hätten. Tausende demonstrierten eben durch Stimm- enthaltimg! Sicherlich iväre übrigens die Zunahme der Sozialdemo- kratie eine nicht unwesentlich stärkere gewesen, wenn die Wahl vier Wochen später stattgesunden hätte. Viele Hunderte von Wählern befanden sich diesmal als Flößer oder Schnitter außerhalb des Wahlkreises. Der größere Teil von ihnen würde aber zweifellos wie auch im Jahre 1907 sozialdemo- tratisch gewählt haben. War schon der Ausfall der Hauptwahl als neue Quittung für den Steuerraubzug des Schnapsblocks bedeutsam, so wird es die Stichwahl e r st recht sein I Denn bei dieser Stichwahl wird der Freisinn zu zeigen haben, ob er trotz der von den Agrariern empfangenen Fußtritte den Agrariern auch fernerhin Hand- langerdienste leisten will, oder ob er den Mut hat. seinen Deklamationen gegen die Reaktion auch die Tat folgen zu lassen. Der konservative Kandidat Holtschke ist ein Agrarier und ein Illtrareaktionär vom reinsten Wasser, für den sich der Bund der Landwirte mit besonderem 6ifer ins Zeug gelegt hat. Da sollte man meinen, daß es für jeden ivirklich liberalen Mann nur die gan�i selbst- verständliche Parole gäbe, die auch das„B e r l. Tage- b l a t t" ausgibt:„Die Liberalen werden Mann fürMann für das„kleinere Uebel". für den sozialdemokratischen Kandidaten eintreten müssen, wenn die Wahl eines Re» aktionärs verhindert werden und keine Verwirrung in die Bewegung getragen werden soll, zu der die Finanz- reforni des schwarzblauen Blocks den Anstoß gegeben hat." Die liberale Parteileitung des Wahlkreises scheint denn auch nicht den Mut zu haben, ihre Wähler z u g u n st e n des Reaktionärs abzukommandieren, wenn sie sich auch nicht ohne weiteres zu dem Entschluß aufzuschwingen vermag, die Unterstützung der Sozialdemokratie zu empfehlen. Die „Neumärkische Zeitung", das osfizielle Freisinns- organ des Kreises, schreibt nänilich: „Nun richtet sich alles Interesse natürlich auf die Stichwahl. Abhängig wird sie wesentlich von der Parole sein, die die liberale Wahlleitung ausgibt. Die Wahlleitung kann, wenn sie im Gegensatz zum deutschen Südwesten im Osten auch jetzt noch konseauent den Standpunkt vertritt, das; eine bürgerliche Partei der sozialdemokratischen nicht zu einem Mandat verhelfen darf, Wahlenthaltung proklamieren und von ihren An« hängern verlangen, daß sie der Wahl fern bleiben. Wie weit dem bei der herrschenden Stimmung Folge ge- geben wird, ist natürlich nicht vorauszusehen. Die Wahlleitung kann dann aber auch„die Entscheidung den Wählern überlassen", d.h. sie kann darauf ver- zichten, selbst zu entscheiden und die Marschrichtung auch in diesem Falle anzugeben. Sie würde damit erreichen, daß viele. die ohne Führung auf dem Gebiete der Politik nicht mehr Be« scheid wissen, g a r n i ch t wählen und daß viele andere zu den Konservativen stoßen. Endlich kann die Wahl- leitung für Unterstützung des Sozialdemokraten eintreten. Die Wahlleitung wird wohl die Stimmung in der liberalen Wählerschaft ergründen müssen. und wird danach ihre Vorschläge machen. Wie sie sich endgültig entschließt, läßt sich im Augenblick also kaum vor- hersage», um so weniger, als sie wohl, wenn sie sich auch sehr große Hoffnungen auf einen Wahlsieg kaum gemacht hat, auf das gestern zu verzeichnen gewesene Resultat kaum'rechnete. Daß die Konservativen viel verlieren würden, wußte man, daß ihr Ver- lust aber so erheblich sein