassen müssen, man erwarte von ihnen auch einen gewissen„Jdealismu s". Arbeitern der Stadt, die eine Verbesserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen for- derten, ist sogar erwidert worden. Berlin dürfe nicht durch allzuviel Entgegenkommen ein Beispiel geben, das die Privat- industrie in die Zwangslage bringe. Hier sollten nicht durch ein gutes Beispiel der Stadt die bösen Sitten der Unternehmer „verdorben" das heißt in diesem Falle: gebessert— werden. Ein gutes Beispiel zu geben, bemüht Berlin sich bei den be st bezahlten Beamten st ellen, vor allem bei den S t a d t r a t s p o st e n, in die die freisinnige Stadtver- ordnetenmehrheit„bewährte" Freisinnsmänner hineinwählt. Diese Herrschaften können sich dann auch jenen„Idealismus" leisten, der bei den anderen Beamten vermißt worden ist. Sie brauchen nicht erst mit Petitionen um Gehaltsaufbesse- rung sich lästig zu machen, von der freisinnigen Stadtver- ordnetenmehrheit wird sie ihnen freiwillig gewährt. Andere Beamte der Stadt, die es sehr viel weniger gut haben, mußten sich einmal ermahnen lassen, an dieser„Zurückhaltung" der Magistratsniitglieder möchten sie sich ein Muster nehmen. So sieht die„B e a m t e n f ü r s o r g e" der Stadt Berlin aus! Und darum sollen— es ist zum Lachen die Beamten des Staates und des Reiches bei suchung sei zu Recht erfolgt. Jedermann habe das Recht, das öffentliche Aushängen seiner Photographie zu verhindern. Zudem habe Mali ! das beabsichtigte öffentliche Zurschaustellerr seiner Bilder in Schanklokalen und sonstigen Versammlungsräumen, um vor ihm zu warnen, mit Recht als eine Beleidigung und Herab- Würdigung seiner Person empfunden. Er sei berechtigt gewesen, zur Durchführung seines Rechts und„zur Abwendung der gegen ihn geplanten Beleidigung" den Apparat fortzunehmen und die Person bes Genossen Buhl festzustellen, gleichviel, ob Buhl als Täter oder als Zeuge für die erst später zu begehende Beleidigung in Frage komme. Merkwürdiger Bescheid! Ein Beamter fühlt, daß er beleidigt werden könnte, weil sein Gesicht als das Gesicht besten, der seine Polizcipflicht getan hat, der breitesten Oeffentlichkeit übermittelt werden könnte. Er nimmt eine Beschlagnahme vor, zu der das Gesetz ihn nicht berechtigt. Er veranlaßt die Freiheitsberaubung und die Durchsuchung des Genossen Buhl. Alles findet der Staats- anwalt in bester Ordnung. Die Fußlappen, der Hosenschlitz, das Hemde, der Rock müssen„durchsucht werden", um Beweismittel dafür zu haben, daß der widerrechtlich Sistierte oder jemand anders vielleicht später einmal hat be- leidigen wollen. Nach dem vom Staatsanwalt auf. gestellten Rechtsgrundsatze würde jeder Staatsbürger das Recht haben, jeden Tag jeden Staatsanwalt zu sistieren und zu durch- suchen. Denn nicht ein Titelchen mehr Recht als jedem Staats- bürger räumen nach dieser Hinsicht hin die Gesetze einem Polizei- spitze! ein. Jemand aber, der den Staatsanwalt aus gleichem An- laß so behandeln wollte wie der Polizeispitzel die Genossen be- handelt hat, würde entweder bestraft werden oder, wenn er in ähnlicher Weise wie nach dem Bescheide des Staatsanwalts der Kriminalbeamte Malik es getan haben mutz, mit der Ausrede kommen würde, er habe Beweise sich dafür sichern