an eine Reihe Zechen wandten, gemeinsam mit ihnen auf die Abstellung der betreffenden Mißstände hinzu- wirken. diese Zechen jede Mitwirkung ablehnten, und zwar deshalb, weil die Unternehmer, wie der Verband westfälischer Arbeitsnachweise in seinem Bericht für IVOS offen zugesteht, lediglich mit ihren Arbeitsnachweisplänen„gcwerkschastsfeindliche Zwecke' verfolgt hätten. Um den unabsehbaren sozialen Folgen des Vorgehens der organisierten Grubenbesitzer auf Grund ihrer Monopolstellung im Arbeitsmarkte des Nuhrreviers vorzubeugen, fordert Dr. Zimmer» mann ein ArbeitSvermittelungsgesetz. Bayerische Steuerreform. Miinchcil, 6. November. Die Steuerberatungen nehmen in den kleineren Steuervorlagen einen rascheren Fortgang. Die entscheidende Abstimmung ergab die Annahme des wichtigsten Teiles der Steuerreform, des Einkommen- steuergefetzes. Dagegen stimmten nur die S o z i a l d e m o- kraten und zwei Liberale. Das Kapitalrenten st euerge setz wurde einstimmig, das HauS- und Grund st euerge setz gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und einiger Liberalen angenommen. Von all- gemeinem Interesse ans den Gesetzesvorlagen und den Verhand- lungen sind die Bestimmungen über die Förderung dcS Kleinwohnungsbaues, soweit das in einem �Steuergesetz mög- lich ist. Danach tritt eine Steuerbefreiung für sechs Jahre ein, wenn das neu aufgeführte Gebäude ein Kleinwohnungsbau für die minderbemittelte Bevölkerung oder zur Ansiedelung landwirt- schaftlicher Arbeiter ist. Steuerbefreiung für zwölf Jahre tritt ein, wenn der Klein- Wohnungsbau nicht mehr als vier Wohnungen enthält und von einer Gemeinde oder von einer rechtsfähigen gemein- nütz igen Vereinigung, die sich mit der Erbauung, Be- schaffung oder Verbesserung von Wohnungen für die minderbemittelte Bevölkerung befaßt, hergestellt ist. Die sozialdemokratische Partei hatte im Steuerausschuß viel weitergehendere Anträge gestellt, sie im Plenum aber nicht wieder- holt, weil eine Annahme vollständig ausgeschlossen war. Sozialistische Bürgermeister in der Pfalz . Nachdem die am 2. November vollzogene Gemeindevertreterwahl in Lambrecht ein für die Sozialdemokratie sehr günstiges Er- gebnis hatte, wurde am Freitag Parteigenosse Brauerei- besitzer Neu zum Bürgermeister gewählt. Auch Rheingönnheim und vielleicht noch der eine oder andere Ort in der Pfalz wird der Regierung einen Sozialisten als Bürgermeister präsentieren. Ob sie jetzt bestätigt? Kommunaltvahlsiege. EiüeN glänzenden Sieg errangen ilnsere Genossen bei den Stadtverordnetenwahlen in Gevelsberg �Westfalen , Wahlkreis Hagen). Von den abgegebenen b?» Stimmen erhielten die Kandidaten der Sozialdemokratie 500 Stimmen. Vier Sozialdemokraten ziehen als erste in das Stadt- verordnetenkollegium ein. Die Gegner schnitten mit einem geradezu blamablen Resultat ab. Der bisherige bürgerliche Stadt- verordnete Stalkow erhielt ganze 47 Stimmen; die anderen bürgerlichen Kandidaten mußten sich mit 36, 15 und 14 Stimmen begnügen. » �» « Bei den Stadtverordnetenwahlen in Cronen- b e r g(Kreis Remscheid ) sind die Kandidaten der Sozial- demokratie mit erheblichen Mehrheiten ge- wählt worden; sie erhielten 561 bis 635 Stimmen. Fünf den 24 S'v-N im Siadtparlament besitzt die Sozialdemokratie jetzt sechs! * Bei den Stadtverordnetenwahlen in EberS- walde wurden die vier Kandidaten der Sozial- demokratie mit rund 450 Stimmen gegen die des bürger- lichen Mischmasches, die es nur auf rund 300 brachten, gewählt. Seit zwei Jahren war die Sozialdemokratie darin