würde, hat niemand erwartet. Darum ist die politische Situation heute eine ganz andere, als sie noch gestern nachmittag war. Man hat oft gesagt, daß ganz Deutschland auf diese Wahl blickt; wir glauben, daß auch auf den in Aussicht stcheuden Vorschlag der Wahlleitung, zumal sie hier das unbedingte Vertrauen besitzt wie selten eine Wahlleitung, nicht minder das Interesse ganz Deutschlands ge- richtet ist." Wir haben diesen Auslassungen kaum etwas hinzuzufügen. Wenn der Freisinn seine Entrüstuugskundgebungen gegen die Agrarier aller Welt als die hohlste und lächerlichste Komödie erweisen will, braucht er nur durch Pro- klamierung derWahlenthaltung oder Verzicht auf irgendeine Wahlparole dem Agrarier das Mandat zuzuschanzen! Denn daß solch feige Taktik bewußtermaßen kein anderes Resultat haben würde, hat ja das Landsberger Freisinnsblatt selbst klipp und klar ausgesprochen I Die Stichwahl ist in der Tat hochbedeutsam für den Freisinn. Versagt er hier, so wird er für die Reaktion vollends zuni Kindergespött werden. Aber auch innerhalb der Sozialdemokratie dürfte dann die Ansicht immer mehr An- Hänger finden, daß die Theorie vom„kleineren Uebel" einer solchen Partei gegenüber wirklich kaum noch in Frage kommen kann. Zur Cage In englaud. London , 11. November.(Eig. Ber.) Das Unterhaus hat sich vertagt und da8 Oberhaus wird am 22. Noveniber an die zweite Lesung des Etats herangehen und eine Reso- lution annehmen, daß die Lords den Etat wegen seiner revolutionären Maßnahmen nicht passieren lassen können und ihn deshalb dem Volke zur Entscheidung vorlegen. Die treibende Kraft für das Verhalten der Lords ist die Tarifreformbewegung. Ohne diese würde der Etat auf keine Schwierigkeiten stoßen. Die Tarifreformer sind zur Ueber- zeuguug gelangt, daß die Rebellion gegen die Steuerlasten, die der Etat den Neichen auferlegt, zum Kampfe gegen den Freihandel ausgenutzt werden könnte. Jetzt oder nie! Das ist die Parole der Tarifreformer. Es gibt wohl eine Anzahl von emsten konservativen Politikern, die den Lords raten, den Konflikt zu verschieben, da der Etat populär sei und den Liberalen zu einem Siege bei den auf die Ablehnung des Etats folgenden Wahlen ver- helfen werde. Allein in Zeiten ernster Staatskrisen gewinnen in der Regel die entschlossenen Draufgänger die Oberhand. Diese nehmen an, die Volksmassen kümmerten sich weniger um konstitutionelle als um ökonomische Fragen. Sie ver- sprechen dem arbeitenden Volke lohnende Beschäfti- g u n g durch Schutzzölle und die Schaffung einer starken Schicht von Kleinbauern in Großbritannien nach dem Muster der irischen Bodenreform vom Jahre 1903. In den beiden Punkten unterscheiden sich die Liberalen von den Konservativen. Jene sind für die Aufrecht- erhalt» ng des Freihandels und für die Schaffung von Kleinpächtern unter staatlicher und munizipaler Kontrolle. Staat und Gemeinde sollen den Boden ankaufen und ihn an Ackerbauern auf Zeit verpachten. Nicht etwa, weil die Liberalen gegen das Privateigentum an Grund und Boden wären, sondern weil die Erfahrung zeigt, daß britische Farmer das Pachten dem Ankause vorziehen. In beiden Punkten stimmen die Sozialisten eher mit den Liberalen als mit den Konservativen überein. Ueberhaupt ist das ganze sozialwissenschaftliche Rüstzeug der Konservativen erbärmlich; es trägt ganz den Stempel der Verzweiflung. Allein in der Praxis sind die Konservativen