Gegen dieses Urteil legte Dr. Müller Berufung ein. Am8. November fand die Berufuiigsverhandlung statt.Genosse K i h schilderte eingehend den Sachverhalt und lenn-zeichnete das Verhalten des Dr. Müller in der Versammlung alsunlauter. Müller hätte als Mitverantwortlicher für Arnolds Wort«bruch in der Versammlung die Gefahren der geplanten indirektenSteuern behandeln und erklären müssen. Da er erst mit erklärthatte, dah Arnold nicht für Massensteuern stimmen werde, so durfteer dieser Versammlung keine Resolution vorlegen, in der die Parteiaufgefordert werde, das Notwendige, also auch die Massensteuern,zu bewilligen.Das Gericht stellte sich aber auf den Standpunkt, der Zweck derVersammlung sei gewesen, über die Nachlaststeuer Aufklärung zubringen und für sie Stimmung zu machen.Der Referent Dr. Müller habe die indirekten Steuern mehrereMale mit erivähnt, jedoch nicht nötig gehabt, sie ausfübrlich zu be«handeln. Der Angeklagte.habe das gewußt und war deshalbwegen verleumderischer Beleidigung(!) zu bestrafen. Das Urteillautete auf 200 M. Geldstrafe.Der Reichstagsabgeordnete Justizrat Arnold, dem der berechtigteVorlvurf des Wortbruches gemacht worden ist, ist ein Kollege derGreizer Richter, der Gymnasialoberlehrer Dr. Müller der Re-prüfe utant der Greizer„Vaterländischen� und Reichsverbändler.Die Greizer Richter haben geglaubt, nach bestem Wissen Rechtzu sprechen. Daß ihnen dabei unbewußt ihre Wertschätzung desJnstizratS Arnold und der„vaterländischen" und reichsverbändlerischenBestrebungen den Gesichtspunkt verschob, ist für jeden, der das frei«sprechende Urteil des Schöffengerichts mit de», der Strafkammervergleicht und die Unterlage des Prozesses prüft, nicht zweifelhaftDas erklärt auch, daß dem sozialdemokratilchen Redakteur ganznnberechligterweise der ungeheuerliche Vorwurf der verleumderischenBeleidigung gemacht wird.Doch auch dieses Urteil nützt den Reichsverbändlern nichts,nicht der Unterlegene, sondern der Sieger ist der Wer»urteiltel,_politifcbe Oeb er ficht.Berlin, den 12. November 1909Ungesetjliches Verfahren bei der Neichstagsersatztvahlin Landsberg- Soldin.LnnbSberg, 12. November.(Privatdepesche des„Vorwärts".)Bei der heutigen Reichstagsersatzwahl im hiesigen Wahlkreisewurde den Vertrauensmännern der Sozialdemokratie auf denDörfern der Zutritt zu den Wahllokalen fast durchweg ver-boten! Militärpapiere wurden als genügende Legitima-tion nicht anerkannt. Eine ortspolizeiliche Be-scheinigung, aus der hervorgeht, daß der Betreffendewahlberechtigt fei, wurde als unbedingt notwen-diger Ausweis erklärt! Ein Amtsvorsteher in HeinerSdorf beiLandsberg erklärte unseren Genossen, daß eine Versamm-lung der Wahlvorsteher in Landsberg statt-gefunden habe, in der sie angewiesen worden seien, so zuverfahren! Gegen diese ungesetzliche Maßregel legte unser Wahl-komitee sofort beim Landrat und auch beim Regierungspräsidentenund Ministerium des Innern Beschwerde ein, wobei sie auf diebereits in dieser Hinsicht vorliegenden Reichstags-, Ministeral-und Kammergerichtsbeschlüsse hinwiesen. Auf diese Beschwerde er-folgte erst am Spätnachmittag, machdem der Herr Landrat Kenntnisvon den Beschwerden durch seine vorgesetzten Behörden erhaltenhätte, folgender Bescheid:■ U-r„Auf Ihre heute vormittag gegen 11 Uhr in meiner Abwesen-heit eingebrachte Beschwerde wegen Nichtzulassung von Per-tranensmännern Ihrer Partei in den Wahllokalen kann ich zu-nächst nichts veranlassen, da ich nicht weiß, gegen welche Wahl-Vorsteher sich Ihre Beschwerde richtet.Ich werde übrigens die Wahlvorsteher, von denen mir be-kannt geworden ist, daß sie den Zutritt verweigert haben, sofortmit entsprechender Anweisung versehen. Ich stelle anHeim, IhreAngaben von heute vormittag dementsprechend zu � ergänzen.Dieser Bescheid erfolgt zugleich als Antwort auf die"an denHerrn Minister des Innern und den Herrn RegierungSpräsi-deuten gerichtete Beschwerde."