unvertreten. Sie hat eine? starken Stimmenzuwachs zu ver- zeichnen._ Leichter Gewi»«. Eine strafbare Schiebung haben sich eine Anzahl Kaufleute aus Posen, Berlin , Breslau usw. zu schulden kommen lasten. Beim 50. Jnfanterie-Regiment in R a w i t s ch waren eine Anzahl aus- rangierter Kleidungs- und Ausrüstungsstücke zu verkaufen. Die er- fchienenen Käufer versammelten sich vorher und beschlosten, sich auf eine bestimmte Summe zu einigen, um einander nicht zu überbieten. Eine Berliner Firma erhielt nun auf ihr Angebot von 1677 M. den Zuschlag. Die anderen Reflektanten wurden von dieser mit je 65 M. abgespeist. Später versteigerten diese Firmen die Ware unter- einander; sie brachte jetzt 4000 M. Somit war der Militärfiskus um etwa 2400 M. geschädigt. Als die Sache herauskam, stellte die Intendantur des 5. Armeekorps gegen die Kaufleute Sträfantrag. Das„Correspondenzblatt" der Generalkommission ersucht uns um den Abdruck seiner Antwort auf den neulich von uns abgedruck- ten Artikel des Genossen K a u t s k y über die Civic Federa- tion. Die Leser finden diesen Artikel in der ersten Beilage, franhmeh. Ein interessanter Prozeß. Paris , 8. 3?ovember. Die Vereinigungen der Volks- schullchrer und- Lehrerinnen Frankreichs , die über 190 000 Mitglieder zählen, haben gegen sämtliche französische Erzbischöfe und Bischöfe wegen deren jüngsten Hirtenbriefes, in welchem der„verderbliche Einfluß" der Weltlichen Volksschulen geschildert wurde, eine Schaden- ersatzklage vor dem Zivilgericht angestrengt mit der Be- gründung, daß den Lehrern hierdurch ein unleugbarer moralischer und materieller Nachteil zugefügt worden sei. Die Lchrervereinigungen verlangen von jedem Bischof einen Schadenersatz von 5000 Frank, welche Summe sie den Schulkaffen zuwenden wollen. Dieser Klage haben sich auch die Verfasser derjenigen Lehrbücher, die in dem Hirtenbrief als verderblich bezeichnet wurden, angeschlossen, da ihnen in der Tat b e t r ä ch t- l i ch e r Schaden zugefügt sei. Eine Anzahl Buchhändler hatte sich bereits infolge des Hirtenbriefes geweigert,_ dek Verkauf der vom Episkopat verbotenen Bücher zu über- nehmen. Spanien . Aufhebung des Belagerungszustandes. Madrid , 8. November. Die„Gaceta de Madrid" ver- öffentlicht ein Dekret, wonach die konstitutionellen Garantien in den Provinzen Barcelona und Gerona wiederhergestellt werden. Ein radikales Meeting. Madrid , 7. November. Die Radikalen hielten heute eine V e r s a m m l u n g ab, um gegen die von M a u r a in einer Versammlung der Konservativen gegen die Radikalenge- richteten Angriffe zu protestieren. Es wurde eine Tages- ordnung angenommen, in der die Wiederherstellung der konstitutionellen Garantien in Katalonien , die Entlassung der infolge der Ereignisse in Barcelona verhasteten Personen aus der Haft und eine demokratische, liberale Politik verlangt werden. Grieckenlancl. Für TyPaldoS. Athen , 3. November. In Kephalonia , der Heimat von T h p a l d o S, fand eine Versammlung statt, in der dagegen Protest eingelegt wurde, daß gegen' Thpaldos Anklage wegen Hochverrats erhoben worden ist. Ein Sohn Kephaloniens fei noch niemals ein Verräter gewesen. THpaldoS' Freunde wünschten, daß das Programm der Militärliga in die Tat umgesetzt werde. Rumänien . Zum Fall Rakowski. Bukarest , 6. November. (Eig. Ber.) Die Regierung hat heute vor dem Bukarester Gericht eine blamable Niederlage erlitten. Heute fand die Verhandlung über das Verlangen des Staats- anwalts statt, sieben von den Genossen, die die Polizei als „Rädelsführer" bei der Demonstration gegen die Ausweisung Rakowskis verhaftet hatte, weiter in Haft zu behalten. Samt- liche Verhaftete waren, von Wache eskortiert, erschienen und wiesen Spuren der Mißhandlungen auf. Genosse Cristescu, der Sekretär der Gewerkschaftszentrale, zeigt Ver- letzungen an den Ohren, einen Bajonettstich am Hinter- Haupt und zahlreiche blaue Striemen. Die Verhafteten wurden vom Chefredakteur deS„Adeverul", Dr. Konstantin Mille, vom Abgeordneten Nikolaus F l e v a und anderen Advokaten verteidigt. Nach zweistündiger Debatte beschloß das Gericht, sämtliche Verhaftete entgegen dem Antrage des Staatsanwalts auf freien Fuß zu setzen. Da jedoch der Staatsanwalt die Berufung anmeldete, bleiben sie weiter in Haft. Nach dem Gesetz muß die Berufung binnen drei tfvri-n verhandelt werden. Ter Generalstreik in Galatz . Bukarest , 6. November. Der vierundzwanzig st ündige Generalstreik zum Protest gegen die Ausweisung des Dr. Rakowski ist heute früh zu Ende gegangen. Der sonst so lebhafte Hafen war wie ausgestorben, kein Schiff wurde ver- laden, sämtliche Fabriken feierten. An zehn- tausend Arbeiter nahmen an dem Streik teil. Durch die Intervention der Polizei konnten die Arbeiter keinen Ver- sammlungssaal bekommen; sie veranstalteten daher in ihrem eigenen Lokal vier Versammlungen, eine um 10 Uhr vormittags, die anderen um 2 und 5 Uhr nachmittags und eine um 8 Uhr abends. Während des TageS ereigneten sich zahlreiche Zu- fammenstöße zwischen Polizei und Arbeitern.— Eue der parteL Internationale sozialistische Preßkonferenz. Brüssel, 6. November. (Eig. Ber.) Die Konferenz sozialistischer Journalisten, die der Konferenz des internationalen sozialistischen Bureaus voranging, war von einem großen Teil der Delegierten dieses Bureaus sowie von Ver- tretern mehrerer Partciblätter besucht. Sie beriet über mehrere Vorschläge, die zur Verbesserung deS internationalen Jnformations- dienstes gemacht worden waren. Von den Vertretern von Deutsch - land, Oesterreich, Polen , Schweden u. a. wurde ausgeführt, daß bei ihnen die Frage im ganzen gelöst sei. Die Vertreter von Eng- land und Amerika gaben zu, daß die Berichterstattung der deutschen Presse im ganzen genüge, doch vermißte der amerikanische Vertreter(Genosse Berger) eine ausreichende Berichterstattung gerade aus seinem Land. Queich (England) und de Brouchere �Belgien ) hoben hervor, daß die anderen Länder in weit schlechterer Lage seien als Deutschland und Korrespondenten nötig haben. Hierauf wurde die Frage der Bulletins behandelt, die kleinere Nationen, die keine Tagesprcsse zur Verfügung haben, herausgeben wollen. Dr. Adler erklärte, es komme darauf an, in welcher Sprache diese Mitteilungen herausgegeben werden sollen. Die betreffenden Parteien sollten eine Umfrage an die Presse deS Auslandes richten und Abonnenten suchen. Allerdings müßten sie sich darauf gefaßt machen, draufzuzahlen. Die Errichtung ein es DepeschendiensteS wurde namentlich von de Brouchere befürwortet. ES könnten ganz gut, ohne große Kosten, Sammelstellen für wichtige Parteinach- richten errichtet werden, z. B. in Paris für Frankreich und Italien , in Berlin für Deutschland und Oesterreich. Renaudel(Ver- tretcr der„Humanite") und Vaillant stimmen diesen Aus- führungen zu. H u y s m a n S erhielt die Ermächtigung, an die deutschen Genossen, die bisher wenig Interesse für den Gegenstand gezeigt hätten, heranzutreten. Eine Diskussion über das Thema der Inserate in der Parteipresse ergibt die Unmöglichkeit einer.totalen