entschlossener und rücksichtsloser als die Liberalen. Jene sagen sich ganz einfach: Wir gewinnen auf jeden Fall; siegen wir bei den Wahlen, so haben wir erstens bewiesen, daß die Lords den Etat veriverfen können; zweitens haben wir die Macht, dem Freihandel ein Ende zu machen. Siegen die Liberalen bei den Wahlen, so haben wir doch jedenfalls gezeigt, daß die Lords in Finanzsachen dreinreden dürfen und die besitzenden Klassen schützen wollen. Trotz der Gewißheit, daß die Lords die zweite Lesung des Etats ablehnen werden, ist die öffentliche Meinung merkivürdig ruhig. Nur die Beziehungen zwischen den beiden alten Parteien haben die alte Freundlichkeit verloren. Das zeigte sich besonders beim Lord Mapor-Bankett wo dem Minister- Präsidenten Mr. Asguith ein höflicher, aber kühler Empfang bereitet wurde. Die Mehrheit der Citywähler ist konservativ und hält den Etat für revolutionär. Die Ablehnung des Etats berührt zwar in erster Linie die britischen Steuerzahler, die bereits seit Monaten höhere Steuern und erhöhte Preise für Tabak und Spirituosen zahlen, aber auch das Ausland wird durch die Haltung der Lords berührt. Die Ablehnung des Etats kann entweder bedeuten, daß alle Zölle zu Unrecht erhoben wurden, oder aber daß sie nach dem Etat des Jahres 1908 hätten erhoben werden müssen. Unmittelbar nach der Ablehnung des Etats wird sich das Parlament darüber klar werden müssen, wie es mit den Steuer- und Zollrechten steht. Die ganze Lage ist so abnorm, daß sie einzig und allein durch die Gewalt aufrechterhalten werden kann. m Gegen die Lords. London , 13. November. Der Chefsekretär für Irland B irr eil führte in einer Rede aus, man könne unmöglich glauben, daß das OberhnuS das von einer ungeheuren, noch nie dagewesene» Mehrheit des Unterhauses angenommene Budget ablehnen werde. Wenn die Lords das Schwert zögen, würden die Liberalen die Scheide ihres Schwertes wegwerfen, bis sie den Sieg gewonnen und die Lords in die ihnen Verfassung sni ätzig gebührende Stellung zurück- verwiesen hätten. Biuell wie« sodann auf einen Artikel der leitenden Finanzwochenschrift„The Ecouomist' hin, in dein der Verlust, der dem Schatzamt bei einer Ablehnung des Budgets er- wuchsen würde, auf 37'/« bis öl Millionen Pfund Sterling geschätzt wird, ein Verlust, dem durch Schntzschein« oder Vorschüsse der Bank von England begegnet werden müßte, wenn das Parlament keine Anleihe bewillige._ politische(lebersickt. Berlin , den 13. November 1909. Ueberschlaue Taktik. Die Leitung des„Bundes der Landwirte" schlägt eine neue Taktik ein, um die Differenzen in den Reihen der Agrar- konservativen zu unterdrücken. Das Hauptblatt des Bundes, die„Deutsche Tagesztg.", erklärt nämlich, daß mit dem „Gerede über hinter uns liegende Diuge endlich Schicht ge- macht" werden müsse. Es gäbe wirklich Nötigeres und Wichtigeres zu tun als zu zanken. Und dieses Wichtigere be- steht nach dem Blatte darin— daß der Kampf für höhere Agrarzölle wieder aufgenommen wird. Wie Herr Georg Oertel behauptet— der Artikel ist, wie die bekannte Kognakmarke beweist, von ihm selbst höchst- eigenhändig verfaßt— hat der geltende Zolltarif sich als ganz ungenügend erwiesen und muß deshalb notwendig geändert werden. Vor allem müsse er vollkommen lückenlos gestaltet werden. Der Zolltarif weise insofern bedauerliche Lücken auf, als die Zollsreiheit für Milch und Rahm im all- gemeinen festgelegt