##Es ist bezeichnend für unsere preußischen Zustünde, daßsich solche ungesetzlichen Handlungen, solche groben Verstößegegen die gehäuften unzweideutigen Entscheidungen deshöchsten preußischen Gerichts, des Reichstags und des preu-ßischen Ministeriums sich immer wiederholen können! Esscheint, als ob diese Entscheidutzgen für die betreffendenHerren Wahlvorsteher einfach nicht vorhanden sind. DerWahlkommissar, der die Herren zu instruieren hat, muß dochwissen, daß die Wahlakte durch den Ausschluß der Oeffentlich-keit ungültig werden und daß. wenn es notwendig sein sollte,dtos Wahlresultat anzufechten, der benachteiligten Parteidamit ein durchschlagender Wahlprotest gesichert wird. Aberfreilich, der Reichstag erledigt die Wahlprottste sehr langsam,und ein zu Unrecht Gewählter kann unter Umständen jähre-lang das Mandat ausüben!Was soll man aber dazu sagen, wenn einer der HerrenWahlvorsteher behauptet, daß er und seine Kollegen auf einerVersammlung der Wahlvorsteher zu Landsberg a n g e-wiesen worden seien, das Gesetz zu verletzen. Wer hatdenn diese Anweisung gegeben? Der Landrat kann es wohlnicht gewesen sein, da er in seiner Antwort auf die Beschwerdeunserer Genossen erklärt, daß er die Wahlvorsteher, von denenihm bekannt geworden ist, daß sie den Zutritt verweigerthaben, sofort mit entsprechender Anweisung verschen werd?.Wer ist es also, der die falsche Anweisung an die Wahl-Vorsteher ergehen ließ?Bezeichnend ist es auch, daß der Herr Landrat erst amSpätnachmittag auf die Beschwerde verfügen konnte. Mansollte meinen, daß an einem Wahltage der Herr Landrat dafürsorgen müßte, daß etwaige Beschwerden über das Wahlver-fahren sofort erledigt werden können!Der Streit um das Präsidium in Baden.Die Naiionalliberalen in Baden haben, obgleich sie bei denLandtagswaHlen von 23 aus 17 Sitze hernntergekonimen find undsomit unter den Fraktionen erst an dritter Stelle rangieren, dieHoffnung noch nicht aufgegeben, trotzdem den ersten Präsidentenstellen zu dürfen. In einigen Blättern, so im demokratischen„Landesboten", in der„Neuen Konstanzer Abendzeitung' undin einer badischen Korrespondenz der„Münch. N. Nachrichten"wird direkt gefordert, daß der Stichwaht-Großblock auch währendder Tagung deS Landtags erhalten bleibe. Als Grund, demZentrumals der stärksten Partei den Präsidentenposten vorzuenthalten, wird an-gegeben, daß das Volk sich vom Zentrum sbgewandt habe.„Hat man,so heißt es in der genannten Korrespondenz der„Münch euerNeuesten Nachrichten",«deswegen den Kampf gegen dieReaktion geführt, damit man, nachdem die„brutale Gewalt" denverbündeten Konservativ-Klerikalen eine wesentliche Anzahl vonMandaten ausgeliefert hat, einem Zentrumsmann höflich in denStuhl des ersten Präsidenten verhilft? Glaubt man, daß dieüberwiegende Mehrheit des badischen Volkes, das sich mitaller Deutlichkeit bei diesen Wahlen von der Reaktion ab-gewandt hat, einen Reaktionär als Präsidenten der Volksvertretungwüpscht? Wir sind der Meinung, daß