wollen, daß etwa in der Zukunft der Staatsanwalt oder ein dem Staatsanwalt Bekannter ihn beleidigen werde und sei deshalb so vorgegangen wie geschehen, Gefahr laufen, für nicht zurechnungsfähig erklärt zu werden. Der Bescheid beleuchtet grell die Rechtszustände in Preußen» Deutschland . Nach ihm könnte jeden Tag jeder Staatsbürger behufs seiner Feststellung siftiert und durchsucht werden, weil er oder ein ihm Bekannter mal in Zukunft eine Straftal begehen könnte. Auch für die Beamten eröffnen sich aus der Ansicht des Staatsanwalts herrliche Perspektiven. Gibt das Gesetz dem Beamten ein Recht zu einer Handlung, so erwächst aus diesem Recht für ihn die Pflicht der Ausübung des Rechts. Er handelt den Stadtverordnetenwahlen 8 cm Kommunallibera- lismns Handlangerdienste leisten! Wie der Freisinn öffentliche Wahlen kontrolliert, das lehrt eine Beobachtung, die uns vom Tage der Landtagstvahlen nachträglich gemeldet worden ist. Im Landtagswahlbe- zirk Berlin XII liegt das Krankenhaus Moabit , das dem UrWahlbezirk 12S3 zugeteilt war. Zum Wahlvorstand, der die Wahlhandlung leitete, gehörte ein Angestellter dieses Krankenhauses, ein Materialicnverivalter Schu- rich. Die Frei sinn ige n ließen im Wahllokal die bei den Parteien übliche Kontrolle der Wahl durch einen Herrn Brauer besorgen, der gleichfalls Angestellter des Krankenhauses, Aufseher oder etwas Aehnliches, ist. So konnten die Krankenwärter, die hier zu wählen hatten, die Emp- findung haben, unter zweifacher Aufsicht zu stehen. Zweifellos wäre bei der Oeffentlichkeit der Wahl es richtiger gewesen, nicht auch noch die private 5kontrolle einem An- gestellten deS Krankenhauses zu übertragen. Aber im Freisinns- lager war man anderer Meinung und setzte ausgerechnet in das für das Krankenhaus zuständige Wahllokal den Aufseher Brauer hinein. Im Wahllokal erledigte dieser Herr auch Verhandlungen mit einem Schlepper der Partei, für die er dort saß. Indem er ihm Mahnzettel für das Krankenhauspersonal übergab, schärfte er ihm ein, daß er gegenüber dem Anstaltsporticr, der ihn nach seinem Begehr fragen werde, sich auf ihn— den Herrn Brauer — berufen müsse. Dem Portier solle er nur sagen, er wolle die Leute zur Wahl heranholen, ihm— dem Herrn Brauer— liege viel daran, daß sie alle persönlich aufgesucht würden. Selbstverständ- lich war es das gute Recht der Freisinnigen, auch aus dem Kran» kenhauS Wähler heranschleppen zu lassen. Es entsteht aber hier die Frage, ob in der Anstalt auch einem Schlepper der Sozial- demokratie, wenn ein solcher Zutritt verlangt hätte, das- selbe Recht zugestanden worden wäre. Uns wird noch gesagt, Herr Brauer habe unter die Mahnzettel sogar seinen eigenen Namen gesetzt. Leider darf soviel Unbedenklichkeit den Frei- sinnigen ohne weiteres zugetraut werden. Die Schlepparbeit hatte tatsächlich den Erfolg, daß bald nachher Wähler aus dem Kranken» hauspersonal in größerer Zahl antraten. Vertraulich nickte d�r Aufseher Brauer manchen? zu. Aber erfreulicherweise ließen mehrere von ihnen sich durch seine Anwesenheit nicht hindern, ihrer Ueberzeugung gemäß für die Wahlmänner der Sozialdemokratie zu stimmen. Ob auch die anderen, die den Wahlmännern des Frei» sinns ihre Stimme gaben, sämtlich hierbei ihrer