worden sei. Dadurch werde der Bauer geschädigt und der Butterzoll umgangen. Auch die Zölle auf die Erzeugnisse des Gartenbaues genügten noch nicht, der Gartenbau müsse deshalb durch den neuen Zolltarif er- heblich besser gestützt werden. Es gäbe noch eine Menge Lücken im Zolltarif, die beseitigt werden müßten. Die deutsche Grassamenzucht, vor allen Dingen aber auch der deutsche Flachsbau bedürften durchgreifenden und wirksamen Schutzes. Weiter verurteilt die„Tageszeitung" das Seuchen- abkommen nnt Oesterreich . Deshalb müsse der Reichsregierung und den verbündeten Regierungen von vornherein mit der er- forderlichen Entschiedenheit klar gemacht werden, daß die Landwirtschaft den nochmaligen Abschluß eines solchen Ab- kommens für eine Gefährdung ihrer Lebensinteressen erachte. Folgende Grundsätze für den agrarischen Zollkampf stellt die„Deutsche Tagesztg." auf: „Bei den neuen Handelsvertragsverhandlungen darf nur das Interesse der heimischen Arbeit bestünmend sein. Politische Freundschaften dürfen unter keinen Um- st ä n d e n durch wirtschaftliche Zugeständnisse erkauft werden. Der Zolltarif muß als Doppeltarif mit regelmäßigen Zöllen und Mindestzöllen gestaltet werden. Er muß lückenlos sein; selbst scheinbare Kleinigkeiten müssen die angemessene Berücksichtigung finden. Die Mindestzölle für die landwirtschaftlichen Erzeugnisie müssen so festgesetzt werden, daß sie während der voraussichtlichen Dauer der Handelsverträge der landwirtschaftlichen Erzeugung nach Möglichkeit auskömmliche Preise sichern." Die Herren von der Bundesleitung handeln gar nicht so ungeschickt, indem sie versuchen, die inneren Reibereien da- durch zu ersticken, daß sie eine neue Kampfstandarte aufrichten und die Nimmersatte Begehrlichkeit der Notleidenden mit und ohne Reitpferde aufstacheln. Die Parole:„Auf zum Kampf für höhere Agrarzölle I" zieht unter den Agrariern immer. Vielleicht hat sich aber dennoch das Bundes-Trifolium und seine Ratgeber gründlich vorrechnet; denn die Entfesselung eines neuen Kampfes für Agrarzollerhöhungen wird weitere Schichten des städtischen Mittelstandes und der Beamtenschast abstoßen und in diesen Schichten eine noch größere Reaktion gegen die einseitige konservative Jnteressenpolitik hervorrufen. als das Verhalten der konservativen Reichstagsfraktion bei der Beratung der Reichsfinanzrefonn. Deutsch -englisches Handelsprovisorium. Dem Reichstage wird bei seinem Zusammentritt eine Vorlage zugehen, die dem Bundesrat Vollmacht erteilt, das Handels- Provisorium mit England bis zum 31. Dezember 1911 zu ver- längern. DaS jetzige Provisorium, daS auf dem gegenseitigen Zu- geständnis der Meistbegünstigung beruht, läuft am 31. Dezember dieses Jahres ab._ Wieder unerbetene Ratschläge? ES ist jetzt etwa ein Jahr her, daß der Novembersturm gegen daS persönliche Regiment losgebrochen ist. Diesen Anlaß scheinen einige Engländer z« einer kleinen Jubiläums- gäbe benühen zu wollen. In einer Versammlung der „National Service League", eines militärischen Klubs, die gestern, stattfand, teilte der Admiral Sir Nathaniel B o w d e n- Smith den Anwesenden mit, einer seiner Freunde hätte kürzlich eine Unterredung mit dem Prinzen Heinrich, dem Bruder des deutschen Kaisers, gehabt, in dessen Verlaufe der Prinz ihm unter anderein sagte. dem Kaiser gingen die englischen Kritiken über ihn selbst sehr nahe. Wilhelm II. habe hinzugefügt, er