Abschaffung oder auch nur einer uniformen Regelung. B r a n t i n g(Schweden ) teilt u. a. mit. daß die wichtigsten Partei- blätter seines Landes nach dem Generalstreik beschlossen haben, keine Spirituosenannoncen mehr zu veröffentlichen. Der Antrag, diese Frage auf der nächsten Pressekonferenz neuerlich zu beraten, fand nicht die Mehrheit. Ist Kognak Schnaps? Der Artikelschreiber setzt auseinander, daß Kognak Schnaps ist. Das wird ihm keiner bestreiten. Daß aber auf dem Parteitag beschlossen worden ist, es solle völlige Enthaltsamkeit vom Schnaps eintreten, das bestreite ich ganz entschieden. Genosse Löbe sagt in seiner Begründung zur Boykottresolution auf dem Leipziger Par- tcitag:„Wir wollen die Partei bestimmen zu einer Propaganda zur Herabminderung des SchnapsgenusseS in den deutschen Arbeiterkreiscn. Natürlich gehen wir nicht so weit, dag wir ein Parteiverbot verlangen, daß keiner mehr Schnaps trinken darf. Das könnte zu Zerwürfnissen führen." Ich glaube, wenn der Verfasser des Artikels die Begrün- dung dcS Genossen Löbe richtig durchdacht hätte, und die War- nung, die Genosse Löbe darin aussprach, daß durch ein striktes Verbot große Zerwürfnisse in der Partei entstehen könnten, beachtet hätte, dann wäre er nicht zu seinem Schlußsatz gekommen. Wenn der Boykott wie jetzt weiter durchgeführt wird, so treffen wir die Junker und die Regierung an ihrer wundesten Stelle und wir haben Erfolge. Wenn aber der Beschluß des Parteitages so aus- gelegt wird, wie der Artikelichreiber in seinem letzten Satz es tut, dann haben wir den allergrößten Krach und tiefe Uneinigkeit in der Partei und den Gewerkschaften. Man bilde sich doch nicht ein, daß Sitten und Gebräuche, die hunderte von Jahren bestanden haben, mit einmal ans der Welt zu schaffen sind. Ich glaube, wir haben allen Grund. Uneinigkeiten und Streitereien, die zu nichts Gutem führen, zu vermeiden. Das kann man. wenn man den Leipziger Beschluß so ausführt und so interpretiert, wie es aus dem Parteitag geschehen ist und nichts anderes.hineinlegt» R. iVV. Soziales« Kasernierte oder freie Prostitution? Die Bordcllfrage ist in Bayern durch den Stadtmagistrak Würzburg in Fluß gebracht worden. Dort hat die Sache in den letzten Monaten zu lebhaften Auseinandersetzungen in der Oeffcnt» lichkeit geführt, so daß sich der Magistrat gezwungen sah, Maß- nahmen zu schärferer Abschließung oder gänzlicher Beseitigung der Bordelle zu erwägen, um den erhobenen Klagen abzuhelfen. Das bischöfliche Ordinariat, die Geistlichkeit des Sprengels, die Lehrer- schast, die Nachbarn vereinigten sich in dem Rufe nach gänzlicher Aufhebung. Die Bordelle befinden sich nämlich sämtlich, neben anderen Häusern, in der hinteren Fischergasse; das Leben und Treiben, das mit ihnen zusammenhing, hatte zahlreiche Bc- schwerdcn über nächtliche Ruhestörungen, Gefährdung der Sittlich- kcit usw. zur Folge. Vom magistratischen rechtskundigen Refe- renten war vorgeschlagen worden, die Fischergasse zu einer Art Bordcllghctto zu gestalten; die Besitzer sollten gezwungen �iverden, die Privathäuser zu erwerben, die Straße sollte nach der Stadt zu durch ein mit Polizeiposten zu besetzendes Tor abgeschlossen werden und nachts nur von der Mainseite her zugänglich sein. In seiner letzten Sitzung befaßte sich der Magistrat mit der Sache; der Vor- schlag des Referenten wurde nach langen Auseinandersetzungen verworfen, ein Antrag auf prinzipielle Duldung der Bordelle jedoch mit alle« gegen vier Stimmen angenommen. Dagegen wurde die Fischergasse