Ueberzeugung folgten, entzieht sich unserer Kenntnis. Wir teilen diese Dinge hier mit, weil wir vermuten müssen, daß am Tage der Stadtverordnetenwahlen an anderer geeigneter Stelle von den Freisinnigen ähnliches versucht werden wird. Bei allen Wahlen, die öffentlich sind, kann man immer wieder die Beobachtung machen, daß die Freisinnigen es ganz vor- trefflich verstehen, die Oeffentlichkeit der Wahl für si ch a u s zun u tz e n. In ihren Preßorganen und ihren Wähler- Versammlungen zetern sie, daß die Furcht vor dem„Terroris- mu s". mit dem die Sozialdemokratie drohe, bei den Landtags- wählen viele Wähler abgehalten habe, für den Freisinn zu stim- men, und daß aus gleichem Grunde für die noch bevorstehenden Stadtverordnetcnwahlen dasselbe zu erwarten sei. Im stillen aber wird mancher dieser„Antiterrvristen" froh sein, daß wenigstens die LandtagSwahlen und die Stadtverordnetenwahlen noch öffentlich vollzogen werden. Denn das weiß der Freisinn sehr Wohl, daß bei geheimer Wahl zum Landtag oder zur Stadtverordneten- Versammlung die Sozialdemokratie noch ganz andere E r fo l g e haben würde._ „Genug für eine Arbeiterfamilie." Was eine Arbeiterfamilie zum Lebensunterhalt braucht, darüber macht man in wohlhabenden Gesellschaftsschichten sich ganz sonderbare Vorstellungen. Leute, die für sich selber ein Jahreseinkommen von z. B. 10 000 M. als Kleinigkeit ansehen, tun höchst erstaunt, wenn ein Arbeiter der Meinung ist, daß er bei einer jährlichen Lohneinnahme von 1000 M. für sich und seine Frau samt zwei oder drei Kindern sich noch nicht als„Krösus " vorkommen dürfe. Kürzlich hat eine Arbeiterfrau bei einem Wohltätigkeitsverein, dessen Hilfe sie in Anspruch nehmen wollte, sich sagen lassen müssen, daß eine Arbeiterfamilie bei einem Wochen« lohn von 2V Mark nichts weiter brauche. Die Familie besteht aus dem Ehepaar und drei kleinen Kindern, deren jüngstes noch Säugling ist. Eben um dieses Säuglings willen hatte die Frau sich an die„Gesellschaft zur Bekämpfung der Säuglings st erblichkeit" gewandt und die Bitte vortragen wollen, daß man ihr eine kleine Beihilfe gewähren möge. Sie wurde von dem im Bureau sitzenden Fräalein gefragt, wieviel denn das Einkommen des Mannes betrage. Als die Frau antwortete: „20 M. Wochenlohn", holte da? Fräulein zunächst bei einer höheren Instanz sich Anweisung, was da zu tun sei, und kehrte dann zurück mit dem abweisenden Bescheid:„Da können Sie auskommen!" Gewiß, mit 20 M. Wochenlohn kann eine fünsköpfige Arbeiterfamilie„auskommen". Aber wie sie es„kann", pflichtwidrig, wenn er von dem ihm zustehenden Recht keinen Gebrauch macht. Demnach wären Polizei und Staatsanwaltschaft verpflichtet, alle Personen festzunehmen und zu durchsuchen, von denen anzunehmen ist, daß sie als Täter oder Zeugen einer etwa künftig zu begehenden Straftat in Betracht kommen könnten. Die selbst mit den geringen Schutzvorschriften, die die Strafprozeß- ordnung zum Schutz der persönlichen Freiheit der Staatsbürger enthält, unvereinbare staatsanwaltliche Ansicht führt mithin dazu. die Polizei- und Staatsanwaltschaftsbeamten für alle Straftaten persönlich verantwortlich zu machen. Sollte, wie ja infolge der Belastung der Polizei mit nicht strafbaren politischen Dingen leicht