wolle den Engländern natürlich keine Lehren erteilen, er meine aber, England sollte eine st arke Territorial- armee haben. Der Adnnral fügte dieser Mitteilung hinzu, er müsse diesem Rate des deutschen Kaisers durchaus bei- pflichten. Die Verwirklichung dieses Rates würde der britischen Flotte größere Bewegungsfreiheit geben. Soweit der englische Admiral. Ob die Erzählung stimmt, wird man noch erfahren. Sol- dies der Fall sein, dann müßte allerdings an das Versprechen nach„ni ehr Zurück- Haltung" nachdrücklichst erinnert und diese MahuUUg auch auf den Prinzen Heinrich ausgedehnt werden. Wer ist die machtvolle Persönlichkeit? Wir haben jüngst davon Notiz genommen, daß der längst der- sprochene Gesetzentwurf, der die Frage der Reichs- und Staats- angehörigleit in einheitlicher Weise regelt, auch in dieser Session dein Reichstage nicht zugehen soll. Nachdem Staatssekretär v. Schoen bereits vor zwei Jahren versichert hat, daß der Entwurf fix nnd fertig sei, ist die Frage nach dem Grunde dieses Hinaus- schiebens jedenfalls angebracht. Es spielen hier wieder einmal Einflüsse mit, die sich der Kontrolle der Oeffentlichkeit entziehen. Die„Rheinisch-Wcstfälische Zeitung" hat sich bemüht, die Ur- fachen des Widerstandes zu ergründen, und diesem Blatt wird jetzt von parlamentarischer Seite mitgeteilt, daß von einer Seite un- bedingt an der Forderung festgehalten wird,' daß die Nicht- erfüll» ng der Wehrpflicht den Verl» st der Reichs- angehörigleit zur Folge haben müsse. „Es ist aber", sagt das nationalliberale Blatt,„von den besten Kennern aller für die Staatsangehörigkeit in Betracht kommenden Fragen überzeugend nachgewiesen worden, daß die Absicht, sich derWehr- Pflicht zu entziehen, nur bei einem verschwindenden Bruchteil aller Auswanderer dos leitende Motiv ist, während in der überwiegenden Mehrzahl nur das Bestreben nach Begründung einer Existenz den Anlaß biete, dem Vaterlande den Rücken zu kehren. Allen diesen Personen, die aus rein wirtschaftlichen Gründen mit unseren gesetzlichen Bestimmungen über die Erfüllung der Wehrpflicht in Konflikt geraten, deswegen die Reichsangehörigkeit zu entziehen, liegt aber nicht der geringste Anlaß vor." Jedenfalls wäre es sehr wünschenswert, daß die„machtvolle" Person, die in der Lage ist, die Einbringung eines so wichtigen Gesetzes zu verhindern, etwas deutlicher bezeichnet würde. Diese Zuschrift beleuchtet wieder einmal deutlich die unhaltbaren Zustände. die wir in Deutschland haben. Eine einzelne Person ist in der Lage, zu verhindern, daß ein Gesetz zustande kommt, daS im Entwurf bereits fertig ist und das von allen Parteien dringend gewünscht wird. Vielleicht gibt Herr v. Schoen bei der Beratung seines Etats im Reichstag nähere Auskunft? Nationalliberale Denunziation. Bei den Stadtberordnetenwahlen in K a l t o w i tz(O.-Schl.) sind die deutschen Parteien mit den Polen , die mit dem Zentram zu- sammengingen, in die Stichwahl gedrängt worden. Unsere Ge- nossen geben den Ausschlag. Das geht der nationalliberalen „Kattowitzer Zeitung", die für Oberschlesien die führende Rolle in der Beschimpfung der Polen übernommen hat, natürlich wider den Strich. Zunächst versucht das Organ der Grubenbesitzer und Hüttenbarone unsere Stichwahthilfe dadurch zu gewinnen, daß es die Sozialdemolratie mit einer ganz ungewöhnlichen Schonung behandelt und dann wendet es sich mit einer ganz gemeinen