als erste Tat des Großblocksdie Wahl eines Nationalliberalen zum ersten Präsidentenzu erfolgen hat. Wie die beiden Vizepräsidentenämter zu besetzensein werden, ist demgegenüber eine weniger bedeutende Frage."Wenn bei der Besetzung deS Präsidentenstuhls nicht die Stärkeder Fraktionen, sondern die Zahl der hinter ihnen stehenden Wählermaßgebend sein soll, so würden nach dieser Theorie im Reichstagdie Sozialdemokraten den ersten Präsidenten zu stellen haben.Selbstverständlich wollen die Nationalliberalen diese Konsequenznicht ziehen, sondern wollen den neuen„Grundsatz" nurdort angewandt wissen, wo er ihnen nützt. Uebrigenshaben Nationalliberale, Demokraten und Freisinnige zu-sammen weniger Stimmen bei der Wahl erhalten, alsdas Zentrum allein, obgleich dasselbe nickt in allen KreisenKandidaten aufgestellt, sondern verschiedentlich gleich für diekonservativen Kaudidaten gestimmt hat. Will man sich in liberalenKreisen auf die größere Stimmenzahl stützen, so muß man sich auchdie sozialdemokratischen Stimmen zuzählen, womit denn derPräsidentenwahl der Stempel eines direkt gegen das Zentrum ge»richteten Aktes aufgedrückt würde. Die letzte Präsidentenwahl imReichstag bietet übrigens ein Pendant hierzu, denn hier wurdeauch die stärkste Partei, daS Zentrum, durch den liberalen Blockausgeschaltet. Unsere ReichStagssraktion hat damals das Rechtdes Zentrums, den ersten Präsidenten zu stellen, anerkannt undhat entsprechend geslimint. Auch in Baden werden unsere Genossenden liberalen Sirenengesängen keine Folge geben. Unser Bruder-orga», die„Monnh. Volks st imme", winkt recht kräftig ab.Sie anerkennt die Weiterexistenz des Großblockes nicht, indem sieschreibt:„Wir haben dieser Anffassung gegenüber bereits betont, daßauf den Großblock bei der Präsidentenwahl nicht zurück-gegriffen werden kann. Die erste und einzige Tat desGroßblocks war die Verhinderung einer klerikal- konservative»Mehrheit bei den Stichwahlen. Mit der Beendigung dieserWahlen hat der Großblock zu existieren aufgehört. Wie geradedie Nationalliberalen, deren Führer und Preßorgane stet»mit besonderem Nachdruck die Beschränkung der Grobblockfunktionenauf den Tag der Stichwahl betonen und den Angriffen der Zentrums-presse gegenüber— durchaus der Wahrheit entsprechend— immerund immer wieder betonen, daß über diesen Tag hinaus ihre Parteikeinerlei Verbindungen mit der Sozialdemokratie mehr habe.— wiegerade diese Nationalliberalen den Großblock auch bei den Wahlenzum Kammerpräsidium noch in Anspruch ne hmen wollen,das ist uns gänzlich unverständlich." �Kraetkes letzte Tage.Die Tage deS Herrn Kraetke als Staatssekretär des Reichs-Postamtes sind gezählt. Daran ist nicht mehr zu zweifeln. Er selbstwill zwar nicht gehen, aber daraus loinmt es nicht an. Selbst soregierungsfromme Blätter wie die„Münchener Neueste Nachrichten"geben den Herrn Kraetke auf. Das Münchener Blatt sagt mit Recht:„Die einst so beliebte und berühmte Reichspost, die unterStephans genialer Führung die erste der Welt war, ist durch eineReihe von Maßnohmen ins Hintertreffen geraten. Mancherleialte Zöpfe in der Bestellung der Postsachen, werden sorglich alskostbare Güter gehütet, während andererseits die Beschränkung derBestellung peinlich empfunden wird.;~, X-tZ.. 1'"""Die einzige Reform, die Herr Kraetke eingeführt hat. ist dieVerbilligung deS Briefportos im Verkehr mit den VereinigtenStaaten. Aber auch dazu konnte sich Herr Kraetke erst