möglich, ein Diebstahl, ein Betrug, ein Mord stattfinden, ohne daß der Täter entdeckt wird, so wären die Beamten der Polizei und der Staatsanwaltschaft persönlich für alle diese Taten zum mindesten zivilrechtlich verant- wortlich. Denn die Begehung der Tat ohne Entdeckung des Täters beweift ja die pflichtwidrige Unterlassung des diesen Beamten ver- meintlich zustehenden Rechtes, alle künftigen Missetäter und alle Zeugen für etwaige spätere Missetaten festzunehmen. Der Staatsanwalt fühlte Wohl selbst, daß er in dem Eifer, die Schuldlosigkeit der Polizeibeamten zu erweisen, weit über oaS Ziel der durch die Gesetze des Staates und der Logik gesteckten Grenzen hinaus geschossen hatte. Er führt in dem ablehnenden Bescheid noch einen weiteren RechtfertigungSgrund für die Fest- nähme der Genossen an. Auf dem Wege zur Wache sollen nämlich Dobrohlaw und Buhl nach Bekundungen von Beamten den Schutz- mann„schwer beleidigt" haben, indem sie ihn„Lump" und„Strolch" beschimpften. Nunmehr sei die Feststellung der Persönlichkeiten geradezu erforderlich gewesen. Aus der Feststellung sei aber für oie Beamten weiter die Pflicht erwachsen, Buhl und Dobrohlaw auch gründlich zu durchsuchen— zur Auffindung etwaiger Belveis- mittel, die auf iveitere Straftaten schließen lassen.— Wenn die Polizei die verfluchte Pflicht und Schuldigkeit hat, alle Personen nach Beweismitteln„weiterer Straftaten" durchsuchen zu lassen, die einen Spitzel als„Lump" oder„Strolch" bezeichnet haben sollen,— wo soll sie die Zeit dazu hernehmen, die Täter wirtlich begangener Verbrechen zu entdecken? Mische-Malik selbst hat empfunden, wie man in den Kreisen aller anständigen Menschen die Tätigkeit eines Polizeispitzels bewertete. In der kurzen Zeit, in der er als Bezirksführer fungierte, reichte er seinen Bezirksgenossen das Bild eines entlarvten Polizeispitzels mit den Worten herum:„Seht Euch mal diesen Lumpen an, diesen Halunken. Das ist auch so rme Pflanze aus dem Mistbeet vom Alexanderplatz ." das sieht man ja unter anderem an dem Umfang der K i n d e r» st e r b l i ch k e i t, deren Bekämpfung angeblich Aufgabe und Ziel der genannten Gesellschaft ist. Bon den Damen dieser Gesellschaft, die es ja„dazu haben", wird vermutlich manche für die eigene Familie pro Tag sehr viel mehr verbrauchen, als diese Arbeiter« fainilie pro Woche einnimmt. Und daraus leitet dann die bürger« liche Klasse das Recht her. zu schelten über die Ungenügsam« keit der— Arbeiter! Mißbrauch mit jugendlicher Arbeitskraft. Kürzlich meldeten wir, daß in der S ch ö n h a u s c r V o r st a d t ein Schulkind im Auf- trage seines Lehrers einige hundert Flugblätter für den Kirchen« Liberalismus in den Schankwirt>chaf:en zu verteilen ge« habt habe. Aus demselben Stadtteil wird uns jetzt mit« geteilt, daß au einem der letzten Tage um acht Uhr abends ein anscheinend zwölfjähriger S ch u l k n a b e die Häuser abgeklappert habe, um Borbestellungen auf Billetts zu einer im„Berliner Prater" stattfindenden Vorstellung entgegenzunehmen, die wohl zum Besten des Kirchenchors der Gethsemanegemeinde veranstaltet werden soll. Die Liste, mit der der Junge hausieren ging, war gestempelt von der Musikkominission der Gethsemane« gemeinde und unterzeichnet von