Denunziation gegen alle diejenigen königlichen und Staats- beamten. die für die gemeinsanen Kandidaten deS Zentrums und der Polen gestimmt haben: „Ueberhaupt war eS ein recht beschämendes Schauspiel, als kaiserliche und königliche Beamte m Uniform ihre Stimmen für die Polen abgaben. Es ist laum glaublich, daß Beamte, die aus Staatsmitteln besoldet werden, die sich der besonderen Fürsorge der Regierung durch alle möglichen Zulagen erstellen, ihre Stimmen auch solchen Kandidaten gaben, die eS auf eine Vernichtimg des preußischen Staates abgesehen haben. Es dürfte wohl außer allem Zweifel stehen, daß die Regierung nun ihr erhöhtes Augenmerk auf diejenigen ihrer Beamten richtet, die dem Deutsch- tum in den Ostmarlen in den Rücken fallen. Bis mittags 1 Uhr hatten im Westbezirk von 7ö Eisenbahnbeamten öS polnisch gewählt, darunter auch Eisenbahnsekretäre: die Unterbeamten wählten alle, mit Ausnahme von einigen Zugführern, in diesem Bezirke polnisch. Aber nicht nur Beamte der kaiserlichen Post, deS Steuer- amteS und der Eisenbahn wählten polnisch, sondern auch ein Ober- lehrer des kgl. Gymnasiums, noch dazu ein Herr, der vor nicht allzu langer Zeit auS dem Westen nach Kattowitz versetzt worden ist. DaS ist doch ein« recht üble Verkennung hiesiger Berhältnisie. Diesem Beispiele des kgl. Oberlehrers folgten auch der Rektor einer Kattowitzer Volksschule und leider auch viele Kattowitzer Lehrer.... ES ist wohl anzunehmen, daß die liberale» Stadt- verordneten, die sich wohl in allernächster Zeit mit einer ziemlich beträchtlichen Ortszulage für die Lehrer beschäftigen müsien, ihre Rückschlüsse aus dem Verhalten der Lehrer ziehen werden, denn die polnisch wählenden Lehrer haben ja ihrer Unzustiedenheit gegen die liberalen Stadtverordneten in recht unzweideutiger Weise Ausdruck gegeben. In brutalerer Form ist kaum jemals die Ansicht ausgesprochen worden, daß die Beamtenschaft ihre Ueberzengung und ihr politisches Verhalten genau dem Wunsche ihre? staatlichen oder kommunalen „Arbeitgebers" anzupassen habe. Und diese Blätter von der Ouolität der„Kattowitzer Ztg." entrüsten sich dann hinterher über irgend welchen vorgeblichen sozialdemokratischen WahlterrorismuS. Die„Konservative Korrespondenz". Die vom Hauptverein der Deutschlonservativen herausgegebene „Konservative Korrespondenz" hat in letzter Zeit denen, die ge- zwungen find, ihre Lrtikelchen und Notizen zu lesen, manche Er- heiterung geboten teils durch die Eigenart ihrer offiziellen Spitzenartikel, die mit einer gewisien Geschicklichkeit den höheren preußischen Kanzleistil zu kopieren trachten, teils durch die prätentiöse köstliche Naivität der öffentlichen Erlasse, Er- Mahnungen und Belobigungen deS konservativen Parteivorstandes. In ihrer letzten Nummer bringt die«Konserv. Korresp." wieder folgende niedliche Danksagung und Zensur, die wir unseren Lesern, die Sinn für Humor haben, nicht vorenthalten wollen. Die kleine Sonntagsepistel lautet: Unsere Presse! Die auf konservativem Boden stehende Presse hat gegenüber der liberalen und„parteilosen" Publizistik schon immer einen schweren Stand gehabt, da sie leider zu gering an Zahl und nicht verbreitet genug ist. Dies ha» seine Ursache wesentlich darin. daß sie von unseren Parteifreunden nicht mit dem Eiter und der Opsersteudigleit unterstützt wird, wie«S unbedingt erforderlich
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