entschließen,nachdem er jahrelang von der Geschäftswelt gedrängt worden war.Sonst aber folgte ein Rückschritt auf den anderen.Als sein Nachfolger wird, wie wir schon mitteilten, mit großerBestimmtheit der Unterstaatssekretär Twele vom Reichsschatzamtebezeichnet, dem eine wesentlich modernere Auffassung nachgesagtwird._Vündlerische Gestütshengste.In Ostpreußen bekämpfen sich jetzt die Konservativen und dieLiberalen und mit diesen der neue.Bauernbund" in der ruppigstenWeise. Jene aus Angst, daß ihnen im Bund der Landwirte dieBauern davon laufen; die anderen um die Unzufriedenheit derkleineren Besitzer mit der Politik der Großgrundbesitzer für sich aus-zunützen. Persönliche Beschimpfungen in der Presse und Sprengnngs-versrnve der in kleinen Städten und auf Dörfern stattfindenden Ver»sammlungen sind jetzt an der Tagesordnung.Eine solche, von dem„Bauernbund" arrangierte Radau-Ver-sammlung fand vor einigen Tagen auch in dem bei Osterodeliegenden Städtchen L i e b e m ü H l statt. Unter Führung des HerrnDr. Haupt-Berlin, eines Abgesandten des„BikndeS der Land-wirte", hatten sich eine Anzahl Mitglieder dieses BmrdeS, darunterGrafen, Barone und sonstige Blaubllltige eingefunden, um demRedner deS, Bauer nbundes" Dr. Böhme tüchtig heim-zuleuckten. Es ging denn auch ziemlich turbnleiil zu.Der Biindler Dr. Haupt machte dabei in folgender sehr beachtenS-werter Aeußerung seinem Herzen Luft:„Die Erbansallsteuer sei zu Recht abgelehnt, der gemeineMann könne und müsse die Steuern tragen, denn dazu erhält ervom Besitzer den höheren Lohn."Und ein Herr Professor Lech vom„Bund der Landwirte"meinte:„Nach statistischen Forschungen wäre die städtische und über-Haupt bürgerliche Bevölkerung schon in drei Generalionen fort-pflanzungsunfähig und nur von der Landwirtschaft allein kämealles Heil l'Demnach sind zur Rassenerhaltung die Zitzewitze, Jtzenplitze,Strackwitze, Kanitze und anderen-Jtze durchaus nötig. Haben sieauch sonst für die Nation keinen Zweck, so erfüllen sie doch wenigstensdie Funktionen guter Gestütshengste.Kommunalwahlen.Bei den Stadtverordnetenwohlen in Schwelm(Westfalen, Wahlkreis Hagen) erhielten bei den regelmäßigen Er-g ä nzu n g s w a h le n drei Sozialdemokraten 84S bis889, die ihnen gegenüberstehenden sechs bürgerlichen Kandidaten130 bis 483 Stimmen. Die drei Sozialdemokraten würden somitgewählt sein; da aber einer Hausbesitzer sein muß, waS nicht derFall ist, wurde die Wahl eines Sozialdemokraten für ungültigerklärt. Infolgedessen muß eine Stichwahl zwischen zwei bürgerlichenKandidaten stattfinden. Bei derErsatzwahl wurde ein Sozial-demokrat gewählt. Von 24 Sitzen des Kollegiums haben dieSozialdemokraten jetzt fünf inne.In Haan(Rheinland, Wahlkreis Lennep-Remscheid-Mettmann)wurden bei den Gemeinderatswahlen in der 3. Klasse die dreisozialdemokratischen Kandidaten mit großerMehrheit gewählt, trotzdem die Gegner sich pnter Führungder Klerisei vereinigt hatten. Die sozialdemokratischen Kandidatenerhielten 337 bis 343, die bereinigten Gegner je 180 Stimmen.Gegen die Vorwahl stieg die sozialdemokratische Stimmenzahl um100, die der Gegner um 3S.In Leichlingen(unterer Kreis Solingen) endeten dieStadtverordnetenwahlen in der dritten Abteilung miteinem Siege der sozialdemokratischen Kandidaten, die 226 bezw.225 Stimmen erhielten, während auf die bürgerlichen Kandidatenunter Führung einiger Großindustriellen 209 bezw. 214 Stimmenentfielen. Das kleine Landstädtchen hatte noch niemals eine so regeWahlbeteiligung gesehen.