einem Lehrer Suckow sStar« garder Str. 7). Man sieht, wie der Mißbrauch mit der jugend« lichen Arbeitskraft, der da von Lehrern getrieben wird, sich immer wiederholt. Und immer wieder sind es gerade kirchlich gesinnte Kreise, denen diese Ungehörigkeit als zu- lässig gilt. Würden für solche Arbeiten erwachsene Per« sonen angenommen, so müßten sie entsprechend bezahlt werden. Schulkinder aber lassen sich mit einer winzigen Ver« gütung abspeisen und würden eventuell auch ganz umsonst arbeiten, weil's für den Herrn Lehrer ist. Welches Geschrei würde sich in diesen Kreisen erheben, wenn zum Beispiel ein sozialdemokratischer Wahlverein durch Kinder seiner Mitglieder seine Flugblätter ver« teilen oder Bestellungen auf Billetts zu seinen Vergnügungen ein- sammeln ließe. Diebstahl in der königl. Bergakademie . In der königl. Berg akadamie in der Jnvalidenstraße 44 ist ein dreister Diebstahl verübt worden, der noch der Aufklärung bedarf. Von einem bisher nicht ermittelten Täter wurden eine Platinschale sowie ein Platintiegel entwendet. Die Schale hat zwei Ohrgriffe und einen Ausguß- Die gestohlenen Gegenstände haben einen recht hohen Wert. Er wird auf mehr als tausend Mark geschätzt. Jedenfalls wird der Dieb den Versuch machen, seine Beute an geeigneter Stelle loszuschlagen. Ein schwerer Betticbsunfall ereignete sich gestern im Betriebe der Metallwarenfabrik von Emerich u. Schöning in der Prinzessinnen« straße 26. Dort geriet die Arbeiterin Berta Stein mit den Haaren in die TranSmissionswelle, wodurch ihr die ganze Kopfhaut ab» gerissen wurde. Die bedauernswerte Arbeiterin, die entsetzliche Schreie ausstieß, wurde mit einem Automobil in das Urbankrankenhaus gebracht. Die Fabrik von Emerich u. Schöning scheint ein Unglücksbetrieb zu sein. In den letzten vier Wochen sind schon zwei Mädchen schwer zu Schaden gekommen; beide büßten mehrere Finger ein. Der gestrige Unglücksfall soll dadurch passiert sein, daß die Transmission unverdeckt war. Verbandsstoffe sollen auch nicht in der Unglücks« fabrik vorhanden sein, obwohl der Fabrikherr b00 Mark zahlen will, wer einen Dieb ermittelt. Angesichts der sich mehrenden Unglücks« fälle im genannten Betriebe dürfte es notwendig sein, daß der Fabrikinspektor die Fabrik genauer ins Auge faßt. „Menschenleben in Gefahr!" Dieser Ruf alarmierte am Montag- nachmittag die Berliner Feuerwehr nach der Kommandantenstr. 76. Dort stand der Neubau des Jndustriegebäudes an der Ecke der Kommandantenstratze und Beuthstraße in großer Ausdehnung in Flammen. Das Feuer war in dem Geschästslokal der Straußfedcr- fabrik von S. Katz, im dritten Stock des Vorderhauses, angeblich durch Unvorsichtigkeit eines Hausdieners beim Erhitzen von Benzin und Kautschuck zum Ausbruch gekommen und hatte in wenigen Minuten eine große Ausdehnung erlangt. Die vielen dort be« schäftigten Mädchen hatten unter Geschrei die Brandstelle Verlasien und das Gerücht verbreitet, daß noch sechs Mädchen oben sein sollten. Die Feuerwehr war bald zur Stelle und ließ sofort von allen Seiten vorgehen. Auf die Meldung„Mittelfeuer" rückten 30 Fahrzeuge aus. lieber drei mechanische Leitern wurde von der Kommandantenstraße aus angegriffen, ferner über zwei mechanische Leitern vom Hofe aus und