als Platz für die Bordelle nicht für geeignet erklärt und beschlossen, diese am 1. April 1910 zu schließen. Das Ministerium ist ersucht worden, sich in einer Entschließung über die Vordellfrage überhaupt prinzipiell zu äußern.. Die Verhandlungen des Stadtmagistrats Würzburg haben wieder gezeigt, wie ohnmächtig unsere öffentlichen Gewalten gegen die Prostitution sind. Das ist auch ganz natürlich. Die Prostitu- tion ist ein soziales Uebel, das mit der heutigen Gesellschafts- ordnung untrennbar verbunden ist. Will man die unleugbaren Schäden der Prostitution beseitigen, so muß man das Uebel an der Wurzel packen und der Gesellschaftsordnung selbst zu Leibe gehen. Man beschränkt sich darauf, das Uebel zu verdecken, die Prostitution polizeilich reglementieren. So ist man in vielen Städten dazu ge- kommen, die Prostitution in Bordelle zu verweisen, ohne damit Nennenswertes zu erzielen. Das schon deshalb, weil die ber- botene und verfolgte freie Prostitution neben der geduldeten Prosti- tution in den Bordellen lustig fortwucherte. Die Existenz der Bor- delle steht überdies mit dem Strafgesetz in Widerspruch. Ucber dem Bordellbesitzer schwebt jederzeit das Damoklesschwert des Kuppelei- Paragraphen. Die Polizei, die die Bordelle duldet, macht sich selbst der Kuppelei schuldig. Das ist in den 70er Jahren in einer Reihe von Gutachten anerkannt, die der Bundesrat von Universitäten aus Anlaß der Streitfrage einforderte, ob Hamburgs Bordell- betrieb unter das Strafgesetzbuch falle. Die Strafbarkcit wurde auch bei Gelegenheit der Beratung der ersten Lex Heinze im Jahre 1891 von Regierung und Reichstag anerkannt. Mit aus diesem Grunde wurde damals die von der Regierung erbetene Kasernie- runa der Prostitution abgelehnt. Wer Bordelle nur vom Stand- punkt ihrer männlichen Niehbrauchcr betrachtet und zu ihrer Ver- teidigung vermeintliche Gründe der Hygiene anführt, Übersicht die ständig wachsende Zahl von Sachverständigenstimmen, die die ge- sundheitlichen Gründe als nicht stichhaltig erklären, da in den Bor - bellen die Gefahr der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten trotz der ärztlichen Kontrolle nicht weniger groß sei als bei der freien Prostitution. Ebenso unberechtigt ist das Vorschüben von Rück- sichten auf die Wahrung der Sittlichkeit. Diese ist durch die Bor - belle genau so, vielleicht noch mehr gefährdet, als es angeblich duröv.) die freie Prostitution der Fall ist. Jedenfalls ist die Gele'Herc heit zur Verlockung der mit falschen Moralbegriffen erzort, vor Jugend, für die die jedermann bekannten Bordelle etwas geirischen nisvoll Anziehendes haben, bedeutend größer. Die Sittlichkeit U »rter- durch die Bordellierung oder Kasernierung nicht geschützt, soiwurde, die Ursachen, die zur Prostitution führen, werden durch sieuc flw* hüllt und die allergröbste Uufittlichkeit, die schamloseste Ausbcu'tung des Elends, durch sie gefördert. Das weiße Sklaventum, das in ab- schreckendster Gestalt in den Bordellen sich offenbart, läßt sich da- durch nicht beseitigen noch verringern, daß man es behördlich sanktioniert und wieder die Bordelle zu Staatsinstittttiouc», wie sie es im Mittelalter toaren, macht. Fort mit den Bordellen und fort mit den strafgesetzlichen Reglementierungen. Interessant wäre cS, vom Reichsjustizamt zu erfahren, weshalb seit etwa 10 Jahren in wachsendem Maße die mit den Kuppeleiparagraphen unvereinbare behördliche Duldung— man geht in dem Ersatz des Wortes Dul- dung durch Konzessionierung nicht zu weit— strafrechtlich