— In Burscheid(Kreis Solingen)blieben unsere Genossen, die sich zum e r st e n m a l an der Ge-meinderatSwahl in der dritten Abteilung beteiligten, um nurwenige Stimmen in der Minderheit gegen die vereinigtenGegner.In Iserlohn sind die Sozialdemokraten bei den Stadt-verordnetenwahlen der dritten Abteilung bei äußerst schwacher Wahl-betcilignng diesmal noch unierlegen. Die durchschnittliche Stimmen-zahl, die ihre drei Kandidaten erzielten, betrug 775, während der„liberale" Zentrums- und Reichslügenverbandsblock aus seine dreiKandidaten durchschnittlich 1100 Stimmen vereinigte. Die Sozial-demokratie hatte im Vorjahre 83 Stimmen mehr, die Gegner, dieauch damals ihren Block bildeten, 318 Stimmen mehr als diesesJahr. Bei iniensiver Agitation dürfte eS der Sozialdemokratienächsten Herbst doch gelingen, Bresche in das rein bürgerliche Stadt-Parlament zu legen.In Geschwenda(Schwarzburg-SonderShansen), wo dieSozialdemokratie bisher schon die Mehrheit im Gemeinderathatte, behauptete sie trotz äußerster Krastaustreugung der Gegner jeeinen Sitz in der zweiten und dritten Wählerabteilung und ge-wann noch einen dazu in der zweiten Abteilung.In Langewiesen(Schwarzburg-SonderShansen) gewannenunsere Genosse» einen neuen Sitz zu dem sckion besessenen.In Kaltennordheim(Sachsen? Weimar) ziehen unsereGenossen drei Mann stark zum ersten Male in den Ge-meinderat ein._Die Angst vor der Sozialdemokratie.In A r n st a d t(Schwarzburg- SonderShausen). wo kürzlichunsere Genossen zu den zwei Sitzen im Gemeinderat noch vier binzueroberten, ist die Absicht auf Verschlechterung des Ge-meindewahlrechtes aufgetaucht. Im Finanz- und Ver-waltungsausschuß wurde am Montag eine Petition auf Abänderungder Genieindeordnung behandelt. Bei dieser Gelegenheit machte derVorsitzende die Mitteilung, daß von anderer Seite geplant werde,das Wahlalter für die Gemeindewahlen herauf-zusetzen und sonstige Verschlechterungen einzuführen.Ein in der betreffenden Koininiision sitzender Genosse teilte inder„Thüringen", dem im Wahlkreise gelesenen Kopfblatt der Erfurter„Tribüne", der Oeffentlichkeit die geplante Ueberrumpelung mit undmachte den am Mittwoch tagenden Gemeinderat darauf aufmerksam, daßsich die Wählerschaft nie und nimmer den reaklionären Auscvlag gefallenlassen werde. Die Nummer unseres Parteiblatts mit der Aufdeckung deSreaktionären Anschlages wurde den Herren Gemeinderäten am Mitt-woiti in der Sitzung ans ihre Plätze gelegt. Darob nun gewalligeEntrüstung; die Herren faielten von„grobem Vertranensbrnch" usw.,aber unser Genosse Heer zahlte ihnen kräftig heim. Er habe in derVerteidigung bestehender Rechte den reaktionäre»Anschlag abwehren müssen, daß sei seine Pflicht, und erwerde es auch weiter so halten, wenn wieder ähnliche dunkle Plänegeschmiedet werden sollten._Kommunale Arbeitslvsenfursorge.Im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit im kommenden Winterbeschloß die Stadtverordnetenversammlung in Köln, neben derArbeitslosenversicherung Notstandsqrbeiten anzuordnen, für die zu-nächst 130090 M. ausgeworfen� wurden. Die Stadt K ö bn ver-pflichtete sich dafür zu sorgen, daß Arbeiterentlassungea M' ihrenBetrieben im-Winter-betmiedeN würden.Die kommunale Arbeitslosenversicherung(Genter System) tritt nach einem Mittwoch nacht vom Gemeinderatin Mülhausen i. E. mit starker Mehrheit gefaßten Beschluß dortmit dem 1. Dezember d. I. in