außerdem über die Treppen Schlauchleitungen vorgenommen. Alle noch vom Qualm angefüllten Räume wurden durchsucht, aber nirgends fand sich eine Spur von einem lebenden Wesen. Die Mädchen müssen also einen Ausweg gefunden und sich vor Ankunft der Feuerwehr in Sicherheit gebracht haben. Nach etwa einer Stunde, um b Uhr, konnte schon ein Teil der Feuerwehr wieder abrücken. Während des Brandes war die Kommandantenstraße vollständig gesperrt. Hunderte von Wagen mußten einen großen Umweg machen. Außer den Geschäfts« räumen der Firma S. Katz sind keine anderen des Industrie» gebäudes von dem Feuer betroffen worden. Bor den Augen seiner Kollegen ertrunken ist der Bootsmann Wilhelm Kalitzki, der auf dem Dampfer einer Berliner Transport« gesellschaft angestellt war. K. begleitete einen Schlepper auf der Na, Malik muß es ja wissen. Und waö hat Malik getan? Malik hat bewußt falsche An- gaben über seinen Stand und seinen Namen verbreitet, um als Mitglied der Sozialdemokratie aufgenommen werden zu können. Er hat ferner den Lithographen Georg Haberkern durch Geldzu- Wendungen zum Verrat seiner eigenen Klassengenossen bewogen. Ist das die Tat eines Ehrenmannes? Wie stark das Polizei- spitzelstzstem geradezu zur Verlogenheit und Lumperei anreizt. zeigt folgender Brief, den Malik nach seiner Entlarvung an Haber- kern schrieb: L. G. Ich werde Dir die Sache auseinandersetzen. Am Montag bin ich in der Nähe meiner Wohnung fotographiert worden. Ich habe Dobr., Buhl nach der Wache siftiert und Aparat weg- genommen. Die Woche komme ich in Vorwärts. Verliere Du za nicht die Ruhe. Es liegt nichts gegen Dich vor. D. will nur für den Vorwärts Material gegen mich haben. Soge nur ich hätte mal geschrieben, aber Du mußt wohl den Brief—(es handelt sich um den Brief, in dem er sich nach seinem Leumund erkundigt! D. Verf.)— schon weggeschmissen haben. In diesem Brief habe ich Dich nur angefragt ohne einen besttmmten Tag festzusetzen und auch nicht meine Adresse, sondern nur Mischte unterschrieben. Ich habe darin geschrieben sagste, daß ich mal bei Bolze antelephonieren werde. Und dies habe ich auch ge- tan. Bolze selbst Zeuge. � Diesen Brief vom Alexanderplatz Berolina treffen, sagtest Du, da weiß niemand etwas von. Wir haben aber die Bierreise unterlassen Da Du kein Geld hattest und ich habe seit der Zeit nichts hören lassen. Nur nicht Wankel - mütig werden, es liegt absolut nichts vor gegen Dich. Gehe nur Ruhig wieder zur heutigen Sitzung und bewahre die größte Ruhe im erzählen. D. will nur Material haben. Meine Adresse wissen sie. Gruß Tal. Talent war der Spitzelname des Malik. Noch eins. Das Sichhineindrängen eines Spitzels in einen Verein unter bewußt falschen Angaben über seinen Charakter ist — um mit den Worten des Staatsanwalts zu sprechen— eine schwere persönliche Beleidigung und Herabwürdigung der Vereins- genossen. Ist nun jedes Vereinsmitglied berechtigt, den Spitzel nicht nur festzunehmen, sondern auch„gründlich" zu durch— suchen? Unsere Genossen haben gegen den angeführten- Bescheid die höhere Instanz angerufen. Sie sind nun einmal von der Ueberzeugung durchdrungen: Recht muß doch Recht bleiben, selbst in Preußen. Ob sie sich irren?
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