nicht verfolgt wird. Nicht minder wie in Bayern , grassiert das Bordell« Unwesen seit etwa einem Jahrzehnt auch in anderen Bundes- staaten, nicht zuletzt in Preußen. Sind dem preußischen Justiz- Ministerium diese Zustände unbekannt? Weshalb bleiben Bordell- inhaber, die durch die Ausbeutung des zur Schamlosigkeit ver- urteilten Elends freilich Wähler erster Klasse sind, straffrei, wäh- rend Mütter dem Kuppclparagraphen zum Opfer fallen, die ein uneheliches Schäferstündchen ihrer verlobten Tochter in der müttcr- lichen Wohnung dulden? Hört das Recht und die Pflicht, gegen strafbare Handlungen einzuschreiten, auf, wenn die Täter„patrio- tische" Stützen der Dreiklassenschmach sind? Preußische Landeszentrale für Säuglingsschuh. � Auf Veranlassung der Deutschen Vereinigung für Säugling?- schütz fand am Sonnabend im Kultusministerium eine Konferenz unter dem Vorsitz des Kabinettsrats Dr. v. Bchr-Pinnow statt, in der der weitere Ausbau der Säuglingsfürsorge im Königreich Preußen zum Gegenstand der Verhandlung gemacht wurde. Es wurde die Bildung einer preußischen Landcszentrale für Säug- lingöschutz beschlossen. Diese soll im 5iaiserin Auguste-Viktoria- Hause ihren Sitz haben und zugleich als Verein zur Unterstützung dieser Anstalt wirken. Die Anwesenden übernahmen die Aufgabe, eine demnächst einzuberufende Versammlung der preußischen Pro- binzial- und Bezirksverbände und sonstigen Organisationen für Säuglingsschutz, sowie von Vertretern der Gemeinden, Gemeinde- verbänden, von Handel und Industrie usw. vorzubereiten. Die Zentralisation des Säuglingsschutzes kann segensreich wirken. Voraussetzung hierzu ist, daß die Zentrale in erster Linie einen schleunigen Schutz der Säuglinge ohne Rücksicht auf die Gründe, die einen solchen veranlaßt haben, herbeiführt und sodann auf die Ermittelung der Gründe, die das Schutzbedürfnis gezeitigt haben, dringt. Der Schutz ist eine soziale Notwendigkeit, die die Gemeindekörper und Landesvcrwaltungen als ihre Pflicht an- erkennen sollten. So human Wohltätigkeitsbestrebungen auf dem Gebiete des Säuglingsschutzes sind, so wenig können sie das er» füllen, was eine organisierte Säuglingsfürsorge erreichen könnte. Dürfen Hunde in Gastwirtschaften ohne Maulkorb umherlaufen? Nach§ 64 der Berliner Straßenpolizeiverordnung vom 31. Dezember 1899 ist eS verboten, an Orten, wo Menschen zu ver- kehren pflegen, Hunde ohne Maulkorb frei umherlaufen zu lassen. Der Gastwirt Mövius wurde auf Grund der Bestimmung vom Landgericht I zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er seinen Hund in seinem Gastraum ohne Maulkorb habe umherlaufen lassen. Das Kammergcricht hob dieser Tage daS Urteil auf, nachdem die Staatöamvaltschast zugunsten des Angeklagten Revision eingelegt hatte, und sprach M. frei. Begründend wurde ausgeführt: Die Gasträume von Schank- und Gastlvirtschaften seien allerdings öffentliche Orte und 8 64 sei auch auf öffentliche Orte gemünzt. Gleichwohl könne 8 64 auf dix Hunde in Gasträumen nicht An- Wendung finden, denn die Verordnung verweise aus die Straf- bestimmung des§ 366 Nummer 10 des Strafgesetzbuches als der maßgebenden, und. die habe nur die Uebertretung vor Ver- ordnungen im Auge, welche zur Erhaltung der Sicherheit, Be- quemlichteit, Reinlichkeit und Ruhe auf den öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder Wasserstraßen erlassen sei. Darunter fielen die Gasträume von Wirtschaften nicht» woraus sich die Frei« sprechung ergebe.
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