Kraft. Dank einiger Verbesserungs-anträge, die bei der Verhandlung im Plenum deS GeineinderatSangenommen wurden, geht die Regelung etwas weiter als dasStamt in Straßbnrg, dem die Vorlage wortgetreu nachgebildet war.So ist der Gemeindeziischuß pro Kopf und Jahr an die Gewerkschaslenvon 50 Proz., die er im Entwurf betrug, auf 70 Proz. für die Ledigenund 80 Proz. für diejenigen Arbeiter erhöht worden, die jemand zuunterstützen haben. DaS Kartell der freien Gewerlichaflen hatte denEinheitssatz von 80 Proz. für alle beantragt. Ein eiustimmig angenommener liberaler Antrag spricht den Entschluß des Gemeinde»rates aus, die Einbeziehuna der Nichtorganisiertenin die Versicherung tunlichst bald in die Wege zu leiten. DerHöchstsatz des GemeindezuschnsseS pro Kopf und Jahr beträgt wie instraßburg 1 M._Arbeiterfchntz.Der Bundesrat hat sich in seiner gestrigen Sitzung mit der Neu-regelung der Arbeitszeit in den Gemüsekonserveufabriken beschäftigtund Bestimmungen erlassen, die im wesentlichen den Wünschen derKonservenfabrikante» Rechnung tragen. Die Wünsche dieser Herrengingen dahin, daß sie während der Obst- und Gemüseerntezeit inder unbeschränktesten Weise über die Arbeitskräfte der in den Fabrikenbeschäftigten Frauen verfügen können.Auch eine Unterstützung.In Pirna wurde ein 73 Jahre alter Tabakarbeiter, der imletzten Jahre nur noch imstande war, einen DurivschnittSwochen-verdienst von 4,03 M. zu erarbeiten, durch die neue Tabaksteuergänzlich erwerbslos. Aus dem Viermillionenfonds erhält er jetztdie Unterstützung von drei Vierteln des früheren Verdienstes, alsowöchentlich 3,02 M. Wie nun die«Süddeutsche Tabakzeitung" be-richtet, ging dem Tabakarbeiler vor kurzem ein Schreiben des Haupt-Zollamtes zu, das folgenden Inhalt hat:„Von verschiedenen sächsischen Zigarrenfabriken werden Tabak-arbeiter und Tabakarbeiterinnen, und zwar vorzugsweise solchegesucht, die dem Deutschen Tobakarbeiterverband nicht angehören.Insbesondere kommen in Frage die Firma Ernst Lange u. Söhneund Panlisch in Bischofswerda und Gebrüder Jedicke in Dresden.Sie werden von diesen Arbeitsgelegenheiten mit dem Hinweisedarauf in Kenntnis gesetzt, daß die Unterstützungspflicht als erfülltgilt, wenn Ihnen eine geeignete Beschäftigung an anderer Arbeits-stelle nachgewiesen wird, durch die sie wöchentlich wenigstens dreiViertel deS im Durchschnitte des Borjahres im Tabakgewerbebezogenen Wochenlohnes verdienen."Ans Grund der Ausführungsbestimmungen ist der Arbeiter ver-pflichtet, die ihm nachgewiesene Arbeitsgelegenheit anzunehmen, daer sonst der Unterstützung verlustig gehl. Ist es nicht ein starkesStück, von einem Manne im Alter von 73 Jahren zu verlangen,daß er ohne weiteres seinen Wohnsitz ändern und in eine andereStadt übersiedeln soll, noch dazu, wo er nicht einmal weiß, wie hierseine Arbeitskraft tiezahlt wird?Der Mut der M.-Glndbacher.Die„Westdeutsche Arbeiter-Zeitung"(M.-Glad-bach) hatte jüngst zum Kampf aufgerufen gegen die Sozialdemo-kratie, die„Partei der verfaulten Lehren, des niederkrachendenProgramms, der verstiegenen auSsichlSlosen Taktik, der politischenUnfruchtbarkeit". Die Sozialdemokratie solle gezüchtigt und ver-nichtet werden wegen deS„VcrleumdungSfeldzugs", den sie gegendas biedere Zentrum wegen seiner Mitwirkung bei der Reichs-finanzreform eröffnet hatte. Und deshalb forderte das M.-Glad-bacher Blatt die katholischen Arbeiter auf:„Geht auf de«ganzen Linie zum Angriff-vor! Stellt dio